Inhalt

VGH München, Beschluss v. 07.08.2025 – 22 CS 25.1113
Titel:

Gewerbeuntersagung wegen mangelnder wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit

Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 2 S. 1 Nr. 4, Abs. 3 S. 1
GewO § 35 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Bei der „gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit“ handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Gericht voll überprüfbar ist; ein Beurteilungsspielraum der Behörde besteht nicht. (Rn. 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Annahme wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit oder -unwilligkeit als Grund für die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit kann durch ein sinnvolles und erfolgversprechendes Tilgungs- und Sanierungskonzept (dh einen realistischen Plan, der eine Wegfertigung der Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt und der tatsächlich und konsequent verwirklicht wird) widerlegt werden. (Rn. 19) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Gewerbeuntersagung, gewerberechtliche Unzuverlässigkeit, Unzuverlässigkeitsprognose, Ermessensentscheidung, Leistungsunfähigkeit, Leistungsunwilligkeit, Sanierungskonzept
Vorinstanz:
VG Bayreuth, Beschluss vom 03.06.2025 – B 8 S 25.426
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20840

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 3. Juni 2025 – B 8 S 25.426 – wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren wird auf 12.500,00 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Mit seiner Beschwerde verfolgt der Antragsteller seinen in erster Instanz erfolglosen Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen den Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. März 2025 weiter.
2
Mit diesem Bescheid untersagte die Antragsgegnerin dem Antragsteller die Ausübung des Gewerbes „Dienstleistungen im Kfz-Gewerbe“ als selbständigem Gewerbetreibenden im stehenden Gewerbe (Nr. 1). Zudem wurde die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebs beauftragte Person sowie die Ausübung jeglicher selbstständigen Tätigkeit im stehenden Gewerbe untersagt (Nr. 2). Der Antragsteller habe seine Tätigkeit spätestens 1 Monat nach Zustellung der Untersagungsverfügung einzustellen (Nr. 3). Die sofortige Vollziehung der Nrn. 1, 2 und 3 wurde angeordnet (Nr. 4).
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Den sinngemäßen Antrag des Antragstellers, die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Regelungen in Nr. 1 bis Nr. 3 des Bescheids wiederherzustellen, lehnte das Verwaltungsgericht Bayreuth mit Beschluss vom 3. Juni 2025 ab. Zur Begründung führte es im Wesentlichen aus, dass die Begründung des Sofortvollzugs den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genüge. Die Antragsgegnerin habe im angegriffenen Bescheid ausgeführt, dass aufgrund des bisherigen Verhaltens des Antragstellers nicht damit zu rechnen sei, dass er sein Gewerbe ordnungsgemäß ausüben werde, sondern zu befürchten sei, dass weitere Schulden angehäuft und weitere Straftaten begangen würden. Die Allgemeinheit sowie Geschäftspartner und Kunden seien davor zu schützen, eventuelle Vermögensnachteile durch das nicht rechtmäßige Verhalten des Antragstellers zu erleiden. Dem gegenüber müsse das private Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs zurücktreten. Das öffentliche Interesse an einem geordneten Gang des Wirtschaftslebens sei als besonders hochwertig einzustufen. Die Antragsgegnerin habe mit diesen Ausführungen das besondere Vollzugsinteresse benannt, das über das bloße Erlassinteresse hinausgehe. Die Interessenabwägung falle zu Lasten des Antragstellers aus, weil der Bescheid vom 26. März 2025 voraussichtlich rechtmäßig sei. Maßgeblich sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids. Die Unzuverlässigkeit des Antragstellers ergebe sich vorliegend aus dem Zusammentreffen der Eintragungen im Vollstreckungsportal und der Nichtabgabe seiner steuerrechtlichen Erklärungen. Die hinzukommende Ordnungswidrigkeit der Ausübung eines zulassungspflichtigen Handwerks, ohne in die Handwerksrolle eingetragen zu sein (Bußgeldbescheid vom 13. Dezember 2024), und die vom Antragsteller eingeräumte Straftat des Besitzes zweier Butterflymesser, die in den Geschäftsräumen des Antragstellers gefunden worden seien, rundeten hierbei das Bild der Einschätzung der Unzuverlässigkeit des Antragstellers ab, ohne einen eigenen Unzuverlässigkeitstatbestand zu bilden. Sie zeigten aber, dass der Antragsteller einen Hang zur Nichtbeachtung geltender Vorschriften habe. Zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses hätten 13 Eintragungen im Vollstreckungsportal vorgelegen, wonach die Vollstreckung nach dem Inhalt des Vermögensverzeichnisses offensichtlich nicht geeignet wäre, zu einer vollständigen Befriedigung der Forderung zu führen. Dies zeige, dass der Antragsteller vollstreckbare Forderungen nicht wie geschuldet sofort zahlen könne und dies bereits über einen längeren Zeitraum (seit 28. Januar 2022 – laut Eintragung im Vollstreckungsportal vom 29. Oktober 2024, vom 25. November 2024 und vom 21. Januar 2025). Die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit erfordere kein Verschulden des Gewerbetreibenden. Insofern sei es unbeachtlich, dass die größte Forderung laut Auskunft des Antragstellers aus einem privaten Mietrechtsverhältnis herrühre. Im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs müsse von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen seiner wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgebe. Diese – durch die Anforderungen an eine ordnungsgemäße Gewerbeausübung begründete – Erwartung sei der eigentliche Grund, den wirtschaftlich leistungsunfähigen Gewerbetreibenden als unzuverlässig zu bewerten. Dieser Grund entfalle nur dann, wenn der Gewerbetreibende zahlungswillig sei und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und Erfolg versprechenden Sanierungskonzept arbeite. Ein solches Sanierungskonzept sei vom Antragsteller bis zum Bescheiderlass nicht vorgelegt worden. Die 13 Eintragungen sprächen an sich schon allein für das Vorliegen der Unzuverlässigkeit. Hinzu komme, dass der Antragsteller laut Mitteilung des Finanzamts seinen steuerrechtlichen Erklärungspflichten seit 2016 nicht nachgekommen sei. Die Rücknahme der diesbezüglichen Zwangsgeldfestsetzung sei nicht aufgrund des Eingangs der fälligen Erklärungen erfolgt, sondern aus formalen Gründen.
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Im Beschwerdeverfahren hat der Antragstellerin sinngemäß beantragt,
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den Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 3. Juni 2025 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung der Klage gegen Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheids vom 26. März 2025 wiederherzustellen.
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Zur Begründung hat er vorgebracht, dass die Begründung der Antragsgegnerin für den Ausgangsbescheid insbesondere im Hinblick auf die Darlegungen zum Sofortvollzug unzureichend und überdies von Ermessensfehlgebrauch geprägt sei. Es sei nicht dargelegt, weshalb aus Sicht der Behörde ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung gegeben sei. Das Vorbringen der Antragsgegnerin sei teilweise von Mutmaßungen oder Aspekten geprägt, die keinen Rückschluss auf eine gewerberechtliche Unzuverlässigkeit des Antragstellers zuließen. In seiner Antragsbegründung führt der Antragsteller zudem einzelne Umstände an, die nach seinem Dafürhalten die behördliche Unzuverlässigkeitsprognose entkräften könnten.
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Der Antragsgegner ist der Beschwerde entgegengetreten und hat beantragt,
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die Beschwerde zurückzuweisen.
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Sie hat insbesondere darauf verwiesen, dass die vom Antragsteller angeführten Mutmaßungen nicht in die Prognose über die Unzuverlässigkeit eingeflossen seien. Inzwischen sei eine neue Zwangsgeldfestsetzung (11. März 2025) ergangen. Die erneute Frist (4. April 2025) zur Abgabe der Steuererklärungen habe der Kläger nicht eingehalten. Die Zahl der Eintragungen ins Vollstreckungsportal sei inzwischen auf 18 Eintragungen angestiegen.
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Ergänzend wird auf die Behörden- und die Gerichtsakten verwiesen.
II.
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Die zulässige Beschwerde bleibt in der Sache ohne Erfolg. Die in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründe, auf deren Prüfung der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, rechtfertigen nicht die beantragte Aufhebung des angegriffenen Beschlusses des Verwaltungsgerichts und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen Nr. 1, Nr. 2 und Nr. 3 des Bescheids vom 26. März 2025.
12
Nach der vom Verwaltungsgerichtshof im Beschwerdeverfahren vorzunehmenden Interessenabwägung überwiegt das öffentliche Interesse an der Vollziehung des Bescheids vom 26. März 2025 das Interesse des Antragstellers an der Fortführung seines Betriebs, weil die angefochtenen Regelungen nach der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Prüfung der Sach- und Rechtslage voraussichtlich rechtmäßig sind. Der Aufrechterhaltung der sofortigen Vollziehbarkeit steht auch nicht entgegen, dass im Hinblick auf den weitreichenden Eingriff einer erweiterten Gewerbeuntersagung in die Berufsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG) und im Hinblick auf das Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG) nach der Rechtsprechung (vgl. BayVGH, B.v. 13.12.2011 – 22 CS 11.2428 -juris Rn. 6; B.v. 10.11.2011 – 22 CS 11.1928 – juris Rn. 9) ein Abstellen auf die Erfolgsaussichten der Hauptsacheklage nicht ausreicht, sondern zusätzlich festgestellt werden muss, dass die sofortige Vollziehbarkeit schon vor der Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig ist.
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1. Zunächst ist das Verwaltungsgericht zutreffend davon ausgegangen, dass die Begründung des Sofortvollzugs den formalen Anforderungen des § 80 Abs. 3 VwGO genügt. In den Fällen des § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO hat die Behörde die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO besonders zu begründen. Da es sich bei der behördlichen Anordnung der sofortigen Vollziehung nach der Wertung des Gesetzgebers um einen Ausnahmefall handelt, muss neben das ohnehin bestehende öffentliche Interesse an der Umsetzung eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes (Erlassinteresse) ein besonderes Vollzugsinteresse treten, das das Absehen vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung zu rechtfertigen vermag. Diesem Erfordernis trägt § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO Rechnung. Die Behörde muss sich der Ausnahmesituation bewusst werden und das besondere Vollzugsinteresse begründen, wenn sie vom Regelfall abweicht und die sofortige Vollziehung anordnet (vgl. Hoppe in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 80 Rn. 55). Zur Erfüllung der Voraussetzungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO kommt es nicht darauf an, ob die gegebene Begründung inhaltlich richtig und sachlich geeignet ist, ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung zu rechtfertigen. Nicht ausreichend für das formale Begründungserfordernis ist aber eine formelhafte, nicht auf den konkreten Einzelfall bezogene Begründung, aus der nicht erkenntlich wird, ob und aus welchen Gründen die Behörde vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgegangen ist, der ein Abweichen vom Grundsatz des § 80 Abs. 1 VwGO rechtfertigen kann. Der Hinweis in der Begründung der Vollzugsanordnung vom 26. März 2025, wonach aufgrund des bisherigen Verhaltens des Antragstellers auch weiterhin mit der Nichtbezahlung von Forderungen und der Missachtung rechtlicher Pflichten zu rechnen ist, ist eine den vorliegenden Einzelfall betreffende Erwägung. Zudem wird deutlich, dass die Antragsgegnerin wegen des hochrangigen gefährdeten Rechtsguts (geordneter Gang des Wirtschaftslebens) vom Vorliegen eines Ausnahmefalls ausgegangen ist.
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2. Das öffentliche Vollzugsinteresse überwiegt das Interesse des Antragstellers an der Fortführung seines Gewerbebetriebs, weil die Antragsgegnerin zu Recht von der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit des Antragstellers und einer auch für den Zeitraum des laufenden Klageverfahrens bestehenden Gefahr, dass der Antragsteller seinen Zahlungspflichten und der Pflicht zur Abgabe seiner Steuererklärungen weiterhin nicht nachkommt, ausgegangen ist.
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2.1 Soweit der Antragsteller die Unzuverlässigkeitsprognose als (ermessens-)fehlerhaft bezeichnet, weil die Antragsgegnerin die Angaben der Polizei M., „wonach der Antragssteller an 43 Vorgängen beteiligt gewesen sein soll“, undifferenziert einbezogen habe, geht dies an der Sache vorbei. Wie sich aus der Begründung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 3. Juni 2025 und dem Bescheid der Antragsgegnerin vom 26. März 2025 ergibt, stützt sich die Prognose der gewerberechtlichen Unzuverlässigkeit auf die zahlreichen Eintragungen des Antragstellers in das Vollstreckungsportal wegen Ausschlusses der Gläubigerbefriedigung (§ 882c Abs. 1 Nr. 2 ZPO) und die Nichtabgabe der Steuererklärungen. Zusätzlich nennt der streitgegenständliche Bescheid noch die fehlende Anzeige der Erweiterung des Gewerbebetriebs um den Handel mit Kraftfahrzeugen und die fehlende Vorlage des Nachweises über die Berechtigung zu Ausübung des Handwerks. Bezüglich der Beschwerden über den Antragsteller seitens Dritter bei der Polizei und dem Gewerbeamt führt der Bescheid ausdrücklich aus, dass diese die gewerberechtliche Unzuverlässigkeit nicht begründen können.
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2.2 Das Gleiche gilt bezüglich des Vorbringens, wonach die Antragsgegnerin in die Ermessensentscheidung auch nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellte Verfahren zu Lasten des Antragstellers einbezogen habe, wobei bereits unklar bleibt, auf welches Strafverfahren der Antragsteller sich dabei bezieht.
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2.3 Hinzu kommt, dass insoweit bereits der rechtliche Ansatz der Beschwerdebegründung, die Begründung des Ausgangsbescheids sei „ermessensfehlerhaft“, verfehlt ist. Bei der Unzuverlässigkeit handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Gericht voll überprüfbar ist; es besteht also kein Beurteilungsspielraum der Behörde (Brüning in Pielow, BeckOK GewO, Stand 1.12.2024, § 35 Rn. 24). Es kommt folglich darauf an, ob die von der Behörde der Zuverlässigkeitsprognose zugrunde gelegten Tatsachen die Prognose tragen. Dies ist vorliegend bereits bezüglich der Eintragungen in das Vollstreckungsportal und der Nichtabgabe der Steuererklärungen der Fall, ohne dass es auf die weiteren, im Bescheid angeführten Gründe noch entscheidungstragend ankäme. Die Gewerbeuntersagung nach § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO ist eine gebundene Entscheidung, so dass sie nicht ermessensfehlerhaft sein kann. Nur die Ausdehnung der Gewerbeuntersagung auf alle Gewerbe (§ 35 Abs. 1 Satz 2 GewO) stellt eine Ermessensentscheidung dar. Das Beschwerdevorbringen verhält sich zur Ermessensfehlerhaftigkeit dieser Entscheidung nicht.
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2.4 Soweit der Antragsteller darauf verweist, dass ihm die Nichtabgabe der Steuerklärungen nicht vorgehalten werden könne, weil er eine eidesstattliche Versicherung vorgelegt habe, dass er die Erklärungen 2016 bis 2021 beim Finanzamt persönlich eingereicht habe und sie dort offenbar in Verstoß geraten seien, lässt dies den Vorwurf der Verletzung steuerlicher Erklärungspflichten nicht entfallen. Zwar sind bei der Feststellung, dass die sofortige Vollziehbarkeit schon vor Rechtskraft des Hauptsacheverfahrens als Präventivmaßnahme zur Abwehr konkreter Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter notwendig ist, auch Umstände zu berücksichtigen, die nach Bescheid erlass eingetreten sind (OVG NW, B.v.20.5.2016 – 4 B 12.16 – juris Rn. 15). Allerdings liegen die Steuererklärungen entgegen der Beteuerungen des Antragstellers beim Finanzamt immer noch nicht vor und er hat auch keine Bestätigung des Finanzamtes über die persönliche Einreichung vorgelegt. Das weitere Vorbringen, dass die Zwangsgeldfestsetzungen wegen der Nichtabgabe der Steuererklärungen 2016 bis 2023 zurückgenommen worden seien, entkräftet den Vorwurf der Verletzung der steuerlichen Erklärungspflichten ebenfalls nicht. Die Antragsgegnerin hat bereits im streitgegenständlichen Bescheid darauf hingewiesen, dass die Rücknahme der Zwangsgeldfestsetzungen aus formalen Gründen erfolgt sei und nicht deshalb, weil die Steuererklärungen inzwischen beim Finanzamt vorlägen. Deshalb wurden erneut Zwangsgelder gegen den Antragsteller festgesetzt. Zudem hat der Antragsteller die ihm gewährte Frist für die Nachreichung der Steuererklärungen verstreichen lassen, weitere Zwangsgeldfestsetzungen werden vorbereitet. Eine Vereinbarung des Antragstellers über eine Fristverlängerung zur Abgabe der Steuererklärungen besteht offensichtlich nicht. Dies zeigt, dass der Antragsteller auch während des Klageverfahrens seine steuerlichen Erklärungspflichten nicht erfüllt.
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2.5 Die Antragsgegnerin und das Verwaltungsgericht sind auch aufgrund der zahlreichen Eintragungen in das Vollstreckungsportal zutreffend davon ausgegangen, dass der Antragsteller den Unzuverlässigkeitstatbestand der wirtschaftlichen Leistungsunfähigkeit erfüllt. Soweit der Antragsteller vorträgt, er habe inzwischen Forderungen beglichen und Einträge seien gelöscht worden, hat er einen Nachweis für die Begleichung der Forderungen (Bestätigung durch den Gerichtsvollzieher) und der Löschung nicht erbracht. Die Zahl der Eintragungen ist sogar angestiegen. Zudem fehlt es weiterhin an einem Sanierungskonzept. Insbesondere hat der Antragsteller keinen Zahlungsplan oder Ratenzahlungsvereinbarungen vorgelegt. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung muss im Interesse eines ordnungsgemäßen und redlichen Wirtschaftsverkehrs von einem Gewerbetreibenden erwartet werden, dass er bei anhaltender wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit ohne Rücksicht auf die Ursachen der wirtschaftlichen Schwierigkeiten seinen Gewerbebetrieb aufgibt. Dieser Grund entfällt nur, wenn er zahlungswillig ist und trotz seiner Schulden nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet (BVerwG, U.v. 15.4.2015 – 8 C 6.14 – juris Rn. 14 m.w.N.). Darunter ist ein realistischer Plan zu verstehen, der eine Wegfertigung der Verbindlichkeiten innerhalb überschaubarer Zeit mit hoher Wahrscheinlichkeit erwarten lässt und der tatsächlich und konsequent verwirklicht wird (BayVGH, B.v. 11.9.2024 – 22 ZB 23.1124 – juris Rn. 15 m.w.N.). Maßgeblich ist dabei, ob sich daraus die Prognose rechtfertigt, dass der Betroffene in Zukunft sein Gewerbe ordnungsgemäß führen wird (vgl. BayVGH, B.v. 4.6.2014 – 22 C 14.1029 – juris Rn. 15 f.; B.v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – juris Rn. 9). Es muss ersichtlich sein, dass und wie die wirtschaftliche Leistungsunfähigkeit künftig in einem hinnehmbaren Zeitraum beendet und damit Gefahren für andere Gewerbetreibende, Kunden, die öffentliche Hand, andere Stellen und die Rechtsordnung insgesamt abgewendet werden können (BayVGH, B.v. 20.5.2016 – 22 ZB 16.253 – a.a.O. m.w.N.; vgl. auch BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 22 C 16.1107 – juris Rn. 9). Dafür ist es grundsätzlich erforderlich, dass der Gewerbetreibende das von ihm verfolgte Tilgungs- und Sanierungskonzept auch vorlegt (vgl. BayVGH, B.v. 11.9.2024 – 22 ZB 23.1124 – juris Rn. 15). Allein dann, wenn nach außen hin erkennbar hervortritt, dass er im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt nach einem sinnvollen und erfolgversprechenden Sanierungskonzept arbeitet, kann trotz eingetretener wirtschaftlicher Leistungsunfähigkeit eine günstige Prognose über sein künftiges gewerbliches Verhalten angestellt werden (BayVGH, B.v. 5.12.2016 – 22 ZB 16.2177 – juris Rn. 16). Das (unwidersprochene) Vorbringen der Antragsgegnerin, dass die Zahl der Eintragungen seit Bescheiderlass weiter angestiegen sei, spricht ebenfalls gegen das Vorliegen eines tragfähigen Sanierungskonzepts und belegt zudem, dass der Antragsteller auch während des Klageverfahrens die Forderungen seiner Schuldner nicht begleichen kann.
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Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 1.5, 54.2.1 und 54.2.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).