Titel:
Festlegung einer Fraktionsmindeststärke im Gemeinderat
Normenketten:
Art. 33 Abs. 1 S. 5, Abs. 3
GO Art. 45 Abs. 1
BayGO Art. 45 Abs. 1
Leitsätze:
1. Eine in der Geschäftsordnung eines Gemeinderats festgelegte Fraktionsmindeststärke ist mit dem Gleichbehandlungsgebot insbesondere dann vereinbar, wenn bezüglich der Anzahl der Mandate zwischen der größten vom Fraktionsstatus ausgeschlossenen Gruppe und der kleinsten als Fraktion anerkannten Gruppe ein deutlicher Abstand besteht. (Rn. 30)
2. Eine Regelung in der Geschäftsordnung eines Gemeinderats verstößt jedenfalls dann gegen das Willkürverbot, wenn sie sich gezielt gegen eine bestimmte politische Gruppierung richtet und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgt, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten. (Rn. 36)
Schlagworte:
Geschäftsordnungsautonomie des Stadtrats, Festlegung einer Fraktionsmindeststärke, Größenverhältnis der Gruppen im Stadtrat, an den Fraktionsstatus anknüpfende Regelungen, keine rechtsmissbräuchliche Ausübung der Geschäftsordnungsautonomie, Fraktion, Fraktionsmindeststärke, Gemeinderat, Geschäftsordnung, Gruppe, Willkürverbot, Geschäftsordnungsautonomie
Vorinstanz:
VG Ansbach, Beschluss vom 04.12.2024 – AN 4 E 24.2869
Fundstellen:
KommJur 2025, 116
LSK 2025, 2072
NVwZ 2025, 523
KommJur 2025, 138
BeckRS 2025, 2072
Tenor
I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
1. Antragstellerin ist die aus drei Personen bestehende Gruppe von Mandatsträgern der AfD im Rat der Stadt Nürnberg. Sie wendet sich gegen einen Beschluss des Stadtrats der Antragsgegnerin, mit dem die Geschäftsordnung bezüglich der Mindestfraktionsstärke geändert wurde.
2
Aus der letzten Kommunalwahl am 15. März 2020 ergab sich im 70-köpfigen Stadtrat der Antragsgegnerin ursprünglich folgende Sitzverteilung:
Christlich-Soziale Union (CSU)
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[22]
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Sozialdemokratische Partei Deutschlands (SPD)
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[18]
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Bündnis 90 / Die Grünen
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[14]
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Alternative für Deutschland (AfD)
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[4]
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Die Linke
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[3]
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Freie Wähler (FW)
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[2]
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Ökologisch-Demokratische Partei (ÖDP)
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[2]
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Freie Demokratische Partei (FDP)
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[1]
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Politbande
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[1]
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Partei / Piraten
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[1]
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Linke Liste
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[1]
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Die Guten
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[1]
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3
Die in der konstituierenden Sitzung des Stadtrats am 11. Mai 2020 beschlossene Geschäftsordnung (GeschO) enthielt u.a. folgende Regelung:
„§ 6 Fraktionen Zusammenschlüsse von Stadtratsmitgliedern besitzen Fraktionsstatus, wenn sie kraft ihrer Stärke mit mindestens einem Mitglied in einem Stadtratsausschuss vertreten sind.
4
Mit Beschluss vom 21. Oktober 2020 legte der Stadtrat für die Ausschüsse (außer für den Jugendhilfe- und den Rechnungsprüfungsausschuss) eine Größe von 15 Sitzen fest, so dass nach dem angewandten Verteilungsverfahren nach d'Hondt sowohl die damals vierköpfige AfD-Fraktion als auch die von kleineren Gruppen gebildeten Ausschussgemeinschaften jeweils einen Ausschusssitz erhielten.
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2. Mit Schreiben vom 21. September 2024 teilte einer der auf der AfD-Liste gewählten Stadträte dem Oberbürgermeister der Antragsgegnerin mit, dass er die AfD-Fraktion verlasse.
6
Nachdem die Antragsgegnerin die Auffassung vertreten hatte, der Gruppe von drei AfD-Stadträten stehe nach dem weiterhin anzuwendenden d‘Hondtschen Verteilungsverfahren kein Ausschusssitz mehr zu, so dass nach § 6 GeschO auch der Fraktionsstatus entfalle, wandte sich die Antragstellerin mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht und berief sich auf eine unzulässige Überaufrundung zu ihren Lasten. Die Antragsgegnerin erklärte daraufhin im Rahmen ihrer Antragserwiderung, die Verwaltung werde zur Vermeidung unzulässiger Überaufrundungen dem Stadtrat vorschlagen, die Zahl der Ausschusssitze auf 14 festzulegen und weiterhin das Verteilungsverfahren nach d‘Hondt anzuwenden.
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Das Verwaltungsgericht verpflichtete daraufhin die Antragsgegnerin mit einstweiliger Anordnung vom 16. Oktober 2024, über die Neubesetzung der Ausschüsse unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden. Zur Begründung hieß es, die beabsichtigte Besetzung der Ausschüsse mit 14 Mitgliedern unter Anwendung des Verfahrens nach d’Hondt widerspreche dem in Art. 33 Abs. 1 Satz 2 GO verankerten Grundsatz der Spiegelbildlichkeit, so dass ein Anspruch auf Heranziehung eines anderen Berechnungsverfahrens bestehe (Az. AN 4 E 24.2486). In einem obiter dictum wies das Gericht darauf hin, dass bei einer Sitzverteilung nach dem Verfahren Hare/Niemeyer und unter Berücksichtigung der Ausschussgemeinschaften bei Ausschüssen mit 15 Mitgliedern die bisherige Sitzverteilung beibehalten werden könne.
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3. In der Ladung zur nächsten Stadtratssitzung am 23. Oktober 2024 wurde unter TOP 6.1 die beabsichtigte Änderung der Besetzung der Ausschüsse aufgenommen. Die Verwaltung empfahl, die Zahl der Ausschusssitze vorläufig auf 15 Ausschussmitglieder festzulegen und das Verteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer anzuwenden.
9
Mit Schreiben vom 22. Oktober 2024 kündigte die Stadtratsgruppe Die Linke an, sie werde aus ihrer bisherigen Ausschussgemeinschaft ausscheiden und nach der Entscheidung des Stadtrats selbst Fraktion im Sinne von § 6 GeschO sein.
10
Mit gemeinsamem Schreiben vom 23. Oktober 2024 wandten sich die Fraktionen der CSU, der SPD und von Bündnis 90 / Die Grünen ebenfalls noch vor der Stadtratssitzung an den Oberbürgermeister und stellten einen Dringlichkeitsantrag zur Änderung von § 6 GeschO, wonach Fraktionen mindestens vier Mitglieder umfassen müssten.
11
Der Antrag wurde folgendermaßen begründet: „Die zurückliegenden und derzeitigen juristischen Auseinandersetzungen um die Fragen der Ausschussgröße und -besetzungen lassen besorgen, dass die Arbeit und Funktionsfähigkeit des Stadtrats als Kollegialorgan und seiner Ausschüsse nicht weiter im erforderlichen Umfang gewährleistet ist. Dies betrifft zudem die Koppelung des Fraktionsstatus an das Erreichen eines Ausschusssitzes einer Stadtratsgruppe aus eigener Kraft. Vor diesem Hintergrund erscheint eine Änderung der Geschäftsordnung analog der Regelung der Landeshauptstadt München geboten.“
12
Der Änderungsantrag wurde nachträglich unter TOP 5.1 zur Beratung aufgenommen. In der Stadtratssitzung wurde die Dringlichkeit der Änderung der Tagesordnung mehrheitlich bejaht und mit 51 zu 13 Stimmen folgende Neufassung beschlossen:
„§ 6 Fraktionen Stadtratsmitglieder können sich zur Erreichung gemeinsamer Ziele zu Fraktionen zusammenschließen, wenn dieser Zusammenschluss mindestens vier Stadtratsmitglieder umfasst. (…)“
13
Die Antragstellerin wandte sich daraufhin erneut an das Verwaltungsgericht mit dem Antrag, vorläufig festzustellen, dass der Beschluss des Stadtrats zu § 6 Satz 1 GeschO unwirksam ist. Der Antrag sei etwa eine halbe Stunde vor Beginn der Sitzung allen Stadträten zugeleitet worden. Auf Nachfrage, weshalb die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrats und der Ausschüsse beeinträchtigt sei, hätten die Mitglieder der Antragstellerin keine nachvollziehbare Begründung erhalten. Der Fraktionsstatus habe für die Antragstellerin erhebliche Bedeutung. Mit dem Verlust entfielen die Zulagen für den Fraktionsvorsitzenden und seinen Stellvertreter sowie der Zuschuss für die Fraktion an sich. Als Fraktion erhalte die Antragstellerin derzeit monatlich einen Finanzzuschuss in Höhe von 5.869 Euro. Ein einzelner Stadtrat erhalte eine Aufwandsentschädigung in Höhe von 2.475 Euro, ein stellvertretender Fraktionsvorsitzender erhalte 3.670 Euro, ein Fraktionsvorsitzender 4.869 Euro. Zudem hätten Fraktionsvorsitzende die Möglichkeit, eine Verdienstausfallentschädigung in Höhe von monatlich 105 Stunden zu je 33 Euro, also insgesamt 3.465 Euro, geltend zu machen. Hinzu komme der Verlust des Büroraums im Rathaus samt Ausstattung. Ferner seien sämtliche Sitze in ehrenamtlichen Abordnungen an den Fraktionsstatus bzw. an den Status einer Ausschussgemeinschaft gebunden. Eine Stadtratsgruppe erhalte dagegen nichts an finanzieller oder sachlicher Unterstützung.
14
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzulehnen. Der AfD-Stadtratsgruppe würden nicht quasi „über Nacht“ Mittel und Räume entzogen. Die Verwaltung habe auch für November 2024 die Zuschüsse in Höhe von 5.869 Euro angewiesen. Davon ausgenommen seien nur die auf dem Status einer Fraktion beruhenden Zahlungen.
15
Mit Beschluss vom 4. November 2024 stellte das Verwaltungsgericht vorläufig die Nichtigkeit des Stadtratsbeschlusses vom 23. Oktober 2024 über die Änderung der Geschäftsordnung fest, da er unter Verstoß gegen die Ladungsvorschriften der Geschäftsordnung ergangen sei (Az. AN 4 E 24.2660).
16
4. Am 6. November 2024 stellten die Fraktionen von CSU, SPD und Bündnis 90 / Die Grünen erneut den Antrag, in der nächsten Stadtratssitzung am 21. November 2024 § 6 Satz 1 GeschO in der zuletzt vorgeschlagenen Weise zu ändern.
17
Die Antragstellerin wandte sich daraufhin erneut mit einem Eilantrag an das Verwaltungsgericht. In der beabsichtigten Änderung der Geschäftsordnung liege ein Missbrauch des dem Stadtrat bei Organisationsregelungen zustehenden Gestaltungsrechts. Es sei bereits der dritte Versuch, aus dem Ausscheiden eines Stadtrats aus der AfD-Fraktion politisches Kapital zu schlagen. Es bestehe grundsätzlich keine sachliche Notwendigkeit, ein Jahr vor Ende der Wahlperiode die Geschäftsordnung zu ändern mit der Folge, dass eine Fraktion dadurch ihren Status verliere. Die Begründung der Antragsgegnerin, die Gerichtsverfahren aus dem Jahr 2020 und dem Herbst 2024 ließen besorgen, dass die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrats und seiner Ausschüsse nicht weiter im erforderlichen Umfang gewährleistet wäre, sei eine offensichtliche Scheinbegründung. Es sei nicht erkennbar, welchen Einfluss diese Verfahren auf die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrates gehabt hätten bzw. aktuell haben könnten. Das Argument sei auch missbräuchlich und treuwidrig, da sämtliche Verfahren zwischen den Beteiligten nur notwendig geworden seien, weil die Antragsgegnerin sich nicht an Recht und Gesetz gehalten habe. Soweit sie auf die Gruppe Die Linke und deren Verlust des Fraktionsstatus verweise, sei dies aus Sicht der den Stadtrat dominierenden Parteien allenfalls ein Kollateralschaden. Der Vorsitzende der Gruppe Die Linke habe der Presse gegenüber zugegeben, dass die AfD nach Auffassung jedenfalls der Mehrheit der übrigen Stadtratsfraktionen der Grund für die Änderung der Geschäftsordnung sei. Der Verlust des Fraktionsstatus bedeute nicht nur einen finanziellen Nachteil, insbesondere durch den Wegfall der Zulagen und Verdienstausfallentschädigungen für die Fraktionsvorsitzenden, sondern führe auch zur Halbierung der Redezeit in den Plenarsitzungen und zur Änderung der Sitzordnung, da nur Vorsitzende von Fraktionen und Ausschussgemeinschaften Plätze in der ersten Reihe hätten. Auch Sitze in anderen Stadtratsgremien wie dem Aufsichtsrat Landesgartenschau 2030 und dem Lenkungskreis Frankenstadion seien an den Fraktionsstatus gebunden.
18
Nachdem der Stadtrat am 21. November 2024 die beantragte Änderung des § 6 Satz 1 GeschO beschlossen hatte, modifizierte die Antragstellerin ihren Antrag dahingehend, dass die vorläufige Feststellung der Nichtigkeit dieses Beschlusses, hilfsweise die Verpflichtung der Antragsgegnerin, bis zur rechtskräftigen Hauptsacheentscheidung der Antragstellerin den Fraktionsstatus im bisherigen Umfang zuzuerkennen, beantragt werde.
19
Die Antragsgegnerin beantragte, den Antrag abzulehnen. Durch die Neuregelung in § 6 GeschO seien in den Ausschüssen nunmehr Fraktionen, Gruppen und Ausschussgemeinschaften vertreten; nach Kenntnis der Verwaltung bestehe parteiübergreifend Einigkeit darüber, dass dieser Umstand auch in den Zuschüssen abgebildet werden müsse. Der Verwaltungsvorschlag sehe eine Fortführung von Zuschüssen an alle Fraktionen, Gruppen und Ausschussgemeinschaften in gestaffelter Höhe vor; die bestehende Infrastruktur (Räume, Büroausstattung) bleibe ebenso wie die Sitzordnung im Plenum unberührt. Bezüglich der sonstigen Folgen aus dem Fraktionsstatus sei auf die Satzung über die Entschädigung der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder hinzuweisen, die monatliche Aufwandsentschädigungen für die Fraktionsvorsitzenden und deren Stellvertreter vorsehe. Auch dürften nur Fraktionen beispielsweise Vorschläge für die Bürgermedaille einreichen. Die Redezeiten beträfen allein die Etatberatungen. Der Minderheitenschutz werde hier insoweit gewährleistet, als Fraktionen 60 Minuten, Gruppen mit zwei oder drei Mitgliedern 30 Minuten Redezeit bekämen. Die Regelung über die Fraktionsmindeststärke liege im Organisationsermessen des Stadtrats. Für die Änderung der Stadtratsgeschäftsordnung gebe es relevante sachliche Gründe; es liege kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vor. Die zurückliegenden und derzeitigen juristischen Auseinandersetzungen um die Fragen der Ausschussgrößen und -besetzungen hätten bei CSU, SPD und Grünen die Sorge wachsen lassen, dass die Arbeits- und Funktionsfähigkeit des Stadtrates und seiner Ausschüsse nicht weiter im erforderlichen Umfang gewährleistet sei. Es gehe darum, dass der Fraktionsstatus nicht weiter von mehr oder weniger zufälligen Veränderungen der Stärkeverhältnisse im Rat und dadurch notwendigen neuen Ausschussbesetzungen abhängen solle. Schon nach den bisherigen Regelungen sei ein Sitz in einem Ausschuss und der damit verbundene Fraktionsstatus faktisch erst für Gruppen mit vier Stadtratsmitgliedern erreichbar gewesen. Die Koordinierungsfunktion einer Fraktion verliere mit abnehmender Größe an Sinn, sie könne bei vier Stadtratsmitgliedern gerade noch angenommen werden. Es handle sich hier ersichtlich nicht um eine die AfD bewusst benachteiligende Regelung, denn die Stadtratsgruppe Die Linke sei davon genauso betroffen. Die Arbeit aller in den Ausschüssen vertretenen Gruppen werde weiter bezuschusst. Bei einer zeitweilig erwogenen Erweiterung der Ausschüsse auf 16 Sitze hätte es bis zu sieben Fraktionen mit teilweise nur zwei Mitgliedern gegeben.
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5. Mit dem angegriffenen Beschluss vom 4. Dezember 2024 lehnte das Verwaltungsgericht Ansbach den Eilantrag ab. In der Rechtsprechung sei geklärt, dass ein Gemeinderat im Rahmen seiner Geschäftsordnungsautonomie den Status einer Fraktion an eine Mindeststärke knüpfen könne, wobei der Zweck einer Fraktion, die Vorklärung der fraktionsinternen Meinungsbildung für die spätere Arbeit des Gemeinderates, in den Blick zu nehmen sei. Unter dem Aspekt des Willkürverbots sei die Festlegung einer Mindestfraktionsstärke insbesondere dann nicht möglich, wenn ein Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten vorliege. Die Unzulässigkeit der Neuregelung ergebe sich nicht daraus, dass die Geschäftsordnung in der laufenden Wahlperiode geändert worden sei. Dieser Umstand könne allerdings ein Indiz für eine missbräuchliche Gestaltung sein. Die Änderung des § 6 Satz 1 GeschO sei vor dem Hintergrund eines konkreten Ereignisses erfolgt; äußerer Anlass seien zuletzt aufgetretene Fragestellungen bei der Ausschussbesetzung gewesen. Die Einführung einer Mindestfraktionsstärke verfolge einen legitimen Zweck. Die den Antrag unterstützenden Gruppierungen hätten als Anlass der Neuregelung angeführt, dass der Fraktionsstatus nicht weiter von Veränderungen der Stärkeverhältnisse im Rat und dadurch notwendigen neuen Ausschussbesetzungen abhängen solle. Diese Gründe seien ausreichend, um die Neuregelung zu begründen. Mit Blick auf den Minderheitenschutz erscheine die Festlegung der Mindeststärke auf vier Stadtratsmitglieder ebenfalls unbedenklich. Die Mindeststärke von vier Sitzen mache knapp über 5% des Plenums aus, während drei Sitze noch unter dieser Schwelle lägen. Es bestehe zudem ein deutlicher Abstand zwischen der Antragstellerin mit drei Mitgliedern und der nächstgrößeren Fraktion mit 14 Mitgliedern. Was das Rederecht bei Haushaltsberatungen betreffe, wäre eine aus nur drei Mitgliedern bestehende Fraktion gegenüber drei Einzelstadträten sogar überprivilegiert. Die Antragstellerin habe nicht aufgezeigt, dass unter dem Aspekt der Gleichbehandlung eine Differenzierung zu den größeren Gruppen übermäßig erscheine. Es sei nicht nachvollziehbar, dass eine aus drei Personen bestehende Gruppe für einen Fraktionsvorsitzenden und seinen Stellvertreter extra alimentiert werden müsse. Auch bei einer Gesamtschau ergebe sich kein Fall des Missbrauchs rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten. Das Gericht verkenne nicht, dass die Gruppe der Antragstellerin wiederholt und im Kern unbestritten von einem grundlegend ablehnenden (Sozial-)Verhalten anderer Stadträte sowie von Anfeindungen betroffen sei. Das harte Angehen des politischen Gegners gehöre aber in einem Plenum mit direkt gewählten Vertretern zur Natur der demokratischen Auseinandersetzung. Die von der Antragstellerin angeführten Äußerungen seien daher allenfalls ein Indiz in Richtung einer missbräuchlichen Gestaltung. Wenig Bedeutung messe das Gericht dem vorgelegten Zeitungsbericht zu, wonach der Vorsitzende der Gruppe Die Linke berichtet habe, „auf den Fluren des Rathauses höre er, die Regelung richte sich gegen die AfD“. Ein Zugeständnis einer missbräuchlichen Gestaltung ergebe sich daraus jedenfalls nicht. Obwohl die den Änderungsantrag stützenden Gruppen auf die vergangenen juristischen Auseinandersetzungen um die Ausschussbesetzung abgestellt hätten, gehe es sachlich erkennbar um die Stabilität der Verhältnisse im Stadtrat, was die Änderung in der laufenden Wahlperiode als Sachgrund stütze. Die Begrenzung der Anzahl fraktionsfähiger Gruppen entspreche dem mit der Festlegung einer Mindestfraktionsstärke verfolgten Zweck, die Arbeit im Plenum effektiver auszugestalten. Mit der Festsetzung auf mindestens vier Mitglieder zeige der Stadtrat, dass die bisherige Mindeststärke noch für akzeptabel gehalten werde.
21
Gegen diesen Beschluss wendet sich die Antragstellerin mit der Beschwerde, der die Antragsgegnerin entgegentritt.
22
Aufgrund eines Stadtratsbeschlusses vom 11. Dezember 2024 gilt derzeit für die Ausschussbesetzung das Verfahren nach Sainte-Laguë/Schepers bei einer Ausschussgröße von sechzehn Mitgliedern.
23
Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten im vorliegenden und in den vorangegangenen Verfahren verwiesen.
24
1. Die Beschwerde, die der Senat anhand der fristgerecht dargelegten Gründe prüft (§ 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO), hat keinen Erfolg. Das Verwaltungsgericht hat den Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zu Recht abgelehnt. Die dagegen vorgebrachten Einwände greifen nicht durch.
25
a) Zur Begründung ihrer Beschwerde trägt die Antragstellerin vor, es liege ein mit Händen zu greifender Missbrauch des Gestaltungsrechts des Stadtrats vor. Die der Regelung zugrundeliegenden Sachgründe überwögen nicht die seitens der Antragstellerin vorgetragenen und dem äußeren Sachverhalt nach unstreitigen diskriminierenden Verhaltensweisen. Die offen zelebrierte Verachtung des politischen Gegners gebe einen deutlichen Hinweis darauf, warum man nach juristischen Mitteln zur Schwächung der Antragstellerin suche. Seit Beginn der Wahlperiode habe die Antragsgegnerin immer wieder versucht, die Rechte der Antragstellerin rechtswidrig zu beschneiden; dies zeigten die Beschlüsse des Verwaltungsgerichtshofs vom 7. August und 26. Oktober 2020 sowie des Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober und 4. November 2024. Diese wiederholten Versuche der Antragsgegnerin, der Antragstellerin ihre gesetzlichen und satzungsmäßigen Rechte zu nehmen, machten deutlich, dass nicht Sachgründe, sondern andere Gründe diese Hartnäckigkeit hervorgerufen hätten. Bei der Gesamtschau, ob ein Missbrauch des Gestaltungsrechts vorliege, sei dies zu berücksichtigen. Ein Indiz für einen solchen Missbrauch liege auch darin, dass die den Antrag tragenden Fraktionen von sich als den „demokratischen Parteien“ sprächen und damit zum Ausdruck brächten, die Partei der Antragstellerin sei nicht demokratisch. Damit werde mittelbar der Wille des Souveräns, den er an der Wahlurne zum Ausdruck gebracht habe, missachtet. Die Antragstellerin sei sich ganz sicher, dass sich die großen Parteien des Stadtrates völlig anders verhalten hätten, wenn um irgendeine andere politische Partei gegangen wäre. Es sei nicht bekannt, dass eine andere Partei in dieser Weise diskriminiert, diffamiert und gemobbt werde. Kein anderes Stadtratsmitglied werde mit Injurien wie „Faschist“ beschimpft. Gegenüber den Mitgliedern der Antragstellerin sei der Sprachgebrauch auf der Gegenseite ganz bewusst herabsetzend. Auch würden sämtliche Mitglieder des Stadtrats außer denen der Antragstellerin vom Oberbürgermeister regelmäßig mit „Frau Kollegin“ bzw. „Herr Kollege“ angeredet. Er habe in seiner Neujahrsansprache unter Verletzung des Neutralitätsgebots den geladenen Gästen sogar eine auf die sogenannten demokratischen Parteien beschränkte Wahlempfehlung gegeben. Die von der Antragstellerin vorgetragenen Verhaltensweisen seien nicht lediglich „Indiz in Richtung einer missbräuchlichen Gestaltung“, sondern der manifeste Beweis dafür; sie zögen sich wie ein roter Faden durch die laufende Stadtratsperiode. Das Gericht führe auch nicht aus, weshalb sich aus der unstreitigen Äußerung des Vorsitzenden der Stadtratsgruppe Die Linke noch kein Zugeständnis der missbräuchlichen Gestaltung ergebe. Die Behauptung, unmittelbarer Anlass zur Änderung von § 6 Satz 1 der Geschäftsordnung sei der Umstand gewesen, dass nunmehr auch der Gruppe Die Linke aus eigener Kraft ein Ausschusssitz und damit Fraktionsstatus habe zukommen sollen, sei angesichts der vorgetragenen Umstände nicht glaubhaft.
26
b) Diese Ausführungen sind nicht geeignet, die Richtigkeit der erstinstanzlichen Entscheidung in Frage zu stellen. Die Antragstellerin kann weder die vorläufige Feststellung der Nichtigkeit des Stadtratsbeschlusses vom 21. November 2024 verlangen noch die hilfsweise geforderte Verpflichtung der Antragsgegnerin, ihr bis zur rechtskräftigen Entscheidung in der Hauptsache den Fraktionsstatus im bisherigen Umfang zuzuerkennen. Die von der Ratsmehrheit beschlossene Neuregelung, wonach es für die Anerkennung als Fraktion einer Mindestzahl von vier Mitgliedern bedarf (§ 6 Satz 1 GeschO n.F.), ist rechtlich unter keinem Gesichtspunkt zu beanstanden.
27
Kommunalen Mandatsträgern steht unabhängig von einer Bestätigung in der Geschäftsordnung das Recht zu, sich zur wirksameren Ausübung ihres Mandats zu Gruppen von beliebiger Größe zusammenschließen (BayVGH, U.v. 16.2.2000 – 4 N 98.1341 – BayVBl 2000, 467 = juris Rn. 26). Der Gemeinde- bzw. Stadtrat kann jedoch kraft seiner Geschäftsordnungsautonomie (Art. 45 Abs. 1 GO) bestimmen, dass solche Zusammenschlüsse nur dann den formellen Status einer „Fraktion“ erhalten, d.h. als teilrechtsfähige Untergliederungen der Vertretungskörperschaft anerkannt werden (vgl. BayVGH, B.v. 16.12.2024 – 4 C 24.1657 – juris Rn. 12 m.w.N.), wenn sie eine bestimmte Mindeststärke aufweisen (BayVGH, U.v. 16.2.2000, a.a.O., juris Rn. 30). Bei dieser Entscheidung verfügt die jeweilige Ratsmehrheit über einen weiten Einschätzungs- und Gestaltungsspielraum; sie muss allerdings die verfassungsrechtlich gewährleistete Mandatsgleichheit (BayVGH, B.v. 10.7.2024 – 4 ZB 23.1795 – BayVBl 2025, 58 Rn. 22 m.w.N.) sowie das rechtsstaatliche Willkürverbot und den Minderheitenschutz beachten (vgl. BVerfG, B.v. 8.12.1988 – 2 BvR 154/88 – juris). Die Grenzziehung zwischen den als „fraktionsfähig“ angesehenen größeren Gruppen und den nächstkleineren Gruppen darf demnach weder die vom Fraktionsstatus ausgeschlossenen Gruppen in ihren Mitwirkungsmöglichkeiten erheblich einschränken noch auf sachfremden Erwägungen beruhen (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2000, a.a.O., juris Rn. 27). Dass der Stadtrat der Antragsgegnerin gegen diese ungeschriebenen rechtlichen Vorgaben verstoßen hat, ist nicht ersichtlich.
28
aa) Die Größenverhältnisse der im Stadtrat der Antragsgegnerin vertretenen Gruppen stehen der streitigen Regelung nicht entgegen, sondern lassen sie sogar als naheliegend erscheinen.
29
Angesichts einer Gesamtzahl von 70 gewählten Stadtratsmitgliedern bedeutet die in § 6 Satz 1 GeschO n.F. geforderte Zahl von mindestens vier Mitgliedern, dass für die Anerkennung als Fraktion bereits ein Anteil von weniger als 6% ausreicht. Dies steht im Einklang mit der bisherigen Rechtsprechung, in der selbst Fraktionsmindeststärken mit deutlich höherem Anteil (bis zu 10% der Mitglieder) als zulässig angesehen wurden (vgl. BVerwG, B.v. 31.5.1979 – 7 B 77.78 – NJW 1980, 304; BayVGH, U.v. 16.2.2000, a.a.O., Rn. 33; VGH BW, B.v. 26.1.1989 – 1 S 3834/88 – DÖV 1989, 596; U.v. 24.6. 2002 – 1 S 896/00 – NVwZ-RR 2003, 56/58; OVG RP, U.v. 18.12.1990 – 7 A 11036/90 – NVwZ-RR 1991, 506 ff.; OVG NW, B.v. 1.8.2006 – 15 A 2611/06 – juris Rn. 2 ff.; HessVGH, U.v. 22.3.2007 – 8 N 2359/06 – juris Rn. 45 ff; OVG Bremen, U.v. 20.4.2010 – 1 A 192/08 – juris Rn. 26 ff; SächsOVG, U.v. 29.9.2010 – 4 C 8/09 – juris Rn. 95 ff.).
30
Wie der Senat in einer früheren Entscheidung ausgeführt hat, ist das Erfordernis einer bestimmten Mindeststärke insbesondere dann mit dem Gleichbehandlungsgebot vereinbar, wenn bezüglich der Anzahl der Mandate zwischen der größten vom Fraktionsstatus ausgeschlossenen Gruppe und der kleinsten als Fraktion anerkannten Gruppe ein deutlicher Abstand besteht (BayVGH, U.v. 16.2.2000, a.a.O., juris Rn. 29). In einer solchen eindeutigen Zäsur, die sich aus der Gruppengröße ergibt, liegt in jedem Fall ein sachlicher Grund für ein daran anknüpfendes Differenzierungskriterium bei der Verleihung des Fraktionsstatus. Im vorliegenden Fall ist der Unterschied besonders markant, da nach derzeitigem Stand die kleinste Fraktion mit 14 Mitgliedern (20% der Gesamtzahl) mehr als viermal so groß ist wie die beiden nächstkleineren Gruppen mit jeweils drei Mitgliedern (4,28%). Unter diesen Umständen konnte der Stadtrat der Antragsgegnerin kaum anders entscheiden, als diese Kleingruppen vom Fraktionsstatus auszuschließen. Hätte er zu ihren Gunsten die Mindestzahl auf drei Mitglieder abgesenkt, wäre dies gegenüber den aus jeweils zwei Mandatsträgern bestehenden Zusammenschlüssen schwerlich begründbar gewesen.
31
bb) Die Nichtanerkennung als Fraktion hat für die Antragstellerin als dreiköpfige Gruppe keine gravierenden rechtlichen oder tatsächlichen Folgen, aufgrund derer sie gegenüber den Fraktionen des Stadtrats spürbar benachteiligt wäre.
32
Die Regelung des § 6 Satz 1 GeschO n.F., wonach der Fraktionsstatus nunmehr einen Zusammenschluss von mindestens vier Ratsmitgliedern voraussetzt, hat isoliert betrachtet lediglich zur Folge, dass die amtliche Titulierung als „Fraktion“ den Gruppen mit dieser Mindestzahl von Mitgliedern vorbehalten ist, während sich die kleineren Zusammenschlüsse nicht auf diese offizielle Bezeichnung berufen können. Der nominelle Ausschluss vom Fraktionsstatus betrifft demnach unmittelbar nur die protokollarische Ebene und damit die Außendarstellung der betroffenen Gruppen; die Mitwirkungsrechte ihrer Mandatsträger im Stadtrat bleiben davon unberührt (vgl. BayVGH, U.v. 16.2.2000, a.a.O.).
33
Allerdings enthalten sowohl die Geschäftsordnung des Stadtrats (§ 29 Abs. 5 Satz 2, Abs. 6 Satz 3; § 32 Abs. 2 Satz 1 GeschO) als auch die Satzung über die Entschädigung der ehrenamtlichen Stadtratsmitglieder (§ 1 Abs. 2 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3; § 2 Abs. 2 Satz 3 EStRES) einige Vorschriften, die tatbestandlich an den in § 6 Satz 1 GeschO legaldefinierten Begriff der Fraktion anknüpfen und daher Gruppen von weniger als vier Mandatsträgern von ihrem Anwendungsbereich ausschließen. Darauf kann sich jedoch die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren nicht berufen. Denn wären die genannten (in ihrem Wortlaut unveränderten) Vorschriften aufgrund des neugefassten Fraktionsbegriffs nunmehr als rechtswidrig anzusehen, so könnte dies nur ihre eigene Nichtigkeit zur Folge haben und nicht auch die Nichtigkeit der streitgegenständlichen Definition in § 6 Satz 1 GeschO n.F. (vgl. VGH BW, B.v. 6.1.1989 – 1 S 3834/88 – NVwZ-RR 1989, 425/426; OVG RP, U.v. 18.12.1990 – 7 A 11036/90 – NVwZ-RR 1991, 506/508; HessVGH, U.v. 22.3.2007 – 8 N 2359/06 – juris Rn. 81).
34
Selbst wenn man der Gegenauffassung folgen und die Rechtmäßigkeit der in der Geschäftsordnung festgelegten Mindestmitgliederzahl an den mit dem Fraktionsstatus verbundenen rechtlichen Folgewirkungen messen wollte (so wohl HessVGH, B.v. 29.4.1991 – 6 TG 292/91 – NVwZ 1991, 1105/1106; Lange, Kommunalrecht, 2. Aufl. 2019, Kap. 6 Rn. 44), ergäbe sich kein anderes Ergebnis, da die Antragstellerin durch die für Fraktionen geltenden Sondervorschriften nicht unangemessen benachteiligt wird. Dass den drei Stadtratsfraktionen mit ihren derzeit 14, 18 und 22 Mitgliedern bei Haushaltsreden eine ganze Stunde, den weiteren Gruppen dagegen eine halbe Stunde Redezeit gewährt wird (§ 29 Abs. 5 Satz 2 GeschO), wirkt sich für die dreiköpfige Gruppe der Antragstellerin sogar als eine überproportionale Begünstigung aus. Die weitere Bestimmung, wonach anstelle des geforderten freien mündlichen Vortrags das Ablesen von Fraktionserklärungen zulässig ist (§ 29 Abs. 6 Satz 3 GeschO), dient mit der Kundgabe eines einheitlichen fraktionsinternen Meinungsbilds der Beschleunigung und findet daher zu Recht auf Kleingruppen mit nur zwei oder drei Mitgliedern keine Anwendung. Dass nur von den Fraktionen vorgeschlagene Ratsmitglieder in den Wahlausschuss berufen werden können (§ 32 Abs. 2 Satz 1 GeschO), sorgt für eine überschaubare Größe dieses nicht zu den Ausschüssen nach Art. 32 GO gehörenden Hilfsorgans; in der Regelung liegt daher ebenfalls keine unzulässige Diskriminierung der kleineren Gruppen. Gleiches gilt für die satzungsrechtlich festgelegten erhöhten Aufwandsentschädigungen für Fraktionsvorsitzende und deren Stellvertreter (§ 1 Abs. 2 Nr. 1 und 2, Abs. 3 EStRES) sowie für die Pauschalregelung in Bezug auf den monatlichen Zeitaufwand, der mit dem Fraktionsvorsitz verbunden ist (§ 2 Abs. 2 Satz 3 EStRES). Dass die Leitungsverantwortung und die zeitliche Beanspruchung bei Vorsitzenden von Kleingruppen mit nur drei Mitgliedern ungleich geringer ausfallen als bei den mitgliederstarken Fraktionen im Stadtrat der Antragsgegnerin, liegt auf der Hand (vgl. BayVGH, U.v. 3.12.2014 – 4 N 14.2046 – BayVBl 2015, 343 Rn. 34).
35
cc) Die Festlegung der Fraktionsmindeststärke auf vier Mitglieder stellt auch keinen Verstoß gegen das rechtsstaatliche Willkürverbot dar, der zur Nichtigkeit des § 6 Satz 1 GeschO n.F. führen würde.
36
Als rechtsmissbräuchlich und damit objektiv willkürlich ist eine von der Ratsmehrheit getroffene Geschäftsordnungsregelung anzusehen, wenn sie sich gezielt gegen eine bestimmte politische Gruppierung richtet und das alleinige oder vorrangige Ziel verfolgt, deren Tätigkeit zu beeinträchtigen oder sie als unerwünschte politische Kraft auszuschalten (BayVGH, U.v. 16.2.2000 – 4 N 98.1341 – BayVBl 2000, 467 = juris Rn. 32; B.v. 9.1.2023 – 4 ZB 22.2095 – BayVBl 2023, 376 Rn. 18 m.w.N.). Ob eine solche vom Zweck der Geschäftsordnungsautonomie nicht mehr gedeckte Diskriminierungsabsicht vorliegt, beurteilt sich nicht allein anhand der offiziellen Erklärungen jener Fraktionen und Wählergruppen, die sich für die betreffende Bestimmung ausgesprochen haben. Von Bedeutung sind auch die äußeren Umstände, die der Neuregelung zugrunde liegen, sowie die möglichen Sachgründe, die sich dafür anführen lassen. Je stärker von einer bisher akzeptierten Handhabung abgewichen wird und je gezielter die gewählte Verfahrensgestaltung auf einen bestimmten (Ausgrenzungs-)Effekt hin zugeschnitten erscheint, desto gewichtiger müssen die sachbezogenen Argumente sein, die das Vorgehen der Ratsmehrheit rechtfertigen können (vgl. zuletzt BayVGH, B.v. 7.12.2020 – 4 ZB 21.1776 – BayVBl 2022, 674 Rn. 23 m.w.N.). Hiernach bestehen bei der streitgegenständlichen Neudefinition des Fraktionsbegriffs keine greifbaren Anhaltspunkte für einen Missbrauch des Geschäftsordnungsrechts zu Lasten der Antragstellerin.
37
(a) In dem Umstand, dass die Änderung der Geschäftsordnung während der laufenden Wahlperiode erfolgt ist, liegt allein noch kein Indiz für eine Missbrauchsabsicht; der Stadtrat kann von der in Art. 45 GO verliehenen Dispositionsbefugnis bezüglich seiner inneren Angelegenheiten jederzeit auch ohne wichtigen Grund Gebrauch machen, ohne in irgendeiner Weise an seine bisherige Praxis gebunden zu sein (vgl. BayVGH, B.v. 14.1.1998 – 4 ZE 97.2724 – juris Rn. 15; BayVGH, B.v. 15.12.2020 – 4 CE 20.2166 – juris Rn. 23 m.w.N.).
38
Vorliegend bestand aus Sicht der Ratsmehrheit zudem ein konkreter Anlass zur Abkehr von der bislang geltenden Regelung, die den Fraktionsstatus von der Vertretung in einem Ausschuss abhängig gemacht hatte. Nach dem Austritt eines Mitglieds aus der bis dahin vierköpfigen Gruppe der AfD-Ratsmitglieder hatte sich bei der erforderlichen Neuberechnung der Ausschusszusammensetzung ergeben, dass eine Beibehaltung des Verfahrens nach d‘Hondt sowohl bei der bisherigen Ausschussgröße von 15 Mitgliedern als auch bei einer Absenkung auf 14 Mitglieder zu einer unzulässigen Überaufrundung unter Ausschluss der Antragstellerin geführt hätte (vgl. VG Ansbach, B.v. 16.10.2024 – AN 4 E 24.2486 – juris Rn. 58 ff.). Der daraufhin von der Verwaltung unterbreitete Vorschlag, bei der Ausschussbesetzung auf das – für kleinere Gruppen günstigere – Verteilungsverfahren nach Hare/Niemeyer überzuwechseln, hatte die dreiköpfige Stadtratsgruppe Die Linke zu der Ankündigung veranlasst, aus ihrer bisherigen Ausschussgemeinschaft auszuscheiden, um eigene Ausschusssitze und damit ebenfalls den Fraktionsstatus erlangen zu können. Dass damit erstmals auch Gruppen mit lediglich drei Mitgliedern als Fraktion zu behandeln gewesen wären, durfte die Stadtratsmehrheit als hinreichenden Grund ansehen, um von der Koppelung des Fraktionsstatus an das Erreichen eines Ausschusssitzes abzurücken und stattdessen – wie in den meisten Städten und Gemeinden üblich – eine bestimmte Fraktionsmindeststärke festzulegen. Dass zur Begründung des entsprechenden Änderungsantrags auf die vorangegangenen Rechtsstreitigkeiten um die Mitwirkung der Antragstellerin in den Ausschüssen verwiesen wurde, deutet nicht auf eine gegen diese Ratsminderheit gerichtete Schädigungsabsicht hin, sondern lässt lediglich die legitime Zielsetzung erkennen, den Fraktionsbegriff nicht länger von den während der Wahlperiode durch Änderungen der Stärkeverhältnisse (vgl. Art. 33 Abs. 3 GO) auftretenden rechtlichen Unsicherheiten über die Ausschussbesetzung abhängig zu machen.
39
(b) Entgegen dem Beschwerdevorbringen ist nicht erkennbar, dass die Mehrheit des Stadtrats seit Beginn der Wahlperiode gleichsam planmäßig versucht hätte, die Rechte der Antragstellerin auf Mitwirkung im Stadtrat in rechtswidriger Weise zu beschneiden. Die als Beleg dafür angeführten Eilbeschlüsse des Senats vom 7. August und 26. Oktober 2020, in denen der damaligen AfD-Fraktion ein gegenüber den bestehenden Ausschussgemeinschaften vorrangiger Anspruch auf Mitwirkung in den Ausschüssen des Stadtrats zuerkannt wurde, beruhten auf einer erstmaligen verfassungskonformen Auslegung des Art. 33 Abs. 1 Satz 5 GO (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2020 – 4 CE 20.1442 – BayVBl 2020, 743 Rn. 31), mit der eine gegenteilige Aussage in einer früheren Entscheidung (BayVGH, U.v. 17.3.2004 – 4 BV 03.1159 – VGH n.F. 57, 49/59 = BayVBl 2004, 429) korrigiert wurde. Dass die Antragsgegnerin zuvor der bis dahin unbestrittenen älteren Rechtsauffassung gefolgt war, stellt daher kein Indiz für ein gezieltes Ausgrenzen der AfD-Fraktion aus der Ausschussarbeit dar. Dem zugunsten der Antragstellerin ergangenen Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 16. Oktober 2024 (AN 4 E 24.2486) lässt sich ebenfalls nicht entnehmen, dass die Ratsmehrheit mit der damals beabsichtigten Absenkung der Ausschussgröße auf 14 Mitglieder bewusst versucht hätte, die dreiköpfige Gruppe der Antragstellerin von der Mitwirkung in diesen Unterorganen des Stadtrats auszuschließen. Die damalige Eilentscheidung betraf, wie sich aus den Gründen ergibt (Rn. 70 ff.), eine in dieser Form in der Rechtsprechung zuvor nicht erörterte Sonderkonstellation, deren rechtliche Problematik die mit der Vorbereitung der Stadtratssitzung befassten Stellen ersichtlich nicht erkannt hatten. Der im Nachhinein vom Stadtrat beschlossene Wechsel zu dem Verteilungsverfahren nach Sainte-Laguë/Schepers bei gleichzeitiger Aufstockung der Ausschüsse auf 16 Mitglieder zeigt, dass die Mehrheit des Stadtrats durchaus bestrebt ist, auch den kleineren Gruppen eine Mitwirkung in den Ausschüssen zu ermöglichen.
40
(c) Auch im Übrigen bestehen keine greifbaren Anhaltspunkte dafür, dass die angegriffene Neuregelung des § 6 Satz 1 GeschO Ausdruck eines allgemeinen Bestrebens der Ratsmehrheit wäre, die Antragstellerin in ihren Wirkungsmöglichkeiten mit allen Mitteln einzuschränken. Soweit die Antragstellerin als Beleg hierfür auf eine in einem Zeitungsbericht zitierte Äußerung des Vorsitzenden der Gruppe Die Linke verweist, wonach dieser „auf den Rathausfluren“ gehört habe, Grund für die Änderung der Geschäftsordnung sei die AfD gewesen, können damit auch die durch den Austritt eines Mitglieds aus der AfD-Fraktion entstandenen Unklarheiten bei der Ausschussbesetzung gemeint gewesen sein, die letztlich zu dem Vorschlag geführt haben, den Fraktionsbegriff nicht länger an die Erlangung eines Ausschusssitzes zu koppeln. Dass der betreffende Beschluss zunächst in verfahrensfehlerhafter Form – unter Verstoß gegen die Ladungsbestimmungen – getroffen wurde, wie das Verwaltungsgericht in seiner Entscheidung vom 4. November 2024 klargestellt hat, war ebenfalls kein Indiz für ein gezielt gegen die Antragstellerin gerichtetes Vorgehen, sondern verletzte die Rechte aller an der betreffenden Sitzung beteiligten Ratsmitglieder.
41
Soweit sich die Antragstellerin schließlich darauf beruft, bei ihrer Stadtratsarbeit schon während der gesamten Wahlperiode von den Vertretern der anderen Fraktionen und Gruppen in herabsetzender Form tituliert und behandelt zu werden, ist nicht erkennbar, inwiefern dies auf eine gerade mit dem Beschluss über die Neufassung des Fraktionsbegriffs verfolgte konkrete Missbrauchsabsicht hindeuten könnte. Die von den konkurrierenden Stadtratsgruppen in öffentlichen Stellungnahmen vielfach vorgenommene Ausgrenzung der Antragstellerin aus dem Kreis der „demokratischen Parteien“ stellt eine politische Bewertung ihrer inhaltlichen Standpunkte und ihres Auftretens dar und bedeutet nicht, dass ihr als einer Gruppe gewählter Mandatsträger die demokratischen Teilhaberechte innerhalb der örtlichen Volksvertretung abgesprochen werden sollten. Abwertende Äußerungen einzelner Ratsmitglieder können ebenso wie das Verhalten des Oberbürgermeisters ohnehin nicht der aus unterschiedlichen Fraktionen und Gruppen bestehenden Mehrheit bei der Abstimmung über die Neufassung des § 6 Satz 1 GeschO zugerechnet werden.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung zum Streitwert aus § 47 i. V. m. § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. Nr. 1.5, Nr. 22.7 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).