Inhalt

VG Würzburg, Urteil v. 22.05.2025 – W 3 K 23.1316
Titel:

Kinder- und Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige, Kostenbeitrag aus Einkommen, ordnungsgemäße Unterrichtung gemäß § 92 Abs. 3 SGB VIII, inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Hilfe, widersprüchliches Verhalten, unzulässige Rechtsausübung, Aufenthalte außerhalb einer stationären Einrichtung bei stationärer Eingliederungshilfe, keine Anrechnung von Unterhaltsleistungen des Kostenbeitragspflichtigen, keine Inflationsbereinigung des Kostenbeitrags nach der Kostenbeitragsverordnung

Normenketten:
SGB VIII § 91
SGB VIII § 92
SGB VIII § 35a
SGB VIII § 41
BGB analog § 242
Schlagworte:
Kinder- und Jugendhilfe, Eingliederungshilfe, Hilfe für junge Volljährige, Kostenbeitrag aus Einkommen, ordnungsgemäße Unterrichtung gemäß § 92 Abs. 3 SGB VIII, inzidente Prüfung der Rechtmäßigkeit der Hilfe, widersprüchliches Verhalten, unzulässige Rechtsausübung, Aufenthalte außerhalb einer stationären Einrichtung bei stationärer Eingliederungshilfe, keine Anrechnung von Unterhaltsleistungen des Kostenbeitragspflichtigen, keine Inflationsbereinigung des Kostenbeitrags nach der Kostenbeitragsverordnung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20637

Tenor

I. Der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2022 wegen eines Kostenbeitrags zur Eingliederungshilfe in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 24. Juli 2023 wird aufgehoben, soweit darin ein Kostenbeitrag für die Zeit vom 31. Januar 2022 bis einschließlich 4. Februar 2022 erhoben wird. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

1
Der Kläger wendet sich gegen die Heranziehung zu Kostenbeiträgen aus seinem Einkommen für seiner Tochter gewährte Maßnahmen der Kinder- und Jugendhilfe.
2
Der Beklagte leistete für die am ... 2004 geborene Tochter des Klägers, bei der unter anderem Anorexie (ICD-10 F50.00) und Angst und depressive Störung (ICD-10 F41.2) diagnostiziert wurden, in der Zeit vom 31. Januar 2022 bis 8. Juni 2022 Eingliederungshilfe gemäß § 35a SGB VIII in Form der stationären Unterbringung in einer Einrichtung in A. . In der Zeit vom 9. Juni 2022 bis 20. Dezember 2022 wurde die stationäre Eingliederungshilfe als Hilfe für junge Volljährige gemäß § 41 SGB VIII i.V.m. § 35a SGB VIII fortgeführt.
3
Am 21. August 2021 wies der Beklagte den Kläger unter Verwendung eines Formblatthinweises „Hinweis zum Kostenbeitrag“ auf die Kostenbeitragspflicht nach § 92 SGB VIII und auf die Folgen der Erbringung einer stationären Hilfe für die Unterhaltspflicht des Klägers hin. Wegen der Einzelheiten wird auf das Hinweisblatt Bezug genommen.
4
Mit Schreiben vom 31. Januar 2022, dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 4. Februar 2022, unterrichtete der Beklagte den Kläger über die seiner Tochter ab 31. Januar 2022 bis voraussichtlich 8. Juni 2022 gewährte Eingliederungshilfe. Mit weiterem Schreiben vom 7. Juni 2022, dem Kläger ausweislich der Postzustellungsurkunde zugestellt am 9. Juni 2022, unterrichtete der Beklagte den Kläger über die seiner Tochter ab 9. Juni 2022 gewährte Hilfe für junge Volljährige. In den Schreiben wies der Beklagte den Kläger jeweils darauf hin, dass die durch die Jugendhilfe eingetretene Bedarfsdeckung bei der Berechnung des Unterhalts mindernd zu berücksichtigen sei. Im vorliegenden Fall führe dies dazu, dass die Unterhaltspflicht des Klägers gegenüber seiner Tochter entfalle, solange die Hilfe gewährt werde. Der Kostenbeitrag trete an die Stelle des Unterhaltsanspruchs. Aus diesem Grund sei weder das Kind oder sein gesetzlicher Vertreter noch ein Dritter berechtigt, für den Zeitraum der Jugendhilfeleistung vom Kläger für das Kind Unterhalt zu verlangen. Sollte sich das Kind weiterhin regelmäßig nicht nur im Rahmen von Umgangskontakten bei einem Elternteil aufhalten, bestehe für die Dauer dieser Aufenthalte zuhause weiterhin ein Unterhaltsanspruch. Für die gewährte Hilfe müsse nach § 91 Abs. 1 SGB VIII ein Kostenbeitrag erhoben werden. Nach § 92 Abs. 1 SGB VIII sei der Kläger nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII aus seinem Einkommen zu einem Kostenbeitrag heranzuziehen.
5
Mit Bescheid vom 1. Februar 2022 zog der Beklagte die Kindsmutter für die Zeit ab 31. Januar 2022 zu einem monatlichen Kostenbeitrag in Höhe des Kindergelds heran, wobei im weiteren Verlauf für tatsächlichen Betreuungsaufwand der Eltern im Zeitraum von April bis Juni 2022 ein Betrag von 173,04 EUR und für tatsächliche Betreuungsleistungen in der Zeit vom 10. Dezember 2022 bis 21. Dezember 2022 ein weiterer Betrag von 120,09 EUR gemäß § 94 Abs. 4 SGB VIII vom Beklagten erstattet wurden.
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Aufgrund eines massiven Gewichtsverlusts in der stationären Einrichtung in A. hielt sich die Tochter des Klägers in der Zeit vom 16. März 2022 bis 25. Juli 2022 stationär in einer Klinik in W. auf. Anschließend kehrte sie in die Wohngruppe zurück. Im Zusammenhang mit dem Klinikaufenthalt machten die Kindseltern beim Beklagten Kosten geltend. Mit E-Mail vom 14. Juli 2022 teilte der Beklagte der Kindsmutter mit, dass die geltend gemachten Fahrtkosten zur Klinik im Zeitraum von April bis Juni 2022 nicht erstattet werden könnten. Eine Kostenerstattung könne während des Klinikaufenthalts höchstens seitens der Krankenkasse erfolgen. Für den tatsächlichen Betreuungsaufwand der Eltern im Zeitraum von April bis Juni 2022 im Rahmen von Aufenthalten der Tochter im elterlichen Haushalt zwecks Belastungserprobungen während des Klinikaufenthalts erstattete der Beklagte einen Betrag von 173,04 EUR (s.o.).
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Mit Bescheid vom 1. September 2022 zog der Beklagte den Kläger für die Zeit vom 31. Januar 2022 bis 8. Juni 2022 zu einem Kostenbeitrag von 510,00 EUR monatlich heran. Mit weiterem Bescheid vom selben Tag zog der Beklagte den Kläger zudem für die Zeit ab 9. Juni 2022 zu einem Kostenbeitrag von 437,00 EUR monatlich heran. Bei der Berechnung des Kostenbeitrags berücksichtigte der Beklagte auch die Unterhaltsverpflichtungen des Klägers für seine im elterlichen Haushalt lebende weitere Tochter und seine Ehefrau. Wegen der Einzelheiten der Regelungen und ihrer Begründung wird auf die Bescheide vom 1. September 2022 Bezug genommen.
8
Ausweislich einer E-Mail der Wohngruppe an den Beklagten vom 10. Dezember 2022 und dem vorläufigen Entlassbericht der Einrichtung vom 21. Dezember 2022 wurde die Tochter des Klägers aufgrund der Verschlechterung der Symptomatik Ende Oktober in mehreren Kliniken angemeldet. Nach den Angaben der Einrichtung war aufgrund weiterer Gewichtsabnahme und einer Verschlechterung des Allgemeinzustands sowie der Herzleistung zweimal eine notfallmäßige Vorstellung in einer Klinik in A. zur medizinischen Abklärung notwendig geworden. Trotz mehrmaliger Vorstellung im Krankenhaus sei, so die Einrichtung, die junge Volljährige nicht aufgenommen worden, weil die Blutwerte noch in einem normalen Bereich gelegen hätten. Ende November sei Kontakt zum Therapienetzwerk für Essstörungen hergestellt worden, das eine Aufnahme in eine bestimmte Klinik beschleunigen könne. Die Tochter des Klägers habe zunächst die Aufnahme in die Klinik verweigert, dann aber zugestimmt. Die Unterlagen für eine beschleunigte Aufnahme über das Therapienetzwerk seien der Einrichtung am 5. Dezember 2022 zugesandt worden und Mitte Dezember beisammen gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Tochter des Klägers nicht mehr auf der Wohngruppe befunden. Während eines Besuchs ihrer Patentante am 10. Dezember 2022 habe die Tochter des Klägers gemeinsam mit der Patentante beschlossen, mit dieser nach Hause zu fahren, um wieder in eine familiäre Umgebung zu kommen und da sie eine Auszeit von der Wohngruppe benötige.
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Mit E-Mail vom 20. Dezember 2022 erklärte die Tochter des Klägers die Beendigung der Maßnahme zum 20. Dezember 2022. Mit Austrittsanzeige vom 22. Dezember 2022 bestätigte die Einrichtung, die Tochter des Klägers am 20. Dezember 2022 aus der Betreuung in der Wohngruppe entlassen zu haben. Ausweislich eines Telefonvermerks des Beklagten vom 21. Dezember 2022 gab die Tochter des Klägers an, am 10. Dezember 2022 bei einem Ausflug auf den Weihnachtsmarkt mit ihrer Patentante gemeinsam mit dieser entschieden zu haben, danach mit zur Tante zu gehen. Die Tochter des Klägers habe dies für sich selbst als kurze Auszeit von der Wohngruppe gesehen. Im Laufe der Zeit habe sie dann für sich selbst entschieden, dass sie nicht mehr in die Wohngruppe zurückkehren wolle. Sie habe sich bei ihrer Patentante wohlgefühlt, in der Wohngruppe habe sie das Gefühl gehabt, einsam zu sein und dass es thematisch ausschließlich um ihre Anorexie gehe.
10
Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger unter dem 21. Dezember 2022 mit, dass seine Tochter die stationäre Eingliederungshilfe zum 20. Dezember 2022 auf eigenen Wunsch beendet habe. Daher entfalle die Verpflichtung aus dem Leistungsbescheid vom 1. September 2022 bezüglich des Kostenbeitrags aus Einkommen ab diesem Zeitpunkt.
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Die gegen die Bescheide des Beklagten vom 1. September 2022 am 30. September 2022 erhobenen Widersprüche des Klägers, welche mit Einwänden gegen die Kostenbeitragserhebung dem Grunde nach wie auch gegen die Höhe des Kostenbeitrags begründet wurden, wies die Regierung von Unterfranken mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2023 zurück. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen. Ausweislich des Empfangsbekenntnisses wurde der Widerspruchsbescheid dem damaligen Bevollmächtigten des Klägers am 18. August 2023 zugestellt.
II.
12
Am 14. September 2023 hat der Kläger Klage erhoben.
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Er beantragt,
Die Bescheide des Landratsamts W. vom 1. September 2022 in Gestalt des Bescheides des Landratsamts W. vom 21. Dezember 2022 sowie der Widerspruchsbescheid der Regierung von Unterfranken vom 24. Juli 2023 werden aufgehoben.
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Zur Begründung führt er aus, gegen die Höhe des Kostenbeitrags nichts mehr einzuwenden. Allerdings sei die Familie nicht richtig über die Kostenfolgen der Hilfegewährung aufgeklärt worden. Zudem sei die Hilfeleistung, die Betreuung in der Wohngruppe in A. , mangelhaft erbracht worden. Die Unterbringung in der Wohngruppe sei nicht so verlaufen wie von der Wohngruppe zugesagt. Es sei weder umgehend eine ambulante Betreuung erfolgt, weil die örtliche Ärztin die Übernahme aufgrund des bestehenden Untergewichts abgelehnt habe, noch sei die Tochter des Klägers schnellstmöglich in Schule, Reittherapie usw. eingebunden worden. Sie habe sich vielmehr über einen Zeitraum von sechs Wochen fast den ganzen Tag in ihrem Zimmer aufhalten müssen. Dies habe ihr Essverhalten zusätzlich äußerst negativ beeinflusst. Hätte der Kläger gewusst, dass ein Kostenbeitrag auf ihn zukommt, keine ambulante Anbindung in der Klinik in A. stattfinden würde und seine Tochter in der Wohngruppe sechs Wochen lang überwiegend in ihrem Zimmer mit 8 qm würde verbringen müssen, hätte er entschieden, dass seine Tochter vor der Aufnahme in die Wohngruppe in der Klinik in W. die Therapiemaßnahmen weiterführt und weiterhin Gewicht aufbaut, um so besser in der Wohngruppe zu starten. Der Kläger habe den Eindruck, dass der Platz in der Wohngruppe aus Kostengründen unbedingt so schnell wie möglich habe besetzt werden sollen, egal ob seine Tochter nochmals in die Klinik zurückgehen müsse.
15
Hinsichtlich der Betreuung in der Wohngruppe beanstandet der Kläger zudem, dass Personalmangel in der Wohngruppe sehr oft ein Thema gewesen sei. Trotz Bitten des Klägers an die Wohngruppe im Herbst 2022, sich schnellstmöglich um einen Klinikplatz für die Tochter zu kümmern, sei ein stationärer Krankenhausaufenthalt nicht zustande gekommen. Ende November sei die Betreuerin der Wohngruppe mit der Tochter des Klägers zweimal in der Notaufnahme einer Klinik gewesen, um eine Aufnahme der Tochter aufgrund des extremen Untergewichts zu erreichen. Dies sei abgelehnt worden, da die Tochter laut Klinik noch in der Lage sei, Wasser zu trinken. Anfang Dezember 2022 sei die Tochter in der Wohngruppe zusammengebrochen. Daraufhin habe eine Verwandte die Tochter des Klägers am 10. Dezember 2022 aus der Wohngruppe abgeholt und der Kläger habe sie wenige Tage später von dieser Verwandten nach Hause geholt. Zu diesem Zeitpunkt habe die Tochter des Klägers einen BMI von 12,7 gehabt. Für den Kläger sei unfassbar, dass die Wohngruppe so lange abgewartet habe und es im Zeitraum von September bis Dezember 2022 nicht geschafft habe, einen Wartelistenplatz für die Tochter zu erhalten.
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Des Weiteren führt der Kläger unter Vorlage einer eidesstattlichen Versicherung seiner Ehefrau vom 6. November 2023 aus, die damalige Sachbearbeiterin des Beklagten habe der Ehefrau des Klägers im Januar 2022 fernmündlich auf deren Nachfrage, welche Kosten auf den Kläger zukämen, mitgeteilt, dass keine Kosten anfielen, nur das Kindergeld abgetreten werden müsse. Der Kläger habe sich auf diese Aussage verlassen und nicht mehr mit einer möglichen Kostentragung bei Unterbringung seiner Tochter in einer Wohngruppe gerechnet. Hiervon habe er auch aufgrund des Wortlauts des § 91 Abs. 1 SGB VIII ausgehen dürfen. In dieser Vorschrift heiße es ausdrücklich, dass Kostenbeiträge erhoben werden „könnten“. Aus dem Begriff „können“ dürfe ein Laie schließen, dass die Heranziehung zu Kostenbeiträgen nicht zwingend sei und daher die telefonische Auskunft der Sachbearbeiterin maßgeblich sei. Der Kläger habe am 4. Februar 2022 erstmals Kenntnis von seiner Kostenbeitragspflicht erlangt. Zu diesem Zeitpunkt habe sich die Tochter des Klägers jedoch bereits in der Wohngruppe in A. befunden, so dass der Kläger mit dieser Kenntnis am 4. Februar 2022 keine andere Entscheidung mehr habe treffen können.
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Im Übrigen habe der Kläger den Kostenbeitrag der Monate vollständig bezahlt, in denen seine Tochter in der Wohngruppe in A. gewohnt habe. Offen sei ein Betrag in Höhe von 2.031,86 EUR, der sich auf den Zeitraum des Klinikaufenthaltes der Tochter vom 16. März 2022 bis Ende Juli 2022 beziehe. In diesem Zeitraum habe der Kläger Unterhaltsleistungen erbracht. Da die Klinik die vegane Ernährung der Tochter nicht vollumfänglich habe erbringen können, habe der Kläger vegane Nahrungsmittel fast täglich in die Klinik gebracht. Die Tochter habe in der Klinik 10 kg zunehmen müssen und z.B. Kleidung gebraucht. Zudem habe sich um die Wäsche der Tochter gekümmert werden müssen. Die Tochter habe auch außerhalb der Klinik beispielsweise einen Zahnarzttermin wahrgenommen, so dass der Kläger die hierfür erforderlichen Fahrten und Betreuung übernommen habe.
18
Der Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
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Er verteidigt die angegriffenen Bescheide. Er meint, diese seien jedenfalls im Ergebnis rechtmäßig. Soweit der Kläger im Widerspruchsverfahren Einwände gegen die Art und Weise der Berücksichtigung von Steuervorauszahlungen und Steuernachzahlungen erhoben habe, seien diese zwar berechtigt. Die insoweit vorgenommene Neuberechnung der Kostenbeiträge habe jedoch zu keinem anderen Ergebnis geführt.
20
Der Kläger sei ordnungsgemäß nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII über die Leistungsgewährung und ihre Folgen für seine Unterhaltsverpflichtung und über seine Kostenbeitragspflicht aufgeklärt worden. Inwieweit durch die damalige Mitarbeiterin des Allgemeinen Sozialdienstes (ASD) gegenüber der Ehefrau des Klägers vor Hilfebeginn möglicherweise fehlerhafte Auskünfte hinsichtlich einer Heranziehung zu den Kosten der beabsichtigten stationären Unterbringung der Tochter des Klägers erteilt worden seien, lasse sich nicht nachvollziehen. Die Mitarbeiterin sei nur für kurze Zeit im ASD des Beklagten tätig gewesen und zum Zeitpunkt der späteren Einwendungen gegen die Heranziehung zum Kostenbeitrag nicht mehr dort beschäftigt gewesen. Aussagen oder Anhaltspunkte, wonach mündlich eine Kostenfreiheit in Aussicht gestellt worden sei, fänden sich jedoch nicht in den zugrundeliegenden Akten. Jedenfalls sei der Kläger spätestens mit Zugang des Schreibens vom 31. Januar 2022 am 4. Februar 2022 umfassend und korrekt über die Gewährung der Jugendhilfe sowie seine daraus resultierende Kostenbeitragspflicht informiert worden.
21
Bei der stationären Unterbringung der Tochter des Klägers in der Einrichtung in A. handele es sich um die notwendige und geeignete Hilfe. lm Vorfeld der Unterbringung habe der ASD des Beklagten sehr viele Wohngruppen angefragt, die sich mit dem Störungsbild Anorexie auskennen. Es habe seinerzeit keine andere geeignete, näher an Würzburg gelegene Wohngruppe gegeben. Die weite Entfernung von der Heimat sei als günstig beurteilt worden. Die gewählte Einrichtung sei auf die Betreuung junger Menschen mit Essstörungen spezialisiert. Für die Maßnahmeneinleitung und deren Beginn sei allein die fachliche Notwendigkeit und Geeignetheit aus sozialpädagogischer Sicht maßgeblich gewesen. Der einige Wochen nach Unterbringungsbeginn notwendige stationäre Aufenthalt in einer Klinik aufgrund einer zu starken Gewichtsabnahme ändere nichts an dieser Einschätzung. Bei dem komplexen Krankheitsbild der Essstörung und einer bereits eingetretenen Chronifizierung sei es nicht ungewöhnlich, dass hiervon betroffene Hilfeempfänger im Verlauf einer Jugendhilfegewährung mit (gesundheitlichen) Krisensituationen und Rückschritten konfrontiert seien und es in diesem Zusammenhang auch zu zeitweiligen stationären Klinikaufenthalten komme. So sei auch im vorliegenden Fall für den vorübergehenden Aufenthalt in der Klinik die bewilligte Eingliederungshilfe weitergeführt und der dortige Platz für die geplante Rückkehr freigehalten worden.
22
Soweit der Kläger während des Klinikaufenthalts seiner Tochter gegenüber Unterhaltsleistungen erbracht haben sollte, sei dies auf eigenes Risiko geschehen. Der Kläger sei zu Beginn der Jugendhilfemaßnahme darüber belehrt worden, dass seine Unterhaltspflicht für seine Tochter entfalle, solange die Hilfe gewährt werde. Für die Dauer eines notwendigen stationären Klinikaufenthaltes werde durch das in Anspruch genommene Krankenhaus üblicherweise auch die notwendige und geeignete Ernährung sichergestellt, ohne dass die dort untergebrachten Patienten darauf angewiesen seien, sich zur Bedarfsdeckung auf eigene Kosten ernähren zu müssen. Sofern sich ein Patient aufgrund von individuellen Sonderwünschen selbst (ergänzende) Nahrungsmittel beschaffe bzw. beschaffen lasse, könne er dies nicht als zu berücksichtigenden „Sonderbedarf“ im Rahmen der jugendhilferechtlichen Kostenheranziehung mindernd geltend machen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 22. Mai 2025 sowie auf die Gerichts- und Behördenakten, die Gegenstand des Verfahrens waren, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

24
Die Klage richtet sich gegen insgesamt zwei Bescheide des Beklagten: zum einen gegen den Kostenbeitragsbescheid des Beklagten vom 1. September 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 24. Juli 2023 wegen eines Kostenbeitrags aus Einkommen zur Eingliederungshilfe für die Tochter des Klägers, zum anderen gegen den weiteren Kostenbeitragsbescheid des Beklagten vom 1. September 2022 in Gestalt des Teilaufhebungsbescheids des Beklagten vom 21. Dezember 2022 und des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 24. Juli 2023 wegen eines Kostenbeitrags aus Einkommen zur Hilfe für junge Volljährige.
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Bei dem Teilaufhebungsbescheid vom 21. Dezember 2022 handelt es sich um das formlose Schreiben des Beklagten an den Kläger vom 21. Dezember 2022 über das Ende der Kostenbeitragspflicht. Aufgrund der in diesem Schreiben enthaltenen, auf unmittelbare Rechtswirkung nach außen gerichteten Regelung der Beendigung und Aufhebung der mit Bescheid vom 1. September 2022 festgesetzten Kostenbeiträge des Klägers zu der seiner Tochter gewährten Hilfe für junge Volljährige mit Ablauf des 20. Dezember 2022 handelt es sich hierbei um einen Verwaltungsakt im Sinne des Art. 35 Satz 1 BayVwVfG und des wortlautgleichen § 35 Satz 1 VwVfG.
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Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) gegen die vorgenannten Bescheide ist zulässig. Sie wurde insbesondere fristgerecht erhoben, da der Lauf der einmonatigen Klagefrist (§ 74 Abs. 1 Satz 1 VwGO) erst mit der Zustellung des Widerspruchsbescheids vom 24. Juli 2023 am 18. August 2023 begann (§ 74 Abs. 1 Satz 1, § 57 Abs. 1, § 58 VwGO). Somit war die Klagefrist bei Klageerhebung am 14. September 2023 noch nicht abgelaufen.
27
Die Klage ist allerdings nur begründet, soweit sich der Kläger gegen seine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag für die Zeit vom 31. Januar 2022 bis einschließlich 4. Februar 2022 wendet. Insoweit ist der Bescheid des Beklagten vom 1. September 2022 in Gestalt des Widerspruchsbescheids der Regierung von Unterfranken vom 24. Juli 2023 wegen eines Kostenbeitrags zur Eingliederungshilfe rechtswidrig und verletzt den Kläger dadurch in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Im Übrigen sind die angefochtenen Bescheide des Beklagten hingegen rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten, so dass die Klage insoweit unbegründet ist.
28
Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Kostenbeitragserhebungen sind die Regelungen der §§ 91 ff. SGB VIII. Nach § 91 Abs. 1 Nrn. 6 und 8 SGB VIII werden bei der Gewährung von Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche durch geeignete Pflegepersonen sowie in Einrichtungen über Tag und Nacht und in sonstigen Wohnformen (§ 35a Abs. 2 Nrn. 3 und 4 SGB VIII) und bei der Gewährung von Hilfe für junge Volljährige (§ 41 SGB VIII), soweit sie den in den Nummern 5 und 6 des § 91 Abs. 1 SGB VIII genannten Leistungen entspricht, Kostenbeiträge erhoben. Nach § 92 Abs. 1 Nr. 5 SGB VIII in der bis 31. Dezember 2022 geltenden Fassung wie auch nach § 92 Abs. 1 SGB VIII in der ab 1. Januar 2023 geltenden Fassung sind Elternteile aus ihrem Einkommen nach Maßgabe der §§ 93 und 94 SGB VIII zu den in § 91 Abs. 1 SGB VIII genannten Leistungen heranzuziehen. Dabei dürfen die Kostenbeiträge die tatsächlichen Aufwendungen nicht überschreiten (§ 94 Abs. 1 Satz 2 SGB VIII). Die Heranziehung erfolgt durch Erhebung eines Kostenbeitrags, der durch Leistungsbescheid festgesetzt wird (§ 92 Abs. 2 SGB VIII).
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Ausgehend von diesen rechtlichen Gegebenheiten hat der Kläger gemäß § 91 Abs. 1 Nrn. 6 und 8, § 92 Abs. 1 und Abs. 2 SGB VIII einen Kostenbeitrag für die Eingliederungshilfe und die Hilfe für junge Volljährige für sein Kind für den Zeitraum 5. Februar 2022 bis 20. Dezember 2022 zu leisten.
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Bei den Hilfen, die der Beklagte für die Tochter des Klägers erbracht hat, handelt es sich um Hilfen, zu denen nach § 91 Abs. 1 Nrn. 6 und 8 SGB VIII Kostenbeiträge erhoben werden. Denn der Beklagte hat für die Tochter des Klägers in der Zeit vom 31. Januar 2022 bis 8. Juni 2022 Eingliederungshilfe und in der Zeit vom 9. Juni 2022 bis 20. Dezember 2022 Hilfe für junge Volljährige jeweils in Form der stationären Unterbringung in einer Wohngruppe einer Einrichtung in A. erbracht.
31
Seiner Kostenbeitragspflicht kann der Kläger nicht mit Erfolg entgegenhalten, die Hilfemaßnahmen, für die die streitgegenständlichen Kostenbeiträge erhoben werden, seien rechtswidrig, weil die geleisteten Hilfen unzureichend und mangelhaft gewesen seien. Denn die Rechtmäßigkeit der der Tochter des Klägers gewährten Eingliederungshilfe unterliegt im vorliegenden Klageverfahren schon keiner, auch keiner inzidenten gerichtlichen Kontrolle und die – vom Gericht inzident überprüfbare – Hilfe für junge Volljährige ist rechtlich nicht zu beanstanden.
32
Der Kläger kann im Wege der Klage gegen seine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag die Rechtmäßigkeit der Jugendhilfemaßnahme allenfalls insoweit inzident überprüfen lassen, als er am jugendhilferechtlichen Bewilligungsverfahren nicht beteiligt war und daher im Rahmen des Bewilligungsverfahrens keine Möglichkeit hatte, unmittelbar gegen die Bewilligung der Hilfemaßnahme vorzugehen. Allenfalls in dieser Fallgestaltung muss ihm die Möglichkeit gegeben sein, Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der bewilligten Jugendhilfemaßnahme oder Maßnahme für junge Volljährige im Rahmen der Klage gegen seine Heranziehung zu einem Kostenbeitrag vorzubringen (vgl. VGH BW, U.v. 17.3.2011 – 12 S 2823/08 – juris; VG Stuttgart, U.v. 19.12.2013 – 7 K 122/12 – juris Rn. 29 f.; für eine stets vorzunehmende Rechtmäßigkeitsprüfung: VG Ansbach, B.v. 27.6.2006 – AN 14 K 05.04505 – juris Rn. 13). Hierfür spricht das Gebot der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung (Art. 20 Abs. 3 GG). Grundsätzlich hat die öffentliche Hand und nicht der Bürger die Kosten eines rechtswidrigen Verwaltungshandelns zu tragen. Es erscheint auch im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Garantie effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) bedenklich, einem Kostenbeitragspflichtigen, der keine Möglichkeit hat, unmittelbar gegen eine Bewilligung vorzugehen, eine Rechtmäßigkeitsprüfung der Bewilligungsentscheidung, die zu seiner Kostenbeitragspflicht führt, völlig zu versagen. Die Kostenbeitragsregelungen der §§ 91 ff. SGB VIII stehen einer inzidenten Rechtmäßigkeitsprüfung in diesen Fällen ebenso wenig entgegen wie die Bestandskraft der Bewilligungsbescheide. Denn die inzidente Rechtmäßigkeit führt nicht zur Aufhebung der Bewilligungsbescheide nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Vielmehr vermag sich eine etwaige im Rahmen der Inzidentprüfung festgestellte Rechtswidrigkeit der Hilfegewährung allenfalls auf den noch nicht bestandskräftigen Kostenbeitragsbescheid auszuwirken.
33
War der Kostenbeitragspflichtige hingegen am jugendhilferechtlichen Hilfeverfahren beteiligt und hatte er daher die Möglichkeit, unmittelbar gegen die Hilfegewährung vorzugehen, bedarf es zur Wahrung eines rechtsstaatlichen und fairen Verfahrens und der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes keiner inzidenten Rechtmäßigkeitsprüfung im Kostenbeitragsverfahren (vgl. Kunkel/Kepert in Kunkel/Kepert/Pattar (Hrsg.), SGB VIII, 8. Aufl. 2022, § 91 Rn. 14; NdsOVG, B.v. 27.8.2018 – 10 LA 7/18 – BeckRS 2018, 21390 Rn. 10, jeweils unter der Voraussetzung, dass sich der Betroffene aus eigenem Recht gegen die Bewilligung der Maßnahme hätte wenden können). Zugleich wird durch diese Beschränkung der inzidenten Kontrollmöglichkeit im Kostenbeitragsverfahren rechtsmissbräuchlichem Verhalten vorgebeugt. Denn erst im Kostenbeitragsverfahren Bedenken gegen eine Hilfemaßnahme geltend zu machen, an deren Zustandekommen man beteiligt war und die man ggf. sogar selbst (z.B. als gesetzlicher Vertreter des Hilfeempfängers) beantragt hat, wird sich regelmäßig als treuwidrig und damit als rechtsmissbräuchlich darstellen.
34
Jedenfalls dann, wenn sich die späte Geltendmachung von Einwänden gegen eine Hilfemaßnahme (auch) im konkreten Fall als Verstoß gegen den auch im öffentlichen Recht anwendbaren Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) darstellt, kann ein Kostenbeitragspflichtiger mit Blick auf den Grundsatz des venire contra factum proprium (Verbot widersprüchlichen Verhaltens) nicht mehr mit diesen Einwänden durchdringen (vgl. BayVGH, B.v. 22.5.2014 – 12 ZB 12.2509 – BeckRS 2014, 52338 Rn. 37). Ihm ist die Berufung hierauf als unzulässige Rechtsausübung abgeschnitten. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Verwaltung infolge eines bestimmten Verhaltens des Betroffenen darauf vertrauen durfte, dass dieser das Recht nach so langer Zeit nicht mehr geltend machen würde (Vertrauensgrundlage), tatsächlich darauf vertraut hat, dass das Recht nicht mehr ausgeübt würde (Vertrauenstatbestand) und sich infolgedessen in ihren Vorkehrungen und Maßnahmen so eingerichtet hat, dass ihr durch die verspätete Durchsetzung des Rechts ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde (vgl. BVerwG, U.v. 7.2.1974 – III C 115/71 – BeckRS 2014, 48803).
35
Ausgehend hiervon prüft das Gericht die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheids über den Kostenbeitrag zur Eingliederungshilfe der Tochter des Klägers nicht, auch nicht inzident. Denn der Kläger war als gesetzlicher Vertreter der Hilfeempfängerin am Hilfeverfahren beteiligt und hätte gemeinsam mit der Kindsmutter, mit der er die Personensorge für die Tochter gemeinsam ausübte, jederzeit gegen die Hilfegewährung vorgehen und unter anderem auch deren Beginn beeinflussen sowie jederzeit ein (vorzeitiges) Ende der Hilfe herbeiführen oder eine Änderung der Hilfe beantragen können. Die Einwände des Klägers gegen die Rechtmäßigkeit der Eingliederungshilfe, insbesondere sein Vorbringen zu der aus seiner Sicht unzureichenden Ausgestaltung der Hilfe zu Beginn des stationären Aufenthalts seiner Tochter in A. , werden daher vom Gericht nicht überprüft. Dem steht nicht entgegen, dass der Kläger nicht Inhaber des Anspruchs auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII ist und nur gemeinsam mit der Kindsmutter, seiner Ehefrau, gegen die Hilfegewährung einschließlich der Art und Weise der Hilfeerbringung sowie den – nachträglich vom Kläger als zu früh bezeichneten – Hilfebeginn am 31. Januar 2022 hätte vorgehen können. Denn die Eingliederungshilfe ist von den Eltern (im Namen der seinerzeit minderjährigen Tochter) selbst beantragt und mit diesen abgestimmt worden. Die vom Kläger nunmehr im Kostenbeitragsverfahren (erstmals mit Schreiben seines Bevollmächtigten an den Beklagten vom 4.5.2022) gegen die Hilfegewährung geltend gemachten Umsetzungsschwierigkeiten gerade zu Hilfebeginn ändern hieran nichts, zumal dies die Eltern seinerzeit nicht dazu veranlasste, die Hilfegewährung als solche infrage zu stellen und beim Beklagten eine Änderung der Hilfe (z.B. die Auswechslung der Einrichtung oder eine Unterbrechung und Verschiebung der stationären Unterbringung) zu beantragen oder gar ihre Tochter aus der stationären Einrichtung herauszunehmen. Es ist auch nicht ersichtlich, dass ein gemeinsames Vorgehen der Personensorgeberechtigten nicht möglich gewesen wäre. Vielmehr sind der Kläger und seine Ehefrau, die den Kläger auch in der mündlichen Verhandlung vor Gericht vertreten hat, stets konzertiert aufgetreten. Das Gericht ist daher davon überzeugt, dass das gemeinsame Sorgerecht den Kläger nicht daran gehindert hätte, gegen die Hilfe und deren Bewilligung vorzugehen. Dies hat er versäumt, obwohl ihm gerade die von ihm behaupteten und beanstandeten Schwierigkeiten zu Hilfebeginn sogar noch während der in Bezug auf die Bewilligung der Eingliederungshilfe laufenden Rechtsbehelfsfrist bekannt wurden. Vernünftigerweise hätte erwartet werden können, dass er nicht erst mehrere Monate später, wenn er zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden soll, etwas zur Rechtswahrung unternimmt, wenn er meint die Hilfegewährung sei rechtswidrig. Sein Untätigbleiben musste hingegen beim Jugendamt den berechtigten Anschein erwecken, die gesetzlichen Vertreter einschließlich des Klägers würden bezüglich der Hilfegewährung nichts (mehr) unternehmen und seien mit dieser einverstanden. Wenn der Kläger sich nunmehr (und erst) im Rahmen zu seiner Heranziehung zu einem Kostenbeitrag mit materiellen Einwänden gegen die Hilfegewährung wendet, verhält er sich widersprüchlich. Deshalb ist ihm die verspätete Geltendmachung von Bedenken gegen die Eingliederungshilfe im Kostenbeitragsverfahren im streitgegenständlichen Fall als Verstoß gegen den Grundsatz von Treu und Glauben (§ 242 BGB analog) verwehrt. Der Kläger hat sich mit seinem Verhalten die Klärung seiner Einwendungen gegen die Rechtmäßigkeit der Hilfegewährung (erst) im Kostenbeitragsverfahren abgeschnitten.
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Selbst wenn man dies entgegen der vorstehend dargestellten Auffassung des erkennenden Gerichts anders sehen würde und die Rechtmäßigkeit der Eingliederungshilfe doch prüfen würde, würde der Kläger im Übrigen selbst dann nicht mit seinen Einwänden gegen die Rechtmäßigkeit der Eingliederungshilfe durchdringen. Denn die der Tochter des Klägers gewährte Eingliederungshilfe stellt sich als rechtmäßig dar. Dabei kann im streitgegenständlichen Fall dahinstehen, welche Anforderungen an den Umfang einer inzidenten Prüfung zu stellen sind. Denn die der Tochter des Klägers gewährte Eingliederungshilfe stellt sich unabhängig davon als rechtmäßig dar, ob man bei der inzidenten Kontrolle der Hilfegewährung im Rahmen des Kostenbeitragsverfahrens eine vollumfängliche Rechtmäßigkeitsprüfung der Hilfegewährung durchführt oder eine bloße Evidenzkontrolle.
37
Die Rechtmäßigkeit der Eingliederungshilfe ergibt sich aus § 35a SGB VIII i.V.m. den einschlägigen, nach Maßgabe von § 35a Abs. 3 SGB VIII entsprechend heranzuziehenden Bestimmungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch.
38
Nach § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Nach § 35a Abs. 3 SGB VIII richten sich Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus dem Achten Buch nichts anderes ergibt. Demnach soll Eingliederungshilfe seelisch behinderte Kinder und Jugendliche befähigen, ihre Lebensplanung und -führung möglichst selbstbestimmt und eigenverantwortlich wahrnehmen zu können. Dies schließt grundsätzlich alle Maßnahmen ein, die geeignet und erforderlich sind, die Eingliederung zu erreichen, d.h. die Behinderungsfolgen zu beseitigen oder zu mindern (BVerwG, U.v. 18.10.2012 – 5 C 21/11 – juris Rn. 19). Bei der Frage, welche Hilfe im konkreten Fall als notwendig und geeignet anzusehen ist, besteht ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum des Jugendhilfeträgers (BVerwG, U.v. 24.6.1999 – 5 C 24/98 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris Rn. 29).
39
Die Voraussetzungen des § 35a SGB VIII für die Bewilligung von Eingliederungshilfe liegen vor. Die danach erforderliche Abweichung von der seelischen Gesundheit und die Teilhabebeeinträchtigung im Sinne von § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII werden vom Kläger nicht infrage gestellt und ergeben sich aus den in den vorgelegten Behördenakten enthaltenen Arztberichten und Feststellungen des Beklagten. Zudem stellt sich die Hilfe unter Berücksichtigung des dem Beklagten insoweit einzuräumenden gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren fachlichen Beurteilungsspielraums als geeignet dar. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte im Rahmen seiner fachlichen Einschätzung der Geeignetheit der Hilfe die allgemein gültigen fachlichen Maßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen hätte einfließen lassen. Die vom Kläger vorgetragenen Probleme zu Beginn der Hilfe stellen sich aus gerichtlicher Sicht als bloß vorübergehende Anlaufschwierigkeiten zu Beginn der Hilfeleistung dar. Derartige bloß vorübergehende Anlaufschwierigkeiten führen nicht zur Rechtswidrigkeit der Hilfegewährung. Auch nach dem Vortrag des Klägers gingen diese Schwierigkeiten jedenfalls nicht über die ersten sechs Wochen der Unterbringung hinaus. Zudem liegen keine durchgreifenden Anhaltspunkte dafür vor, dass sich die Einrichtung und die Beklagtenseite während dieser Zeit nicht hinreichend um das Einleben und die Anbindung der Tochter des Klägers bemüht hätten. So hat sich die Einrichtung beispielsweise um eine ambulante Anbindung bemüht. Die sofortige Anbindung scheiterte nicht an der Einrichtung und deren Bemühungen, sondern daran, dass die ambulante Ärztin die Übernahme zu Hilfebeginn ablehnte. Der ehemalige Bevollmächtigte des Klägers gab hierzu in einem Schreiben an den Beklagten vom 4. Mai 2022 Folgendes an:
„Die zuständige Ärztin in der Klinik in W. , Frau G. , hat die Entlassung der Tochter aus der Klinik nur verantworten können, wenn eine ambulante Übernahme in A. sofort stattfindet und hier eine feste Terminvereinbarung erfolgt ist. Die Wohngruppe hat mit der Ärztin vor Ort, Frau Dr. …, einen Termin für den 03.02.2022 vereinbart. Frau G. hat vor Entlassung der Tochter aus der Klinik und vor Einzug in die Wohngruppe persönlich mit Frau Dr. W. alle Einzelheiten für die Übernahme besprochen. Als die Tochter unseres Mandanten vor Ort war, wurde eine ambulante Behandlung der Tochter von Frau Dr. W. abgelehnt. Die Wohngruppe hat sich dann um eine andere ambulante Betreuung gekümmert, wobei hier wieder eine Woche vergangen ist, ohne dass ein Termin stattfinden konnte, eine direkte ärztliche Übergabe und Besprechung nicht erfolgen konnte und lediglich Blutwerte und Blutdruck überprüft wurden.“
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Damit fehlte es selbst nach den Angaben des Klägers nicht an Bemühungen der Einrichtung, für eine unverzügliche ambulante Anbindung der Tochter zu sorgen. Es ist nicht ersichtlich, dass die Ablehnung durch die zunächst angegangene ambulante Ärztin, die nach Angaben des Klägers zuvor die Übernahme in Absprache mit der Klinikärztin zugesagt hatte, oder der zeitliche Vorlauf von gerade einmal einer Woche für einen anderen Vorstellungstermin dem Beklagten oder der Einrichtung anzulasten sein könnte. Ebenso wenig ist ersichtlich, dass und weshalb diese bloß vorübergehenden Übergangsschwierigkeiten in einzelnen Teilbereichen die Geeignetheit der Hilfe infrage stellen sollten, zumal in einer Stellungnahme des ASD des Beklagten vom 11. März 2022 von der Rückmeldung der stationären Einrichtung berichtet wird, wonach die Tochter des Klägers trotz der Gewichtsabnahme gut in der Wohngruppe angekommen sei. Im häuslichen Umfeld habe sie ca. 1 kg oder mehr pro Woche abgenommen, weshalb die Abnahme von 200 – 300 g wöchentlich in der Einrichtung bereits als Erfolg zu werten sei.
41
Dass zahlreiche Aktivitäten wie ein Schulbesuch oder Reiten nur in Abhängigkeit vom Gewichts- und Allgemeinzustand der Jugendlichen möglich waren, ist ebenfalls rechtlich nicht zu beanstanden. So hat die Beklagtenseite beispielsweise im „Sozialpädagogische Diagnose-Tabelle, Hilfeplan & Teilhabeplan“ vom 19. Mai 2022 nachvollziehbar ausgeführt, dass der Jugendlichen bewegungsintensive Hobbies wie Reiten oder Inlineskating von den Fachkräften untersagt wurden, da diese zu weiterem Gewichtsverlust beitragen könnten. Soweit der Kläger die fehlende Anbindung an eine Reittherapie kritisiert, ist dies zudem deshalb nicht nachvollziehbar, weil die Familie in einer E-Mail an den Beklagten vom 23. März 2022 selbst mitgeteilt hat, dass die Betreuer der Wohngruppe einen Schnuppertermin auf einem Reiterhof vereinbart hätten. Da sich die Familie aber gegen das therapeutische Reiten entschieden habe und für die Tochter lieber eine Reitbeteiligung gesucht habe, sei für sie das Thema mit dem Reiterhof erledigt.
42
Dies macht deutlich, dass der Kläger mit seinen Argumenten zur Unzulänglichkeit der Eingliederungshilfe, käme es darauf an und wäre das Gericht zu einer diesbezüglichen Überprüfung verpflichtet, nicht durchdringen könnte.
43
Die ab 9. Juni 2022 erbrachte Hilfe für junge Volljährige unterliegt mangels förmlicher Beteiligung des Klägers am Hilfeverfahren (§ 12 SGB X), in dem der Kläger aufgrund der Volljährigkeit seiner Tochter auch nicht als deren gesetzlicher Vertreter beteiligt war, der inzidenten gerichtlichen Kontrolle. Der Kläger dringt jedoch mit seinen gegen die Rechtmäßigkeit dieser Hilfemaßnahme gerichteten Einwendungen nicht durch, weil gegen die Rechtmäßigkeit der gewährten Hilfeleistung keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken bestehen. Dies gilt unabhängig davon, ob man bei der inzidenten Kontrolle der Hilfegewährung im Rahmen des Kostenbeitragsverfahrens eine vollumfängliche Rechtmäßigkeitsprüfung der Hilfegewährung durchführt oder eine bloße Evidenzkontrolle.
44
Die Rechtmäßigkeit der Hilfe für junge Volljährige folgt aus § 41 SGB VIII i.V.m. den einschlägigen, nach Maßgabe der § 35a Abs. 3, § 41 Abs. 2 SGB VIII entsprechend heranzuziehenden Bestimmungen des Neunten Buches Sozialgesetzbuch.
45
Nach § 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII erhalten junge Volljährige geeignete und notwendige Hilfe nach diesem Abschnitt, wenn und solange ihre Persönlichkeitsentwicklung eine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung nicht gewährleistet. Nach dem sich aus den Gesetzesmaterialien ergebenden gesetzgeberischen Willen setzt eine Hilfegewährung nach § 41 SGB VIII allerdings keine Prognose voraus, dass die Befähigung zu einer eigenverantwortlichen Lebensführung bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres oder bis zu einem begrenzten Zeitraum darüber hinaus erreicht wird. Die Prognoseentscheidung nach Satz 1 der Vorschrift, die der öffentliche Träger zu treffen hat, erfordert vielmehr eine „Gefährdungseinschätzung“ im Hinblick auf die Verselbständigung (BT-Drs. 19/26107, S. 94). Für die Ausgestaltung der Hilfe gelten § 27 Abs. 3 und 4 sowie die §§ 28 bis 30, 33 bis 36, 39 und 40 SGB VIII entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Personensorgeberechtigten oder des Kindes oder des Jugendlichen der junge Volljährige tritt (§ 41 Abs. 2 SGB VIII).
46
Die Entscheidung über die Bewilligung der Hilfe und die Auswahl der Hilfeart hat sich an den besonderen Umständen des Einzelfalls, insbesondere dem im Einzelfall ermittelten Bedarf, zu orientieren. Bei der Frage, welche Hilfe im konkreten Fall als notwendig und geeignet anzusehen ist, besteht ein gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum des Jugendhilfeträgers (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1999 – 5 C 24/98 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris Rn. 29; B.v. 28.6.2016 – 12 ZB 15.1641 – BeckRS 2016, 49249 Rn. 26). Bei der Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme handelt es sich um das Ergebnis eines kooperativen, von sozialpädagogischer Fachlichkeit geprägten Entscheidungsprozesses unter Mitwirkung des betroffenen Hilfeempfängers und mehrerer Fachkräfte, die nicht den Anspruch objektiver Richtigkeit erhebt, sondern nur eine angemessene Lösung zur Bewältigung der festgestellten Belastungssituation enthalten muss. Die verwaltungsgerichtliche Überprüfung hat sich daher darauf zu beschränken, ob allgemein gültige fachliche Maßstäbe beachtet wurden, keine sachfremden Erwägungen eingeflossen und die Leistungsadressaten in umfassender Weise beteiligt worden sind. Die Entscheidung über die Geeignetheit und Notwendigkeit einer bestimmten Hilfemaßnahme ist damit nur auf ihre Vertretbarkeit hin überprüfbar (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1999 – 5 C 24/98 – juris Rn. 39; BayVGH, B.v. 21.2.2013 – 12 CE 12.2136 – juris Rn. 29; B.v. 28.10.2014 – 12 ZB 13.2025 – juris Rn. 19; B.v. 28.6.2016 – 12 ZB 15.1641 – BeckRS 2016, 49249 Rn. 26).
47
Unter Zugrundelegung dieses Prüfungsmaßstabs sind keine rechtlich beachtlichen Fehler bei der Bewilligung der Hilfe erkennbar. Der Hilfebedarf wird vom Kläger nicht bestritten und ergibt sich aus den in den vorgelegten Behördenakten enthaltenen Arztberichten und Hilfeplänen. Demnach wurden bei der Tochter des Klägers bereits vor Beginn der Hilfe für junge Volljährige verschiedene Erkrankungen diagnostiziert, insbesondere Anorexia nervosa, restriktiver Typ (ICD-10 F50.00) sowie Angst und depressive Störung (Trennungsangst und soziale Ängste), gemischt (ICD-10 F 41.2; vgl. z.B. ärztliche Stellungnahme der KJPPP Würzburg an das Jugendamt vom 06.05.2022). Dem Dokument „Feststellung einer Teilhabebeeinträchtigung“ des Beklagten vom 31. Mai 2022/2. Juni 2022 lässt sich entnehmen, dass im Zeitpunkt der Bewilligung von Hilfe für junge Volljährige noch Schwierigkeiten bestanden beispielsweise bei der selbstständigen Nahrungszubereitung und -aufnahme, beim eigenständigen Einkaufen von Lebensmitteln, dem selbstständigen Erkennen der Notwendigkeit ärztlicher Behandlungen und bei der Übernahme von Verantwortung, was sich zum Beispiel darin äußerte, dass die junge Volljährige nur im leichten Maße in der Lage war, selbstständig Entscheidungen zu treffen und alltägliche komplexe Problemlagen eigenständig zu lösen. Insgesamt wurden Defizite in drei von fünf Teilhabebereichen festgestellt (s. „Feststellung einer Teilhabebeeinträchtigung“ des Beklagten vom 31.5.2022/2.6.2022, vgl. ferner die Ausführungen im Hilfeplan vom 19.12.2022 zum Hilfeplangespräch am 23.9.2022). Damit gewährleistete die Persönlichkeitsentwicklung der jungen Volljährigen keine selbstbestimmte, eigenverantwortliche und selbständige Lebensführung (§ 41 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII).
48
Zudem erscheint die Hilfemaßnahme notwendig und geeignet, um diesen Bedarf zu decken. Es ist nicht ersichtlich, dass der Beklagte im Rahmen dieser fachlichen Einschätzung die allgemein gültigen fachlichen Maßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen hätte einfließen lassen. Angesichts der Defizite der Tochter des Klägers erweist es sich auch als nachvollziehbar, dass der Beklagte durchgängig eine stationäre Unterbringung und Betreuung in der stationären Einrichtung in A. für geboten hielt, um die aus fachlicher Sicht erforderliche stetige Kontrolle, Anleitung und Unterstützung sicherzustellen, weil die junge Volljährige nach Einschätzung des Beklagten ohne eine engmaschige professionelle stationäre Unterstützung aufgrund der Anorexie in einen ungesunden und sehr wahrscheinlich lebensbedrohlichen Gewichtsbereich absinken würde und intensive stationäre Hilfe benötige, um eine Krankheitseinsicht entwickeln und lernen zu können, mit dieser Erkrankung so leben zu können, dass sie auch zukünftig krankheitsbedingte Verhaltensmuster erkennen und diesen entgegenwirken könne (vgl. Begründung der notwendigen und geeigneten Hilfe unter Ziffer 8 der „Feststellung einer Teilhabebeeinträchtigung“ des Beklagten vom 31.5.2022/2.6.2022; vgl. ferner die Ausführungen im Hilfeplan vom 19.12.2022). Auch die Entscheidung des Beklagten, die Hilfemaßnahme trotz regressiver Phasen fortzuführen, ist angesichts der nachvollziehbaren Erläuterung der Beklagtenseite, dass es bei einer wie hier bereits chronifizierten Anorexie immer wieder zu Einbrüchen und Rückschlägen kommen kann, rechtlich nicht zu beanstanden. Weshalb es unter diesen Umständen aus fachlicher Sicht unvertretbar sein sollte, die Hilfe bei Rückschlägen bzw. Einbrüchen wie der einen Klinikaufenthalt notwendig machenden Gewichtsabnahme der jungen Volljährigen fortzuführen, solange eine zumindest langfristig positive Entwicklung möglich erscheint, ist nicht ersichtlich.
49
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Einwendungen des Klägers gegen die Leistungen der stationären Einrichtung, in der seine Tochter untergebracht war. Die vom Kläger geltend gemachten Mängel der Hilfe für junge Volljährige beziehen sich auf die Umsetzung der Hilfe durch die Einrichtung. Es kann dahinstehen, ob eine derartige „Schlechtleistung“ der die Hilfe im Auftrag des Jugendamts umsetzenden stationären Einrichtung die Hilfegewährung gegenüber dem Anspruchsinhaber für sich gesehen nicht rechtswidrig macht, weil die Bestimmung der konkreten Einrichtung grundsätzlich nicht zum Regelungsgehalt der Hilfegewährung gehört (vgl. hierzu OVG NW, B.v. 21.1.2014 – 12 A 2170/13 – juris Rn. 20; VG Stuttgart, U.v. 7.4.2022 – 9 K 5850/20 – juris Rn. 41). Denn ausweislich des Bewilligungsbescheids vom 8. Juni 2022 wurde der Tochter des Klägers die Hilfe für junge Volljährige gerade in Form der stationären Unterbringung in einer im Bewilligungsbescheid konkret bezeichneten Einrichtung in A. gewährt. Diese Einrichtung wurde gerade wegen ihrer fachlichen Eignung und des dortigen vorhergehenden Aufenthalts der jungen Volljährigen ausgewählt. Ursprünglich wurde, wie die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung ausführte, die Einrichtung gerade auch wegen ihrer räumlichen Distanz zum bisherigen Wohnort und Elternhaus der Hilfeempfängerin und wegen der besonderen fachlichen Eignung ausgewählt. Bereits in der Stellungnahme einer Kinder- und Jugendpsychotherapeutin vom 5. August 2021 war eine längerfristige außerhäusliche, strukturierte, auf Essstörung spezialisierte Maßnahme getrennt von der Familie empfohlen worden.
50
Damit ist die Bestimmung der im Bewilligungsbescheid vom 8. Juni 2022 genannten konkreten Einrichtung im Fall der der Tochter des Klägers gewährten Hilfe für junge Volljährige Bestandteil der Hilfegewährung und unterliegt dementsprechend der gerichtlichen (Inzident-) Kontrolle. Bei einer Schlechtleistung der Einrichtung kann sich die Hilfe im Laufe der Zeit als ungeeignet erweisen und damit in die Rechtswidrigkeit „hineinwachsen“, wenn die Leistung derart mangelhaft ist, dass der Zweck der Hilfe nicht (mehr) erreichbar erscheint, und zu erwarten ist, dass sie auch weiterhin derart mangelhaft bleibt, sodass die Hilfe – jedenfalls in der konkret gewährten Form – von Amts wegen hätte abgebrochen werden müssen. Denn es besteht auch nach der Bewilligung der Hilfe eine Pflicht des zuständigen Jugendamts, die Hilfe laufend unter Kontrolle zu behalten. Die Frage der Rechtmäßigkeit ist insofern im Rahmen der inzidenten Kontrolle der Hilfeleistung bei der Überprüfung der Rechtmäßigkeit einer Kostenbeitragserhebung nicht rein statisch bezogen auf den Bewilligungszeitpunkt zu betrachten. Eine Schlechtleistung kann allerdings frühestens ab dem Zeitpunkt zur Rechtswidrigkeit der konkreten Hilfe führen, ab dem das Jugendamt hiervon Kenntnis erlangt oder hätte erlangen müssen und hätte einschreiten müssen.
51
Im streitgegenständlichen Fall fehlt es indes bereits an einer erkennbaren Schlechtleistung der Einrichtung jedenfalls in dem hier allein gerichtlich zu überprüfenden Zeitraum nach dem 8. Juni 2022. Der Kläger hat insoweit im Wesentlichen vorgetragen, dass seine Tochter weiter an Gewicht verloren habe und ein Krankenhausplatz nicht, jedenfalls nicht intensiv genug gesucht worden sei. Die hierin liegende Behauptung einer mangelhaften Leistungserbringung durch die Einrichtung ist nicht nachvollziehbar. Ausweislich der in den vorgelegten Behördenakten befindlichen Korrespondenz zwischen der stationären Einrichtung und dem Beklagten (vgl. E-Mail der Einrichtung an den Beklagten vom 10.12.2022; vorläufiger Entlassbericht der Einrichtung in A. vom 21.12.2022, S. 2) hat die Einrichtung die Tochter des Klägers wiederholt im Krankenhaus vorgestellt, ohne dass vom Krankenhaus die Voraussetzungen eines stationären Krankenhausaufenthalts angenommen wurden. Zudem hat die Einrichtung bereits im Herbst 2022 (Ende Oktober) nach einem Krankenhausplatz gesucht und bei verschiedenen Fachkliniken angefragt, dies Ende November 2022 auch unter Zuhilfenahme des Therapienetzwerkes für Essstörungen zwecks einer beschleunigten Aufnahme in einer Klinik. Ein Platz konnte jedoch aufgrund von Aufnahmeanforderungen der angefragten Fachkliniken und des zeitweise unkooperativen Verhaltens der jungen Volljährigen erst im Dezember 2022 gefunden werden. Fehlende Bemühungen der Einrichtung, die Tochter des Klägers zwecks angemessener medizinischer Versorgung infolge ihres Untergewichts in einem Krankenhaus stationär unterzubringen, sind daher nicht nachvollziehbar dargelegt oder sonst erkennbar. Es ist somit nicht der Einrichtung vorwerfbar anzulasten, dass die Suche nach einem Krankenhausplatz längere Zeit in Anspruch genommen hat. Soweit Erfolgserwartungen bzw. die Hoffnung auf Besserung der chronifizierten Erkrankung der Tochter des Klägers nicht erfüllt worden sein mögen, ist dies keine Frage der Rechtmäßigkeit der Hilfe. Der Beklagte muss die Hilfe zwar wie bereits ausgeführt laufend unter Kontrolle behalten. Derart schwere Fehlentwicklungen, dass die Hilfe (in Form der Unterbringung in der konkreten Einrichtung) hätte abgebrochen werden müssen, sind im streitgegenständlichen Fall allerdings nicht erkennbar.
52
Auch sonst sind keine Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der gewährten Hilfe für junge Volljährige erkennbar. Daher erfolgte die Hilfegewährung, zu deren Kosten der Kläger herangezogen wird, rechtmäßig.
53
Allerdings kann der Kläger nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII erst ab dem Zeitpunkt zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden, ab welchem ihm als Pflichtigem die Gewährung der Leistung mitgeteilt und er über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen aufgeklärt wurde. Soweit § 92 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII eine Ausnahme hiervon zulässt für den Zeitraum, in welchem der Träger der öffentlichen Jugendhilfe aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen, die in den Verantwortungsbereich des Pflichtigen fallen, an der Geltendmachung gehindert war, liegen diese Voraussetzungen nicht vor.
54
Bei dieser Mitteilung einschließlich der erforderlichen Aufklärung handelt es sich um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung der Beitragserhebung (BayVGH, B.v. 18.11.2014 – 12 C 14.2416 – NJW 2015, 1402 Rn. 2; B.v. 13.4.2015 – 12 CS 15.190 – BeckRS 2015, 44732 Rn. 18; B.v. 17.7.2018 – 12 C 15.2631 – BeckRS 2018, 16774 Rn. 5). Heilung oder Unbeachtlichkeit nach §§ 41, 42 SGB X analog scheiden daher aus (BayVGH, B.v. 17.7.2018 – 12 C 15.2631 – BeckRS 2018, 16774 Rn. 5 m.w.N.). Die Verpflichtung zur Aufklärung besteht dabei grundsätzlich sowohl gegenüber dem bar- als auch dem naturalunterhaltspflichtigen Elternteil (vgl. BVerwG, U.v. 11.10.2012 – 5 C 22.11 – juris Rn. 10 f.). Die Mitteilungs- und Aufklärungspflicht besteht ferner unabhängig davon, ob und in welchem Umfang der Kostenbeitragspflichtige die Maßnahme bereits kennt bzw. inwieweit er bereits Kenntnisse über die unterhaltsrechtlichen Folgen der Jugendhilfegewährung besitzt (BayVGH, B.v. 13.4.2015 – 12 CS 15.190 – BeckRS 2015, 44732 Rn. 20).
55
Ausgehend vom Gesetzeszweck der Hinweis- und Aufklärungspflicht, nämlich einerseits den Kostenbeitragsschuldner vor möglichen Doppelleistungen zu schützen, ihm andererseits die Möglichkeit zu eröffnen, sich durch entsprechende finanzielle Dispositionen auf die Erhebung des Kostenbeitrags einzustellen, ist insbesondere die Aufklärung über die unterhaltsrechtlichen Folgen der Kostenbeitragserhebung auf den einzelnen Hilfefall abzustimmen (BayVGH, B.v. 22.5.2014 – 12 ZB 12.2509 – BeckRS 2014, 52338 Rn. 19; B.v. 13.4.2015 – 12 CS 15.190 – BeckRS 2015, 44732 Rn. 19). Vor allem sind den Betroffenen die für sie maßgeblichen Informationen zu vermitteln, um vermögensrechtliche Fehldispositionen im Zusammenhang mit der Entstehung der Kostenbeitragspflicht zu vermeiden. Der Barunterhaltspflichtige muss demnach über den Beginn, die Dauer und (sofern bereits bezifferbar) die voraussichtliche Höhe der Leistung informiert werden. Insbesondere ist er darauf hinzuweisen, dass mit der Gewährung von Jugendhilfe die Beteiligung an den Kosten gemäß §§ 91, 92 SGB VIII verbunden ist, ferner auch darauf, dass die durch die Jugendhilfe eingetretene Bedarfsdeckung bei der Berechnung des Unterhalts mindernd zu berücksichtigen ist. Die Höhe des Kostenbeitrags selbst braucht indes noch nicht beziffert zu werden (BayVGH, B.v. 17.7.2018 – 12 C 15.2631 – BeckRS 2018, 16774 Rn. 6).
56
Unter Zugrundelegung dieses Maßstabs genügt das Hinweisblatt vom 21. August 2021 nicht den Anforderungen, die an eine ordnungsgemäße Mitteilung und Aufklärung nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII zu stellen sind.
57
In dem Hinweisblatt wird ausgeführt, die Tochter des Klägers habe einen „Antrag auf Jugendhilfe“ gestellt. Entsprechend § 92 SGB VIII könnten der Kläger und seine Ehefrau als unterhaltspflichtige Elternteile ab dem Zeitpunkt der Gewährung einer teilstationären oder stationären Hilfe nach §§ 13 Abs. 3, 19, 20, 21,27 ff., 35a SGB VIII zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden. Da die Leistungserbringung bei stationären Hilfen den notwendigen Unterhalt des Hilfeempfängers einschließe, entfalle insoweit die Bedürftigkeit des jungen Menschen ganz oder teilweise. Dies führe zu einem Ausschluss oder einer Reduzierung seines Anspruchs auf Barunterhalt und des Anspruchs des (bisher) betreuenden Elternteils auf Unterhalt wegen Betreuung des jungen Menschen. Zahle die unterhaltspflichtige Person trotzdem Unterhalt, so entfalle der Anspruch des Jugendamts auf Zahlung des Kostenbeitrages nicht.
58
Damit ist weder die erbrachte Hilfe, für die ein Kostenbeitrag erhoben wird, hinreichend konkret bezeichnet noch geht hieraus für den objektiven Empfänger eindeutig hervor, in welchem Umfang der Unterhaltsanspruch des Kindes bzw. des Jugendlichen entfällt. Dies genügt den dargestellten Anforderungen an eine Mitteilung und Aufklärung des kostenbeitragspflichtigen Elternteils nach § 92 Abs. 3 Satz 1 SGB VIII nicht. Die Mitteilung und Aufklärung des kostenbeitragspflichtigen Elternteils über die Folgen für seine Unterhaltspflicht gegenüber dem jungen Menschen ist auch nicht ausnahmsweise nach § 92 Abs. 3 Satz 2 SGB VIII entbehrlich.
59
Eine ordnungsgemäße Unterrichtung über die Gewährung der Leistung und deren Folgen für die Unterhaltspflicht des Klägers erfolgte daher erst mit Schreiben des Beklagten an den Kläger vom 31. Januar 2022, dem Kläger zugestellt am 4. Februar 2022, und mit weiterem Schreiben vom 7. Juni 2022, dem Kläger zugestellt am 9. Juni 2022. Dies hat zur Folge, dass der Kläger erst ab dem Zugang des Schreibens vom 31. Januar 2022 am 4. Februar 2022 zu einem Kostenbeitrag herangezogen werden kann. Soweit mit dem Bescheid des Beklagten vom 1. September 2022 in Gestalt des Widerspruchbescheids der Regierung vom 24. Juli 2023 betreffend die Kostenbeitragserhebung für die Eingliederungshilfe ein Kostenbeitrag aus Einkommen für die Zeit vom 31. Januar 2022 bis 4. Februar 2022 erhoben wird, ist dieser Bescheid daher rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.
60
Auf die Behauptung des Klägers, der Beklagte habe seiner Ehefrau im Januar 2022 in einem Telefonat mitgeteilt, dass ein Kostenbeitrag aus Einkommen nicht zu leisten sei, kommt es daher nicht an. Denn jedenfalls mit dem vorgenannten Schreiben vom 31. Januar 2022 war selbst ein aus einem solchen Telefonat ggf. erwachsendes Vertrauen des Klägers auf die Nichtheranziehung zu einem Kostenbeitrag zerstört. So hat der Kläger im Klageverfahren selbst angegeben, am 4. Februar 2022 Kenntnis von der Kostenbeitragspflicht erhalten zu haben, während das Telefonat seiner Ehefrau nach den Angaben des Klägers im Klageverfahren und nach den Angaben seiner bevollmächtigten Ehefrau in der mündlichen Verhandlung bereits zuvor, im Januar 2022, stattgefunden haben soll. Dem Inhalt des Telefonats musste daher nicht weiter nachgegangen werden.
61
Mit der Beendigung der Hilfe für junge Volljährige am 20. Dezember 2022 endete auch die Kostenbeitragspflicht des Klägers aus Einkommen. Der Beklagte hat diese zu Recht mit Bescheid vom 20. Dezember 2022 mit Ablauf des 20. Dezember 2022 beendet. Eine frühere Beendigung kommt nicht in Betracht. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Tochter des Klägers die stationäre Einrichtung in A. bereits am 10. Dezember 2022 verließ. Das Verlassen der Einrichtung an diesem Tag stellt sich bei der gebotenen ex ante-Betrachtung als bloß vorübergehende „Auszeit“, aber noch nicht als Beendigung der Hilfe dar. So teilte die stationäre Einrichtung dem Beklagten zwar mit E-Mail vom 10. Dezember 2022 mit, dass die junge Volljährige am selben Tag „auf unbestimmte Zeit“ zu ihrer Tante gefahren sei. Zugleich wurde jedoch ausgeführt, dass sie jederzeit zurückkommen könne und dies auch wisse. Die junge Volljährige selbst gab später gegenüber dem Beklagten an, sie habe das Verlassen der Wohngruppe am 10. Dezember 2022 lediglich als kurze Auszeit von der Wohngruppe gesehen. Erst im Laufe der Zeit habe sie für sich selbst entschieden, dass sie nicht mehr in die Wohngruppe zurückkehren wolle. Denn sie habe sich bei ihrer Patentante wohlgefühlt, in der Wohngruppe habe sie das Gefühl gehabt, einsam zu sein und dass es thematisch ausschließlich um ihre Anorexie gehe (s. Aktenvermerk des Beklagten vom 21.12.2022).
62
Auch die Zeit des stationären Krankenhausaufenthalts der Tochter des Klägers vom 16. März 2022 bis 25. Juli 2022 stellt sich nicht als Beendigung der Hilfe mit anschließender Wiederaufnahme der Hilfe dar, sondern als eine unschädliche vorübergehende Unterbringung außerhalb der Hilfeeinrichtung unter Fortführung der Hilfe nach § 35a bzw. § 41 SGB VIII.
63
Zwar war die Tochter des Klägers infolge des Krankenhausaufenthalts letztlich ca. vier Monate nicht in der stationären Einrichtung in A. , wobei zu Beginn des Krankenhausaufenthalts noch von einem zwei- bis dreimonatigen Aufenthalt ausgegangen worden war (vgl. E-Mail der Einrichtung in A. an den Beklagten vom 17.3.2022; E-Mail des Beklagten an die Einrichtung vom selben Tag; Aktenvermerk des Beklagten vom 10.3.2022 über ein internes Telefonat wg. Freihaltegebühr Klinikaufenthalt). Jedoch stand von vornherein fest, dass die Tochter des Klägers wieder in die stationäre Einrichtung in A. zurückkehren werde. Wie die fachliche Stellungnahme einer Mitarbeiterin des ASD des Beklagten vom 11. März 2022 und die Ausführungen in der internen E-Mail der Mitarbeiterin des ASD vom 2. Juni 2022 zeigen, wurde dies als fachlich notwendig betrachtet. So wird in der Stellungnahme vom 11. März 2022 ausgeführt, dass trotz der Gewichtsabnahme in der Einrichtung zurückgemeldet werde, dass die Jugendliche gut in der Wohngruppe angekommen sei und sie gut dort reinpasse. Im häuslichen Umfeld habe sie ca. 1 kg oder mehr pro Woche abgenommen, weshalb die Abnahme von 200 – 300 g wöchentlich in der Einrichtung bereits als Erfolg zu werten sei. Ein gesundheitlicher Einbruch und eine erste Abnahme zu Beginn der stationären Eingliederungshilfe sei für die Einrichtung nicht überraschend. Aufgrund der neuen Lebenssituation und der veränderten Umstände sei eine Gewichtsabnahme durchaus zu erwarten gewesen, was also ebenfalls nicht gegen den Verbleib in der Einrichtung spreche. Die Tochter des Klägers habe in der Wohngruppe einen Ort gefunden, der ihr auf lange Sicht bei ihrer schwerwiegenden Problematik der Essstörung kompetent und fachlich zur Seite stehe. Ein Wechsel in eine andere Wohngruppe würde für die Jugendliche eine enorme zusätzliche Herausforderung darstellen, die sie auf ihrem Weg in ein gesünderes Leben aus der Bahn werfen könne. Es könne den bisherigen Erfolg sowie eine Stabilisierung durch die Klinik gefährden. Die Einrichtung stehe in engem Austausch mit der Universitätsklinik Würzburg, um den bestmöglichen Verlauf und Unterstützung für die Jugendliche zu gewährleisten und sicherzustellen. Die Einrichtung habe einen klaren Blick auf die Bedürfnisse und Bedarfe der Jugendlichen und agiere zu ihrem Wohle. Aus diesen Gründen sei es aus sozialpädagogischer Sicht notwendig und erforderlich, dass die Jugendliche die Möglichkeit bekomme, nach einem erneuten Klinikaufenthalt in eben diese Einrichtung zurückzukehren.
64
Diese fachliche Einschätzung wurde vom Kläger nicht ernsthaft infrage gestellt und es ist auch sonst nicht ersichtlich, dass der Beklagte hierbei seinen fachlichen Beurteilungsspielraum überschritten hätte. Die Abwesenheit der Tochter des Klägers stellte sich damit aus ex ante-Sicht als bloß vorübergehend und die Fortführung der Hilfe in gerade dieser Einrichtung als fachlich geboten dar, weshalb der Beklagte der stationären Einrichtung (zu Recht) ein Entgelt für die Freihaltung des Platzes zahlte. Zu berücksichtigen ist in diesem Zusammenhang auch, dass nicht lediglich der Platz in der Einrichtung freigehalten wurde, sondern nach den unwidersprochenen und glaubhaften Angaben des Beklagten in der mündlichen Verhandlung die Einrichtung neben der Vor- bzw. Freihaltung des Platzes auch weitere Leistungen erbrachte. So führte die Beklagtenseite in der mündlichen Verhandlung aus, dass während des Krankenhausaufenthalts regelmäßiger Kontakt zwischen der Einrichtung und dem Krankenhaus bestanden habe, insbesondere auch um den weiteren Verlauf der Behandlung in der Einrichtung nach Entlassung aus der Klinik festzulegen.
65
Wurde aber somit die stationäre Hilfemaßnahme (zunächst als Eingliederungshilfe und sodann als Hilfe für junge Volljährige) während des Krankenhausaufenthalts fortgeführt, kann auch für diesen Zeitraum ein Kostenbeitrag erhoben werden. Dass die Eltern, auch der Kläger, während des Krankenhausaufenthalts nach ihren Angaben unterhaltsbezogene Leistungen erbracht haben, ist für die Rechtmäßigkeit der Kostenbeitragserhebung irrelevant. Der Kostenbeitrag kann hierdurch bei – wie hier – ordnungsgemäßer Belehrung über die Folgen der stationären Hilfeerbringung für die Unterhaltspflicht nicht gemindert werden. Denkbar ist allenfalls eine Berücksichtigung derartiger Leistungen im Rahmen der Frage des Absehens von einer Kostenbeitragserhebung nach § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII wegen Zweckgefährdung oder wegen einer besondere Härte. Im streitgegenständlichen Fall streitet indes nichts für eine solche Zweckgefährdung oder eine besondere Härte im Sinne von § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII.
66
Auch Aufenthalte der Tochter des Klägers im elterlichen Haushalt sind weder kostenbeitragsmindernd zu berücksichtigen noch führen sie zu einem (zeitweisen) Wegfall der Kostenbeitragspflicht aus Einkommen. Denn bei den Aufenthalten der Tochter des Klägers im elterlichen Haushalt handelt es sich, soweit ersichtlich, um bloße Umgangskontakte, die nicht im Rahmen der Festsetzung des Kostenbeitrags zu berücksichtigen sind, sondern allenfalls auf Antrag nach § 94 Abs. 4 SGB VIII zu einer (nachträglichen) Erstattung führen können (vgl. VG Würzburg, U.v. 10.7.2014 – W 3 K 13.607 – juris Rn. 51; U.v. 30.7.2015 – W 3 K 14.561 – juris Rn. 40).
67
Schließlich bestehen auch keine durchgreifenden rechtlichen Bedenken gegen die beklagtenseits festgesetzte Höhe des Kostenbeitrags. Im Klageverfahren hat der Kläger keine Einwände mehr gegen die Höhe des Kostenbeitrags geltend gemacht, nachdem der Beklagte im Rahmen des Widerspruchverfahrens aus Anlass von Beanstandungen des Klägers gegen die Einkommensermittlung eine Neuberechnung vorgenommen hat, welche nicht zu einem niedrigeren Kostenbeitrag führte. Es drängen sich insoweit auch keine Fehler zulasten des Klägers auf. Zudem ist es rechtlich nicht zu beanstanden, dass der Beklagte der Kostenbeitragserhebung eine Beitragstabelle aus dem Jahr 2013 ohne Berücksichtigung zwischenzeitlicher Preissteigerungen zugrunde gelegt hat. Da es um Kostenbeiträge für in den Jahren 2022 geleistete Hilfen geht und bei Anfechtungsklagen zur Beurteilung der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Bescheids auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung – hier den Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2023 – abzustellen ist, hat der Beklagte zu Recht die Tabelle aus der Anlage der Kostenbeitragsverordnung in der vom 4. Dezember 2013 bis 31. Dezember 2023 geltenden Fassung angewandt.
68
Die Kostenbeitragsverordnung a.F. ist insoweit auch nicht unwirksam, auch wenn sie zuletzt Ende 2013 angepasst worden war. Soweit gestiegene Belastungen des Kostenpflichtigen aufgrund von Inflation und gestiegenen Wohnkosten zu einer unangemessenen Höhe des Kostenbeitrags führen sollten, ist der Kostenbeitragspflichtige hinreichend dadurch geschützt, dass dem erwerbstätigen Beitragspflichtigen mit Blick auf das Gebot der Angemessenheit des Kostenbeitrags (§ 94 Abs. 1 Satz 1 SGB VIII) stets der unterhaltsrechtliche Selbstbehalt belassen wird (vgl. BVerwG, U.v. 19.8.2010 – 5 C 10/09 – juris) und Härtefälle durch § 92 Abs. 5 Satz 1 SGB VIII aufgefangen werden können. Ein subjektiver Anspruch darauf, dass der Gesetz- bzw. Verordnungsgeber Kostenbeiträge in Relation zur Inflation stabil auf dem gleichen Niveau hält, existiert nicht.
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Da auch sonst keine Gründe vorgetragen oder ersichtlich sind, aus denen sich die angefochtenen Bescheide – abgesehen von der Kostenbeitragserhebung für den Zeitraum vom 31. Januar 2022 bis 4. Februar 2022 – als rechtswidrig darstellen, hat die Klage nur in dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen bleibt sie erfolglos.
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Dem Kläger werden die Kosten des Verfahrens nach § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO ganz auferlegt, da der Beklagte nur zu einem geringen Teil unterlegen ist. Gerichtskosten werden gemäß § 188 Satz 2 VwGO nicht erhoben.