Titel:
Nachbarklage, Erschließung, Entstehung eines Notwegerechts (verneint)
Normenketten:
BauGB § 35
BGB § 917
Schlagworte:
Nachbarklage, Erschließung, Entstehung eines Notwegerechts (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20541
Tenor
I.Die Klage wird abgewiesen.
II.Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III.Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen die der Beigeladenen durch den Beklagten am 26. Oktober 2021 erteilte Baugenehmigung für die Errichtung eines Schleuderbetonmastes mit Aufsatzmast auf der FlNr. 386, Gem. …
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Der Kläger ist Eigentümer der FlNrn. 320, 376, 377, 378, 379, 380, 381. Der streitgegenständliche Mast soll auf dem der FlNr. 381 gegenüberliegenden, durch den gemeindlichen Feldweg mit der FlNr. 382 getrennten Grundstück mit der FlNr. 386 (Baugrundstück) errichtet werden. Es befindet sich im bauplanungsrechtlichen Außenbereich.
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Der Kläger baut auf seinen Grundstücken u.a. Biogetreide an. Der gemeindliche Feldweg FlNr. 382 wird durch land- und forstwirtschaftlichen Verkehr auch durch andere Landwirte benutzt.
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Mit Beschluss vom 12. Januar 2021 erteilte die Gemeinde ihr Einvernehmen.
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Mit Mail vom 30. April 2021, bestätigt durch den am 26. Oktober 2021 gestempelten Bestands- und Konfliktplan (Bl. 98 der Behördenakte) und den ebenfalls am 26. Oktober 2021 gestempelten Landschaftspflegerischen Begleitplan (S. 101 ff. der Behördenakte) erklärte die Beigeladene, dass als Baustraße vorgesehen sei, die Straße mit der FlNr. 389 (an einem bestehenden Sirenenmast vorbei) zu nutzen und den Maststandort dann über das Vorhabengrundstück selbst und den Feldweg FlNr. 382 zu erreichen. Eine ggf. erforderliche Verbreiterung dieses Wegs werde auf der Seite des Baugrundstücks durchgeführt, sodass kein anderes Grundstück von der Verbreiterung der Baustraße auf 3,5 Meter betroffen sei. Die Baustraße werde nach Fertigstellung des Masts wieder rückgebaut.
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Aus der funktechnischen Begründung zum geplanten Mobilfunkstandort der … … … GmbH vom 3. Mai 2021 (Bl. 87 ff. der Behördenakte) geht hervor, dass fünf Alternativstandorte zum finalen Standort überprüft worden seien. Ein landschaftsverträglicherer Standort als der letztlich gewählte stehe zur Versorgung des Außenbereichs zur Schließung von Mobilitätsfunklücken nicht zur Verfügung.
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Mit Bescheid vom 26. Oktober 2021 genehmigte der Beklagte den Neubau eines 34 m hohen Schleuderbetonmastes mit 6 m Stahlaufsatzmast inkl. Outdoor-Technik (Sende- und Empfangsmodule und Outdoorgehäuse) nach Maßgabe der gestempelten Bauvorlagen und gesonderten Nebenbestimmungen.
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Am *. November 2021 hat der Kläger Klage gegen die Baugenehmigung erhoben und beantragt,
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Der Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts … vom 26. Oktober 2021 mit dem Az. … adressiert an die Firma … … … GmbH Produktion …, A* … S* …, D* … Str. …, … …, wird aufgehoben.
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Der gemeindliche Feldweg mit der FlNr. 382 werde ausschließlich durch land- und forstwirtschaftlichen Verkehr genutzt und habe einen sehr schlechten Ausbauzustand. Zudem sei der Feldweg an seiner breitesten Stelle nur 2,09 Meter breit. Für die Aufstellung und auch die Unterhaltung des Mastes bedürfe es jedoch einer Zufahrt mit einer Mindestbreite von 3,50 Metern. Es sei nicht ersichtlich, inwieweit der Eigentümer des streitgegenständlichen Grundstücks mit der Inanspruchnahme seiner Flächen einverstanden sei und auf welche Art und Weise die Inanspruchnahme geschehen solle. Eine Verbreitung des Feldweges FlNr. 382 könne erst nach einer Grenzfeststellung erfolgen, nachdem sich der Weg, wie der Kläger ggü. der Gemeinde bereits angezeigt habe, erheblich verlegt habe. Das Erfordernis der gesicherten Erschließung eines Bauvorhabens habe vorliegend ausnahmsweise nachbarschützende Funktion, da die Nachbargrundstücke durch die unzureichende Erschließung unmittelbar gravierend betroffen seien. Dies sei vorliegend gegeben, da der Kläger eine Inanspruchnahme seiner Grundstücke befürchte. Zudem befürchte er durch die vom Mobilfunkmasten ausgehende Strahlung eine Minderung der Qualität bzw. des Ertrags des auf seinen Grundstücken angebauten Biogetreides.
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Der Beklagte beantragt,
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Eine Beeinträchtigung der Felder des Klägers drohe nicht. Die Beigeladene wolle zur Errichtung des Sendemasts eine temporäre Baustraße errichten, die nach Beendigung der Bauarbeiten wieder zurückgebaut werden solle, wie sich aus dem landschaftspflegerischen Begleitplan des Ingenieurbüros M* … … vom 27. August 2021, S. 3 (Bl. 103 der Behördenakte) ergebe, der Teil der Baugenehmigung sei. Die Baustraße werde westlich des Baugrundstücks auf dem Feldweg 389 und im weiteren Verlauf unter Nutzung des Baugrundstücks nach Süden geführt. Auf dem letzten Wegeabschnitt von ca. 120 m werde die Baustraße nach Osten abknicken und den Feldweg 382 nutzen, der – sollte er zu schmal sein – auf das Baugrundstück erweitert werden könne. Für spätere Wartungsarbeiten reiche es üblicherweise aus, dass das Grundstück mit einem Pkw angefahren werde. Auf dem Baugrundstück befänden sich bislang schon Hochspannungsmasten, die ebenfalls einen Wartungsaufwand bedingen würden. Für eine ausreichende Erschließung nach § 35 Abs. 1 BauGB sei es zudem unerheblich, wie die Binnenerschließung des Grundstücks sei. Die ausreichende Erschließung ergebe sich schon daraus, dass das Baugrundstück im Norden an die Gemeindeverbindungsstraße FlNr. 393 grenze. Der Feldweg reiche für die Erschließung des Mobilfunkmasts nach seiner Errichtung aus.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf das Protokoll zur mündlichen Verhandlung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Aufhebung der streitgegenständlichen Baugenehmigung, weil ihn diese nicht in seinen Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von Normen beruht, die gerade auch dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4; B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20). Es genügt daher nicht, wenn die Baugenehmigung gegen Rechtsvorschriften des öffentlichen Rechts verstößt, die nicht – auch nicht teilweise – dem Schutz der Eigentümer benachbarter Grundstücke zu dienen bestimmt sind. Dementsprechend findet im gerichtlichen Verfahren keine umfassende Rechtskontrolle statt, vielmehr hat sich die gerichtliche Prüfung darauf zu beschränken, ob durch die angefochtene Baugenehmigung drittschützende Vorschriften, die dem Nachbarn einen Abwehranspruch vermitteln und im Baugenehmigungsverfahren zu prüfen waren, verletzt werden (BayVGH, B.v. 24.3.2009 – 14 CS 08.3017 – juris Rn. 20).
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1. Hinsichtlich der von der Klage am Rande angesprochenen Beeinträchtigung der Felder des Klägers wohl durch die künftige Mobilfunkstrahlung kann sich eine Rechtsverletzung durch die Baugenehmigung schon deshalb nicht ergeben, weil von der Funkstrahlung des Mobilfunkmasts ausgehende Einwirkungen auf die Umgebung aufgrund der Spezialität des Standortbescheinigungsverfahrens von der Baugenehmigungsbehörde nicht zu prüfen (BayVGH, B.v. 18.1.2022 – 1 CS 21.2386 – juris) und damit von der Regelungswirkung der Baugenehmigung nicht umfasst sind.
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2. Der Kläger beruft sich vornehmlich auf die unzureichende Erschließung wegen der seiner Meinung nach zu geringen Breite des südlich des Baugrundstücks verlaufenden Feldwegs. Das Erfordernis der gesicherten planungsrechtlichen Erschließung dient indes grundsätzlich nur den öffentlichen Interessen und hat folglich keine nachbarschützende Funktion (vgl. BayVGH, B.v. 1.3.2016 – 1 ZB 15.1560 – juris; B.v. 5.3.2018 – 2 ZB 15.1558 – juris). Eine Ausnahme hiervon ist nur dann gegeben, wenn eine wegen fehlender Erschließung rechtswidrige Baugenehmigung eine unmittelbare Rechtsverschlechterung für den Nachbarn in Richtung einer erstmaligen Begründung oder unzumutbaren Ausweitung eines Notwegerechts nach § 917 Abs. 1 BGB am Grundstück des Nachbarn bewirkt und dem Nachbarn in diesem Fall ein unmittelbar herzuleitender Abwehranspruch zusteht, weil er sonst gehindert ist, der Inanspruchnahme des Notwegerechts die Rechtswidrigkeit des Vorhabens entgegenzuhalten (vgl. BVerwG, U.v. 26.3.1976 – IV C 7.74 – BVerwGE 50, 282; B.v. 11.5.1998 – 4 B 45.98 – BRS 60 Nr. 182).
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a) Der nicht am Verfahren beteiligte Eigentümer des Vorhabengrundstücks kann jedoch schon deshalb nach § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB gegenüber dem Kläger kein Notwegerecht durchsetzen, weil Voraussetzung hierfür wäre, dass dem Baugrundstück die zur ordnungsgemäßen Nutzung notwendige Verbindung mit einem öffentlichen Wege fehlt. Davon kann jedoch wegen der nördlich unmittelbar am Baugrundstück vorbeiführenden Straße (FlNr. 393) nicht die Rede sein. Es ist Sache des Grundstückseigentümers, die für die ordnungsgemäße Binnenerschließung seines Grundstücks (also die etwaige Erreichbarkeit auch des streitgegenständlichen Mastes) erforderlichen Anlagen herzustellen. Das ist auf dem Baugrundstück selbst möglich und wurde vorliegend bei der baulichen Errichtung des Mastes auch schon so praktiziert.
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b) Zudem kann der Feststellung, dass eine baurechtlich nicht genehmigte und mangels Erschließung auch nicht genehmigungsfähige Nutzung keine ordnungsmäßige Benutzung im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB darstelle, nicht im Umkehrschluss entnommen werden, dass die Nutzung nach öffentlichem Recht zulässiger Bauten ohne weitere Voraussetzungen eine ordnungsgemäße Benutzung des Grundstücks im Sinne von § 917 Abs. 1 Satz 1 BGB ist. Dass die auf dem Grundstück genutzten Bauten baurechtlich genehmigt sind, stellt nämlich nur eine notwendige, aber noch keine hinreichende Voraussetzung für ein Notwegerecht dar (BGH, U.v. 19.11.2021 – V ZR 262/20 – BeckRS 2021, 45613 Rn. 10 und 13 zum Fall eines nicht mit Fahrzeugen erreichbaren Grundstücksteils).
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Zum einen muss schon nicht jeder Grundstücksteil und jede bauliche Anlage direkt mit Fahrzeugen erreicht werden können. Zum anderen kann der Eigentümer nicht bauliche Anlagen auf seinem Grundstück ungünstig platzieren (lassen) und anschließend Dritte mit Notwegerechten belasten. Denn zu berücksichtigen ist es auch, wenn der den Notweg Begehrende bei der Beschaffung der Baugenehmigung – mag diese auch bestandskräftig geworden sein – ein besonderes Risiko im Hinblick auf eine aufwändige Erschließung eingegangen ist (MüKoBGB/Brückner, 9. Aufl. 2023, BGB § 917 Rn. 11, beck-online).
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c) Soweit die Klägerseite die künftige Benutzung des südlich des Baugrundstücks verlaufenden Feldweges durch breitere Fahrzeuge etwa für die Wartung des Mastes (und damit wohl eine mögliche Benutzung und Beschädigung des Grundeigentums des Klägers) befürchtet, ist dies zum einen bloße Spekulation. Zum andern gibt der Regelungsgehalt der Baugenehmigung das nicht vor. Etwaige rechtswidrige Benutzungen oder gar Beschädigungen der klägerischen Grundstücke sind ggf. mit Mitteln des Zivilrechts abzuwehren. Ein Abwehranspruch gegen die Baugenehmigung ergibt sich hieraus nicht.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Es entsprach der Billigkeit im Sinne von § 162 Abs. 3 VwGO, die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, weil sie keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.