Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 12.02.2025 – 204 StObWs 13/25
Titel:

Rechtsbehelfe des Strafgefangenen im Zusammenhang mit der Weitergabe seiner Gesundheitsdaten durch die Justizvollzugsanstalt

Normenketten:
StVollzG § 109 ff., § 120 Abs. 1 S. 2
BayStVollzG Art. 197 Abs. 6, Art. 208
StPO § 147 Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 3, § 304 Abs. 2, § 305
Leitsätze:
1. Die Weitergabe von Gesundheitsdaten eines Strafgefangenen durch die Justizvollzugsanstalt an die Strafvollstreckungskammer, die diese Daten für ein dort anhängiges Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG betreffend einen anderen Strafgefangenen benötigt, stellt eine nach §§ 109 ff. StVollzG anfechtbare Maßnahme dar. (Rn. 14 – 15)
2. Gibt die Strafvollstreckungskammer die ihr übermittelten Gesundheitsdaten in dem dort anhängigen Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG an den dort beteiligten Strafgefangenen weiter, kann der Strafgefangene, dessen Daten weitergegeben wurden, die Entscheidung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer, dem anderen Strafgefangenen Akteneinsicht zu gewähren, nach § 147 Abs. 5 Satz 3 StPO anfechten. (Rn. 22 – 31)
Schlagworte:
Weitergabe von Gesundheitsdaten, Strafgefangener, anfechtbare Maßnahme, Akteneinsicht
Vorinstanz:
LG Regensburg, Beschluss vom 06.12.2024 – SR StVK 1335/22
Fundstellen:
ZD 2025, 398
BeckRS 2025, 2070
LSK 2025, 2070

Tenor

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Strafgefangenen R. wird der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 06.12.2024 aufgehoben und die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückverwiesen.
2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 100,-- € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller befindet sich zum Vollzug einer Freiheitsstrafe in der Justizvollzugsanstalt S. Am 20.04.2021 erfolgte eine PCR-Reihentestung, deren Ergebnis in einer elektronischen Liste zusammengefasst wurde, die personenbezogene Daten des Antragstellers und der weiteren getesteten Personen enthielt. Diese Liste legte die Justizvollzugsanstalt S.im Rahmen eines von einem anderen Strafgefangenen angestrengten Strafvollzugsverfahrens bei der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vor, die ihrerseits diese Liste dem anderen Strafgefangenen übersandte.
2
Mit Schreiben vom 14.11.2022 beantragte der Antragsteller festzustellen, dass die grundlose Übermittlung seiner Gesundheitsdaten an einen unberechtigten Dritten (Plural) rechtswidrig gewesen wäre. Zur Begründung trug er vor, dass im Rahmen eines ihn nicht betreffenden Verfahrens bei der Strafvollstreckungskammer ihn betreffende Gesundheitsdaten, konkret sein Name, sein Vorname, sein Geburtsdatum, seine Wohnanschrift, seine Telefonnummer und das Testergebnis einer COVID-19 PCR-Testung an die Strafvollstreckungskammer und von dieser an einen unberechtigten Dritten übermittelt worden seien. Dabei handele es sich jeweils um einen Verstoß gegen Datenschutzvorschriften, was ihm bereits mit Schreiben der Präsidentin des Landgerichts Regensburg und gleichlautendem Schreiben des Antstaltsleiters der Justizvollzugsanstalt S., jeweils vom 08.11.2022, mitgeteilt worden sei. Es bestehe ein Rehabilitierungsinteresse.
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Die Justizvollzugsanstalt S. trug mit Schreiben vom 15.12.2022 vor, dass aus ihrer Sicht keine angreifbare Maßnahme der Anstalt vorliege. Diese habe neben anderen die vom Antragsteller genannten Daten im Rahmen einer für die Beweiserhebung notwendigen Datenübermittlung in einem Verfahren, welches einen anderen Strafgefangenen betraf, bei der Strafvollstreckungskammer vorgelegt. Zu einem Datenschutzverstoß sei es erst durch die Strafvollstreckungskammer gekommen, die diese die Daten dem anderen Strafgefangenen übersandt hätte.
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Mit Schreiben vom 22.12.2022 bestritt der Antragsteller, dass die Vorlage seiner Daten in dem einen anderen Strafgefangenen betreffenden Verfahren erforderlich war. Für den Fall, dass eine Unzuständigkeit der Strafvollstreckungskammer vorliegen würde, sei die Sache dem zuständigen Gericht zuzuweisen.
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Mit weiterem Schreiben vom 26.08.2024 teilte der Antragsteller mit, dass das Landgericht R. in einem Entschädigungsverfahren mit Beschluss vom 19.08.2024 im Verfahren, Az.: xx O …/xx, die Rechtswidrigkeit des Corona-Datenschutzverstoßes der Justizvollzugsanstalt dargelegt habe.
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Mit Beschluss vom 06.12.2024 wies die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing den Antrag auf gerichtliche Entscheidung vom 14.11.2022 zurück. Zur Begründung verwies die Strafvollstreckungskammer darauf, dass ein Feststellungsinteresse nicht vorliege, da die Justizvollzugsanstalt den Datenschutzverstoß bereits eingeräumt habe, weil sie diesem mitgeteilt habe, dass seine Daten an einen unberechtigten Dritten weitergeleitet worden seien. Außerdem liege keine Maßnahme der Anstalt vor. Die Weiterleitung der Daten an die Strafvollstreckungskammer habe keine Außenwirkung und die Weiterleitung an den anderen Strafgefangenen sei durch die Strafvollstreckungskammer erfolgt.
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Gegen diesen ihm am 11.12.2024 zugestellten Beschluss legte der Antragsteller am 19.12.2024 zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Straubing Rechtsbeschwerde ein und beantragte die Aufhebung des Beschlusses vom 06.12.2024 und Entscheidung nach seinem Antrag, hilfsweise Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer zu neuer Entscheidung. Er rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts und verwies darauf, dass sich die Strafvollstreckungskammer nicht mit allen seinen Argumenten auseinandergesetzt habe, zu Unrecht kein Feststellungsinteresse angenommen habe und auch zu Unrecht davon ausgegangen sei, dass eine Maßnahme nach § 109 Abs. 1 StVollzG nicht vorgelegen habe.
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Die Generalstaatsanwaltschaft M. hat mit Schreiben vom 07.01.2025 beantragt, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zurückzuweisen, weil mangels Vorliegen eines Feststellungsinteresses und einer Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG kein zulässiger Antrag auf gerichtliche Entscheidung vorhanden sei.
9
Hierzu nahm der Antragsteller mit Schreiben vom 17.01.2025 nochmals Stellung.
II.
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Die Rechtsbeschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden. Die besonderen Zulässigkeitsvoraussetzungen des Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 116 Abs. 1 StVollzG liegen bereits deshalb vor, da eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und zur Rechtsfortbildung erforderlich ist.
III.
11
Die Rechtsbeschwerde hat auch in der Sache Erfolg, weil der Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg bei dem Amtsgericht Straubing vom 06.12.2024 den Antragsteller in seinen Rechten verletzt. Der Beschluss ist daher aufzuheben und die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen (§ 119 Abs. 4 Satz 1 und 3 StVollzG). Eine eigene Sachentscheidung ist dem Senat mangels Spruchreife nicht möglich (§ 119 Abs. 4 Satz 2 StVollzG).
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Gegenstand des Antrags vom 14.11.2022 sind erkennbar zwei Sachverhalte. Zum einen die Weitergabe der Daten des Antragstellers, die in einer Liste über die Ergebnisse einer PCR-Reihentestung, die am 20.04.2021 stattgefunden hatte, enthalten waren, durch die Justizvollzugsanstalt an die Strafvollstreckungskammer und dann die Weitergabe dieser Daten des Antragstellers durch die Strafvollstreckungskammer an den weiteren Strafgefangenen. Dies ergibt sich eindeutig aus den vom Antragsteller benutzten Formulierungen und dem von ihm geschilderten Sachverhalt. Dies hat auch die Strafvollstreckungskammer erkannt, da sie sich in den Gründen des Beschlusses zu beiden Sachverhalten verhält.
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1. Soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen hat, als sich der Antragsteller gegen die Weitergabe der Daten durch die Justizvollzugsanstalt S.an die Strafvollstreckungskammer gewandt hat, ist der Beschluss aufzuheben und an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen, weil zum einen eine Maßnahme der Justizvollzugsanstalt vorliegt und zu anderen noch eine weitere Aufklärung zu erfolgen hat.
14
a) Beim Akt der Vorlage der Liste mit den personenbezogenen Daten des Antragstellers durch die Justizvollzugsanstalt bei der Strafvollstreckungskammer handelt es sich um eine Maßnahme im Sinne des § 109 Abs. 1 StVollzG.
15
Unter den Begriff der Maßnahme fällt jedes vollzugsbehördliche Handeln, das im Einzelfall auf die Gestaltung von Lebensverhältnissen mit zumindest auch rechtlicher Wirkung gerichtet ist. Der Begriff der Maßnahme in § 109 Abs. 1 Satz 1 StVollzG ist unter Beachtung von Art. 19 Abs. 4 GG zu interpretieren und weit auszulegen (st. Rspr., vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 28.07.2022 – 2 BvR 1814/21 –, juris Rn. 22; Senat, Beschluss vom 18.11.2021 – 204 StObWs 329/21 –, juris Rn. 20). Für die Beantwortung der Frage, ob ein Handeln oder Unterlassen der Justizvollzugsanstalt eine regelnde Maßnahme im Sinne des § 109 StVollzG darstellt, kommt es darauf an, ob die Möglichkeit besteht, dass dieses Handeln oder Unterlassen Rechte des Gefangenen verletzt (vgl. BVerfG, stattgebender Kammerbeschluss vom 12.03.2019 – 2 BvR 2255/17 –, juris Rn. 21 m.w.N.; Senat, Beschluss vom 18.11.2021 – 204 StObWs 329/21 –, juris Rn. 20; Laubenthal in Schwind/Böhm/Jehle/ Laubenthal, Strafvollzugsgesetze, 7. Aufl. 2020, 12. Kapitel Rechtsbehelfe B. § 109 Rn. 11). Vom Maßnahmenbegriff umfasst wird nicht nur ein Verwaltungsakt, sondern jegliches vollzugsbehördliche Handeln, das im Einzelfall auf die Gestaltung von Lebensverhältnissen mit zumindest auch rechtlicher Wirkung gerichtet ist (Senat, Beschluss vom 18.11.2021 – 204 StObWs 329/21 –, juris Rn. 20 m.w.N.; KG Berlin, Beschluss vom 26.06.2017 – 2 Ws 72/17 Vollz –, juris Rn. 6). Dabei ist unerheblich, in welcher Form die angefochtene Maßnahme ergeht (zu mündlicher Bescheidung vgl. OLG Karlsruhe, Beschluss vom 12.01.2021 – 2 Ws 146/20 –, juris Rn 6), ob sie vom Anstaltsleiter oder einem nachgeordneten Bediensteten getroffen wird und ob dieser hierfür auch tatsächlich zuständig gewesen ist. Maßgeblich ist allein, ob die Maßnahme der Vollzugsbehörde zuzurechnen ist (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 26. Ed. 01.08.2024, StVollzG § 109 Rn. 7). Insoweit ist die Vorlage der Liste, die auch die personenbezogenen Daten des Antragstellers enthielt, bei der Strafvollstreckungskammer eine Maßnahme in diesem Sinne, da dadurch in Rechte des Antragstellers eingegriffen worden sein könnte.
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b) Die Vorlage der Liste mit den personenbezogenen Daten des Antragstellers an die Strafvollstreckungskammer war grundsätzlich nach Art. 197 Abs. 6 BayStVollzG zulässig. Danach dürfen Akten mit personenbezogenen Daten und damit auch die Liste mit den personenbezogenen Daten des Antragstellers als Aktenbestandteil an für strafvollzugsrechtliche Entscheidungen zuständige Gerichte überlassen werden.
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Ob vorliegend die Vorlage der Liste mit den personenbezogenen Daten des Antragstellers an die Strafvollstreckungskammer gerechtfertigt war oder Rechte des Antragstellers verletzt hat, ist derzeit vom Senat nicht zu beurteilen, weil die Strafvollstreckungskammer den Sachverhalt nicht ausreichend aufgeklärt hat, die Sache insoweit nicht spruchreif ist.
18
Aufgrund der bisherigen Sachverhaltsaufklärung ist es nicht überprüfbar, ob die Übersendung der Liste an die Strafvollstreckungskammer rechtmäßig war und wenn dies nicht der Fall gewesen wäre, ob noch ein Feststellungsinteresse vorhanden ist.
19
aa) Die Justizvollzugsanstalt hat vorgetragen, dass die Vorlage der Liste mit den personenbezogenen Daten des Antragstellers im Rahmen der für die Beweiserhebung notwendigen Datenübermittlung durch die Justizvollzugsanstalt erfolgt sei. Dies – so zumindest auch vom Antragsteller verstanden – enthält inzident die Behauptung, dass die Übersendung der Liste, die auch die personenbezogenen Daten des Antragstellers enthielt, in diesem Umfang erforderlich war und demgemäß rechtmäßig erfolgte. Dem hat der Antragsteller widersprochen. Insoweit ist zunächst zu klären, ob die Übersendung der Liste mit den personenbezogenen Daten des Antragstellers an die Strafvollstreckungskammer rechtmäßig erfolgte.
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Es ist deshalb zunächst durch Beiziehung der Akte des Verfahrens, in dem die Vorlage der Liste erfolgte, festzustellen, ob die Vorlage durch die Justizvollzugsanstalt unaufgefordert oder auf Anforderung der Strafvollstreckungskammer erfolgte. Für den Fall, dass eine gerichtliche Anforderung erfolgte, ist nachzuprüfen, ob sich die Justizvollzugsanstalt im Rahmen dieser Anforderung gehalten hat und dies auch durfte. Möglicherweise ergeben sich Hinweise dazu auch aus dem Ermittlungsverfahren der Staatsanwaltschaft R., Zweigstelle S., im vom Antragsteller genannten Verfahren, Az.: … Js …/xx.
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bb) Für den Fall, dass die Strafvollstreckungskammer zur Annahme der Rechtswidrigkeit der Maßnahme der Justizvollzugsanstalt kommt, hat sich die Strafvollstreckungskammer zur Prüfung der Frage des Vorliegens eines Feststellungsinteresses das Schreiben des Leiters der Justizvollzugsanstalt vom 08.11.2022 vorlegen zu lassen, um festzustellen, inwieweit in diesem ein Zugeständnis einer rechtswidrigen Handlung enthalten ist. Gegebenenfalls sind auch die Akten des vom Antragstellers genannten Zivilverfahrens (Az.: xx O …/xx), welches beim Landgericht R. geführt wurde, beizuziehen, um festzustellen, inwieweit dort eine Rechtswidrigkeit des Verhaltens der Justizvollzugsanstalt festgestellt worden ist.
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2. Soweit die Strafvollstreckungskammer den Antrag auf gerichtliche Entscheidung zurückgewiesen hat, als sich der Antragsteller gegen die Weitergabe der Liste mit seinen personenbezogenen Daten durch die Strafvollstreckungskammer gewandt hat, ist der Beschluss aufzuheben und an die Strafvollstreckungskammer zurückzuverweisen, da eine Zuständigkeit der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung dieser Frage im Rahmen des gegenständlichen Verfahrens nicht bestanden hat. Vielmehr hat die Strafvollstreckungskammer den Antrag insoweit abzutrennen und zu dem Verfahren, in dem die Liste an den weiteren Strafgefangenen herausgegeben wurde, abzugeben.
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a) Inhaltlich geht es dem Antragsteller insoweit um die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Weitergabe eines Aktenbestandteils durch die Strafvollstreckungskammer im Rahmen eines von einem anderen Strafgefangenen angestrengten Strafvollzugsverfahrens an diesen anderen Strafgefangenen. Gegenstand des Antrags ist insoweit nicht eine Maßnahme einer Vollzugsbehörde, sondern eine gerichtliche Verfügung im Rahmen eines Strafvollzugsverfahrens, an dem der Antragsteller selbst nicht beteiligt war. Insoweit macht der Antragsteller als an diesem Verfahren nicht beteiligter Dritter geltend, durch die Gewährung der Akteneinsicht an den Beteiligten des Strafvollzugsverfahrens in seinen Grundrechten verletzt zu sein.
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b) Hierfür steht ihm der in § 147 Abs. 5 Satz 3 StPO normierte Weg in entsprechender Anwendung dieser Vorschrift offen.
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aa) Bei der Entscheidung, dem weiteren Strafgefangenen die Liste, in der auch die Daten des Antragstellers enthalten waren, zu überlassen, handelt es sich um eine Entscheidung im Rahmen der Akteneinsicht eines Beteiligten im Strafvollzugsverfahren gemäß Art. 208 BayStVollzG i.V.m. § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG i.V.m. § 147 Abs. 4 Satz 4 StPO. Bei der Liste, in der auch die Daten des Antragstellers enthalten waren, handelt es sich um einen Aktenbestandteil, nachdem die Liste zu den Akten gelangt war.
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Die Vorschriften der StPO sind hier in Anwendung zu bringen, weil eine die Akteneinsicht im gerichtlichen Verfahren betreffende Regelung im StVollzG nicht enthalten ist. Für die Frage von Akteneinsichten im gerichtlichen Verfahren sind daher gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 StVollzG die Vorschriften der Strafprozessordnung entsprechend anzuwenden. Für die Frage der Akteneinsicht eines Antragstellers heißt das, dass § 147 Abs. 4 StPO entsprechend anzuwenden ist (Arloth/Krä/Arloth, 5. Aufl. 2021, StVollzG § 120 Rn. 4).
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bb) Gegen die während des gerichtlichen Verfahrens ergangene Entscheidung des Vorsitzenden der Strafvollstreckungskammer, Akteneinsicht zu gewähren, ist gemäß § 120 StVollzG i.V.m. § 147 Abs. 5 Satz 3 StPO die Beschwerde nach § 304 Abs. 1 StPO das statthafte Rechtsmittel (MüKoStPO/Kämpfer/Travers, 2. Aufl. 2023, StPO § 147 Rn. 60).
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Einer diskutierten Anwendbarkeit der §§ 23 ff. EGGVG steht damit die Subsidiarität gemäß § 23 Abs. 3 EGGVG entgegen (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 19.03.2015 – 2 VAs 19/14 –, juris Rn. 5 ff.).
29
Dass der Antragsteller in diesem Verfahren nicht beteiligt war, hindert seine Beschwerdeberechtigung nicht, da gemäß § 304 Abs. 2 StPO auch andere Personen gegen Beschlüsse und Verfügungen Beschwerde erheben können, wenn sie durch diese betroffen sind (MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl. 2024, StPO § 304 Rn. 36; KK-StPO/Zabeck, 9. Aufl. 2023, StPO § 305 Rn. 13, § 304 Rn. 28). Vorliegend steht im Raum, dass durch die Gewährung der Akteneinsicht an den anderen Strafgefangenen Grundrechte des Antragstellers verletzt sein könnten. Ein ungerechtfertigtes Offenbaren von Gesundheitsdaten kann das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung des Betroffenen verletzen (BayObLG, Beschluss vom 01.03.2024 – 203 StObWs 521/23 –, juris Rn. 10).
30
Ein Ausschluss der Beschwerde nach § 305 Satz 1 StPO liegt ebenfalls nicht vor, weil es sich bei der Entscheidung zur Akteneinsicht nicht um eine der Urteilsfällung vorausgehende Entscheidung handelt (Meyer-Goßner/Schmitt/Schmitt, 67. Auflage 2024, StPO § 305 Rn. 1; MüKoStPO/Neuheuser, 2. Aufl. 2024, StPO § 305 Rn. 18) und darüber hinaus mit dem Antragsteller eine dritte Person im Sinne des § 305 Satz 2 StPO betroffen ist.
31
Insoweit war es von der Strafvollstreckungskammer nicht richtig, das Rechtsmittel gegen die Gewährung der Akteneinsicht als Antrag nach § 109 StVollzG zu behandeln. Es hätte diesen Antrag zu dem Verfahren, in dem die Akteneinsicht gewährt worden ist, abgeben müssen, in welchem dann im Rahmen des Abhilfeverfahrens gemäß § 306 StPO die Rechtswidrigkeit der Akteneinsichtsgewährung hätte festgestellt werden können oder die Beschwerde dem Beschwerdegericht vorzulegen gewesen wäre.
IV.
32
1. Die Entscheidung über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers bleibt bei einer Zurückverweisung an die Strafvollstreckungskammer dieser vorbehalten (BeckOK Strafvollzug Bund/Euler, 26. Ed. 01.08.2024, StVollzG § 121 Rn. 1).
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2. Die Festsetzung des Gegenstandswerts für das Rechtsbeschwerdeverfahren beruht auf § 1 Abs. 1 Nr. 8, §§ 65, 60, 52 GKG.