Titel:
Gemeindeklage, Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten, Schwimmteich, Ermessen
Normenkette:
BayBO Art. 76
Schlagworte:
Gemeindeklage, Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten, Schwimmteich, Ermessen
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20565
Tenor
I.Der Bescheid des Landratsamts Miesbach vom 20. Juni 2023 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, den streitgegenständlichen Antrag der Klägerin vom 2. Mai 2023 erneut und unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verbescheiden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
II.Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben. Der Beigeladene trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt die Verpflichtung des Beklagten, gegenüber dem Beigeladenen bauaufsichtlich die Beseitigung eines auf dem Gemeindegebiet der Klägerin (Grundstück FlNr. …, Gemarkung …*) errichteten Schwimmteichs anzuordnen.
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Der Beigeladene beantragte mit Datum vom 20. Februar 2020 die Erteilung einer Baugenehmigung für einen Schwimmteich. Die Klägerin verweigerte mit Beschluss vom 12. März 2020 ihr gemeindliches Einvernehmen hierzu. Der Beklagte erteilte mit Bescheid vom 20. Oktober 2020 unter Ersetzung des gemeindlichen Einvernehmens der Klägerin dem Beigeladenen eine Baugenehmigung für die Errichtung des Schwimmteichs. Auf Klage der Klägerin hin hob das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 11. Mai 2022 (Az. M 9 K 20.5553) die Baugenehmigung auf. Der vom Beigeladenen gestellte Antrag auf Zulassung der Berufung wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 14. März 2023 (Az. 2 ZB 22.1948) abgelehnt.
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Die Klägerin beantragte daraufhin mit Datum vom 2. Mai 2023 bei der Beklagten, bauaufsichtlich gegen den Teich vorzugehen und diesen zu beseitigen (vgl. Bl. 331 d. Behördenakte – BA).
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Mit Bescheid vom 20. Juni 2023, zugestellt an die Klägerin am 26. Juni 2023 (vgl. Bl. 342 d. BA), lehnte der Beklagte den Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten ab. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Rahmen der Ermessensausübung bzgl. des Einschreitens zu berücksichtigen sei, dass der Teich als bodengleiche bauliche Anlage städtebaulich kaum in Erscheinung trete und städtebaulich keine nennenswerte Relevanz besitze, so dass die Planungshoheit allenfalls geringfügig betroffen sei. Eine Präzedenzwirkung scheide im Hinblick auf den zu beurteilenden Einzelfall aus. Auch Gefahren für hochrangige Rechtsgüter seien nicht ersichtlich; nachbarliche Recht würden ebenfalls nicht verletzt. Die Abwägung falle dahingehend aus, dass eine Beseitigung nicht zwangsweise durchgesetzt, sondern das Vorhaben geduldet werde.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 25. Juli 2023, bei Gericht am gleichen Tag eingegangen, ließ die Klägerin Klage gegen den Bescheid vom 7. März 2023 erheben. Sie beantragt,
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den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 20. Juni 2023 zu verpflichten, die Beseitigung des auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … errichteten Schwimmteichs anzuordnen bzw. den Antrag der Klägerin vom 2. Mai 2023 auf Beseitigung des auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … errichteten Schwimmteichs neu zu verbescheiden und die im Bescheid vom 20. Juni 2023 ausgesprochene Duldung des auf dem Grundstück FlNr. … der Gemarkung … errichteten Schwimmteichs aufzuheben.
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Zur Klagebegründung wird schriftsätzlich sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen ausgeführt, dass der Bescheid des Beklagten ermessensfehlerhaft sei, da er das öffentliche Interesse an der Herstellung baurechtmäßiger Zustände nicht berücksichtige. Zudem stimme die Erwägung, es handele sich bei der baulichen Anlage lediglich um eine bodengleiche Anlage, nicht mit der Wertung des § 35 Abs. 2 BauGB überein, dass der Außenbereich grundsätzlich von jeder Bebauung freigehalten werde. Das Bauvorhaben nehme rund 300 m² Fläche im Außenbereich in Anspruch und beeinträchtige die Bodenfunktionen. Ebenso fehlerhaft werde die Präzedenzwirkung des Bauvorhabens für Dritte beurteilt, da sich im Bereich der Klägerin diverse Grundstücke befänden, die gleich zu beurteilen seien und es aufgrund ihrer Größe ohne Weiteres zuließen, Schwimmbecken oder -teiche zu errichten. Die geltend gemachten Bezugsfälle seien nicht so massiv wie die streitgegenständliche Anlage, insbesondere auch im Hinblick auf das verwendete Baumaterial. Hinsichtlich des in diesem Zusammenhang vom Beklagten auch aufgeführten Bezugsfall Nr. 1 liege keine Zustimmung der Klägerin in einem Baugenehmigungsverfahren, sondern in einem wasserrechtlichen Genehmigungsverfahren vor. Bei Bezugsfall Nr. 15 handele es sich um einen Swimmingpool; auch zum Swimmingpool des Beigeladenen sei das gemeindliche Einvernehmen erteilt worden. Nur durch die Beseitigung könnten baurechtmäßige Zustände geschaffen werden, so dass die Klägerin einen Anspruch auf Erlass einer Beseitigungsanordnung habe. Auf den Schriftsatz im Übrigen sowie das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 4. Juni 2025 wird Bezug genommen.
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Der Beklagte legte im Gerichtsverfahren unter anderem eine fortlaufend nummerierte Liste von Grundstücken, die er als Bezugsfälle ansieht, nebst entsprechenden Katasterauszügen vor.
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Der Beklagte beantragt,
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Zur Begründung wird im Rahmen der mündlichen Verhandlung im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin zu anderen Teichen im Außenbereich ihr gemeindliches Einvernehmen zum Teil erteilt habe, beispielsweise für die Fälle Nr. 10 und 15 der vorgelegten Auflistung. Über die in der Liste stichprobenartig aufgeführten Fälle gebe es noch weitere, möglicherweise vergleichbare Fälle, die ebenfalls Nebenanlagen beträfen und noch nicht geprüft seien. Die Liste zeige aber, dass die Klägerin keine einheitliche Linie in Bezug auf Nebenanlagen verfolge. In einem Fall zuzustimmen und in einem anderen das Einschreiten zu verlangen, sei widersprüchlich. Daher müsse das gesamte Gebiet der Klägerin auf vergleichbare Nebenanlagen im Außenbereich hin untersucht und baurechtlich bewertet werden; ein wohl rechtlich erforderliches Beseitigungskonzept gebe es noch nicht. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung wird Bezug genommen.
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Der Beigeladene beantragt,
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Zur Begründung wir mit Schriftsatz vom 26. Mai 2025 im Wesentlichen ausgeführt, dass sich das Ergebnis der Ermessensbetätigung des Beklagten als ermessensfehlerfrei darstelle. Gegen eine Ermessensreduzierung auf Null spreche, dass der Schwimmteich nach außen kaum in Erscheinung trete und daher kaum städtebauliche Relevanz besitze. Der Beklagte sei zutreffend davon ausgegangen, dass die gemeindliche Planungshoheit nur geringfügig betroffen sei. Der Schwimmteich trete inzwischen vorrangig als gestalterisches Gartenelement in Erscheinung und sei inzwischen so eingewachsen, dass er naturnah wahrgenommen werde. Belästigungen oder Belastungen sonstiger Dritter gingen von ihm nicht aus. Die Klägerin habe in vergleichbaren Fällen der Errichtung eines Teichs zugestimmt, strebe aber nun die Beseitigung dieses Teichs an. Es existierten nach der Auflistung des Beklagten mehr als zehn Fällen, in denen für Nebenanlagen – auch Teiche und Swimmingpools – im Außenbereich keine Genehmigungen vorlägen, die Klägerin aber keine Beseitigung verlangt habe und der Beklagte nicht bauaufsichtlich eingeschritten sei, insbesondere auch für die Nebenanlage auf dem unmittelbaren Nachbargrundstück des Beigeladenen. Ferner könne der Beigeladene Vertrauensschutz für sich in Anspruch nehmen, da er den Schwimmteich aufgrund einer ihm erteilten Baugenehmigung hergestellt habe und die Aufhebung der Genehmigung erst nach Herstellung erfolgt sei. Auf den Schriftsatz im Übrigen wird Bezug genommen.
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Am 4. Juni 2025 fanden Augenschein und mündliche Verhandlung statt; auf das Protokoll wird Bezug genommen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem sowie im beigezogenen Verfahren Az. M 9 K 20.5553 und auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage erweist sich als teilweise begründet.
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Sie hat insoweit Erfolg, als der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 20. Juni 2023 aufzuheben und der Beklagte zur (Neu-)Verbescheidung des Antrags unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu verpflichten ist, § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO. Soweit die Verpflichtung zum Erlass einer Beseitigungsanordnung beantragt wurde, steht der Klägerin mangels Ermessensreduzierung auf Null jedoch kein Anspruch zu, so dass die Klage im Übrigen abgewiesen wird, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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1. Rechtsgrundlage für ein Einschreiten gegen eine bauliche Anlage auf Antrag einer Gemeinde sind vor allem die bauordnungsrechtlichen Eingriffsbefugnisse in Art. 54 Abs. 2 Satz 2, Art. 75 und Art. 76 BayBO. Dabei kommen regelmäßig vor allem Baueinstellungs- oder Baubeseitigungsanordnungen sowie Nutzungsuntersagungen in Betracht (BayVGH, U.v. 4.12.2014 – 15 B 12.1450 – juris Rn. 21). Wird ein Einschreiten von einer Standortgemeinde geltend gemacht, steht ihr jedenfalls dann auch ein subjektives Recht hierauf zu, wenn der von den bauordnungsrechtlichen Eingriffsregelungen der BayBO vorausgesetzte Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften die Planungshoheit der Gemeinde berührt (BVerwG, U.v. 12.12.1991 – 4 C 31.89 – juris Rn. 14 = NVwZ 1992, 878; BayVGH, U.v. 21.1.2004 – 26 B 02.873 – juris Rn. 30 f. = NVwZ-RR 2005, 56).
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Nach diesen Grundsätzen ist der Tatbestand für den Erlass der hier angestrebten Beseitigungsanordnung ohne weiteres erfüllt. Gemäß Art. 76 Satz 1 BayBO kann die Bauaufsichtsbehörde Anlagen, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften errichtet oder geändert werden, beseitigen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können. Diese Voraussetzungen liegen zur Überzeugung des Gerichts vor (vgl. VG München, U.v. 11.5.2022 – Az. M 9 K 20.5553 und BayVGH, B.v. 14.3.2023 – Az. 2 ZB 22.1948). Die Planungshoheit der Gemeinde ist insoweit berührt. Die Beteiligten haben im Rahmen dieses Verfahrens weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht diesbezüglich etwas Ergänzendes vorgetragen.
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2. Der Erlass einer Baubeseitigungsanordnung steht grundsätzlich im pflichtgemäßen Ermessen der Bauaufsichtsbehörde (Art. 40 BayVwVfG). Das Gericht ist dabei auf die Überprüfung von Ermessensfehlern beschränkt (§ 114 Satz 1 VwGO).
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Bei der Ermessensausübung über den Antrag einer betroffenen Gemeinde auf Einschreiten ist der besonderen Rechtsstellung dieser – insbesondere ihrer Planungshoheit – Rechnung zu tragen. In der gemeindlichen Planungshoheit manifestieren sich gewichtige Gemeinwohlinteressen (BVerwG, U.v. 12.12.1991 – 4 C 31.89 – juris Rn. 16 ff.; BayVGH, U.v. 21.1.2004 – 26 B 02.873 – juris Rn. 31 f.; B.v. 3.11.2000 – 26 ZB 99.2309 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Auch weil der Gemeinde, die nicht Bauaufsichtsbehörde ist, nach Landesrecht die Befugnis fehlt, gegen rechtswidrige Zustände selbst einzuschreiten, verdichtet sich die Ermessensausübung in solchen Fällen, so dass ein Antrag auf Einschreiten regelmäßig nur dann ermessensgerecht abgelehnt werden kann, wenn ein Einschreiten gegen die Anlage rechtlich unzulässig ist (BayVGH, B.v. 3.11.2000 – 26 ZB 99.2309 – juris Rn. 15 m.w.N.).
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Nach diesen Grundsätzen ist im hiesigen Einzelfall davon auszugehen, dass einem Einschreiten durch den Beklagten gegenüber dem Beigeladenen – jedenfalls in der von der Klägerin durch ihren konkreten Antrag auf bauaufsichtliches Einschreiten bestimmten, selektiven Auswahl – derzeit ein rechtliches Hindernis in Form eines möglichen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz entgegensteht bzw. ein solches zumindest derzeit nicht auszuschließen ist.
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Art. 3 Abs. 1 GG verbürgt das allgemeine Willkürverbot, das bei jeder Ermessensausübung zu beachten ist. Einem behördlichen Einschreiten gegen rechtswidrige Zustände kann ausnahmsweise entgegengehalten werden, dass es an jedem System oder sachlich einleuchtenden Grund für ein Einschreiten fehlt, sich das Einschreiten im konkreten Fall mithin als willkürlich darstellt (BVerwG, B.v. 24.7.2014 – 4 B 34.14 – juris Rn. 4). Das Willkürverbot stellt allerdings nur eine äußerste Grenze zur Abwehr staatlicher Eingriffe dar, da stets zu bedenken ist, dass sich ein rechtsbrüchiger Bauherr nicht unter diesem „Deckmantel“ auf eine Gleichheit im Unrecht berufen kann. Ein sachlich tragfähiger Grund für ein unterschiedliches Vorgehen kann etwa eine plausibel gewählte „Stichtagslösung“ sein, wonach nur gegen nach diesem Stichtag errichtete Anlagen vorgegangen wird, um eine Verschlechterung der Situation zu vermeiden (BVerwG, B.v. 24.7.2014 a.a.O.). Ebenso ist ein vorrangiges Vorgehen gegen die aktuellsten Bausünder ein tragfähiger Grund, um der bei diesen neueren Vorhaben größeren negativen Vorbildwirkung entgegenzutreten (BayVGH, B. v. 7.6.2017 – 9 ZB 15.255 – juris Rn. 5). Eine pauschale zeitliche Grenze, bis wann gegen andere vergleichbare Fälle vorgegangen werden muss, gibt es dabei allerdings nicht (BayVGH, v.7.6.2017 a.a.O. Rn. 6). Genauso zulässig ist es für die Behörde – insbesondere in rechtlich streitigen Fällen – zunächst die Entscheidung des zuständigen Gerichts abzuwarten, um eine rechtlich gesicherte Basis für ein Einschreiten in vergleichbaren Fällen zu haben und quasi „Schritt für Schritt“ vorzugehen (BayVGH, U. v. 14.5.2021 – 1 B 19.2111 – juris Rn. 34). Schließlich ist ein Sanierungskonzept im Sinne obiger Ansätze dann schon nicht von Nöten, wenn in Einzelfällen aufgrund der geringen Anzahl oder Bedeutung ein unmittelbar zeitnahes Einschreiten nicht erforderlich erscheint (BayVGH, B. v. 19.2.2014 – 15 C 13.2483 – juris Rn. 19).
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Diese – aus Anfechtungsklagen der betroffenen Bauherren stammende – Rechtsprechung gilt im gleichen Maße auch bei dem hiesigen Verpflichtungsbegehren einer Gemeinde (VGH Kassel, B.v. 10.11.2004 – 9 UZ 1400/03 – juris Rn. 2 ff.; vgl. auch BayVGH, B.v. 3.11.2000 – 26 ZB 99.2309 – juris Rn. 18; U.v. 30.7.1997 – 14 B 95.3645 – BeckRS 1997, 22840). Das Willkürverbot hindert dementsprechend das Gericht daran, den Beklagten zum Erlass einer gleichheitswidrigen Beseitigungsanordnung zu verpflichten (vgl. Konstellation zu einer an der Anfechtungsklage des Bauherrn beigeladenen Gemeinde: BVerwG, U.v. 14.4.2000 – 4 C 5.99 – juris Rn. 35).
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Die Klägerin hat durch ihre Antragstellung aus einer Vielzahl von in ihrem Gemeindegebiet offensichtlich vorliegenden möglichen vergleichbaren Bauvorhaben (Schwimmteiche und Swimmingpools und ggf. weitere vergleichbare Nebenanlagen) im Außenbereich nur den Schwimmteich des Beigeladenen herausgegriffen. Dabei wird darauf hingewiesen, dass selbst der Klägerin offensichtlich vergleichbare Fälle bekannt sind und sie teilweise diesbezüglich das gemeindliche Einvernehmen erteilt hat. Auch wurden vom Landratsamt im Rahmen des Klageverfahrens mehrere, teilweise in unmittelbarer Nähe zum Grundstück des Beigeladenen liegende, nicht genehmigte bzw. genehmigte Schwimmteiche und Swimmingpools benannt (vgl. die im Gerichtsverfahren vorgelegte, fortlaufend nummerierte Liste von Bezugsfällen). Grundsätzlich ist es zwar primär Aufgabe der Bauaufsichtsbehörde, für einen gesetzmäßigen Vollzug der ihr eingeräumten Befugnisse zu sorgen, allerdings will die Klägerin, dass die Bauaufsichtsbehörde gerade zum Einschreiten gegen diesen konkreten Schwimmteich verpflichtet wird. Stellt sich die Bauaufsichtsbehörde auf den Standpunkt, dass gegen die konkrete Auswahl an Schwarzbauten eben nicht nach einem nachvollziehbaren – mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarenden – Konzept vorgegangen werden kann, so muss die Klägerin plausibilisieren, wieso ein Einschreiten gleichheitssatzkonform möglich sein soll. Kann sie dies nicht und drängt sich dem Gericht auch nichts dergleichen auf, dann ist kein Anspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten gegeben, da das Gericht eine Behörde nicht zu einem gleichheitssatzwidrigen Handeln verpflichten kann. Daran ändert auch der Umstand nichts, dass die Bauaufsichtsbehörde nach obiger Rechtsprechung nicht verpflichtet ist, gegen alle – dem Konzept unterfallenden – Schwarzbauten gleichzeitig vorzugehen. Die Behörde wird nach der oben nachgewiesenen Rechtsprechung nur von einer Pflicht zum gleichzeitigen Vorgehen, aber nicht von der Pflicht, dem Umgang mit jedem aus einer Vielzahl von Verstößen herausgegriffenen „Schwarzbau“ ein tragfähiges Konzept zugrunde zu legen, befreit (vgl. VG Ansbach, U.v. 10.4.2024 – AN 3 K 22.02458 – juris 54 ff.)
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Die Klägerin vermochte es jedenfalls – obwohl sowohl das vorbereitende Verfahren als auch die mündliche Verhandlung hierzu Gelegenheit boten – nicht, eine mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbare Auswahlentscheidung hinsichtlich des konkreten Schwimmteichs hinreichend konkret darzustellen. Gleichzeitig drängt sich auch dem Gericht hierzu unter Berücksichtigung der Aktenlage und den vorgetragenen Umständen nichts auf. Konzeptionelle Überlegungen zum Einschreiten trägt die Klägerin nicht vor, sondern führt lediglich aus, dass die geltend gemachten Bezugsfälle nicht so massiv wie der streitgegenständliche Schwimmteich seien. Darin liegen noch keine substantiierten qualitativen Kriterien für ein Konzept. Auch im Hinblick darauf, dass die Klägerin nicht nur im Rahmen der Erteilung des gemeindlichen Einvernehmens keine erkennbare Differenzierung zwischen den vergleichbaren baulichen Anlagen vornimmt, sondern scheinbar auch im Rahmen dessen, welche Verstöße sie dulden bzw. „genehmigen“ oder aber „verfolgen“ will, lässt sich auf ihrer Seite auch keinerlei mit Art. 3 Abs. 1 GG zu vereinbarendes Konzept vermuten.
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Gerade vor diesem Hintergrund muss es dem Beklagten jedoch grundsätzlich freistehen, zunächst eine eigene Analyse des Sachverhalts anzustellen und dann darüber zu entscheiden, ob und wie er in einer mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbaren Weise gegen den streitgegenständlichen Schwimmteich und ggf. – konsequent – gegen weitere vergleichbare Bezugsfälle einschreitet (vgl. BayVH, U.v. 3.9.1997 – 14 B 95.3645 – BeckRS 1997, 22840).
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Nach alldem ist das Ermessen des Beklagten, eine Beseitigungsanordnung zu erlassen, aktuell nicht auf Null reduziert, so dass ein Verpflichtungsanspruch der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten nicht besteht.
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3. Im Übrigen war der Ablehnungsbescheid des Beklagten vom 20. Juni 2023 ermessensfehlerhaft und aufzuheben. Denn eine rechtmäßige Ermessensentscheidung setzt v. a. voraus, dass die Behörde den wesentlichen Sachverhalt ermittelt hat, also nicht von einem unzutreffenden oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht (vgl. BayVGH, B.v. 30.3.2023 – 24 ZB 22.2460 – juris, Rn. 14).
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Vorliegend fehlt es wie oben bereits dargelegt im Hinblick auf die relevanten Bezugsfälle an einem ausreichend ermittelten Sachverhalt. Die insoweit für eine Ermessensentscheidung gegen ein Einschreiten vom Beklagten als unter anderem maßgeblich erachteten Gesichtspunkte der nur geringfügigen Verletzung der Planungshoheit der Klägerin, da der Schwimmteich als bodengleiche Anlage kaum in Erscheinung trete und keine nennenswerte städtebauliche Relevanz besitze, sowie der fehlenden Präzedenzwirkung stellen insoweit keine ausreichende und entsprechend des erforderlichen Maßes ausdifferenzierte Ermessensgrundlage dar. Denn beide Gesichtspunkte hängen maßgeblich von einer ausreichenden Ermittlung des Sachverhalts hinsichtlich der relevanten Bezugsfälle ab und wie diese im Verhältnis zueinander zu beurteilen sind. Unabhängig davon überzeugt die Erwägung, dass der Schwimmteich städtebauliche keine nennenswerte Relevanz besitze, bereits in bauplanungsrechtlicher Hinsicht nicht im Ansatz.
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4. In der Folge verpflichtet das Gericht den Beklagten zur erneuten Verbescheidung des Antrags der Klägerin. Denn durch die Aufhebung des Bescheids vom 20. Juni 2023 ist der Antrag der Klägerin auf bauaufsichtliches Einschreiten wieder „offen“. Es fehlt darüber hinaus insoweit an der Spruchreife der Streitsache, weil das von der Klägerin beantragte Einschreiten im Ermessen der zuständigen Behörde steht.
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Das Gericht darf sein Ermessen nicht an die Stelle des Ermessens der Behörde setzen (Schübel-Pfister in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 113 Rn. 45, 49). Zudem ist es dem Gericht mangels entsprechender Aufklärung des Sachverhalts auch gar nicht möglich, abzusehen wie viele Bezugsfälle es aktuell gibt – die vom Beklagten vorgelegte „Liste“ ist ausdrücklich nicht abschließend, sondern nur eine Auswahl –, wie viele von diesen mit gemeindlichem Einvernehmen der Klägerin genehmigt wurden – insofern liegen auch gar keine aktenmäßigen Belege vor – und wie viele von diesen der Klägerin bzw. dem Beklagten bekannt sind.
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Der Beklagte wird bei seiner Ermessensausübung entsprechend den bereits ausgeführten Gesichtspunkten im Hinblick auf ein gleichheitssatzgemäßes Handeln zu untersuchen und zu bewerten haben, wie mit etwaigen Bezugsfällen konzeptionell umzugehen ist. Vor diesem Hintergrund wäre es aus Sicht des Gerichts insbesondere angezeigt, dass sich Landratsamt und Klägerin gemeinsam darüber Gedanken machen, wie mit den Bezugsfällen im Gebiet der Gemeinde umgegangen werden soll. Dabei erscheint es, ohne einer Ermessenausübung in der Zukunft vorgreifen zu wollen, nicht ausgeschlossen, dass ein Einschreiten gegen alle vergleichbaren Bezugsfälle geboten ist.
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5. Soweit die Klägerin eine Aufhebung der Duldung des Schwimmteichs beantragt hat, stellt diese „Duldung“ mangels Regelungswirkung bereits keinen eigenständigen Verwaltungsakt dar, dessen Aufhebung die Klägerin begehren kann. Denn in der Begründung des Bescheids vom 20. Juni 2023 wird die „Duldung“ des streitgegenständlichen Schwimmteichs lediglich als das Ergebnis der Abwägung im Rahmen der Ermessensentscheidung des Beklagten dargestellt, nicht als eigenständige Regelung. Zudem wäre diese „Duldung“ in einem Bescheid, welcher an die Klägerin adressiert ist, fehl am Platz. Eine Duldung, also die Begünstigung einer Rechtsposition im Hinblick auf den streitgegenständlichen Schwimmteich, müsste gegenüber dem Beigeladenen ausgesprochen werden. Auch dies spricht gegen eine Regelungswirkung.
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Überdies kann die Klägerin durch eine etwaige Duldung nicht weitergehend als durch die Ablehnung ihres Antrags auf bauaufsichtliches Einschreiten in ihrer Planungshoheit verletzt werden, denn eine solche Duldung hat mangels Mitwirkung der Gemeinde keinen Einfluss auf einen etwaigen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten (vgl. zum Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten, wenn sich die Bauaufsichtsbehörde in einem öffentlich-rechtlichen Vertrag ohne Mitwirkung der Gemeinde zur Duldung des Vorhabens verpflichtet hat: BayVGH, U.v. 21.1.2004 – 26 B 02.873 – juris Rn. 27). Der Antrag auf Aufhebung der Duldung ist insoweit auch mangels selbständiger Bedeutung dementsprechend nicht streitwerterhöhend.
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6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 Var. 1 VwGO, nachdem der Kläger und der Beklagte in etwa zu gleichen Teilen unterlegen sind. Dem liegen die auch für die Streitwertfestsetzung maßgebenden Erwägungen zugrunde, dass für die begehrte Verpflichtung zur Beseitigung als auch die begehrte Neuverbescheidung unter Berücksichtigung der Rechtsauffassung des Gerichts ein einheitlicher Streitwert, der jeweils zur Hälfte auf beide Begehren entfällt, anzusetzen ist, sowie, dass der Antrag auf Aufhebung der Duldung nicht streitwerterhöhend ist. Daher entspricht es auch der Billigkeit, dass der Beigeladene seine außergerichtlichen Kosten selbst trägt; es besteht kein Anlass, sie den Hauptbeteiligten aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO).