Titel:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, Negative Prognose im Hinblick auf künftige Abstinenz und Trennungsvermögen aufgrund unklarer Befundlage im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (Hypothese H0), Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Betroffenen im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung
Normenketten:
StVG § 3 Abs. 1
StVG § 29
FeV § 46 Abs. 1 S. 1
FeV § 13 Nr. 2 Buchst. b
Schlagworte:
Entziehung der Fahrerlaubnis, Wiederholte Zuwiderhandlungen im Straßenverkehr unter Alkoholeinfluss, Negative Prognose im Hinblick auf künftige Abstinenz und Trennungsvermögen aufgrund unklarer Befundlage im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (Hypothese H0), Verletzung von Mitwirkungspflichten durch den Betroffenen im Rahmen einer medizinisch-psychologischen Untersuchung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20525
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Der Streitwert wird auf 5.000,- EUR festgesetzt.
Gründe
1
Der am … 1976 geborene Antragsteller wendet sich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes gegen die Entziehung seiner Fahrerlaubnis der Klassen A (79.03, 79.04), A1 (79.03, 79.04), AM, B (196), BE (79.06), C1, C1E und L.
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Dem fahrerlaubnisrechtlichen Vorgehen des Landratsamtes F. lagen zwei Verurteilungen des Antragstellers wegen einer Fahrt im Zustand alkoholischer Beeinflussung am 9. März 2014 mit einer Blutalkoholkonzentration von 1,21 Promille um 5:22 Uhr und zuletzt am 30. Mai 2023 mit einer Atemalkoholkonzentration von 0,47 mg/L um 00:03 Uhr zugrunde.
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Unter Bezugnahme auf diese Trunkenheitsfahrten forderte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragsteller mit Schreiben vom 11. September 2023 zur Vorlage eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung auf. Hierin sei zu klären, ob zu erwarten sei, dass das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum von dem Antragsteller hinreichend sicher getrennt werden könne. Die Gutachtensanordnung wurde auf § 46 Abs. 3 Fahrerlaubnisverordnung (FeV) i.V.m. § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV gestützt.
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Am 24. November 2023 ging bei der Fahrerlaubnisbehörde ein medizinisch-psychologische Gutachten des D. e.V vom 27. Oktober 2023 ein. Dieses Gutachten kommt aufgrund der widersprüchlichen und unzureichenden Angaben des Antragstellers zu einem für ihn negativen Ergebnis (Hypothese H0). Bei der medizinischen Untersuchung ergab sich, dass die Leberwerte des Antragstellers erhöht waren, weshalb ein zum Zeitpunkt der Begutachtung erhöhter Alkoholkonsum nicht ausgeschlossen werden könne. Weiterhin habe der Antragsteller im Rahmen der psychologischen Untersuchung keine nachvollziehbaren und verwertbaren Angaben zu seinem Trinkverhalten gemacht und nicht gezeigt, dass eine fundierte Auseinandersetzung mit der Problematik des Alkoholmissbrauchs stattgefunden hat. Er habe nicht verdeutlicht, dass er in Zukunft zu einer besseren Verhaltenskontrolle in der Lage sei. Die Teilnahme an einem Kurs zur Wiederherstellung der Fahreignung nach § 70 FeV wurde mangels hinreichender Einlassung des Antragstellers und damit einer möglichen Einschätzung des Ausmaßes der Alkoholproblematik als nicht erfolgversprechend eingeschätzt.
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Mit Schreiben vom 1. Dezember 2023, zugestellt am 6. Dezember 2023, hörte die Fahrerlaubnisbehörde den Antragssteller zu der beabsichtigten Entziehung der Fahrerlaubnis an.
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Daraufhin zeigte der Bevollmächtigte des Antragstellers am 7. März 2024 die Vertretung des Antragstellers an. Eine Stellungnahme des Bevollmächtigten erfolgte innerhalb der zuletzt bis 19. März 2024 verlängerten Frist nicht.
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Mit Bescheid vom 12. Juli 2024, dem Bevollmächtigten des Antragstellers zugestellt am 17. Juli 2024, entzog die Fahrerlaubnisbehörde dem Antragssteller die Fahrerlaubnis der Klassen A, A1, AM, B, BE, C1, C1E und L (Nr. 1 des Bescheids), forderte ihn zur Abgabe des Führerscheins innerhalb einer Woche nach Zustellung des Bescheids auf (Nr. 2), ordnete die sofortige Vollziehung der vorstehenden Nummern an (Nr. 4) und drohte für den Fall der Nichterfüllung der Nr. 2 ein Zwangsgeld in Höhe von 500,- EUR an (Nr. 3).
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Die Entziehung wurde im Wesentlichen auf das negative Ergebnis der medizinisch-psychologischen Untersuchung des D. e.V. vom 27. Oktober 2023 gestützt. Dieser lasse sich entnehmen, dass der Antragsteller nicht habe verdeutlichen können, dass er in Zukunft zu einer besseren Verhaltenskontrolle in der Lage sei. Zur Überzeugung der Fahrerlaubnisbehörde stehe somit fest, dass der Antragsteller aufgrund der in dem Gutachten aufgezeigten Mängel den Straßenverkehr so erheblich gefährden würde, dass seine Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen nicht mehr gegeben sei. Die sofortige Vollziehung sei daher im Interesse der Verkehrssicherheit und zum Schutz der übrigen Verkehrsteilnehmer, insbesondere deren Leben und Gesundheit, anzuordnen gewesen.
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Am 19. August 2024 erhob der Antragssteller über seinen Bevollmächtigten gegen den Bescheid vom 12. Juli 2024 beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage (M 19 K 24.5022). Außerdem beantragte er,
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gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die Anordnung der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 19. August 2024.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, dass aufgrund des Zeitraums von vier Monaten zwischen dem Ablauf der Frist zur Stellungnahme des Antragsstellers und dem Erlass des streitgegenständlichen Bescheids keine Eilbedürftigkeit vorliege, die die sofortige Vollziehung des Entzugs rechtfertige. Ferner sei die in dem medizinischen Teil des Gutachtens des D. e.V. vom 27. Oktober 2023 festgestellte Erhöhung des Gamma-GT-Gehalts bei den Leberwerten des Antragstellers sehr gering, sodass hieraus keine Schlussfolgerung in Bezug auf einen etwaigen Alkoholkonsum gezogen werden könne. Der höhere Wert sei der Herkunft des Antragstellers geschuldet. Eine tiefgehende Auseinandersetzung des Antragsstellers mit seinem Alkoholkonsum habe von diesem nicht verlangt werden können, da er kein Gewohnheitstrinker sei. Schließlich wäre es ausreichend gewesen, dem Antragsteller die Teilnahme an einem entsprechenden Kurs über die Wirkungen von Alkohol nach § 70 FeV aufzugeben. Die Entziehung der Fahrerlaubnis verstoße daher gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz.
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Der Antragsgegner beantragte mit Schriftsatz vom 14. Mai 2025,
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den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf den Bescheid vom 12. Juli 2024 verwiesen. Die Anordnung zur Beibringung eines medizinisch-psychologischen Gutachtens einer amtlich anerkannten Begutachtungsstelle für Fahreignung sei aufgrund des Vorliegens der Voraussetzungen von § 13 Nr. 2 Buchst. b FeV zwingend erforderlich gewesen. Das vorgelegte Gutachten habe die Eignungszweifel nicht ausräumen können. Dass die Eintragung im Fahreignungsregister über die Trunkenheitsfahrt vom 9. März 2014 mittlerweile getilgt sei, habe keinen Einfluss auf die Rechtmäßigkeit der Entziehungsentscheidung, da zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses noch keine Tilgung erfolgt gewesen sei.
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Der Führerschein des Antragstellers ging bei dem Antragsgegner am 11. Oktober 2024 ein.
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Am 13. Oktober 2024 wurde die Fahrerlaubnisbehörde von dem Antragsteller über dessen zum 1. Mai 2024 erfolgten Wohnsitzwechsel von … nach … in Kenntnis gesetzt. Daraufhin beantragte der Antragsgegner mit Schreiben vom 25. Oktober 2024 bei der Landeshauptstadt München die Zustimmung nach § 73 Abs. 2 FeV, die am 13. November 2024 erteilt wurde.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird ergänzend auf die Gerichtsakte des vorliegenden Eilverfahrens und des Hauptsacheverfahrens sowie auf die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
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Der Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO bleibt ohne Erfolg.
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Nach Auslegung des gestellten Antrags (§§ 122 Abs. 1, 88 VwGO) ist davon auszugehen, dass der Antragsteller hinsichtlich der in Nr. 1 des streitgegenständlichen Bescheids verfügten Entziehung seiner Fahrerlaubnis sowie hinsichtlich der in Nr. 2 des Bescheids verfügten Verpflichtung zur Ablieferung seines Führerscheins, die beide für sofort vollziehbar erklärt wurden, die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage begehrt. Hinsichtlich der in Nr. 3 des Bescheids verfügten und kraft Gesetzes sofort vollziehbaren Zwangsgeldandrohung (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. Art. 21a Satz 1 des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes – VwZVG), sowie der ebenfalls kraft Gesetzes (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 VwGO) sofort vollziehbaren Kostenregelung, Nr. 5 des Bescheids, begehrt er die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage.
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Der so verstandene Antrag ist zulässig aber unbegründet.
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Der Antragsteller hat keinen Anspruch auf die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Entziehung der Fahrerlaubnis oder zumindest auf eine Aufhebung der Vollziehungsanordnung wegen unzureichender Begründung des Vollziehungsinteresses nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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1. Die Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung in Nr. 4 des streitgegenständlichen Bescheids genügt den formellen Anforderungen des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO.
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Nach dieser Vorschrift ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung schriftlich zu begründen. Dabei hat die Behörde unter Würdigung des jeweiligen Einzelfalls darzulegen, warum sie abweichend vom Regelfall der aufschiebenden Wirkung, die Widerspruch und Klage grundsätzlich zukommt, die sofortige Vollziehbarkeit des Verwaltungsakts angeordnet hat. An den Inhalt der Begründung sind dabei allerdings keine zu hohen Anforderungen zu stellen (Schmidt in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2019, § 80 Rn. 43).
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Dem genügt die auf den vorliegenden Einzelfall abstellende Begründung des streitgegenständlichen Bescheids. Der Antragsgegner hat dargelegt, warum er konkret im Fall des Antragstellers aufgrund der von ihm als Verkehrsteilnehmer unter Alkoholeinfluss ausgehenden Gefahren im Interesse der Sicherheit des öffentlichen Straßenverkehrs die sofortige Vollziehung angeordnet hat. Diese wird mit den in dem Gutachten aufgezeigten Mängeln des Antragsstellers und der damit einhergehenden Gefährdung des Straßenverkehrs begründet. Im Übrigen ergibt sich das besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung im Bereich des Sicherheitsrechts regelmäßig – so auch hier – gerade aus den Gesichtspunkten, die für den Erlass des Verwaltungsakts selbst maßgebend waren (vgl. BayVGH, B.v. 9.2.2012 – 11 CS 11.2272 – juris Rn. 13).
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2. Nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung einer Klage im Fall des § 80 Abs. 2 Satz 1 VwGO ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen. Das Gericht trifft dabei eine originäre Ermessensentscheidung. Es hat bei der Entscheidung über die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung zwischen dem von der Behörde geltend gemachten bzw. dem gesetzgeberischen Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheids und dem Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Rechtsbehelfs abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Hauptsacheverfahrens zu berücksichtigen. Ergibt die im Rahmen des Verfahrens nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO allein mögliche, aber auch ausreichende summarische Prüfung, dass der Rechtsbehelf offensichtlich erfolglos sein wird, tritt das Interesse des Antragstellers regelmäßig zurück. Erweist sich dagegen der angefochtene Bescheid schon bei summarischer Prüfung als offensichtlich rechtswidrig, besteht kein öffentliches Interesse an dessen sofortiger Vollziehung. Ist der Ausgang des Hauptsacheverfahrens dagegen nicht hinreichend absehbar, verbleibt es bei einer Interessenabwägung.
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Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Fahrerlaubnisentziehung ist aufgrund des abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens vorliegend die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung, hier also des Bescheidserlasses durch den Antragsgegner.
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Nach summarischer Prüfung erweisen sich die im streitgegenständlichen Bescheid getroffenen Entscheidungen der Entziehung der Fahrerlaubnis und der Ablieferungsverpflichtung des Führerscheins zu diesem Zeitpunkt als rechtmäßig und verletzen den Antragsteller nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Auch gegen die Zwangsmittelandrohung und die Kostenentscheidung bestehen keine durchgreifenden Bedenken.
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a) Der streitgegenständliche Bescheid ist dabei voraussichtlich formell rechtmäßig ergangen. Insbesondere ist es unschädlich, dass der Bescheid durch den Antragsgegner, handelnd durch das Landratsamt F. , und nicht durch die Landeshauptstadt M., in dessen räumlichen Bereich der Antragsteller bei Bescheidserlass seinen Wohnsitz hatte, erlassen wurde.
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aa) Die örtliche Zuständigkeit des Antragsgegners wurde dabei allerdings nicht durch bloße Zustimmung der Landeshauptstadt begründet, da dies gemäß § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV nur in Antragsverfahren möglich ist. Die (endgültige) Entziehung der Fahrerlaubnis stellt auch keine vorläufige Entscheidung zur Abwehr einer Gefahr im Verzug nach § 73 Abs. 2 Satz 4 FeV dar.
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Eine Zuständigkeit folgt vorliegend aber voraussichtlich aus Art. 3 Abs. 3 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG), der die Fortführung des Verfahrens durch die Ausgangsbehörde ermöglicht, wenn nach Beginn, aber vor Abschluss des Verfahrens ein Zuständigkeitswechsel eintritt (sog. perpetuatio fori). Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG wird dabei aufgrund der unterschiedlichen Regelungsbereiche und -zwecke nicht durch § 73 Abs. 2 Satz 2 FeV verdrängt, sodass beide Bestimmungen nebeneinander anwendbar sind (vgl. BayVGH, B.v. 20.2.2007 – 11 CS 06.2029 – juris Rn. 20). Wenn sich im Lauf des Verwaltungsverfahrens die die Zuständigkeit begründenden Umstände ändern (hier durch Wohnsitzwechsel des Antragstellers), kann gemäß Art. 3 Abs. 3 BayVwVfG die bisher zuständige Behörde das Verwaltungsverfahren fortführen, wenn dies unter Wahrung der Interessen der Beteiligten der einfachen und zweckmäßigen Durchführung des Verfahrens dient und die nunmehr zuständige Behörde zustimmt.
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bb) Im Übrigen wäre es aber letztlich sogar unbeachtlich, wenn der Antragsgegner, vertreten durch das Landratsamt F. , nicht örtlich zuständig gewesen wäre. Nach Art. 46 BayVwVfG kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts, der nicht nach Art. 44 BayVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat.
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Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Eine etwaig fehlende örtliche Zuständigkeit der Fahrerlaubnisbehörde führt (niemals) zu einer Nichtigkeit nach Art. 44 Abs. 2 Nr. 3 BayVwVfG (vgl. Koehl in BeckOK Straßenverkehrsrecht, Dötsch/Koehl/Krenberger/Türpe, Stand: Juli 2021, § 73 FeV Rn. 13), sondern stellt einen Fall des Art. 44 Abs. 3 Nr. 1 BayVwVfG dar. Des Weiteren liegt keine Beeinflussung der Entscheidung mangels örtlicher Zuständigkeit vor, wenn die Entscheidung auf Grund rechtlicher Alternativlosigkeit strikt gebunden ist. Dies ist hier der Fall, weil es sich bei der in Rede stehenden Entscheidung über die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV um eine gebundene, nicht im Ermessen der Behörde stehende Entscheidung handelt (vgl. BVerwG, U.v. 11.12.2008 – 3 C 26.07 – juris Rn. 19; OVG NRW, B.v. 23.2.2016 – 16 B 45/16 – juris Rn. 6 ff.; VG Köln, B.v. 18.8.2021 – 6 L 1039/21 – juris Rn. 10).
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b) Der streitgegenständliche Bescheid ist voraussichtlich auch materiell rechtmäßig.
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aa) Nach § 3 Abs. 1 Satz 1 StVG und § 46 Abs. 1 Satz 1 FeV hat die Fahrerlaubnisbehörde dem Inhaber einer Fahrerlaubnis, der sich als ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen erweist, die Fahrerlaubnis zu entziehen. Nach § 46 Abs. 1 Satz 2 FeV gilt dies insbesondere, wenn Erkrankungen oder Mängel nach den Anlagen 4, 5 oder 6 zur FeV vorliegen oder erheblich oder wiederholt gegen verkehrsrechtliche Vorschriften oder Strafgesetze verstoßen wurde und dadurch die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen ausgeschlossen ist. Im Regelfall ungeeignet zum Führen von Kraftfahrzeugen ist nach Nr. 8.1 der Anlage 4 zur FeV derjenige, der Alkohol missbräuchlich verwendet. Missbrauch liegt vor, wenn das Führen von Kraftfahrzeugen und ein die Fahrsicherheit beeinträchtigender Alkoholkonsum nicht hinreichend sicher getrennt werden kann.
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bb) Der Antragsgegner ging vor diesem Hintergrund nach summarischer Prüfung im maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheids (vgl. hierzu bereits BayVGH, B.v. 9.5.2005 – 11 CS 04.2526 – juris Rn. 26) zurecht von der Fahrungeeignetheit des Antragstellers aufgrund Alkoholmissbrauchs aus.
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Aus dem vom Antragsteller beigebrachten medizinisch-psychologischen Gutachten des D. e.V. vom 27. Oktober 2023 ergibt sich, dass damit gerechnet werden muss, dass der Antragsteller künftig wieder ein Kraftfahrzeug unter Alkoholeinfluss führen wird. Er vermochte nicht zu verdeutlichen, dass er in Zukunft zu einer besseren Verhaltenskontrolle als in der Vergangenheit in der Lage sein wird.
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(1) Auf die Rechtmäßigkeit der Gutachtensanordnung kommt es dabei nicht an, da der Antragsteller das Fahreignungsgutachten, das ihm die Fahreignung abspricht, dem Antragsgegner vorgelegt hat. Die durchgeführte Begutachtung schafft eine neue Tatsache, die selbständige Bedeutung hat (vgl. BVerwG, U.v. 18.3.1982 – 7 C 69/81 – juris Rn. 20 m.w.N.).
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(2) Aus einem vorgelegten Gutachten ist auf die Nichteignung des Kraftfahrers insbesondere dann zu schließen, wenn das für ihn negative Begutachtungsergebnis nachvollziehbar und schlüssig ist. Dies ergibt sich unmittelbar aus Nr. 2 Buchst. a Sätze 2 und 3 der Anlage 4a (zu § 11 Abs. 5 FeV) – Grundsätze für die Durchführung der Untersuchungen und die Erstellung der Gutachten. Danach betrifft die Nachvollziehbarkeit die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlussfolgerungen. Ergänzend gelten die allgemeinen beweisrechtlichen Maßstäbe der Verwertbarkeit von gutachtlichen Stellungnahmen. Sie sind nicht verwertbar, wenn sie grobe, offen erkennbare Mängel oder unlösbare Widersprüche aufweisen, wenn sie von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgehen, wenn Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder der Unparteilichkeit des Gutachters besteht, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegene Forschungsmittel verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines Beteiligten oder durch eigene Überlegung des Gerichts ernsthaft erschüttert wird.
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(3) Gemessen an diesen Grundsätzen bestehen für das Gericht an der Richtigkeit des Gutachtens der D. e.V. vom 27. Oktober 2025 keine Zweifel. Die Ausführungen und Schlussfolgerungen des Gutachtens sind schlüssig und nachvollziehbar.
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(a) Die in der abschließenden Stellungnahme erfolgte Hypothese H0 ist ein fallgruppenübergreifender Maßstab zur Beurteilung der Verwertbarkeit der Befunde. Sie beschäftigt sich mit der Frage, ob bei der Begutachtung die erforderlichen Befunde erhoben werden konnten und inwiefern die vorliegenden Befunde für eine Entscheidungsfindung durch die Gutachter verwertbar sind. Unzutreffende Aussagen des Probanden können unterschiedliche Ursachen haben, die von der bewussten Täuschung bis zum schlichten Vergessen reichen. Auch Verdrängungsmechanismen als Teil einer Sucht- oder Persönlichkeitsproblematik können ursächlich sein und stellen dann einen eigenständigen, wichtigen Befund zur Bewertung der Problematik dar (vgl. VG Gelsenkirchen, B.v. 21.1.2021 – 9 L 1395/20 – juris Rn. 44 f.; Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP] / Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM] (Hrsg.), Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, 3. Auflage 2013, Seiten 97, 113).
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Die Verwertbarkeit der Befunde beruht auf der Mitwirkung des Betroffenen bzw., soweit er seinen Mitwirkungsobliegenheiten nicht nachkommt, auf den aus der unterbliebenen Mitwirkung oder mangelnden Verwertbarkeit der Befunde nachvollziehbar gezogenen Schlussfolgerungen durch den Gutachter (vgl. Deutsche Gesellschaft für Verkehrspsychologie [DGVP] / Deutsche Gesellschaft für Verkehrsmedizin [DGVM] (Hrsg.), Urteilsbildung in der Fahreignungsbegutachtung – Beurteilungskriterien, 3. Auflage 2013, Seiten 97, 113).
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Der zu begutachtende Betroffene ist zur Mitwirkung im Rahmen seiner Begutachtung auf Grundlage des § 11 Abs. 6 FeV verpflichtet. Wirkt der Betroffene nicht an der Ermittlung der für die Eignungsprognose erheblichen Tatsachengrundlage mit, geht dies zu seinen Lasten. Denn in der Begutachtung auf Grund von Fahreignungszweifeln wirken die Amtsermittlungspflicht der Behörde und die Mitwirkungspflicht des Betroffenen zusammen. Mit der Stellung der Gutachtenfrage kommt die Fahrerlaubnisbehörde ihrer Verpflichtung nach, die Tatsachen zu ermitteln, die Zweifel an der Fahreignung rechtfertigen. Der Betroffene ist in diesem Rahmen verpflichtet, an der Aufklärung von aus bekannten Tatsachen resultierenden Eignungszweifeln mitzuwirken (vgl. BayVGH, B.v. 7.8.2018 – 11 CS 18.1270 – juris Rn. 15; VG Gelsenkirchen, U.v. 23.6.2020 – 9 K 4695/19 – juris Rn. 69 bis 71; VG Gelsenkirchen, B.v. 21.1.2021 – 9 L 1395/20 – juris Rn. 48).
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(b) Dieser Mitwirkungspflicht ist der Antragsteller vorliegend nicht hinreichend nachgekommen. Das Gesprächsverhalten des Antragstellers war nicht so weit offen, dass für die erforderliche Problem- und Verhaltensanalyse notwendige Hintergrundinformationen erlangt werden konnten. Bei der Erörterung des Trinkverhaltens des Antragstellers war es aufgrund eines stärkeren Abwehrverhaltens nicht möglich, konkrete Angaben zu erhalten. In der Folge war eine Einschätzung des Ausmaßes der Alkoholproblematik nicht möglich. Hieraus erschließt sich vorliegend die negative Prognose und die Einschätzung, dass die Teilnahme an einem Kursus zur Widerherstellung der Fahreignung nach § 70 FeV nicht erfolgsversprechend sei, sodass die Anordnung der Teilnahme an einem solchen Kurs nicht als milderes Mittel in Betracht kam. Die Ausführungen in dem Gutachten, die Angaben des Antragstellers seien widersprüchlich und damit die Verwertbarkeit der erhobenen Befunde grundsätzlich in Frage gestellt, treffen im für die hier zu beurteilende Fragestellung erheblichen Umfang zu. Es ist nachvollziehbar, dass ohne hiernach verwertbare Angaben des Antragstellers zu der Frage seines künftigen Trennungsvermögens auf Grundlage der Beurteilungskriterien, keine positive Prognose gestellt werden konnte. Denn um das Trennungsvermögen des Antragstellers beurteilen und damit bejahen zu können, hätte es verwertbarer Befunde bedurft. Zudem kann ein künftiges Trennungsvermögen zwischen Konsum und Führen eines Kraftfahrzeugs nicht prognostiziert werden, wenn selbst der nachgewiesene vor dem jeweiligen Trennungsverstoß erfolgte und damit den Untersuchungsbedarf erst begründende Konsumakt gegenüber den Gutachtern verdrängt oder geleugnet wird. Das Gericht folgt der Feststellung der Gutachter, dass auf dieser Grundlage weitere Verkehrsauffälligkeiten des Antragstellers nicht auszuschließen sind und folgerichtig auch sein künftiges Trennungsvermögen zu verneinen ist.
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(c) Das Ergebnis des medizinisch-psychologischen Gutachtens lässt sich auch nicht mit dem Einwand des Antragstellers in Zweifel ziehen, die im Rahmen der medizinischen Begutachtung festgestellten erhöhten Leberwerte des Antragstellers seien anderen Gründen als einem erhöhten Alkoholkonsum geschuldet. Denn nach den gutachterlichen Ausführungen hätte eine im Gesamtergebnis günstige Verkehrsverhaltensprognose grundsätzlich nur dann gestellt werden können, wenn alle an den Antragsteller zu stellenden Anforderungen erfüllt, also alle für den Einzelfall relevanten Merkmale des Veränderungsprozesses (Hypothesen) bestätigt worden wären. Dies ist allerdings bereits deshalb nicht der Fall, weil die zur Beantwortung der behördlichen Fragestellung erforderlichen Befunde aufgrund der unzureichenden Mitwirkung des Antragstellers nicht erhoben werden konnten und im Rahmen der Befundwürdigung verwertbar waren. Für diesen Fall, d.h., wenn mindestens eine der genannten Anforderungen nicht erfüllt ist, kann nach den Ausführungen in dem Gutachten selbst dann nicht von einer Widerlegung der behördlichen Eignungszweifel ausgegangen werden, wenn der medizinische oder psychofunktionale Untersuchungsteil für sich genommen zu einer günstigen Beurteilung kommt.
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c) Bei mangelnden Erfolgsaussichten in der Hauptsache ist für eine Interessenabwägung zugunsten des Antragstellers im Regelfall kein Raum. Außerdem gebieten das Interesse der Allgemeinheit an der Sicherheit des Straßenverkehrs und der aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) ableitbare Auftrag zum Schutz vor erheblichen Gefahren für Leib und Leben anderer Verkehrsteilnehmer, hohe Anforderungen an die Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen zu stellen. Ein Fahrerlaubnisinhaber muss den Entzug dieser Berechtigung und damit verbundene Nachteile in Bezug auf seine berufliche Tätigkeit und seine private Lebensführung hinnehmen, wenn hinreichender Anlass zu der Annahme besteht, dass von seiner aktiven Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr eine erhöhte Gefahr ausgeht. Dies ist beim Antragsteller aus den schon im Rahmen der Prüfung der Sofortvollzugsanordnung genannten Gründen der Fall.
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d) Da die sofortige Vollziehung der Entziehung der Fahrerlaubnis der summarischen gerichtlichen Überprüfung standhält, verbleibt es auch bei der in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheids enthaltenen Verpflichtung, den Führerschein abzuliefern. Diese Verpflichtung findet ihre Rechtsgrundlage in § 3 Abs. 2 Satz 3 StVG, § 47 Abs. 1 FeV.
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Die nach § 6a Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a StVG i.V.m. § 1 Abs. 1, § 4 Abs. 1 der Gebührenordnung für Maßnahmen im Straßenverkehr festgesetzte Gebühr von 100,- EUR, die nach § 2 dieser Verordnung festgesetzten Auslagen von 7,36,- EUR sowie die auf Art. 29 ff. VwZVG gestützte Androhung eines Zwangsgelds von 500,- EUR begegnen ebenfalls keinen rechtlichen Bedenken. Qualifizierte Einwände hiergegen wurden auch nicht erhoben.
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3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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4. Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2, § 52 Abs. 1 GKG i.V.m. den Empfehlungen in den Nrn. 1.5 Satz 1, 46.1, 46.2, 46.3, 46.5 und 46.8 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2025. Für die Festsetzung des Streitwerts ist auf die entzogene Fahrerlaubnis für die jeweiligen Fahrerlaubnisklassen abzustellen. Für die Festsetzung des Streitwerts sind vorliegend allein die Fahrerlaubnisklassen B und C1 maßgeblich; diese schließen die weiteren entzogenen Fahrerlaubnisklassen ein (§ 6 Abs. 3 FeV). Die Fahrerlaubnisklassen A1 und A wirken sich nicht streitwerterhöhend aus. Sie sind mit den Schlüsselzahlen 79.03 und 79.04 der Anlage 9 zur FeV versehen. Da der Umfang der bisherigen Berechtigung nach § 6 Abs. 6 Satz 1 i. V. m. Anlage 3 FeV bestehen bleibt, beschränken sie sich besitzstandswahrend lediglich auf bestimmte Fahrzeuge (dreirädrige Fahrzeuge und Fahrzeugkombinationen aus dreirädrigen Fahrzeugen und einem Anhänger mit einer zulässigen Gesamtmasse von höchstens 750 kg, vgl. auch § 6 Abs. 3 Satz 2 FeV). Diese Fahrerlaubnisklassen rechtfertigen neben den Fahrerlaubnisklassen B und C1 hier keinen eigenen Wertansatz (vgl. BayVGH, B.v. 18.6.2024 – 11 CS 24.441 – juris Rn. 25; OVG Weimar, B.v. 28.12.2023 – 2 EO 196/23 – juris Rn. 29).