Titel:
Asylverfahren (Herkunftsland, Guinea), Antragsteller bei Asylantragstellung minderjährig, bei Anhörung durch das Bundesamt volljährig, Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, Einstweiliger Rechtsschutz
Normenketten:
VwGO § 80 Abs. 5
AsylG § 36
AsylG § 30
Schlagworte:
Asylverfahren (Herkunftsland, Guinea), Antragsteller bei Asylantragstellung minderjährig, bei Anhörung durch das Bundesamt volljährig, Asylantrag als offensichtlich unbegründet abgelehnt, Einstweiliger Rechtsschutz
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20551
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
Gründe
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Der Antragsteller, Staatsangehöriger Guineas der Volkszugehörigkeit der Kono, verließ Guinea nach eigenen Angaben im Februar 2022 und reiste im November 2023 in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 14. März 2024 stellte er hier einen Asylantrag. Laut einer am 20. Februar 2023 ausgestellten Geburtsurkunde, die dem zum Vormund bestellten Landratsamt am 19. November 2024 vorgelegt wurde, ist er am … … 2006 geboren.
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Bei seiner persönlichen Anhörung gem. § 25 AsylG beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 8. Mai 2025 gab der Antragsteller zur Begründung seines Asylantrags im Wesentlichen an, dass er in seinem Heimatland 10 Jahre lang eine Schule besucht habe. Das 11. Schuljahr habe er abgebrochen. Außerdem habe er seinen Eltern bei Feldarbeiten geholfen. Als Grund für seine Ausreise trug der Antragsteller vor, von seinem Vater und seinem älteren Bruder geschlagen worden zu sein. Sein Vater habe nicht gewollt, dass der Antragsteller die Schule besuche. Sein Bruder habe versucht seine Schwester mit einem Messer zu töten und habe den Antragsteller gezwungen mit ihm zusammen in anderen Dörfern zu arbeiten. Er habe große Angst vor dem Bruder. Dieser habe ihnen auch das Geld abgenommen, das nach der Ernte ausbezahlt worden sei. Er habe auch der Mutter Geld weggenommen, mit welchem diese die Schulgebühren bezahlen wollte. Außerdem gebe es religiöse und ethnische Konflikte, an denen der Antragsteller jedoch nicht beteiligt gewesen sei. Vor diesen Konflikten habe er Angst. Auch vor seiner Tante mütterlicherseits habe er Angst, sie sei aggressiv im Ton und werfe ihn wegen jeder Kleinigkeit aus dem Haus. Persönliche Bedrohung aufgrund seiner Religion habe der Antragsteller nicht erlebt, ebenso sei er wegen seiner Ethnie nicht persönlich bedroht oder verfolgt worden.
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Zu seiner Reiseroute trug der Antragsteller vor, über Mali, Algerien, Tunesien, Italien, die Schweiz bis nach Deutschland gereist zu sein. In Tunesien sei er 8 Monate verblieben und habe gearbeitet, um seine Überfahrt bezahlen zu können. In Italien sei er gleichfalls 8 Monate gewesen. Er habe dort für seine Atemwegsprobleme keine Hilfe bekommen.
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In den Akten befindet sich ein ärztliches Attest vom 20. Mai 2025 mit der Diagnose allergisches Asthma bronchiale. Der damit verbundene Arztbrief gleichen Datums führt unter „Zusammenfassende Beurteilung“ aus: aktuell leichte Obstruktion ohne relevante Klinik, Fortführung der Therapie mit Revolver und Bedarf Spray bei Belastungen, wie bisher empfohlen. Laut eines gleichfalls in den Akten befindlichen Laborberichts reagiert der Antragsteller stark positiv auf Hausstaub-/Mehlmilbe. Aus einem vorgelegten urologischen Arztbericht ergibt sich die Diagnose einer Hodenatrophie links. Zum Zeitpunkt 18. März 2025 wurde vom untersuchenden Facharzt diesbezüglich kein weiterer Behandlungsbedarf gesehen.
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Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 8. Juli 2025, zugestellt am 11. Juli 2025, lehnte das Bundesamt den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, auf Asylanerkennung und auf subsidiären Schutz als offensichtlich unbegründet ab (Ziffer 1-3 des Bescheids) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz – AufenthG – nicht vorliegen (Ziffer 4). Der Antragsteller wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen. Andernfalls wurde die Abschiebung in die Republik Guinea oder in einen anderen Staat, in den er einreisen darf oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Fall einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 5). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG angeordnet und auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6). Auf die Ausführungen des Bescheids wird Bezug genommen.
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Der Antragsteller hat am 16. Juli 2025 Klage gegen den Bescheid des Bundesamts vom 1. Juli 2025 erhoben (M 10 K 25.33317) und zugleich beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage hinsichtlich der Abschiebungsandrohung anzuordnen.
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Zur Begründung wurde vom Antragsteller auf die bisherigen Angaben gegenüber dem Bundesamt Bezug genommen.
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Mit Schreiben vom 18. Juli 2025 beantragt das Bundesamt Klageabweisung sowie,
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den Antrag abzulehnen.
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Das Bundesamt bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid vom 8. Juli 2025.
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Am 26. Juli 2025 bestellte sich der Bevollmächtigte des Antragstellers und begründete dessen Antrag weiter dahingehend, dass § 30 Abs. 1 Nummer 1 bis 6 AsylG gemäß § 30 Abs. 2 AsylG auf den Antragsteller keine Anwendung finde. Dieser sei am 19. November 2023 als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland eingereist und habe am 14. März 2024 durch seinen Vormund Asylantrag gestellt. Hinsichtlich der Frage, auf welchen Zeitpunkt bezüglich der Feststellung der Minderjährigkeit abzustellen sei, nimmt der Bevollmächtigte auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Ansbach Bezug (vgl. VG Ansbach, B.v. 2.1.2024 – AN 10 S 23.31732), welcher den Zeitpunkt der Einreise nach Deutschland als maßgeblich erachtet. Hieraus ergebe sich die Rechtswidrigkeit der angegriffenen Entscheidung und somit ein Überwiegen des Aussetzungsinteresses des Antragstellers.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte in diesem Verfahren und im Verfahren M 10 K 25.33317 sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.
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Der zulässige Antrag ist unbegründet. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).
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1. Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unbegründet nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig (§ 36 Abs. 4 Satz 2 AsylG). Maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist der Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts, § 77 Abs. 1 Satz 1 2. Alt. AsylG.
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Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – BVerfGE 94, 166 ff.). Die gerichtliche Überprüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat im Hinblick auf den nach Art .19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts erschöpfend, wenngleich mit Verbindlichkeit allein für das Eilverfahren zu erfolgen (BVerfG, B.v. 19.6.1990 – 2 BvR 369/90 – juris Rn. 20). Die Anforderungen entsprechen insofern denjenigen der Ablehnung einer asylrechtlichen Klage als offensichtlich unbegründet (BVerfG, B.v. 19.6.1990 a.a.O. – juris Rn. 21). Anknüpfungspunkt für die Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich unbegründet abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.
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2. Es bestehen keine ernstlichen Zweifel am Offensichtlichkeitsausspruch des Bundesamts. Das Gericht folgt insoweit den Gründen des angefochtenen Bescheids, nimmt auf diesen Bezug (§ 77 Abs. 3 AsylG) und weist ergänzend auf Folgendes hin:
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Die Antragsgegnerin stützt ihren Offensichtlichkeitsausspruch auf § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Ein unbegründeter Asylantrag ist in der seit 27. Februar 2024 geltenden Fassung als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. Diese Formulierung entspringt Art. 32 Abs. 2 i. V. m. Art. 31 Abs. 8 lit. a Asylverfahrensrichtlinie. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll die Regelung die nach der bisherigen Rechtslage geregelten Fälle umfassen, in denen die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter und die Voraussetzungen für die Zuerkennung des internationalen Schutzes offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylG a. F.), insbesondere, wenn nach den Umständen des Einzelfalles offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation zu entgehen, im Bundesgebiet aufhält (§ 30 Abs. 2 AsylG a. F.) oder, wenn es sich nach dem Inhalt des gestellten Antrags nicht um einen Asylantrag im Sinne des § 13 Abs. 1 AsylG handelt (§ 30 Abs. 5 a. F.) (BT-Drs. 20/9463, S. 56).
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Der Antragsteller hat während seiner Anhörung im behördlichen Asylverfahren keine Umstände vorgebracht, die für die Prüfung des Asylantrags von Belang sind, § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG. Weder das Vorbringen in der Anhörung durch das Bundesamt noch das im gerichtlichen Verfahren sind geeignet, ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung, insbesondere am Offensichtlichkeitsausspruch zu begründen. Es ist weder eine gegen den Antragsteller gerichtete staatliche Verfolgung (§ 3c AsylG) aus einem relevanten Verfolgungsgrund (§ 3b Abs. 1 AsylG) erkennbar oder aus dem Vortrag des Antragstellers ableitbar, noch droht dem Antragsteller ein ernsthafter Schaden i.S.d. § 4 AsylG, so dass auch offensichtlich kein subsidiärer Schutz zuzuerkennen ist.
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Ob die vom Asylantragsteller vorgebrachten Umstände aber auch dann für die Prüfung des Antrags nicht von Belang sind, wenn offenkundig Möglichkeiten des landesinternen Schutzes oder einer inländischen Fluchtalternative (vgl. § 4 Abs. 3 AsylG i. V. m. §§ 3d und 3e AsylG) bestehen und der Ausländer sich darauf verweisen lassen muss (vgl. Bescheid S. 5f), kann im konkreten zu entscheidenden Fall dahinstehen. Auch unabhängig davon sind die engeren Voraussetzungen für eine Offensichtlichkeitsentscheidung vorliegend hinsichtlich des Antrags auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und des subsidiären Schutzes erfüllt. Selbst bei Wahrunterstellung seines Vortrags handelt es sich bei der geschilderten Behandlung durch seinen Vater und Bruder allenfalls um (allgemeines) Unrecht im familiären Bereich, mithin nicht um asylerhebliche Gründe. Auf dieser Grundlage ist für eine dem Antragsteller drohende flüchtlingsrelevante Verfolgung nichts ersichtlich. Ebenso sind nicht einmal ansatzweise Gründe für einen ihm drohenden ernsthaften Schaden i. S. d. § 4 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 AsylG (Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe, Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts) von ihm angesprochen worden oder sonst erkennbar. Ergänzend kann gem. § 77 Abs. 3 AsylG auf die im Wesentlichen zutreffenden Ausführungen im streitgegenständlichen Bescheid verwiesen werden. Das Gericht schließt sich diesen Ausführungen – ohne die zur Prüfung des internen Schutzes – nach eigener Würdigung an.
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3. Dem Offensichtlichkeitsausspruch der Antragsgegnerin im Bescheid vom 8. Juli 2025 steht auch nicht entgegen, dass der Antragsteller nach Aktenlage im Zeitpunkt seiner Einreise und Asylantragstellung als unbegleiteter Minderjähriger anzusehen war. Nach § 30 Abs. 2 AsylG findet dessen Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AsylG auf unbegleitete Minderjährige keine Anwendung. § 30 Abs. 2 AsylG setzt Art. 25 Abs. 6 Unterabs. 2 der Asylverfahrensrichtlinie um und schließt in den aufgeführten Fällen die Ablehnung des Asylantrags eines unbegleiteten minderjährigen Ausländers als offensichtlich unbegründet aus (vgl. BT-Drs. 563/23, S. 62). Der Begriff des „Minderjährigen“ ist in Art. 2 lit. d) der RL 2013/33/EU (EU-Aufnahme-RL) definiert, und zwar als Drittstaatsangehöriger oder Staatenloser unter 18 Jahren. Der Begriff des „unbegleiteten Minderjährigen“ wird in Art. 2 lit. e) der RL 2013/33/EU definiert, wonach ein solcher ein Minderjähriger ist, der ohne Begleitung eines für ihn nach dem einzelstaatlichen Recht oder den Gepflogenheiten des betreffenden Mitgliedstaats verantwortlichen Erwachsenen in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einreist, solange er sich nicht tatsächlich in der Obhut eines solchen Erwachsenen befindet; dies schließt Minderjährige ein, die nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates dort ohne Begleitung zurückgelassen wurden. Allerdings wird weder der Zeitpunkt näher konkretisiert, auf den für die Beurteilung der Minderjährigkeit abzustellen ist, noch wird insoweit etwa auf das Recht der Mitgliedstaaten verwiesen. Diese Frage bedarf daher der Auslegung und ist in der Rechtsprechung bislang umstritten.
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Nach einer Ansicht soll es hier auf den Zeitpunkt der Einreise ins Bundesgebiet oder möglicherweise auch ins Unionsgebiet ankommen (vgl. VG Ansbach, B.v. 2.1.2024 – AN 10 S 23.31732 – juris Rn. 23f).
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Eine andere Auffassung stellt auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung ab (vgl. VG Saarland, B.v. 8.5.2024 – 6 L 530/24 – juris o.Rn.; VG Berlin, B.v.12.12.2024 – 24 L 877/24 A – juris Rn. 8; VG Bremen, B.v. 27.12.2024 – 2 V 2163/24 – juris Rn. 20ff; VG Dresden, B.v. 19.11.2024 – 2 L 884/24.A – juris Rn. 22; VG Aachen, B.v. 5.5.2025 – juris Rn. 27).
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Nach wiederum anderer Auffassung ist der Zeitpunkt entscheidend, in dem der Ausländer die „belanglosen Umstände“ zuletzt vorgebracht hat, mithin also der Zeitpunkt der (letzten) Anhörung (vgl. VG Wiesbaden, B.v. 23.4.2024 – 4 L 353/24.WI.A – juris Rn. 30; VG Berlin, Beschluss vom 19.09.2024 – 4 L 483/24.A – juris Rn. 5; VG Berlin, B.v. 12.2.2025 – 29 L 68/25 A – juris Rn. 16; VG Minden, U.v. 19.3.2025 – 15 K 1268/25.A – juris Rn. 35).
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Der letztgenannten Auffassung schließt sich das Gericht nach der insoweit gebotenen Auslegung an. Zur angemessenen Berücksichtigung des Kindeswohls und Minderjährigenschutzes im Sinne des Unionsrechts ist für die Anwendung des Ausschlusses nach § 30 Abs. 2 AsylG bzw. Art. 25 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a) der Asylverfahrensrichtlinie auf denjenigen Zeitpunkt abzustellen, in dem der Schutzsuchende diejenige Handlung vorgenommen bzw. letztmalig unterlassen hat oder diejenigen Angaben gemacht hat, die die Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AsylG tragen. Dadurch wird sichergestellt, dass einem zu diesem Zeitpunkt unbegleiteten Minderjährigen kein Verhalten und keine Angaben zum Nachteil gereichen, das bzw. die auf seiner fehlenden Reife beruht bzw. beruhen, selbst wenn er vor Abschluss des Asylverfahrens volljährig wird. Die o.g. Definition „unbegleiteter Minderjähriger“ in Art. 2 lit. e) der RL 2013/33/EU stellt gerade nicht starr auf einen Zeitpunkt im Asylverfahren – etwa der Einreise – allein ab, sondern bestimmt weiter, dass der Minderjährige nur als unbegleiteter Minderjähriger gilt, solange er sich nicht in Obhut eines verantwortlichen Erwachsenen befindet, und schließt zudem auch Minderjährige ein, die erst nach der Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats dort ohne Begleitung zurückgelassen werden. Das zeigt, dass zumindest insoweit der Richtliniengeber nach der Einreise eintretende Veränderungen durchaus nicht unberücksichtigt lassen will, und zwar auch dann nicht, wenn dadurch die Schutzbedürftigkeit des Betroffenen entfällt. Das spricht für eine dynamische Anwendung nach Schutzbedarf auch hinsichtlich des Wegfalles des Merkmals der Minderjährigkeit im Rahmen der Anwendung der Schutzvorschriften. Dadurch wird dem Umstand Rechnung getragen, dass ein zum Zeitpunkt der Anhörung Minderjähriger aufgrund seiner geistigen und sozialen Entwicklung und fehlenden Reife gegebenenfalls noch nicht fähig sein mag, seine Fluchtgründe geordnet und frei von Widersprüchen darzulegen sowie seine Belange in seinem Asylverfahren ausreichend vertreten zu können, dieses besondere Schutzbedürfnis aber nicht mehr besteht, wenn der Betroffene zu dem Zeitpunkt, in dem er die maßgeblichen Angaben gemacht hat, bereits volljährig geworden ist. Zwar ist nicht zu verkennen, dass die Anwendung des § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG damit maßgeblich davon abhängt, ob das Bundesamt einen zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährigen Jugendlichen vor oder nach seinem 18. Geburtstag anhört. Diese Möglichkeit der Einflussnahme auf die Anwendbarkeit des § 30 Abs. 2 AsylG steht der hier vertretenen Auffassung jedoch nicht entgegen. Die Garantien für unbegleitete Minderjährige dienen dem Kindeswohl und der besonderen Schutzbedürftigkeit unbegleiteter Minderjähriger, indem sie deren Nachteile in bestimmten Stadien des Asylverfahrens ausgleichen. Daher ist eine Anwendung nur geboten, wenn die Minderjährigkeit und damit die Schutzbedürftigkeit zu dem Zeitpunkt noch besteht, in dem ansonsten eine auf der Minderjährigkeit beruhende Benachteiligung zu besorgen wäre. Ist dies bei der hier als maßgeblich anzusehenden Anhörung nicht mehr der Fall, gebieten Kindeswohlaspekte einen Ausgleich der besonderen Schutzbedürftigkeit unbegleiteter Minderjähriger durch Anwendung von § 30 Abs. 2 AsylG bzw. Art. 25 Abs. 6 Unterabs. 2 Buchst. a) der Asylverfahrensrichtlinie auch dann nicht (mehr), wenn sich die Anhörung aufgrund von Umständen verzögert, die nicht in die Sphäre des Schutzsuchenden fallen, etwa wegen fehlender Kapazitäten des Bundesamtes. Ein entsprechender Ausschluss von Offensichtlichkeitsgründen würde in diesem Fall vielmehr zu einer nicht durch das Kindeswohl gebotenen Privilegierung des nunmehr Volljährigen gegenüber anderen schon zu Beginn des Asylverfahrens volljährigen Schutzsuchenden führen. Sollte auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung abgestellt werden, bliebe der Ausländer das gesamte Asylverfahren hindurch privilegiert und selbst als volljährig Gewordener begangene Täuschungen nach § 30 Abs. 1 Nr. 3 AsylG blieben folgenlos, für von Anfang an volljährige Asylbewerber hingegen nicht. Aus diesem Grund ist auf den Zeitpunkt der entsprechenden Handlung abzustellen (vgl. Dietz, Aktuelle Entwicklungen im Asylrecht, NVwZ-RR 2025, 593).
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Vor diesem Hintergrund steht § 30 Abs. 2 AsylG der Ablehnung des Antrags auf internationalen Schutz jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Ausländer im Zeitpunkt der (letzten) Anhörung nicht mehr minderjährig ist. Der am … … 2006 geborene Antragsteller hat nach Aktenlage diejenigen Angaben, die die Offensichtlichkeitsentscheidung nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 bis 6 AsylG tragen, in seiner Anhörung am 8. Mai 2025 gemacht. Zu diesem Zeitpunkt war er bereits volljährig. Ob möglicherweise das Erreichen der Volljähigkeit zu einem späteren Zeitpunkt im Verfahren, etwa noch vor Bescheidserlass oder bis zur letzten mündlichen Gerichtsverhandlung, ebenfalls dazu führt, dass § 30 Abs. 2 AsylG nicht eingreift, kann deshalb dahinstehen.
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4. Die Voraussetzungen für Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor.
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An der Rechtmäßigkeit der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, bestehen auf der Grundlage des Vorbringens des Antragstellers keine ernstlichen Zweifel. Anhaltspunkte dafür, dass die Abschiebung des Antragstellers nach der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) unzulässig ist bzw. für ihn in Guinea eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht, sind nicht ersichtlich. Auch insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß § 77 Abs. 3 AsylG auf die Gründe des Bescheids verwiesen, denen das Gericht folgt.
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Die auf der Ablehnung des Asylantrags als offensichtlich unbegründet beruhende Abschiebungsandrohung mit der einwöchigen Ausreisefrist nach §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i.V.m. § 59 AufenthG ist damit nicht zu beanstanden.
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5. Der Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 83b AsylG).
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).