Inhalt

VG Regensburg, Beschluss v. 25.06.2025 – RO 4 S 25.1118
Titel:

Widerruf eines kleinen Waffenscheins

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
WaffG § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a, § 45 Abs. 5, § 46 Abs. 6
Leitsätze:
1. Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 lit. a WaffG kann nur in einem Ausnahmefall ausgeräumt werden. Ein Ausnahmefall kann nicht schon dann angenommen werden, wenn die Höhe der im Strafverfahren verhängten Geldstrafe die unterste Grenze der Regelvermutung darstellt und der Antragsteller sich möglicherweise der waffenrechtlichen Auswirkungen der Verurteilung nicht bewusst war. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dabei können sowohl die Waffenbehörde als auch das VG grundsätzlich von der Richtigkeit des zur Verurteilung führenden rechtskräftigen Strafurteils ausgehen. (Rn. 30) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Widerruf, Waffenschein, Zuverlässigkeit, Unzuverlässigkeit, Regelvermutung, strafrechtliche Verurteilung, Ausnahmefall, vorläufiger Rechtsschutz, öffentliches Interesse
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 06.08.2025 – 24 CS 25.1307
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20855

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 3.750 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten streiten um den Widerruf eines kleinen Waffenscheins im einstweiligen Rechtsschutz.
2
Der Antragsteller ist Inhaber eines vom Landratsamt R. am … ausgestellten kleinen Waffenscheins Nr. … Der Antragsteller wurde mit Strafbefehl des Amtsgerichts Regensburg vom 27.11.2023 wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt. Dieser Strafbefehl ist seit 19.12.2023 rechtskräftig. Ausweislich des Strafbefehls habe der Antragsteller am 20.1.2023 sowie am 22.5.2023 auf seinem für jedermann sichtbaren F. -Profil unter dem Benutzernamen „…“ den Ausdruck „Deutschland erwache“ verwendet. Er habe gewusst, dass es sich dabei um die verbotene Losung der SA, mithin um ein Identifikationszeichen einer ehemaligen nationalsozialistischen Partei, der NSDAP, gehandelt habe. Er habe auch gewusst, dass das F. -Profil von jedermann eingesehen werden konnte und mithin der Kommentar von einer Vielzahl von Nutzern gelesen werden konnte.
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Der Antragsteller wurde mit Schreiben des Landratsamtes R. (im Folgenden: Landratsamt) vom 13.12.2024 zum beabsichtigten Widerruf seines kleinen Waffenscheins angehört.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 30.1.2025 ließ der Antragsteller ausführen, dass kein Entziehungsgrund vorliege. Der Antragsteller habe sich auf seinem bisherigen Lebensweg absolut straffrei verhalten und von der einen ungeschickten Formulierung, welche er im Übrigen auch umgehend entfernt habe, habe er sich distanziert. Er sei sich der Tragweite nicht bewusst gewesen und dass diese Formulierung nicht zulässig sei und zum Sprachgebrauch der Nazizeit gehöre. Der Antragsteller sei ein sozial sehr engagierter Mensch, welcher in seiner Heimatgemeinde mit der dortigen Kirchengemeinde die Unterbringung von Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine organisiere, Hilfe für diese Menschen initiiere und selbst in seinem Haus eine Flüchtlingsfamilie untergebracht habe. Der Vorwurf habe den Antragsteller schwer getroffen und aufgrund seiner glaubwürdigen Darlegung im Strafverfahren habe der Staatsanwalt von einer Anklageerhebung abgesehen und das Verfahren in der bekannten Form abgewickelt. Das Verfahren sei nur deshalb nicht komplett eingestellt worden, da die Staatsanwaltschaft als weisungsgebundene Behörde den Vorgaben des Generalstaatsanwaltes zu folgen gehabt habe. Der Antragsteller besitze nach wie vor die notwendige waffenrechtliche Zuverlässigkeit.
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Unter dem 9.4.2025 erließ das Landratsamt folgenden Bescheid:
„1. Die waffenrechtliche Erlaubnis des …, geb. … in O. , kleiner Waffenschein, Nr. …, ausgestellt durch Landratsamt R. am 27.11.2015 wird widerrufen.
2. Der kleine Waffenschein Nr. … ist dem Landratsamt R. unverzüglich, spätestens jedoch zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides, zurückzugeben.
3. Falls Herr … der Verpflichtung aus Ziffer 2 dieses Bescheides nicht bis spätestens zwei Wochen nach Zustellung dieses Bescheides nachkommt, wird ein Zwangsgeld in Höhe von 500,00 € fällig.
4. Die Anordnung unter Ziffer 2 und 3 dieses Bescheides werden für sofort vollziehbar erklärt.
5. Herr … hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
6. Für diesen Bescheid wird eine Gebühr in Höhe von 100,00 € erhoben.“
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In den Gründen des Bescheids führt das Landratsamt aus, dass sich der Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse auf § 45 Abs. 2 Satz 1 Waffengesetz (WaffG) stütze. Die waffenrechtliche Erlaubnis sei zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten würden, die zur Versagung hätten führen müssen. Es fehle die Zuverlässigkeit aufgrund rechtskräftiger Verurteilung zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen aufgrund einer vorsätzlichen Straftat. Nach § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG würden Personen die für eine waffenrechtliche Erlaubnis erforderliche Zuverlässigkeit in der Regel nicht besitzen, wenn sie wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen rechtskräftig verurteilt worden seien. Mit Entscheidung des Amtsgerichts Regensburg vom …, rechtskräftig seit 19.12.2023, sei der Betroffene wegen § 86 a Abs. 1 Strafgesetzbuch (StGB) – Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen in zwei Fällen – zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen verurteilt worden. Seit Eintritt der Rechtskraft der Verurteilung seien fünf Jahre noch nicht verstrichen. Aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Geldstrafe von 60 Tagessätzen bestehe nach der in § 5 Abs. 2 Nr.1 Buchst. a WaffG getroffenen Wertentscheidung des Gesetzgebers ein Fehlverhaltensrisiko, das mit dem Führen von (auch erlaubnisfreien) Waffen nicht vereinbar sei (vgl. auch BayVGH B. v. 15.8.2008, Az. 19 CS 08.1471). Zwar sei nicht zwingend und ausnahmslos von einer Unzuverlässigkeit des Antragstellers oder Erlaubnisinhabers auszugehen, wenn die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 5 Abs. 2 WaffG in der Person des Antragstellers oder Erlaubnisinhabers vorlägen, da es sich hierbei um eine widerlegbare Vermutung handele. Die Vermutungsregelung greife jedoch auch, soweit über den Betroffenen keine über den Vermutungstatbestand hinausgehenden negativen Umstände bekannt geworden seien. Der Umstand einer ansonsten ordnungsgemäßen Lebensführung widerlege die Regelvermutung daher nicht (OVG Münster, B. v. 4.4.2013 -16 A 2905/11). Es obliege hier dem Antragsteller oder Erlaubnisinhaber darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass er trotz Greifens der Regelvermutung zuverlässig i.S.d. Waffenrechts sei (vgl. OVG RPL, B. v. 8.1.2018 – 7 B 11798/17). Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts komme eine Abweichung von der Vermutung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung ausnahmsweise derart in einem milden Licht erscheinen ließen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers i.d.R. durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bzgl. des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt seien (gesamter Absatz: Gade, Kommentar zum Waffengesetz, 3. Auflage 2022, § 5 WaffG Rn. 20a-21). Ausnahmegesichtspunkte, die die Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr.1 c WaffG entkräften und die verurteilte Tat aufgrund der Umstände in einem besonders milden Licht erscheinen lassen könnten, lägen aus Sicht der Erlaubnisbehörde nicht vor und hätten vom Antragsteller als Erlaubnisinhaber nicht substantiiert dargelegt werden können. Es lägen somit keine Anhaltspunkte, die im Fall des Antragstellers für eine Abweichung von der Regelvermutung der Unzuverlässigkeit sprechen könnten, vor.
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Die Abgabeverpflichtung für die waffenrechtliche Erlaubnisurkunde aus Ziffer 2 dieses Bescheides stütze sich auf § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG.
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Die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO erfolge im öffentlichen Interesse und nach sachgerechtem Ermessen. Es liege im überwiegenden öffentlichen Interesse, dass die unter Ziffer 2 und 3 getroffenen Anordnungen vor der Ausschöpfung des Verwaltungsrechtsweges und der unter Umständen erst in mehreren Jahren zu erwartenden Unanfechtbarkeit dieses Bescheides wirksam würden. Bei der Abwägung der privaten Interessen des Antragstellers an der Möglichkeit erlaubnisfreie Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen weiterhin zu führen, gegenüber dem öffentlichen Interesse, dass nur waffenrechtlich zuverlässige Personen mit Schusswaffen Umgang haben dürften, überwiege das öffentliche Interesse. In Anbetracht der erheblichen Gefahren, die von Waffen und Munition für hochrangige Rechtsgüter ausgehen würden, dürfe ein Restrisiko nicht hingenommen werden. Zwar möge von erlaubnisfreien Waffen eine geringere Gefährlichkeit ausgehen, jedoch sei aus der gesetzgeberischen Systematik nicht zu erkennen, dass beim Kleinen Waffenschein ein anderer Maßstab bezüglich der Zuverlässigkeitsprognose anzusetzen sein sollte als bei der Erteilung anderer waffenrechtlicher Erlaubnisse. Im Übrigen könne auch mit erlaubnisfreien Waffen eine entsprechende Drohkulisse aufgebaut, eine Gefährdung oder Schädigung vorgenommen werden. Demgegenüber bleibe, da nicht in den Besitz der erlaubnisfreien Waffen eingegriffen, sondern in Folge der abgeurteilten Straftat lediglich das Führen dieser Waffen unterbunden werde, der Eingriff für den Betroffenen verhältnismäßig gering.
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Die Androhung der Zwangsgelder beruhe auf Art. 29, 30, 31, 36 Bayerisches Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetz (VwZVG).
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Die Kostenentscheidung stütze sich auf Art.1 und 2 Kostengesetz (KG) i.V.m. Tarif-Nr. 2.II.7 Nr. 39 des Kostenverzeichnisses (KVz).
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Der Bescheid wurde dem Bevollmächtigten des Antragstellers ausweislich des Empfangsbekenntnisses am 14.4.25 zugestellt.
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Gegen diesen Bescheid hat der Antragsteller am 9.5.2025 Klage (Az. RO 4 K 25.1118) erhoben und zugleich um einstweiligen Rechtsschutz ersucht.
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In der Klage- und Antragsbegründung verweist der Bevollmächtigte des Antragstellers auf die Stellungnahme vom 30.1.2025, welche im Rahmen des Anhörungsverfahrens an das Landratsamt übersandt wurde. Ferner führt die Antragstellerseite an, dass der Antragsteller keine Person sei, die Waffen nutze oder diese in sonstiger Weise, egal was das Landratsamt dem Antragsteller unterstellen wolle, verwende. Der Antragsteller sei ein integrer absolut zuverlässiger Mensch. Eine genaue Abwägung der für- und widersprechenden Tatsachen hätte diesbezüglich eine andere Entscheidung, nämlich zugunsten des Antragstellers, von Seiten des Landratsamts nach sich ziehen müssen. Er sei auch so gefestigt, dass er eben nicht die Unzuverlässigkeit besitze, die notwendig sei, um einem Menschen die Erlaubnis zum Führen von Waffen zu entziehen.
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Der Antragsteller beantragt,
die aufschiebende Wirkung der Klage wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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In seiner Antragserwiderung vom 26.5.2025 führt das Landratsamt in Ergänzung zu den Gründen des streitgegenständlichen Bescheides aus, dass der Bevollmächtigte des Antragstellers zwar vor Erlass des streitgegenständlichen Bescheids herausgestellt habe, dass sich der Antragsteller auf seinem bisherigen Lebensweg absolut straffrei verhalten und sich von der – wie vom Bevollmächtigten genannten – „ungeschickten Formulierung“ distanziert haben solle, konkrete Umstände, welche die Tat in einem besonders milden Licht erscheinen ließen und somit eine Ausnahme von der Regelunzuverlässigkeit anzunehmen wäre, hätten dem aber nicht entnommen oder daraus abgeleitet werden können. Darüber hinaus könne angemerkt werden, dass der Antragsteller in den Jahren 2000 bis 2009 durchaus mehrfach polizeilich, teils im Zusammenhang mit der Berufsausübung, jedoch auch z.B. im Zusammenhang mit Nötigung im Straßenverkehr und Bedrohung, in Erscheinung getreten sei. Dies sei jedoch bereits aufgrund des zeitlichen Abstands im vorliegenden Verfahren unerheblich. Die Verhängung einer Geldstrafe in Höhe von 60 Tagessätzen zeige doch gerade keine Geringfügigkeit des vorgeworfenen Vergehens. Mit der Festlegung auf 60 Tagessätze habe der Gesetzgeber einen Mittelwert beschrieben. Er trage damit der Tatsache Rechnung, dass in der Praxis der Gerichte 60 Tagessätze durchaus ein erhebliches Unwerturteil bei einer Geldstrafe darstellten, dass einiges Gewicht der konkreten Tat voraussetze, sodass Bagatell-Taten nicht erfasst werden würden (vgl. Steindorf/Papsthart,11. Aufl. 2022, WaffG § 5 Rn. 40). Bei Berücksichtigung der Tat, nämlich der Verwendung von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen, welche auch nicht wie vom Antragsteller angegeben nur als einmalige Äußerung, deren Tragweite sich der Antragsteller nicht bewusst gewesen sein soll, sondern in zwei zeitlich getrennten Fällen, am 20.01.2023 sowie am 22.05.2023, jeweils im Kontext kritischer Stellungnahmen zu politischen Geschehen vorgenommen worden seien, seien keine Ausnahmen von der Regelunzuverlässigkeit ersichtlich. Auch könne die Äußerung, welche zudem jeweils (im Internet) niedergeschrieben und nicht nur verbal, ggf. spontan in einem sich aufbauschenden Wortwechsel unterschiedlicher „Meinungen“ geäußert worden sei, nicht wie dargestellt derart unbedarft gewesen sein, da in diesem Zeitraum (Januar und Mai 2023) bereits die „Sensibilität“ provozierender, den Rechtsstaat strapazierender, offensichtlich jedoch verbotener Parolen durch Politiker (zunächst bereits im Mai 2021) öffentlich bekannt gewesen sei.
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Für die weiteren Einzelheiten wird auf die behördliche und gerichtliche Akte mit den wechselseitigen Schriftsätzen verwiesen. Die Akte des Verfahrens RO 4 K 25.1119 wurde beigezogen.
II.
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Der Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist zulässig und aber nicht begründet.
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1. Der Antrag ist zulässig.
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Der Antrag des anwaltlich vertretenen Antragstellers wird gemäß §§ 122 Abs. 1 88 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) dahingehend ausgelegt, dass er im Hinblick auf Nr. 1 – 3 und Nr. 5 des streitgegenständlichen Bescheides die Anordnung der aufschiebenden Wirkung und nicht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung begehrt.
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Gemäß § 80 Abs. 1 Satz 1 VwGO haben Widerspruch und Klage grundsätzlich aufschiebende Wirkung. Diese entfällt allerdings nach § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO dann, wenn dies gesetzlich vorgeschrieben ist. Dies ist vorliegend für Nr. 1 bis 3 des streitgegenständlichen Bescheids gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. §§ 45 Abs. 5, 46 Abs. 6 WaffG bzw. Art. 21a VwZVG und für Nr. 5 gem. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO der Fall. In diesen Fällen kann das Gericht nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO auf Antrag die aufschiebende Wirkung von Klage und Widerspruch anordnen, da diese aufgrund Gesetzes ausgeschlossen ist, aber nicht wiederherstellen auch wenn die Nr. 4 des Bescheides die Anordnung der sofortigen Vollziehung nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO beinhaltet.
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Dass das Landratsamt zusätzlich die sofortige Vollziehbarkeit im Hinblick auf Nr. 2 und 3 des Bescheides angeordnet hat, gleichwohl die Rückgabeverpflichtung der waffenrechtlichen Erlaubnis sowie die Zwangsgeldandrohung gemäß § 46 Abs. 6 WaffG bzw. Art. 21a VwZVG i.V.m. § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO von Gesetzes wegen sofort vollziehbar sind, ist unschädlich, da eine solche Anordnung schlicht ins Leere geht. Einem Antrag auf isolierte Aufhebung des Sofortvollzugs der Nr. 2 und 3 des Bescheides würde insoweit auch das Rechtsschutzbedürfnis fehlen, da trotz Aufhebung weiterhin eine sofortige Vollziehbarkeit kraft Gesetzes bestehen bleiben würde, weswegen der Antrag im vorgenannten Sinn auszulegen war.
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2. Der Antrag hat keinen Erfolg.
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Bei einer Entscheidung nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO trifft das Gericht eine eigene Ermessensentscheidung. Es hat dabei zwischen dem von der Behörde geltend gemachten Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit ihres Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind vorrangig die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die gebotene summarische Prüfung, dass Rechtsbehelfe gegen den angefochtenen Bescheid keinen Erfolg versprechen, tritt das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung regelmäßig hinter das Vollziehungsinteresse zurück und der Antrag ist unbegründet. Erweist sich die erhobene Klage hingegen bei summarischer Prüfung als zulässig und begründet, dann besteht kein öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehbarkeit des Bescheids und dem Antrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO ist stattzugeben. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens nicht ausreichend absehbar, muss das Gericht die widerstreitenden Interessen im Einzelnen abwägen. Die Begründetheit eines Antrags auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann sich daneben auch daraus ergeben, dass die behördliche Anordnung der sofortigen Vollziehung rechtswidrig ist, weil sie den formellen Anforderungen nicht genügt.
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Vor dem Hintergrund dieser Maßstäbe stellt sich der Antrag als unbegründet dar, da nach summarischer Prüfung die erhobene Klage in der Hauptsache voraussichtlich erfolglos bleiben wird (dazu a)). Demzufolge überwiegt das öffentliche Vollzugsinteresse das Aussetzungsinteresse des Antragstellers (dazu b)).
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a) Bei summarischer Prüfung stellt sich die erhobene Klage in dem hier interessierenden Umfang als zulässig, aber unbegründet dar. Der in Nr. 1 erfolgte Widerruf des kleinen Waffenscheins (dazu aa)), die in Nr. 2 angeordnete Rückgabeverpflichtung (dazu bb)), das Zwangsgeld in Nr. 3 (dazu cc)) und die Kostenentscheidung in Nr. 5 und 6 (dazu dd) sind voraussichtlich rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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aa) Der in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheides ausgesprochene Widerruf der waffenrechtlichen Erlaubnisse des Antragstellers – vorliegend des kleinen Waffenscheins – stützt sich in nicht zu beanstandender Weise auf § 45 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 4 Abs. 1 Nr. 2, § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG. Die Widerrufsvoraussetzungen lagen im hier maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 16.05.2007 – 6 C 24/06, NVwZ 2007, 1201; BVerwG, U. v. 13.12.1994 – 1 C 31/92, NVwZ-RR 1995, 525; BayVGH, B. v. 15.08.2016 – 21 CS 16.1247, BeckRS 2016, 51391 Rn. 17) vor.
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(1) Eine Erlaubnis nach dem Waffengesetz ist zu widerrufen, wenn nachträglich Tatsachen eintreten, die zur Versagung hätten führen müssen. Nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 WaffG setzt eine waffenrechtliche Erlaubnis unter anderem voraus, dass der Antragsteller die erforderliche Zuverlässigkeit besitzt. Nach summarischer Prüfung ist davon auszugehen, dass der Antragsteller aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung gem. § 5 Abs. 2 Nr. 1 a WaffG als waffenrechtlich unzuverlässig anzusehen ist. Nach der Regelvermutung des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG besitzen Personen in der Regel die erforderliche waffenrechtliche Zuverlässigkeit nicht, die wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe, Jugendstrafe oder einer Geldstrafe von mindestens 60 Tagessätzen oder mindestens zweimal zu einer geringeren Geldstrafe rechtskräftig verurteilt worden sind, wenn seit dem Eintritt der Rechtskraft der letzten Verurteilung fünf Jahre noch nicht verstrichen sind.
29
Die Regelvermutung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit kann nur in einem Ausnahmefall ausgeräumt werden. Ein solcher Ausnahmefall kommt nach der Rechtsprechung nur dann in Betracht, wenn die Umstände der abgeurteilten Tat die Verfehlung des Betroffenen ausnahmsweise derart in einem milderen Licht erscheinen lassen, dass die nach der Wertung des Gesetzgebers in der Regel durch eine solche Straftat begründeten Zweifel an der für die waffenrechtliche Erlaubnis vorausgesetzten Vertrauenswürdigkeit des Betroffenen bezüglich des Umgangs mit Waffen und Munition nicht gerechtfertigt sind. Erforderlich ist eine Würdigung der Schwere der konkreten Verfehlung und der Persönlichkeit des Betroffenen, wie sie in seinem Verhalten zum Ausdruck kommt (vgl. z.B. BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92 – juris Rn. 31). Die Prüfung eines Ausnahmefalls erfolgt in erster Linie tatbezogen. Bereits eine einzige Verurteilung in entsprechender Höhe begründet die Regelvermutung, da es sich bei einer Verurteilung zu 60 Tagessätzen auch im Falle einer Erstverurteilung um ein durchaus erhebliches Unwerturteil handelt, das einiges Gewicht der konkreten Tat voraussetzt und bei dem keine Bagatelltat mehr vorliegt (vgl. BT-Drucksache 14/7758, S. 54). Ein Ausnahmefall kann demnach nicht schon dann angenommen werden, wenn die Höhe der im Strafverfahren verhängten Geldstrafe die unterste Grenze der Regelvermutung darstellt und der Antragsteller sich möglicherweise der waffenrechtlichen Auswirkungen der Verurteilung nicht bewusst war (vgl. BayVGH B.v. 19.1.2022 – 24 CS 21.3067). Auch sonstige Straffreiheit sowie keine bisherigen negativen Auffälligkeiten seitens des Betroffenen im Umgang mit Waffen und Munition sind unerheblich (vgl. BVerwG, U.v. 13.12.1994 – 1 C 31/92 – juris Rn. 32). Ein Abweichen von der gesetzlichen Regelvermutung kommt daher – zumal im Sicherheitsrecht – nur in solchen Fallgestaltungen in Betracht, die vollkommen aus dem Rahmen fallen.
30
Dabei können sowohl die Waffenbehörde als auch das Verwaltungsgericht grundsätzlich von der Richtigkeit des zur Verurteilung führenden rechtskräftigen Strafurteils ausgehen (vgl. BayVGH, B.v. 3.8.2023 – 24 CS 23.1075 – juris Rn. 27; BayVGH, B.v. 25.11.2008 – 21 CS 08.2753 – juris Rn. 6). Eine erneute Aufrollung des gesamten Strafverfahrens ist nicht angezeigt. Das Gericht hat damit lediglich zu prüfen, ob die strafrechtliche Verurteilung nachvollziehbar ist, mithin nicht auf groben Fehlern bei Ermittlung der Tatsachen oder Anwendung des Strafrechts beruht (vgl. BayVGH, B.v. 5.7.2017 – 21 CS 17.856 – juris Rn. 10). Dieser eingeschränkte Prüfungsmaßstab stützt sich zum einen auf den Wortlaut des § 5 Abs. 2 Nr. 1 WaffG, der lediglich eine strafgerichtliche Verurteilung voraussetzt, als auch auf den Gedanken der Verfahrensökonomie. Des Weiteren stützt sich dies darauf, dass die Beurteilung spezifisch strafrechtlicher Fragen primär in den Aufgabenbereich der Strafgerichte fällt. Es ist insoweit das Risiko des Klägers, wenn er den ordentlichen Instanzenzug nicht bis zuletzt beschreitet und den Strafbefehl durch die Nichteinlegung oder Rücknahme eines Rechtsmittels rechtskräftig werden lässt (vgl. BayVGH, U. v. 24.5.2023 – 16a D 20.2247 – juris Rn. 34).
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(2) Unter Beachtung dieser Maßgaben besteht vorliegend für das Verwaltungsgericht kein Anlass von den Feststellungen im Strafbefehl des Amtsgerichts … abzuweichen. Soweit der Antragsteller vorträgt, dass ihm die Tragweite seines Handelns nicht bewusst gewesen sei, ist es die Sache eines jeden Angeklagten, im Strafverfahren entlastende und strafmildernde Umstände vorzutragen und ggf. ein Rechtsmittel einzulegen. Dass der Strafbefehl auf einem Rechtsirrtum beruht, ist insoweit nicht ersichtlich.
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Andere Gründe für ein Abweichen von der Regelvermutung sind vorliegend ebenfalls nicht ersichtlich. Die Verurteilung des Antragstellers mit Strafbefehl des Amtsgerichts Regensburg vom … wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen in zwei Fällen zu einer Gesamtgeldstrafe von 60 Tagessätzen, seit deren Rechtskraft (19.12.2023) noch keine fünf Jahre verstrichen sind, liegt genau auf der vom Gesetzgeber vorgesehenen Grenze von 60 Tagessätzen. Weder hat die vorliegende Straftat Bagatellcharakter noch erscheint sie aufgrund von sonstigen Besonderheiten in einem milderen Licht. Auch wenn die Geldstrafe mit 60 Tagessätzen im Mindestbereich angesiedelt ist, rechtfertigt dies nicht ohne weitere Umstände bereits eine Abweichung (vgl. BayVGH B.v. 19.1.2022 – 24 CS 21.3067). Entgegen den Ausführungen des Antragstellers liegt auch nicht eine lediglich einmalige Handlung vor, da allein der Verurteilung zwei zeitlich auseinander liegende Taten am 20.1.2023 und 22.5.2023 zugrunde liegen. Soweit der Antragsteller ausführt, dass er ein sozial engagierter Mensch sei, welcher auch Flüchtlinge unterstütze, kann dies nichts an der vorliegenden Bewertung ändern, da eine ansonsten ordnungsgemäße Lebensführung die Regelvermutung gerade nicht widerlegt (OVG Münster, B. v. 4.4.2013 – 16 A 2905/11 – juris). Soweit der Antragsteller ausführt, dass er sich keine sonstigen strafrechtlichen Verfehlungen habe zu Schulden kommen lassen, ist anzumerken, dass dies grundsätzlich von einem Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse erwartet wird, da bei anderen Verfehlungen ebenfalls die waffenrechtliche Zuverlässigkeit zu überprüfen gewesen wäre.
33
Unerheblich ist auch, dass sich die der Beurteilung der waffenrechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers zugrundeliegende Verurteilung auf Tatbestände bezieht, die nichts mit dem Waffenrecht zu tun haben. Erfasst sind von der Vorschrift des § 5 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a WaffG nämlich alle vorsätzlichen Straftaten, ohne dass an bestimmte Delikte angeknüpft wird (siehe hierzu Gade, WaffG, 3. Aufl. 2022, § 5 Rn. 23).
34
bb) Die Verpflichtung zur Rückgabe der waffenrechtlichen Erlaubnisdokumente binnen einer Frist von zwei Wochen nach Zustellung des Bescheides in Nr. 2 des Bescheides ist nicht zu beanstanden. Die Anordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 46 Abs. 1 Satz 1 WaffG, wonach der Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse im Falle der Rücknahme oder des Widerrufs seiner Erlaubnisse verpflichtet ist, alle Ausfertigungen und die Erlaubnisurkunde der zuständigen Behörde unverzüglich zurückzugeben. Die gewährte Frist ist dabei aus Sicht des Gerichts angemessen, da mit der Rückgabeverpflichtung zum einen nur ein geringer Aufwand für den Antragsteller einhergeht und zum anderen die Norm die Rückgabe „unverzüglich“ fordert.
35
cc) Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 3 des Bescheids stützt sich auf Art. 31, 36 VwZVG und ist ebenfalls rechtmäßig. Bedenken gegen die Höhe sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
36
dd) Gegen die Kostenanordnung in Nr. 5 und 6 des Bescheids sind Bedenken weder ersichtlich noch vorgetragen. Die Entscheidung, dem Kläger die Kosten des Verwaltungsverfahrens aufzuerlegen, beruht auf Art. 1, Art. 2 Abs. 1 Satz 1 und Art. 5 KG und ist Folge dessen, dass er durch sein Verhalten den Anlass für das behördliche Tätigwerden gesetzt hat. Die erhobenen Gebühren halten sich in dem von Art. 6 Abs. 1 Satz 1 KG, Nr. 2.II.7/39 KVz gezogenen Rahmen.
37
b) Da die Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben wird, überwiegt das öffentliche Interesse an einer sofortigen Vollziehung. Aufgrund der erheblichen Gefahr die von Waffen für die Allgemeinheit ausgehen, kann die Bestandskraft des Verwaltungsakts insoweit nicht abgewartet werden.
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3. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
39
4. Rechtsgrundlage der Streitwertfestsetzung sind § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Gerichtskostengesetz (GKG). Dabei hat die Kammer Nr. 1.5 und Nr. 50.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit berücksichtigt.