Titel:
Erfolgloser Eilantrag der Nachbarn gegen Zustimmungsbescheid für Parkhaus
Normenketten:
BayBO Art. 73
VwGO § 80 Abs. 5, Abs. 7
Leitsatz:
Ein in die Baugenehmigung einbezogenes schalltechnisches Gutachten kann deren Bestimmtheit herstellen. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausreichende Bestimmtheit einer Baugenehmigung unter Drittschutzaspekten, Interessenabwägung, bauaufsichtliche Zustimmung, Grundstücksnachbar, Bestimmtheit, schalltechnische Untersuchung
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 02.06.2025 – M 29 SN 24.5026
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20856
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragsteller tragen gesamtschuldnerisch die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 7.500 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragsteller wenden sich als Grundstücksnachbarn im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes gegen einen vom Antragsgegner erteilten Zustimmungsbescheid betreffend die Errichtung eines Parkhauses für ein Universitätsklinikum.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg. Die von den Antragstellern dargelegten Gründe, auf die die Prüfung im Beschwerdeverfahren beschränkt ist (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), rechtfertigen keine Änderung der angefochtenen Entscheidung.
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1. Nach § 80a Abs. 3 Satz 2 VwGO i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht auf Antrag eines Nachbarn die nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO und § 212a Abs. 1 BauGB zunächst ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage gegen die bauaufsichtliche Zulassung eines Vorhabens anordnen, wobei es insoweit aufgrund der sich im Zeitpunkt seiner Entscheidung darstellenden Sach- und Rechtslage eine eigene Ermessensentscheidung trifft, die sich in erster Linie an den Hauptsacheerfolgsaussichten orientiert. Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des einstweiligen Rechtschutzes kennzeichnet, ist keine Verletzung nachbarschützender Vorschriften erkennbar.
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1.1 Soweit die Beschwerdebegründung eine mangelhafte Prüfung der brandschutzrechtlichen Anforderungen bzw. eine Unbestimmtheit des Zustimmungsbescheids in Bezug auf diese rügt, ist dem entgegenzuhalten, dass der Brandschutz nicht zum Prüfungsumfang der angefochtenen bauaufsichtlichen Zustimmung gemäß Art. 73 BayBO gehört. Entscheidungsmaßstab im Zustimmungsverfahren sind nur die in Art. 73 Abs. 2 Satz 2 BayBO aufgeführten öffentlich-rechtlichen Vorschriften. Eine Abweichung von brandschutzrechtlichen Vorschriften wurde mit der bauaufsichtlichen Zustimmung nicht zugelassen. Soweit mit der Zustimmung „Abweichungen“ zugelassen wurden, beziehen sich diese ausschließlich auf Festsetzungen im Bebauungsplan. Die Einhaltung hiervon möglicherweise indirekt betroffener brandschutzrechtlicher Anforderungen ist im Wege der Bauaufsicht außerhalb des Zustimmungsverfahrens sicherzustellen.
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1.2 Mit dem Erstgericht ist davon auszugehen, dass die bauaufsichtliche Zustimmung nicht wegen fehlender Auflagen zu vom Vorhaben ausgehender nicht Lärm betreffende Emissionen in nachbarrechtsrelevanter Weise zu unbestimmt ist. Soweit die Beschwerdebegründung angesichts der vorherrschenden Windrichtung eine unzumutbare Beeinträchtigung durch Abgase behauptet, ist dies vor dem Hintergrund der Lage des geplanten Vorhabens von über 50 m südlich des klägerischen Grundstücks bzw. Anwesens nicht nachvollziehbar und damit unsubstantiiert. In Bezug auf die ebenfalls behauptete „Lichtverschmutzung“ ist darauf hinzuweisen, dass für das geplante Vorhaben weder Strahler noch eine Dauerbeleuchtung vorgesehen sind, zumal auch hier die Entfernung von über 50 m eine Beeinträchtigung durch Lichtemissionen kaum denkbar erscheinen lässt. Die geplanten PV-Module sollen in Ost-West Richtung angebracht werden, sodass eine unzumutbare Blendwirkung in Richtung des nördlich gelegenen Grundstücks der Antragsteller auszuschließen ist.
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1.3 Eine fehlende Bestimmtheit des Zustimmungsbescheids unter nachbarrechtlichen Gesichtspunkten liegt auch nicht deshalb vor, da dieser zu Unrecht davon ausgehe, das streitgegenständliche Vorhaben verfüge nur über sechs anstatt über tatsächlich sieben Vollgeschosse. Zum einen ergibt sich aus den genehmigten Plänen mit hinreichender Deutlichkeit, dass das streitgegenständliche Parkhaus mit sechs Vollgeschossen ausgeführt werden soll. Einzelne kleinere Elemente des Vorhabens, die das Niveau des letzten Vollgeschosses überschreiten, wie Treppenhäuser oder Aufzugsüberfahrten, vermögen insoweit zu keiner anderen Beurteilung zu führen. Zum anderen würde die fehlende Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans für ein siebtes Vollgeschoss bzw. für die Grund- und Geschoßflächenzahl keine nachbarschützenden Vorschriften des Bebauungsplans verletzen, wie der Senat bereits im Verfahren betreffend den Vorbescheid für das streitgegenständliche Vorhaben festgestellt hat (vgl. BayVGH, B.v. 4.2.2025 – 2 ZB 23.624 – juris Rn. 8). Etwas Anderes ergibt sich auch nicht aus der von der Beschwerdebegründung in Bezug genommenen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2013 (Az. 14 B 12.193 – juris). Dort ging es um eine Klage einer Standortgemeinde, die aufgrund der ihr subjektiv zukommenden Planungshoheit die objektive Verletzung von Vorschriften des Bauplanungsrechts rügen kann. Eine Verletzung des Rücksichtnahmegebots unabhängig von der Frage, ob sich Drittschutz aus dem Bebauungsplan ergibt, könnte allein aus dem Umstand, dass der Zustimmungsbescheid fälschlicherweise von nur sechs Vollgeschossen und einer geringeren Grund- und Geschoßflächenzahl und deshalb von einem geringfügig weniger „massiveren“ Vorhaben ausgeht, bei einer Entfernung von über 50 m zum klägerischen Grundstück noch nicht einmal ansatzweise angenommen werden. Der Senat hat im Übrigen bereits mit oben genanntem Beschluss vom 4. Februar 2025 (Az. 2 ZB 23.624 – juris) festgestellt, dass sämtliche Festsetzungen zum Maß der baulichen Nutzung keinen Drittschutz entfalten, sodass der in der Beschwerdebegründung nunmehr behauptete „Abschirmungsdrittschutz“, der sich im Kern aus der Größe des Baukörpers ergeben soll, ebenfalls nicht besteht, womit dieser Vortrag ins Leere geht.
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1.4 Es ist hinreichend deutlich, auf welche räumliche bzw. flächenmäßige Ausdehnung des Vorhabens sich die erteilte Zustimmung bezieht. Mit dem Erstgericht ist davon auszugehen, dass diese nur für den Bereich am südlichen Rand des derzeitigen Parkplatzes P2 nördlich der M.-straße gilt, nachdem nur dieser in den Bauvorlagen dargestellt wird. Ob der von den Bauvorlagen nicht umfasste restliche Bereich des derzeitigen Parkplatzes P2 für den Fall seiner zukünftigen Nutzung als Teil des jetzt genehmigten Vorhabens in die schalltechnische Untersuchung, die zum Gegenstand des Zustimmungsbescheids gemacht wurde, einbezogen werden muss, ist eine andere Frage, deren Klärung das Erstgericht aufgrund des in tatsächlicher Hinsicht nur summarischen Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens zu Recht dem Hauptsacheverfahren vorbehalten hat. Zudem kann der Antragsgegner dies ohne weiteres durch eine ergänzende Klarstellung im Zustimmungsbescheid dahingehend regeln, dass der von den Bauvorlagen nicht umfasste restliche Bereich des derzeitigen Parkplatzes P2 nach Realisierung des streitgegenständlichen Vorhabens nicht mehr als Parkplatz genutzt wird. Eine solche Klarstellung hat der Antragsgegner im Schriftsatz vom 24. Juli 2025 auch bereits angekündigt; der Senat hat keinen Anlass, daran zu zweifeln, dass diese Ankündigung im Hauptsacheverfahren auch in die Tat umgesetzt wird.
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1.5 Durchgreifende Mängel des schalltechnischen Gutachtens, das zum Gegenstand des Zustimmungsbescheids gemacht wurde, sind zum einen nicht erkennbar und zum anderen im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes nicht durchschlagend.
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1.5.1 Grundsätzlich ist es in der obergerichtlichen Rechtsprechung anerkannt, dass ein in die Baugenehmigung einbezogenes schalltechnisches Gutachten deren Bestimmtheit herstellen kann (vgl. etwa BayVGH, B.v. 17.10.2022 – 1 ZB 20.389 – juris Rn. 9; OVG RhPf, U.v. 16.3.2023 – 1 A 10112/22.OVG – juris Rn. 37). Herkunft und Höhe der Fahrbewegungszahlen sind anhand des im Beschwerdeverfahren nunmehr vollständig vorgelegten Verkehrsgutachtens ausreichend nachvollziehbar. Entgegen der Beschwerdebegründung wurden die zugrunde gelegten Fahrbewegungen nicht in der möglicherweise nicht repräsentativen „Pandemie-Phase“ ermittelt. Das maßgebliche Verkehrsgutachten (Teil B, ruhender Verkehr) stammt vom Januar 2019. Der Antragsgegner weist zu Recht darauf hin, dass die Ergänzung vom 24. September 2021 betreffend die künftigen Fahrbewegungen im Parkhaus auf Daten des Parkraummanagements der Klinik zur Auslastung aller bestehenden Parkplätze des Klinikums basiert, die nicht „coronabedingt“ bereinigt werden müssen. Zur Ermittlung der Fahrbewegungen wurden als Grundlage die Schrankenbewegungen des bestehenden Parkplatzes P20 im Zeitraum 2019 bis KW30/2021 herangezogen. Diese Daten wurden mit der Auslastung der übrigen Parkplätze aus dem Jahr 2016 gespiegelt. Die Rohdaten wurden auf einen möglichen „Corona“-Effekt in der Kfz-Nutzung untersucht, indem der Datensatz aus der Zeit vor Februar 2020 mit dem kompletten Datensatz verglichen wurde. Die Abweichungen waren minimal. Deswegen bestehen keine Bedenken dagegen, dass der komplette Datensatz für die Analyse genutzt wurde. Die Zunahme an Beschäftigten, Patienten und Besuchern wurde in der Verkehrsuntersuchung berücksichtigt.
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Soweit die Beschwerdebegründung die fehlende Einbeziehung von Trafos in das Schallschutzgutachten moniert, wiederholt sie lediglich das erstinstanzliche Vorbringen, sodass insoweit vollumfänglich auf die zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts verwiesen werden kann (vgl. dort Rn. 46 ff.).
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Soweit die Beschwerdebegründung unter Nr. 2.2 das Unterbleiben der Berücksichtigung „diverser weiterer lärmrelevanter Gesichtspunkte“ rügt, räumt sie selbst ein, „manches hiervon mag allein betrachtet keinen wesentlichen Beitrag leisten, aber durchaus in der Summe“. Vor diesem Hintergrund verfehlt sie die Anforderungen an einen substantiierten Beschwerdevortrag (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), nachdem sie es in den Bereich des Beschwerdegerichtes verweist, im Wege einer Aufsummierung für sich genommen möglicherweise nicht relevanter Lärmquellen insgesamt einen durchschlagenden Mangel zu erkennen, ohne auch nur halbwegs konkrete Anhaltspunkte für dabei zu berücksichtigende (Einzel) Lärmwerte zu nennen.
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1.5.2 Mit dem Erstgericht ist allerdings davon auszugehen, dass im Hauptsacheverfahren noch zu klären sein wird, ob und wie die Technikräume mit den Wechselrichtern der PV-Anlage in die Lärmprognose einzubeziehen sind. Bislang wurden diese nicht als Schallquellen im Lärmgutachten berücksichtigt. Insoweit ergibt allerdings eine reine Interessenabwägung, dass dieser offene Punkt nicht eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung rechtfertigt (vgl. unten 1.6).
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1.6 Letztlich ist auch die vom Erstgericht vorgenommene Interessenabwägung, die sich weitgehend an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache orientiert, nicht zu beanstanden. Das gilt auch unter Berücksichtigung des unter 1.5.2 Ausgeführten. Insoweit hat der Antragsgegner im Beschwerdeverfahren vorgetragen, die Räume für die Wechselrichter der geplanten Photovoltaikanlage befänden sich im Bereich des Versatzes des Dachgeschosses. Auch diese Räume seien alle mittels Schallschutzfassade nach allen Seiten geschlossen. Zudem seien die eingesetzten Wechselrichter laut Ausschreibung des Staatlichen Bauamts mit einer reduzierten Geräuschemission von max. 60 dB(A) zu realisieren und damit unter dem Wert des Fahrzeugverkehrs. Die Wechselrichter seien baulich so ausgelegt, dass keine aktiven Lüftungseinrichtungen mit schalltechnischer Außenwirkung erforderlich seien. Die Wärmeabfuhr erfolge passiv. Aus der baulichen Struktur ergebe sich, dass eine relevante Schallabstrahlung in Richtung der angrenzenden Wohnbebauung nicht möglich sei. Diesen nachvollziehbaren Ausführungen ist die Beschwerdebegründung nicht substantiiert entgegengetreten, sondern beschränkt sich darauf, dem entgegen zu setzen, dass sich dies nicht aus dem Zustimmungsbescheid ergebe. Damit spricht eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die weitere Aufklärung des Umstands im Hauptsacheverfahren ergeben wird, dass auch die Einbeziehung der Räume für die Wechselrichter in schallschutztechnischer Hinsicht kein anderes Ergebnis als bislang erbringen wird. Sollte sich im Hauptsacheverfahren dennoch etwas Anderes herausstellen, könnte im Wege einer Abänderung des bisherigen Beschlusses nach § 80 Abs. 7 VwGO die Nutzungsaufnahme bzw. Fortsetzung der Nutzung des Parkhauses untersagt werden, bis durch eine Vornahme der dann notwendigen technischen Änderungen, etwa die Anbringung verbesserter akustischer Gehäuse o.ä., eine Einhaltung der einschlägigen Lärmwerte gewährleistet ist.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2, § 159 Satz 1 VwGO i.V.m. § 100 ZPO. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1, § 47 GKG.
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3. Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).