Titel:
Verwaltungsgerichte, Prostitutionsstätte, Kosten des Beschwerdeverfahrens, Schätzungsbescheid, Anordnung der aufschiebenden Wirkung, Antragsgegner, Verwaltungsgerichtsverfahren, Beschwerdebegründung, Betriebsschließung, Steuerrückstände, Betriebsuntersagung, Glaubhaftmachung, Aufschiebende Wirkung, Unzuverlässigkeit, Prozeßbevollmächtigter, Antragstellers, Streitwertfestsetzung, Versagung der Erlaubnis, Androhung unmittelbaren Zwangs, Aufhebung des Beschlusses
Schlagworte:
Prostitutionsgewerbe, Erlaubnisversagung, Persönliche Zuverlässigkeit, Steuerrückstände, Betriebsuntersagung, Aufschiebende Wirkung, Verfahrensfehler
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 05.06.2025 – M 16 S 25.729
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20842
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.
Gründe
1
Mit Bescheid vom 25. November 2024 versagte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die beantragte Erlaubnis nach § 12 Abs. 1 ProstSchG zum Betrieb der Prostitutionsstätte „E. P.“ in D. (Nr. 1), verfügte die Einstellung der Prostitutionsstätte innerhalb von zwei Wochen ab Zustellung des Bescheids (Nr. 2) und ordnete die sofortige Vollziehung der Verfügungen unter Nr. 1 und Nr. 2 an (Nr. 3). Für den Fall der Nichtbeachtung der unter Nr. 2 verfügten Schließungsanordnung drohte die Antragsgegnerin der Antragstellerin die Schließung im Wege des unmittelbaren Zwangs an (Nr. 4). Den entscheidungstragenden Feststellungen der Antragsgegnerin zufolge besitze die Antragstellerin wegen der hohen Steuerschulden und der dauerhaften Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten nicht die für den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erforderliche persönliche Zuverlässigkeit. Daneben sprächen die Umstände, die bei Kontrollen in der Prostitutionsstätte festgestellt worden seien, für die fehlende Zuverlässigkeit der Antragstellerin. Die bei den Kontrollen anwesenden Hausdamen hätten weder Aufzeichnungen zur Zahlungsabwicklung mit den Sexarbeiterinnen noch aktuelle Aufzeichnungen über die anwesenden Prostituierten vorweisen können.
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Mit Schriftsatz vom 6. Dezember 2024 ließ die Antragstellerin durch ihre Prozessbevollmächtigte Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 25. November 2024 erheben und am 7. Februar 2025 einen Eilantrag stellen.
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Den Eilantrag lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 5. Juni 2025, der Prozessbevollmächtigten zugestellt am 18. Juni 2025, ab.
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Zur Begründung führte es aus: Es fehle bereits an einem die Erlaubnisfiktion des § 37 Abs. 4 Satz 1 ProstSchG auslösenden Antrag, weil der Antrag der Antragstellerin vom 4. September 2017, die bereits vor dem 1. Juli 2017 ein Prostitutionsgewerbe betrieben habe, unvollständig sei. Die Verpflichtungsklage sei somit die prozessual richtige Klageart und eine vorläufige Erweiterung des Rechtskreises der Antragstellerin sei im Wege der einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu erwirken. Hinsichtlich der Nr. 2 des Bescheids werde davon ausgegangen, dass die Antragstellerin Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Betriebseinstellung (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO) sowie hinsichtlich der Nr. 4 (vgl. Art. 21a VwZVG) und Nr. 5 (vgl. § 80 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) des Bescheids Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung stelle. Die Antragstellerin habe keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht. Sie besitze nicht die nach § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG für die Erteilung einer Erlaubnis für das Prostitutionsgewerbe erforderliche Zuverlässigkeit. Steuerrückstände, die zur Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit führen könnten, seien solche Steuern, die der Steuerpflichtige noch nicht gezahlt habe, obwohl er sie von Rechts wegen bereits hätte entrichten müssen. Die Steuern bedürften, soweit nichts Anderes vorgeschrieben ist, der Festsetzung durch Steuerbescheid (§ 155 AO). Dies gelte auch für die Fälle, in denen die Besteuerungsgrundlagen gemäß § 162 AO nicht exakt ermittelt, sondern geschätzt würden. Die Antragstellerin habe seit dem Veranlagungsjahr 2022 erhebliche Umsatzsteuerrückstände beim Finanzamt D. ohne nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept zu arbeiten. Auch die Verletzung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten gemäß § 28 ProstSchG sei mit der Annahme einer ordnungsgemäßen Prostitutionsgewerbeausübung nicht zu vereinbaren. Die Antragsgegnerin habe bei verschiedenen Kontrollbesuchen des Betriebs der Antragstellerin in den Jahren 2018 und 2019 mehrfach keine Aufzeichnungen mit den erforderlichen Angaben über die Prostituierten, die in der Prostitutionsstätte sexuelle Dienstleistungen erbringen, vorgefunden. Der Antrag, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Betriebsschließung vom 25. November 2024 wiederherzustellen, sei ebenfalls nicht begründet. Rechtsgrundlage der Betriebsschließung sei § 15 Abs. 2 Satz 1 GewO. Die Voraussetzungen für eine Betriebsschließung seien gegeben. Zwar sei die Aufrechterhaltung der Anordnung der sofortigen Vollziehung der Schließungsanordnung nicht schon allein deshalb gerechtfertigt, weil sich diese bei der im Rahmen von § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO gebotenen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage als offensichtlich rechtmäßig erweise. Vielmehr erfordere die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Hinblick auf Art. 12 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaatsprinzip die aufgrund einer Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalls gewonnene zusätzliche Feststellung, dass die sofortige Vollziehbarkeit schon vor der Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig sei. Auch diese Voraussetzung sei gegeben. Soweit es die Zwangsmittelandrohung in Nr. 4 des Bescheids vom 25. November 2024 betreffe, habe der Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ebenfalls keinen Erfolg.
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Die Antragstellerin hat im Beschwerdeverfahren beantragt,
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unter Aufhebung des Beschlusses des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 5. Juni 2025 die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22. November 2024 über die Versagung der Erlaubnis für das Prostitutionsgewerbe in D. anzuordnen.
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Es sei die Aussetzung der sofortigen Vollziehung wegen unbilliger Härte geboten, insbesondere weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts nicht ausgeschlossen werden könnten. Die Entscheidung beruhe auf einer Verletzung des Gebots der Waffengleichheit, weil der Antragstellerin die Akteneinsicht in Dokumente und Akten der Antragsgegnerin verwehrt worden sei. Damit sei das Recht der Antragstellerin auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt. Die Antragsgegnerin bezwecke vorliegend nicht die Befriedigung bestandskräftiger Steuerforderungen, sondern die Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz der Antragstellerin. Das Vorgehen der Finanzbehörde sei unzulässig, weil sie zunächst den Besteuerungssachverhalt hätte aufklären müssen und dann erst Schätzungsüberlegungen anstellen dürften.
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Die Antragsgegnerin ist der Beschwerde entgegengetreten und hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Das Vorbringen der Antragstellerin sei wortgleich mit ihrem Vorbringen vor dem Verwaltungsgericht. Die Behördenakte sei vorgelegt worden und sei einsehbar gewesen. Der Aussetzungsgrund des § 80 Abs. 4 VwGO sei schon deshalb nicht gegeben, weil die Antragstellerin keine Rechtsposition innehabe, die ihr den Betrieb eines Prostitutionsgewerbes erlaube.
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Ergänzend wird auf die vorgelegten Behördenakten und die Gerichtsakten verwiesen.
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Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin ihren in erster Instanz erfolglosen Eilantrag, der ihr die Fortsetzung des Betriebes ihres Prostitutionsgewerbes ermöglichen soll, weiter.
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Die Beschwerde bleibt ohne Erfolg.
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1. Es spricht bereits einiges dafür, dass die Beschwerde der Antragstellerin als unzulässig zu verwerfen wäre (§ 146 Abs. 4 Satz 4 VwGO), weil ihr Beschwerdevorbringen den Anforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht genügt. Danach muss die Beschwerde die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinandersetzen. Lediglich das Vortragen einer eigenen Würdigung der Sach- und Rechtslage, die im Ergebnis von derjenigen des Verwaltungsgerichts abweicht, reicht grundsätzlich nicht aus.
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Die Antragstellerin geht in der Beschwerdebegründung mit keinem Wort auf die ausführliche Begründung des Verwaltungsgericht zu den einzelnen Regelungen im streitgegenständlichen Bescheid ein, insbesondere fehlt es an jeglicher Auseinandersetzung damit, dass das Verwaltungsgericht ihr Rechtsschutzbegehren als Antrag nach § 123 VwGO auf vorläufige Erlaubnis zum Weiterbetrieb der Prostitutionsstätte ausgelegt hat, weil sie bislang keine, auch keine fiktive, Erlaubnis zum Betrieb eines Prostitutionsgewerbes besitzt und deshalb ihr Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Aufhebungsbescheid nicht zielführend ist.
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2. Jedenfalls rechtfertigt das Beschwerdevorbringen, auf dessen Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, nicht die beantragte Aufhebung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 22. November 2024 über die Versagung der Erlaubnis für das Prostitutionsgewerbe.
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Das Vorbringen der Antragstellerin in der Beschwerdebegründung zur Aussetzung der sofortigen Vollziehung des Versagungsbescheids geht ins Leere, weil das Verwaltungsgericht – von der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren nicht in Frage gestellt – festgestellt hat, dass die Antragstellerin keine Erlaubnis zur Ausübung des Prostitutionsgewerbes besitzt und sie daher einen Anspruch auf Erteilung einer solchen Erlaubnis glaubhaft machen müsste. Daran fehlt es vorliegend.
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Soweit sie sich auf eine Verletzung ihres Anspruchs auf Gewährung rechtlichen Gehörs und einen diesbezüglichen Verfahrensfehler beruft, verkennt sie, dass sie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren Einsicht in die Akten hätte nehmen können, so dass der geltend gemachte Verfahrensfehler nicht vorliegt. Zudem können etwaige Verfahrensfehler in der ersten Instanz im Beschwerdeverfahren geheilt werden und führen nicht zur Aufhebung der Entscheidung des Verwaltungsgerichts. Im Beschwerdeverfahren wurden die Behörden- und die Gerichtsakten der Bevollmächtigten der Antragstellerin mit Schreiben vom 21. Juli 2025 übersandt.
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Auch wenn sich die Antragstellerin auf fehlerhafte Schätzungsbescheide des Finanzamtes beruft, ist das Verwaltungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die Erlaubnis für das Prostitutionsgewerbe gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 2 ProstSchG zu versagen war, weil die Antragstellerin wegen der bestehenden Umsatzsteuerrückstände die erforderliche Zuverlässigkeit für den Betrieb einer Prostitutionsstätte nicht besitzt. Unbeachtlich ist insoweit, dass die Umsatzsteuerrückstände in Höhe von 1.319.616,37 € auf Schätzungen einer Steuerfahndung und den diesbezüglichen Schätzungsbescheiden beruhen. Wie das Verwaltungsgericht unter Bezugnahme auf die obergerichtliche Rechtsprechung ausgeführt hat, kommt einem Schätzungsbescheid in Bezug auf die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit wegen beträchtlicher Steuerschulden dieselbe Aussagekraft zu wie einem Steuerbescheid, der auf den Angaben des Gewerbetreibenden beruht (BayVGH, B.v. 17.1.2025 – 22 ZB 23.1625 – juris Rn. 18; B.v. 27.8.2018 – 22 ZB 18.1562 – juris 25). Die Verwaltungsbehörde hat insoweit nicht zu prüfen, ob die Schätzungsbescheide rechtmäßig ergangen sind. Sie darf ihrer Entscheidung die Angaben der Finanzverwaltung zugrunde legen. Die Antragstellerin verkennt zudem, dass die Erteilung der Erlaubnis für den Prostitutionsbetrieb nicht dazu dient, die Begleichung der Steuerschulden zu ermöglichen. Grund für die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit wegen bestehender Steuerschulden ist die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit des Gewerbereibenden und die Gefahr, die dadurch für die Allgemeinheit entsteht (fällige Forderungen werden nicht beglichen, Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen Gewerbetreibenden). Deshalb ist es auch gerechtfertigt, dass die notwendige Erlaubnis für den Betrieb des Prostitutionsgewerbes versagt wird, auch wenn dadurch der Gewerbetreibende gezwungen ist, seinen Betrieb aufzugeben (und ggf. die aufgelaufenen Steuerschulden nicht mehr begleichen kann). Bereits die bestehenden Umsatzsteuerrückstände rechtfertigen die Annahme der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit, so dass es auf den weiteren von der Antragsgegnerin angeführten Unzuverlässigkeitstatbestand der Verletzung der Aufzeichnungs- und Aufbewahrungspflichten nach § 28 ProstSchG nicht mehr ankommt. Im Übrigen setzt sich die Antragstellerin in der Beschwerdebegründung damit nicht auseinander.
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Die Betriebsuntersagung erweist sich ebenfalls als rechtmäßig, weil die Antragstellerin keine Erlaubnis zum Betrieb der Prostitutionsstätte besitzt und im Beschwerdeverfahren nicht darlegt hat, dass sie einen Anspruch auf Erteilung einer Erlaubnis hat. Gründe dafür, weshalb die Androhung unmittelbaren Zwangs zur Betriebsschließung nicht rechtmäßig sein sollte, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 54.2.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).