Inhalt

VG München, Urteil v. 29.07.2025 – M 1 K 23.333
Titel:

Abstandsflächenübernahme, Änderung des Vorhabens, Geltungsdauer der Baugenehmigung, Bestimmtheit

Normenketten:
BayBO Art. 6
BayVwVfG Art. 37 Abs. 1
Schlagworte:
Abstandsflächenübernahme, Änderung des Vorhabens, Geltungsdauer der Baugenehmigung, Bestimmtheit
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20550

Tenor

I. Die Baugenehmigung vom 20. Dezember 2022 (PlanNr. …*) wird aufgehoben.
II.Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

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Die Klägerin wendet sich als Nachbarin gegen eine der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung zur Anhebung eines Dachstuhls und Vergrößerung eines Balkons.
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Die Klägerin ist Eigentümerin des Anwesens F* …str. 8, FlNr. 6/8, Gem. …, welches mit einem Wohngebäude mit Nebenanlagen bebaut ist (im Folgenden: Nachbargrundstück). Südlich hieran grenzt das mit einem Mehrfamilienhaus mit Nebengebäuden bebaute Baugrundstück F* …str. 10, FlNr. 6/9, Gem. … an.
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Bau- und Nachbargrundstück liegen im unbeplanten Innenbereich im Geltungsbereich der Abstandsflächensatzung der Gemeinde R* …
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Für das Baugrundstück erteilte der Beklagte am 13. Februar 2013 eine Baugenehmigung zur „Aufstockung des bestehenden Flachdachgebäudes sowie den Einbau einer Wohnung“ nach PlanNr. …1. Vorgesehen war neben der Errichtung eines Treppenhauses die Aufstockung des Bestands (Nordseite) um ein Geschoss (Wandhöhe 4,99 m, Höhe Satteldach bis zum First 1,74 m) mit westseitigen Gauben und einem diesen vorgelagerten Balkon (Tiefe: 2,0 m). Die Abstandsflächen der nördlichen (Giebel-)Wand fielen auf das Nachbargrundstück. Der Baugenehmigung lag eine Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme der Rechtsvorgängerin der Klägerin vom 14. Dezember 2012 zugrunde, wonach sich eine Abstandsfläche mit einer Tiefe von 1,52 m – 0,30 m auf einer Breite von 10,86 m auf das Nachbargrundstück erstrecken darf.
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Das Bauvorhaben wurde planabweichend umgesetzt. Mit Schreiben vom 30. März 2022 wies der Beklagte nach einer Baukontrolle u.a. darauf hin, dass die traufseitige Wandhöhe ca. 0,55 m höher und der westseitige Balkon ca. 0,6 m tiefer als beantragt und genehmigt erstellt und die Gauben nicht ausgeführt worden seien. Er forderte die Beigeladene auf, einen Bauantrag zu stellen.
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Am 17. September 2022 beantragte die Beigeladene die Genehmigung zur „Anhebung des Dachstuhls auf dem restlichen Hauptgebäude mit Nord-Süd-Firstrichtung“ und „Vergrößerung eines Balkons“ unter Bezugnahme auf die Baugenehmigung vom 13. Februar 2013. Die Pläne (PlanNr. …*) stellen das mit Baugenehmigung vom 13. Februar 2013 Genehmigte (aber so nicht Gebaute) als „abzubrechenden Bestand“ und die planabweichende Ausführung als zu genehmigend dar. Neben dem „Abbruch“ von westseitigen Gauben ist die „Vergrößerung“ des Balkons im 1.OG auf eine Tiefe von 2,95 m sowie eine Wandhöhe der zum Nachbargrundstück gerichteten Giebelwand von +461,68/+461,69 und eine Firsthöhe von +463,05 bei einem unteren Bezugspunkt von entweder +455,82/+455,79 oder +455,00 vorgesehen. Dem Bauantrag beigefügt war die Zustimmung zur Abstandsflächenübernahme vom 14. Dezember 2012.
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Mit Bescheid vom 20. Dezember 2022, der Klägerin zugestellt am 22. Dezember 2022, erteilte der Beklagte der Beigeladenen die beantragte Baugenehmigung nach Maßgabe der eingereichten Bauvorlagen. Hinsichtlich der Einhaltung der erforderlichen Abstandsflächen liege eine Abstandsflächenübernahme auf dem Nachbargrundstück aus dem Bauantrag mit Az. …-1 vor. Für das antragsgegenständliche Bauvorhaben fielen keine größeren Abstandsflächen an, somit sei die vorhandene Abstandsflächenübernahme ausreichend.
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Mit am 23. Januar 2023 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz hat die Klägerin durch ihren Bevollmächtigten Klage erhoben. Sie beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamts … vom 20.12.2022, Az. BG- …, wird aufgehoben.
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Die Überschreitung der Abstandsflächen sei nicht durch die Erklärung zur Abstandsflächenübernahme gedeckt. Eine Abstandsflächenübernahmeerklärung gelte nur für das konkrete Bauvorhaben und die dafür erteilte Baugenehmigung. Baue der Bauherr planabweichend und lasse sich dies im Nachgang genehmigen, könne er sich nicht mehr auf die Abstandsflächenübernahme berufen. Die Übernahmeerklärung könne nicht einfach für ein anderes Vorhaben herangezogen werden, als für das, für welches sie abgegeben worden sei. Zudem werfe auch das Vordach über dem Eingang im Osten Abstandsflächen auf, da es sich dabei nicht um ein untergeordnetes Bauteil handele.
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Der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Aus dem Vergleich der genehmigten Planunterlagen der Bauanträge gehe hervor, dass die Firsthöhe des aufzustockenden Anbaus um ca. 73 cm höher und die Wandhöhe um ca. 1,11 m höher errichtet worden sei als die Genehmigung, für die die Abstandsflächenübernahme gegolten hätte. Die Darstellung im Plan des streitgegenständlichen Bauantrags stelle diese Differenz deutlich geringer dar. Zu erkennen sei dies nur durch einen Vergleich der NN-Höhen in den Schnittzeichnungen. Die planabweichende Errichtung sei von der Voreigentümerin nicht beanstandet worden, ebenso wenig von der Klägerin. Da es sich um ein ca. 10 Jahre altes Bestandsgebäude handele, und die Größe der damals übernommenen Abstandsfläche ebenfalls ausgereicht hätte, um den streitgegenständlichen Bauantrag heute zu realisieren und dieser Zustand fast 19 Jahre von der Klägerin und ihrer Voreigentümerin nicht beanstandet worden sei, habe man einen Rückbau vermeiden wollen und den Bauantrag genehmigt. Für eine Aufdachdämmung, welche zu einer Höhe von ca. 40 cm führe, könne man eine Abweichung erteilen, d.h. die Differenz, mit der sich einen Rückbau rechtfertigen würde, sei hier nicht gegeben, zumal es sich um eine Giebelwand handele. Das östliche Vordach sei nicht Antragsgegenstand und vermutlich verfahrensfrei errichtet worden.
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Das Gericht hat am 29. Juli 2025 eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in der der Vertreter des Beklagten ausführte, je nach unterem Bezugspunkt sei die Wand 0,83 m höher und der First 0,45 m höher ausgeführt, es ergebe sich ein Delta von 0,28 m.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Die zulässige Klage ist begründet. Die Genehmigung vom 20. Dezember 2022 (PlanNr. …*) verstößt gegen im einschlägigen Genehmigungsverfahren nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 1 i.V.m. Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b) i.V.m. Art. 6 BayBO zu prüfende, (auch) die Klägerin schützende öffentlich-rechtliche Vorschriften (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Abstandsfläche darf sich nicht auf das Nachbargrundstück erstrecken, da sich die im Jahr 2012 erteilte Abstandsflächenübernahme nicht auf das streitgegenständliche Vorhaben bezieht. Zudem ist die Baugenehmigung in nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt, weil der Plandarstellung der für die Berechnung der Abstandsflächen maßgebliche untere Bezugspunkt nicht mit hinreichender Klarheit entnommen werden kann, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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I. Die Klage ist zulässig, insbesondere wurde sie fristgerecht erhoben, § 74, § 57 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 222 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 187 ff. BGB. Der 22. Januar 2023 fiel auf einen Sonntag.
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II. Die Klage ist begründet.
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1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4).
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2. Das Vorhaben verstößt gegen auch dem Nachbarschutz dienende Abstandsflächenvorschriften und ist in nachbarrechtlicher Hinsicht unbestimmt (vgl. zum Nachbarschutz der Abstandsflächen: BayVGH, B.v. 21.10.1991 – 2 CS 91.2446 – BeckRS 1991, 09074 m.w.N.; B.v. 30.11.2005 – 1 CS 05.2523 – BeckRS 2005, 17740).
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2.1. Die Baugenehmigung ist unbestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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Ein Nachbar hat zwar keinen materiellen Anspruch darauf, dass dem Bauantragsteller nur inhaltlich hinreichend bestimmte Baugenehmigungen erteilt werden. Nachbarrechte können aber dann verletzt sein, wenn infolge der Unbestimmtheit einer Baugenehmigung Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig festgestellt werden können und deshalb nicht ausgeschlossen werden kann, dass das geneh-migte Vorhaben gegen nachbarschützendes Recht verstößt (vgl. BayVGH, U.v. 20.5.1996 – 2 B 94.1513 – BayVBl. 1997, 405 f.; B.v. 5.12.2001 – 26 ZB 01.1775 – ju-ris Rn. 11 m.w.N.; B.v. 25.7.2019 – 1 CS 19.821 – juris Rn. 14).
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Gemäß Art. 6 Abs. 4 Sätze 1 und 2 BayBO bemisst sich die Tiefe der Abstandsflächen nach der Wandhöhe. Die Wandhöhe ist das Maß von der Geländeoberfläche bis zum Schnittpunkt der Wand mit der Dachhaut oder bis zum oberen Abschluss der Wand. Unterer Bezugspunkt ist die natürliche Geländeoberfläche (Molodovsky/​Famers/​Waldmann, Bayerische Bauordnung, Stand: April 2025, Art. 6 Rn. 136).
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Anhand der genehmigten Pläne (vgl. etwa die „Nordansicht“) kann die natürliche Geländeoberfläche bzw. der untere Bezugspunkt zur Berechnung der Abstandsflächen nicht ausgemacht werden. In der Planzeichnung befindet sich zuunterst eine gestrichelte Linie, eingemessen mit +455,00, darüber ist ein nicht vermaßter grauer „Balken“ eingezeichnet, an dessen oberer Begrenzungslinie weitere „Bezugspunkte“ (etwa +455,82) eingetragen sind. Es bleibt unklar und ist auch durch Auslegung nicht zu ermitteln, wo die natürliche Geländeoberfläche liegt bzw. von welchem unteren Bezugspunkt aus die Wand- und Firsthöhe zu ermitteln sind. Damit können die Abstandsflächen anhand der zur Genehmigung gestellten Pläne nicht errechnet werden.
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2.2. Selbst wenn man als unteren Bezugspunkt die Messpunkte auf dem grauen „Balken“ ansetzt, verletzt das Vorhaben die Abstandsflächen.
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2.2.1. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1 BayBO sind vor den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen von oberirdischen Gebäuden freizuhalten. Diese müssen auf dem Grundstück selbst liegen, Art. 6 Abs. 2 Satz 1 BayBO.
27
Die erforderliche Abstandsfläche beträgt 0,4 H, mindestens 3 m. Es kann in diesem Zusammenhang offenbleiben, ob die „Satzung über die abweichenden Maße der Abstandsflächentiefe“ der Gemeinde R* … vom 27. Januar 2021 anwendbar ist und ob das Vorhaben gemäß § 2 der Satzung 0,4 H, mindestens 3 m, im Rahmen des sog. „16 m-Privilegs“ in Anspruch nehmen kann, da nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayBO die „reguläre“ Abstandsfläche ebenfalls 0,4 H, mindestens 3 m, beträgt.
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Das Vorhaben vermag die erforderliche Abstandsfläche, wie der streitgegenständliche Abstandsflächenplan zeigt, offensichtlich nicht einzuhalten. Die Abstandsfläche fällt mit einer Tiefe von ca. 1,52 m – 0,30 m auf einer Breite von 10,86 m auf das Nachbargrundstück.
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2.2.2. Die Abstandsfläche darf sich nicht nach Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO auf das Nachbargrundstück erstrecken.
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Nach dieser Vorschrift kann das Baugrundstück in abstandsflächenrechtlicher Sicht „erweitert“ werden. Voraussetzung dafür ist, dass der Nachbar gegenüber der Bauaufsichtsbehörde schriftlich zustimmt, wobei die Zustimmung für und gegen den Rechtsnachfolger gilt, Art. 6 Abs. 2 Satz 3 BayBO.
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Die Zustimmungserklärung hat grundsätzlich einen unmittelbaren Bezug zu einem konkreten Bauvorhaben, wirkt also nicht abstrakt, sondern bezieht sich nur auf das konkret beantragte Vorhaben. Hierin liegt ein wesentlicher Unterschied zu einer Abstandsflächendienstbarkeit, die in der Regel nicht für ein bestimmtes Bauvorhaben bestellt wird (VG Ansbach, U.v. 21.12.2022 – AN 3 K 21.1882 – BeckRS 2022, 42431 Rn. 35 m.w.N.). Die Zustimmungserklärung erlischt, wenn die Baugenehmigung abgelehnt, von ihr nicht Gebrauch gemacht wird oder das Bauwerk nicht mehr besteht. Das Bestehen einer isolierten Abstandsflächenübernahme ist nicht möglich (Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2025, Art. 6 Rn. 130).
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Das am 13. Februar 2013 genehmigte Vorhaben wurde nie umgesetzt, sondern planabweichend errichtet. Als für die Identität eines Bauvorhabens wesentliche Merkmale werden u.a. Bauvolumen, Höhe und Erscheinungsbild herausgestellt (vgl. BayVGH, B.v. 19.9.2023 -15 CS 23.1208 – juris Rn. 17). Aufgrund der massiven Abweichungen – Erhöhung der Wandhöhe um mindestens 0,83 m bzw. Erhöhung des Firsts um mindestens 0,45 m, Vergrößerung der genehmigten Tiefe des Balkons um 0,95 m und Absehen von der Errichtung der Gauben – handelt es sich bei dem verwirklichten Bauwerk um ein „aliud“ zu dem genehmigten Gebäude. Die planabweichende Umsetzung des Vorhabens hat zur Folge, dass die Baugenehmigung vom 13. Februar 2013 vier Jahre nach Erteilung durch Zeitablauf erloschen ist, Art. 69 Abs. 1 BayBO. Dies schließt auch die damit verbundene Abstandsflächenübernahme ein.
33
Selbst wenn man dem nicht folgen wollte, liegt keine Ausnahme von der Vorhabenbezogenheit der Übernahmeerklärung vor, sodass eine nachträgliche Legalisierung des Vorhabens auf Grundlage der am 14. Dezember 2012 abgegebenen Erklärung nicht in Betracht kommt.
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In der Rechtsprechung werden nur unter bestimmten Bedingungen Ausnahmen von dem Grundsatz der Vorhabenbezogenheit der Übernahmeerklärung zugelassen. Hierbei wird einerseits über eine Auslegung der Übernahmeerklärung ermittelt, ob von der Übernahmeerklärung nur das konkrete Vorhaben erfasst sein sollte oder ob auch spätere Änderungen eingeschlossen wurden. Andererseits wird darauf abgestellt, ob spätere Änderungen die Abstandsflächenfrage völlig neu aufwerfen, ob noch eine Identität des Bauvorhabens besteht oder ob die Änderung eine eigenständige Abstandsflächenrelevanz hat bzw. ob das geänderte Vorhaben ein aliud gegenüber dem ursprünglichen Vorhaben darstellt (VG Ansbach, U.v. 21.12.2022 – AN 3 K 21.1882 – BeckRS 2022, 42431 Rn. 36 m.w.N.).
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Die Übernahmeerklärung vom 14. Dezember 2012 bezieht sich bei verständiger Auslegung (§ 133 BGB analog) ausschließlich auf das am 13. Februar 2013 genehmigte Vorhaben. Dem verwendeten Formblatt „Zustimmung gemäß Art. 6 Abs. 2 BayBO“ zur Abstandsflächenübernahme war neben der abstrakten, textlichen Beschreibung der übernommenen Abstandsflächen eine planerische Darstellung der Abstandsflächen beigefügt. Hierzu wurde unter Verwendung des Eingabeplans „EG-Grundriss“ des konkreten Vorhabens (PlanNr. …-1) ein Plan im Maßstab 1:200 gefertigt, der das Erdgeschoss des Vorhabens mit den zugehörigen Abstandsflächen zeigt und benennt. Dafür, dass spätere Änderungen von der Übernahmeerklärung miteingeschlossen werden sollten, gibt es keinerlei Anhaltspunkte.
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Zweifelsohne werfen die hier gegenüber dem der Übernahmeerklärung zugrundeliegenden Vorhaben vorgenommenen baulichen Änderungen – Erhöhung der Wandhöhe um mindestens 0,83 m bzw. Erhöhung des Firsts um mindestens 0,45 m sowie Vergrößerung der genehmigten Tiefe des Balkons um 0,95 m – zudem die Abstandsflächenfrage neu auf (vgl. hierzu: Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Januar 2025, Art. 6 Rn. 26). Aufgrund der massiven Abweichung von genehmigtem und streitgegenständlichen Vorhaben liegt kein „einheitliches Vorhaben“ im abstandsflächenrechtlichen Sinn mehr vor.
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Auch dass die von dem streitgegenständlichen Vorhaben ausgelösten Abstandsflächen – mindestens 3 m – nicht über die in der Erklärung vom 14. Dezember 2012 übernommenen Abstandsflächen – mindestens 3 m – hinausgehen, ändert daran, dass die Abstandsflächenübernahme nicht zur Legalisierung herangezogen werden kann, nichts. Dass das Vorhaben (nunmehr) die Abstandsflächen einhält, liegt ausschließlich an der zwischenzeitlich erfolgten Änderung der BayBO mit (drastischer) Verkürzung der Regelabstandsfläche. Der Abstandsflächenübernahmeerklärung vom 14. Dezember 2012 lagen 0,5 H zugrunde. Nunmehr gilt der „Regelabstand“ von 0,4 H. Eine solch weitreichende Verringerung der erforderlichen Abstandsflächen konnte und musste die Rechtsvorgängerin der Klägerin nicht voraussehen.
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2.2.3. Ob und inwieweit das östliche Vordach Genehmigungsgegenstand und abstandsflächenrelevant ist, ist daher nicht mehr zu entscheiden.
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III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
40
Es entspricht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO), dass die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst trägt, weil sie sich ihrerseits mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergeht gemäß § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.