Titel:
Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Antragsbefugnis (verneint), Eilbedürftigkeit, Anordnungsgrund (verneint)
Normenketten:
VwGO § 123
VwGO analog § 42 Abs. 2
GG Art. 5 Abs. 1 S. 2
Schlagworte:
Einstweilige Anordnung, Presserechtlicher Auskunftsanspruch, Antragsbefugnis (verneint), Eilbedürftigkeit, Anordnungsgrund (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20563
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.
Gründe
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Die Antragstellerin begehrt im Wege des vorläufigen Rechtsschutzes die Erteilung einer presserechtlichen Auskunft von der Antragsgegnerin.
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Die Antragstellerin ist eine im Handelsregister eingetragene GmbH mit Sitz in … Gegenstand des Unternehmens ist laut Handelsregister die Erstellung, Verbreitung und Vermarktung von journalistischen und sonstigen medialen Inhalten auf verschiedenen, insbesondere digitalen Medienplattformen sowie mediale Dienstleistungen und Beratung sowie der Betrieb von digitalen Portalen zur Verbreitung von medialen, insbesondere publizistischen und journalistischen Inhalten.
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Am 17. Mai 2025 fand der sogenannte „Remigration Summit“ der Identitären Bewegung in Mailand, Italien statt. Dabei handelte es sich um ein internationales Treffen verschiedener politischer Gruppierungen. Gegenüber Aktivisten der „… Bewegung“ aus Deutschland verhängte die Antragsgegnerin ein Ausreiseverbot. Unter Verstoß gegen das Ausreiseverbot sei es einigen Aktivisten dennoch gelungen an der Veranstaltung in Mailand teilzunehmen. Bei der Wiedereinreise nach Deutschland seien sie durch Bundespolizisten am Flughafen … festgenommen worden.
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Eine bei der Antragstellerin tätige Mitarbeiterin wandte sich mit E-Mail vom 20. Mai 2025 an die Antragsgegnerin und ersuchte um verschiedene Auskünfte anlässlich der Wiedereinreise von Teilnehmern des „Remigration Summit“.
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Mit E-Mail vom 22. Mai 2025 lehnte die Antragsgegnerin die Beantwortung der Fragen unter Verweis auf den Daten- und Persönlichkeitsschutz ab.
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Mit Schriftsatz vom 27. Mai 2025, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München am gleichen Tag eingegangen, beantragt der Bevollmächtigte der Antragstellerin,
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die Antragsgegnerin im Wege einer einstweiligen Anordnung gemäß § 123 VwGO zu verpflichten, der Antragstellerin Auskunft über folgende Fragen im Zusammenhang mit der Teilnahme von Aktivisten der „… Bewegung“ aus Deutschland am sog. Remigration Summit 2025 in Mailand zu erteilen:
a) Können Sie bestätigen oder dementieren, dass Personen, die aus Mailand kommen und als „rechts“ angesehen werden, zu ihrem Aufenthalt befragt werden? Wenn ja, was genau wurde erfragt?
b) An welchen Flughäfen wurden die Befragungen durchgeführt
c) Nach welchen Kriterien wurden die Personen ausgewählt, die befragt wurden?
d) Wie viele Personen wurden befragt? Werden Personendaten der Befragten gesammelt?
e) Was ist die juristische Grundlage für dieses Vorgehen?
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Zur Begründung wird ausgeführt, dass sich die Antragstellerin auf den aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG herzuleitenden presserechtlichen Auskunftsanspruch berufen könne. Datenschutz- und Persönlichkeitsrechte seien nicht berührt. Für die begehrte Regelung bestehe Eilbedürftigkeit.
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Die Antragsgegnerin beantragt mit Schreiben vom 12. Juni 2025,
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die Anträge werden abgelehnt.
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Zur Begründung führt sie aus, dass die Fragen beantwortet wurden.
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Im gleichen Schreiben beantwortete die Antragsgegnerin die Fragen a) bis c) mit Hinweis darauf, dass Personen im Intra-Schengen Verkehr an Flughäfen derzeit stichprobenartigen Befragungen unterzogen werden. Bezüglich Frage b) ergänzte die Antragsgegnerin, dass eine statistische Dokumentation jedes Einzelfalls nicht stattfindet. Frage d) wurde nicht beantwortet. Auf Frage e) antwortete die Antragsgegnerin, dass es sich um ein laufendes Strafverfahren handele und zudem Personendaten Dritter betroffen seien. Deswegen könne die Antragsgegnerin hierzu keine Auskünfte erteilen.
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Mit Schreiben vom 23. Juni 2025 führte der Bevollmächtigte der Antragstellerin aus, dass die Fragen von der Antragsgegnerin nicht ausreichend beantwortet worden seien. Die Antworten seien allgemein und formularmäßig gehalten und würden den presserechtlichen Auskunftsanspruch nicht erfüllen. Die Antragstellerin bat um Konkretisierung der Antworten. Dies lehnte die Antragsgegnerin ab. Die Antworten seien eindeutig und widerspruchsfrei.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte verwiesen.
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Der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 123 Abs. 1 VwGO hat keinen Erfolg.
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Nach § 123 Abs. 1 Satz 1 VwGO kann das Gericht auch schon vor Klageerhebung auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte, oder auch nach § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO zur Regelung eines vorläufigen Zustandes, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, wenn dies nötig erscheint, um wesentliche Nachteile für den Antragsteller abzuwenden. Dabei hat ein Antragsteller sowohl die Dringlichkeit einer Regelung (Anordnungsgrund) als auch das Bestehen eines zu sichernden Rechts (Anordnungsanspruch) glaubhaft zu machen (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. § 920 Abs. 2, § 294 ZPO). Maßgebend hierfür sind die rechtlichen und tatsächlichen Verhältnisse im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts.
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1. Der Antrag ist mangels Antragsbefugnis der Antragstellerin unzulässig.
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Die gemäß § 42 Abs. 2 VwGO analog erforderliche Antragsbefugnis liegt bei der Antragstellerin nicht vor. Die Antragstellerin ist im Rahmen des § 123 Abs. 1 VwGO dann antragsbefugt, wenn die Verletzung eines ihr zustehenden Anspruchs möglich erscheint. Der Anspruch kann aber von vornherein nur bestehen, wenn die Antragstellerin anspruchsberechtigt ist, d.h. dem persönlichen Anwendungsbereich des Anspruchs unterfällt. Vorliegend wird der unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete presserechtliche Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden aber nur Journalisten, Redakteuren, Verlegern oder Herausgebern, nicht aber einer im Handelsregister eingetragenen GmbH gewährt.
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Das Grundrecht der Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG verleiht in seiner objektiv-institutionellen Dimension und in Ermangelung einer einfachgesetzlichen bundesrechtlichen Regelung den Presseangehörigen einen verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden, soweit auf diese die Landespressegesetze mit den in ihnen enthaltenen Auskunftsanspruchsnormen wegen der entgegenstehenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes keine Anwendung finden (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 14.04.25 – 10 VR 3/25 – juris Rn. 15; U.v. 28.10.21 – 10 C 3.20 – juris Rn. 25; U.v. 07.11.24 – 10 A 5.23- juris Rn. 10). Aufgrund dieses verfassungsunmittelbaren Auskunftsanspruchs können Presseangehörige auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.21 – 10 C 3/20 – juris Rn. 25).
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Der Begriff der Presse ist grundsätzlich weit und formal. Der Informationsanspruch steht auch dem Verleger von Presseerzeugnissen als Inhaber der grundrechtlichen Pressefreiheit zu (vgl. BVerwG, U.v. 14.04.25 – 10 VR 3/25 – juris Rn. 16 m.w.N.) Bei der Antragstellerin handelt es sich allerdings um eine GmbH als Betreiberin eines Online-Portals, die sich insoweit nicht auf Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berufen kann, da sie einem Verleger oder Herausgeber nicht gleichgestellt ist. Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass sie ein Medien- und Presseunternehmen sei. Lediglich ihre Mitarbeiter seien vom Verband der Zeitungsverleger und über den Deutschen Presserat anerkannte Pressevertreter. Das Unternehmen als solches ist kein Vertreter der Presse.
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Der unmittelbar aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG abgeleitete presserechtliche Anspruch gegenüber Bundesbehörden tritt ergänzend neben die landespresserechtlichen Auskunftsansprüche. Art. 4 Abs. 1 Satz 1 BayPrG regelt, dass die Presse gegenüber Behörden ein Recht auf Auskunft hat. Art. 4 Abs. 1 Satz 2 BayPrG konkretisiert, dass dieses Recht nur durch Redakteure oder andere von ihnen genügend ausgewiesene Mitarbeiter von Zeitungen oder Zeitschriften ausgeübt werden kann. Diese gesetzgeberische Wertung muss auch beim unmittelbaren Anspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG berücksichtigt werden. Eine GmbH ist jedenfalls deswegen nicht schutzbedürftig, weil sie als wirtschaftliche Einheit und juristische Person anders zu behandeln ist als der einzelne Redakteur.
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Die bisherige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes, die den unmittelbaren presserechtlichen Auskunftsanspruch gegenüber Bundesbehörden entwickelt hat, ergibt nichts Anderes. Bei den bisher entschiedenen Fällen war stets ein Journalist, Herausgeber oder Verleger Antragsteller und nie eine GmbH als Betreiberin eines Online-Portals (vgl. in der jüngeren Vergangenheit: BVerwG, B.v. 14.04.25 – 10 VR 3/25 – juris Rn. 1 – Verlegerin der Zeitung „… …“ und „… … … …“; BVerwG, B.v. 18.03.25 – 10 VR 1/25 – juris Rn. 1, B.v. 12.09.2024 – 10 VR 1/24 – juris Rn. 1; B.v. 09.11.23 – 10 A 2/23 – juris Rn. 1 – jeweils Redakteur einer Tageszeitung; BVerwG, B.v. 13.04.21 – 30 GS 2/20 – juris Rn. 1 – Herausgeberin des Nachrichtenmagazins „… …“; BVerwG, B.v. 13.10.20 – 2 C 41/18 – juris Rn. 1 – freier Journalist).
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Das Gericht verkennt dabei nicht die Reichweite des Art. 19 Abs. 3 GG. In seinem wesentlichen Gehalt kann sich auch ein Online-Portal auf die Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG berufen (vgl. OVG Berlin-Brandenburg, B.v. 18.10.24 – 6 S 37/24 – juris Rn. 13) und von der Abwehr- und Schutzfunktion des Grundrechts profitieren. Der presserechtliche Auskunftsanspruch aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG räumt dem Anspruchsinhaber demgegenüber aber ein aktiv geltend zu machendes Recht auf Auskunft bzw. Information ein und wirkt deswegen gegenüber staatlichen Akteuren in eine andere, leistende Richtung. Diese „Leistung“ soll nur von natürlichen Personen in Anspruch genommen werden können. Durch diese Interpretation des Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG wird auch lückenloser Grundrechtsschutz gewährleistet. Die Betreiberin eines Online-Portals kann sich, um einen presserechtlichen Auskunftsanspruch geltend zu machen, eines einzelnen Redakteurs als Antragsteller bedienen und ist mithin nicht schutzlos gestellt.
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2. Der Antrag ist darüber hinaus unbegründet. Die Voraussetzungen des § 123 Abs. 1 Satz 2 VwGO liegen nicht vor.
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a) Die Antragstellerin hat in Teilen keinen Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht (§ 123 Abs. 3 VwGO i.V.m. §§ 920 Abs. 2, 294 Abs. 1 ZPO). Die Antragsgegnerin hat jedenfalls Fragen a) bis c) der Antragstellerin in ausreichendem Maß beantwortet, sodass bezüglich dieser Fragen kein Anordnungsanspruch mehr besteht.
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Beim verfassungsunmittelbaren Informationsanspruch der Presse gegenüber staatlichen Behörden aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG handelt es sich um einen Minimalanspruch der keine Informationsbeschaffungspflicht enthält (vgl. Paulus in: Huber/Voßkuhle, GG, 8. Aufl. 2024, Art. 5 Rn. 149 m.w.N.). Presseangehörige können auf hinreichend bestimmte Fragen behördliche Auskünfte verlangen, soweit die entsprechenden Informationen bei der Behörde vorhanden sind und schutzwürdige Interessen öffentlicher Stellen oder Privater an der Vertraulichkeit nicht entgegenstehen (vgl. BVerwG, U.v. 28.10.21 – 10 C 3/20 – juris Rn. 25 m.w.N.).
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Vorliegend hat die Antragsgegnerin die Fragen a) bis c) dahingehend beantwortet, dass Personen im Intra-Schengen Verkehr an Flughäfen derzeit stichprobenartigen Befragungen unterzogen werden. Frage b) wurde zusätzlich damit beantwortet, dass eine statistische Erfassung bzw. Dokumentation jedes Einzelfalles nicht stattfindet. Damit wurde der Antragstellerin klare, eindeutige und widerspruchsfreie Antworten auf ihre Fragen gegeben. Das Gericht konnte nach Aktenlage keine Hinweise darauf erkennen, dass die Antragsgegnerin bewusst unwahre Antworten gegeben oder Informationen, die sie bereits gesammelt hatte, zurückgehalten hat. Sofern die Antragstellerin dies vermutet, hat sie jedenfalls nicht substantiiert genug vorgetragen, um die Antworten in Zweifel zu ziehen.
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Entgegen der Rechtansicht der Antragstellerin ist eine weitere Antwort der Antragsgegnerin auf die im Schreiben vom 23. Juni 2025 konkretisierten Fragen nicht veranlasst. Diese konkretisierten Fragen sind nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens, erhalten darüber hinaus subjektive Wertungen und würden die Antragsgegnerin zur Informationsbeschaffung verpflichten. Dies gilt insbesondere hinsichtlich der Frage, ob es im Geschäftsbereich der Bundespolizei Anweisungen gab, mögliche Teilnehmer des Remigration Summit bei ihrer Rückkehr nach Deutschland zu befragen. Die konkretisierte Frage, ob aktenkundige Vorgänge angelegt worden seien hat die Antragsgegnerin darüber hinaus in Frage b) bereits jedenfalls konkludent beantwortet. Ob verstärkte, d.h. über die üblichen stichprobenartigen Kontrollen hinausgehende Befragungen stattgefunden oder ob Polizeibeamte mit Bildern der Teilnehmer des Remigration Summit am Flughafen … gewartet hätten, war nicht Teil der ursprünglichen Fragen. Der Antragstellerin ist eine Berichterstattung über die Vorgänge im Anschluss an den Remigration Summit möglich.
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Frage d) hat die Antragsgegnerin dagegen überhaupt nicht, Frage e) nur unzureichend beantwortet. Die Antragsgegnerin beruft sich bei der Beantwortung der Frage e) darauf, dass bei einem laufenden Strafverfahren keine Auskunft erteilt werden könne, da zudem auch Personendaten Dritter betroffen seien. Diese Antwort ist – sofern man die Anspruchsberechtigung im presserechtlichen Auskunftsanspruch unterstellt – so nicht ausreichend. Bei der allgemein gehaltenen Nachfrage nach einer juristischen Grundlage sind ersichtlich keine Personendaten Dritter betroffen. Zudem kann auch im laufenden Strafverfahren die juristische Grundlage mitgeteilt werden, ohne dass dies das Ermittlungsergebnis gefährden würde.
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b) Die Antragstellerin hat keinen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.
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Ein Anordnungsgrund liegt dann vor, wenn es dem Antragsteller unter Berücksichtigung seiner Interessen, aber auch der öffentlichen Interessen und der Interessen anderer Personen nicht zumutbar ist, die Entscheidung in der Hauptsache abzuwarten.
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Im Presserecht ist zu berücksichtigen, dass die Presse grundsätzlich in den Grenzen des Rechts selbst entscheidet ob und wie sie über ein bestimmtes Thema berichtet. Das „Ob“ und „Wie“ der Berichterstattung ist Teil des Selbstbestimmungsrechts der Presse, welches auch die Art und Weise ihrer hierauf gerichteten Informationsbeschaffungen grundrechtlich schützt. Unter das Selbstbestimmungsrecht in zeitlicher Hinsicht fällt auch die Freiheit der Presse zu entscheiden‚ ob eine Berichterstattung zeitnah erfolgen soll. Allerdings genügt es in diesem Zusammenhang‚ wenn Eilrechtschutz nur gewährt wird‚ wo ein gesteigertes öffentliches Interesse und ein starker Gegenwartsbezug der Berichterstattung vorliegen (vgl. BVerfG‚ B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – juris Rn. 29 f.).
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Nach diesen Maßgaben sieht das Gericht – aufgrund der im Eilverfahren gebotenen aber auch ausreichenden summarischen Prüfung – ein gesteigertes öffentliches Interesse und einen starken Gegenwartsbezug in dem Maße, dass der Antragstellerin ein Abwarten der Entscheidung in der Hauptsache nicht zugemutet werden kann, als nicht gegeben an. So fand der „Remigration Summit“ bereits am 17. Mai 2025 und damit vor einem nicht unerheblich in der Vergangenheit liegendem Zeitraum statt. Bei einem über zwei Monate zurückliegenden, einmaligen Vorfall, ist der unmittelbare Gegenwartsbezug nach Auffassung des erkennenden Gerichts nicht mehr gegeben.
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Ein gesteigertes öffentliches Interesse liegt nicht vor. Zwar haben die Antragstellerin und zahlreiche weitere Medien am 16. Mai 2025 und danach über die Vorgänge vor und während des Remigration Summit – und dabei insbesondere über das erteilte Ausreiseverbot für Aktivisten der … Bewegung – berichtet. Über die Vorgänge am Flughafen … am 17. Mai 2025 und die Verhaftungen im Anschluss an den Remigration Summit, gab es hingegen bereits kaum mehr Berichterstattung. Darüber hinaus haben weder die Antragstellerin noch andere Zeitungen – soweit ersichtlich – innerhalb der letzten acht Wochen überhaupt über den Remigration Summit berichtet. Nach dem 20. Mai 2025 findet sich über den Remigration Summit keine Berichterstattung mehr.
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Die Antragstellerin begehrt mit der Auskunftserteilung darüber hinaus keine vorläufige Maßnahme, sondern eine Vorwegnahme der Hauptsache. Würde dem Antrag stattgegeben, wären die Inhalte der zu erteilenden Auskünfte unwiederbringlich „… … …“, so dass das Hauptsacheverfahren seines Sinnes beraubt wäre. Diese Irreversibilität widerspricht der Vorläufigkeit einer Regelung nach § 123 VwGO (vgl. VG München, B.v. 24.5.2004 – M 22 E 04.799 – juris Rn. 51). Das Verbot einer Vorwegnahme der Hauptsache steht einer Anordnung nach § 123 VwGO nur dann nicht entgegen, wenn dies zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes geboten ist, mithin dem Antragsteller schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile drohen, und ein hoher Grad an Wahrscheinlichkeit dafürspricht, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch begründet ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.4.2013 – 10 C 9.12 – juris Rn. 22; BVerwG, B.v. 8.9.2014 – 1 BvR 23/14 – juris Rn. 23; BayVGH, B.v. 19.8.2020 – 7 CE 20.1822 – juris Rn. 12). Es müssten hier konkret Vorgänge in Rede stehen, die unabweisbar einer sofortigen, keinen Aufschub duldenden journalistischen Aufklärung bedürften, z.B., weil manifeste Hinweise auf aktuelle schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen vorliegen oder ein unmittelbares staatliches Handeln zur Abwehr von Gemeinwohlgefahren dringend gefordert sein könnte, so dass die Kontroll- und Vermittlungsfunktion der Presse leerliefe (vgl. BayVGH, B.v. 17.2.2014 – 7 CE 13.2514 – juris Rn. 8; BVerwG, B.v. 26.11.2013 – 6 VR 3/13 – juris Rn. 6).
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Die Antragstellerin hat dabei weder glaubhaft dargelegt, dass schwere Rechtsbrüche staatlicher Stellen oder Gemeinwohlgefahren vorliegen, noch, dass das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache für sie schwere und unzumutbare, nachträglich nicht mehr zu beseitigende Nachteile zur Folge hätte. Im Gegenteil: Die Antragstellerin trägt selbst vor, dass sich Aktivisten der … Bewegung über ein bestehendes Ausreiseverbot hinweggesetzt haben. Ein potentieller Rechtsbruch ging damit keineswegs von staatlicher Stelle, sondern von Seiten der Aktivisten aus. Das Ausreiseverbot ist nach derzeitigem Kenntnisstand der Kammer rechtmäßig, dies wurde durch den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof im Eilverfahren bestätigt (vgl. BayVGH, B.v. 16.05.25 – 5 CS 25.950 – Rn. 6 ff.).
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Ferner hat die Antragstellerin nicht geltend gemacht, dass irreparable oder schwerwiegende Schäden drohen, sondern lediglich pauschal und unsubstantiiert behauptet, dass die Antragstellerin auf den Zugang zu Informationen angewiesen sei, um zeitnah und fundiert darüber berichten zu können. Dies genügt den Anforderungen, die an die Vorwegnahme der Hauptsache zu stellen sind nicht. Ebenso unsubstantiiert ist die Behauptung der Antragstellerin, dass das Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache eine erhebliche Einbuße des öffentlichen Interesses zur Folge hätte.
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Darüber hinaus besteht ein hoher Grad der Wahrscheinlichkeit, dass der mit der Hauptsache verfolgte Anspruch jedenfalls bezüglich der Fragen a) bis c) unbegründet ist (s.o.). Insgesamt ist es in einer derartigen Situation auch mit Blick auf die Gewährleistung effektiven Rechtschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) nicht geboten, die Hauptsache vorwegzunehmen.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 Satz 2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit von 2013. Da mit der Entscheidung eine Vorwegnahme der Hauptsache verbunden ist, wird der Streitwert auf die Höhe des für das Hauptsachverfahren anzunehmenden Streitwerts angehoben.