Titel:
Unzulässiger Ausforschungsbeweis betreffend Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens in einem Verfahren wegen Entfernung aus dem Beamtenverhältnis
Normenketten:
VwGO § 130a, § 130b S. 2
StPO 244 Abs. 3 S. 1 analog
BayDG Art. 63 Abs. 1 S. 1, Art. 3, Art. 64 Abs. 1 S. 2
Leitsatz:
Der Antrag, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Frage einzuholen, ob beim Beamten, der aus dem Beamtenverhältnis wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst entfernt werden soll, mindestens eines der in § 20 StGB genannten Krankheitsbilder vorgelegen habe und deswegen seine Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich vermindert gewesen sei, ist unsubstantiiert und als Ausforschungsbeweis unzulässig, wenn er ins Blaue hinein gestellt ist, ohne dabei weder ein konkretes Krankheitsbild noch irgendeine Anknüpfungstatsache dafür, dass bei ihm eine Verminderung oder gar ein Ausschluss der Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit vorgelegen haben könnte, zu benennen. (Rn. 10 – 15) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beweisantrag, Beweiserhebung, Disziplinarklage, Fernbleiben vom Dienst, ins Blaue hinein, Krankheit, Krankheitsbild, Anknüpfungstatsachen, Ausforschungsbeweis, Beweisantrag Ablehnung, Dienstunfähigkeit, Disziplinarverfahren, Einholung eines Sachverständigengutachtens, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Steuerungsfähigkeit, unentschuldigtes Fernbleiben, verminderte Schuldfähigkeit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Entscheidung vom 22.05.2023 – RO 10A DK 22.1249
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20827
Tenor
I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Gründe
1
Die Berufung des Beklagten wendet sich gegen das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. Mai 2023 mit dem die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis wegen unentschuldigtem Fernbleiben vom Dienst ausgesprochen wurde.
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Auf den Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Der Senat macht sich die Feststellungen des Verwaltungsgerichts in vollem Umfange zu eigen.
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Zur Begründung seiner Berufung trägt der Beklagte vor, dass das erstinstanzliche Gericht ungeachtet seiner Mitwirkung ein Sachverständigengutachten hätte beauftragen müssen. Nach einem Beweisbeschluss hätte er die Mitwirkung aufnehmen können. Es sei eine Vielzahl von Unterlagen beim Kläger vorhanden gewesen, so dass der Sachverständige ein Gutachten nach Aktenlage hätte fertigen können, wenn der Beklagte nicht mitgewirkt hätte. Das Sachverständigengutachten würde erweisen, dass die Fehlzeiten nicht unentschuldigt gewesen, sondern aufgrund einer Krankheit erfolgt seien. Dann bestünde kein Raum für eine Entfernung aus dem Dienst.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 22. Mai 2023 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und beantragt,
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die Berufung des Beklagten zurückzuweisen.
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Der Beklagte versuche erneut eine auf Ausforschung gerichtete Beweiserhebung zu erreichen. Es lägen keine objektiven Anhaltspunkte vor, dass der Beklagte dienstunfähig erkrankt sei und an einer Krankheit leide, die seine Einsichts- oder Steuerungsfähigkeit ausschließe. Hierzu sei nichts dargelegt worden oder ersichtlich. Der Beklagte habe es bislang unterlassen an der Aufklärung seines Gesundheitszustandes mitzuwirken.
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Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Beteiligten mit Schreiben vom 26. Juni 2023 zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört.
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Der Beklagte hat daraufhin beantragt, ein psychiatrisches Sachverständigengutachten zur Frage einzuholen, ob beim Beklagten ab Mitte 2020 bis Mitte 2022 mindestens eines der in § 20 StGB genannten Krankheitsbilder vorgelegen habe und deswegen seine Einsichts- und/oder Steuerungsfähigkeit ausgeschlossen oder erheblich vermindert gewesen sei (§§ 20, 21 StGB). Falls ja: Ob dieses erfolgreich behandelt worden sei und ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten würden. Falls nein: Sei der Zustand des Beklagten der erheblich verminderten Schuldfähigkeit nahegekommen und habe er diese schwierige Lebensphase nunmehr vollständig überwunden, so dass ähnliche Pflichtverstöße nicht mehr eintreten würden?
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Der Beklagte sichere zu, bei der Erstellung des Gutachtens mitzuwirken. Im Rahmen des in erster Instanz zu fertigenden Gutachtens habe der Beklagte aufgrund des damals vorliegenden Krankheitsbildes nicht mitwirken können. Nunmehr sei der Kläger stabil, so dass einer Mitwirkung nichts im Wege stehe.
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Mit Schreiben vom 7. Juli 2025 hat der Senat die Beteiligten erneut zur beabsichtigten Entscheidung durch Beschluss angehört. Den Beteiligten ist mitgeteilt worden, dass der Senat beabsichtige den schriftsätzlichen Beweisantrag abzulehnen, weil er auf Ausforschung gerichtet und deshalb unsubstantiiert sei, und die Berufung durch Beschluss zurückzuweisen, da er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich halte.
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Die Entscheidung über die Berufung ergeht nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss, weil der Senat sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130a VwGO, Art. 64 Abs. 1 Satz 2 BayDG).
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Der Beweisantrag des Beklagten im Schriftsatz vom 4. Juli 2025 wird abgelehnt.
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Der Antrag ist unsubstantiiert und als Ausforschungsbeweis entsprechend § 244 Abs. 3 Satz 1 StPO unzulässig. Der Beklagte bezweckt mit der beantragten Einholung eines Sachverständigengutachtens ins Blaue hinein eine Untersuchung an sich vornehmen zu lassen. Dabei benennt er weder ein konkretes Krankheitsbild noch irgendeine Anknüpfungstatsache dafür, dass bei ihm eine Verminderung oder gar ein Ausschluss der Einsichts- bzw. Steuerungsfähigkeit vorgelegen haben könnte. Auch die vorgelegten Akten enthalten keine Unterlagen, die diesbezüglich einen ausreichenden Anhaltspunkt liefern würden (s. UA S. 11). Das Verwaltungsgericht hatte den Beklagten bereits bzgl. eines gleichlautenden, schriftsätzlich angekündigten, aber in der mündlichen Verhandlung nicht mehr gestellten Beweisantrags darauf hingewiesen, dass er detailliert und substantiiert darlegen solle, weshalb das ihm vorgeworfene unentschuldigte Fernbleiben vom Dienst disziplinarrechtlich nicht oder nur teilweise zurechenbar sein solle. Dem kam der Beklagte nicht nach.
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Da der Beklagte weder im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht noch im Berufungsverfahren in der Sache zu dem gegen ihn gerichteten Vorwurf des unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst vorgetragen hat, hält der Senat die Durchführung einer mündlichen Verhandlung nicht für erforderlich.
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Von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe wird abgesehen, weil der Senat die Berufung aus den Gründen der angefochtenen Entscheidung als unbegründet zurückweist (§ 130b Satz 2 VwGO, Art. 63 Abs. 1 Satz 1, Art. 3 BayDG).
18
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG. Da gegen den Beklagten im Verfahren der Disziplinarklage auf eine Disziplinarmaßnahme erkannt worden ist, trägt er die Kosten des Berufungsverfahrens.
19
Gegen diesen Beschluss ist ein Rechtsmittel nicht gegeben (Art. 64 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayDG, § 130a Satz 2, § 125 Abs. 2 Satz 4 VwGO).