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VG München, Urteil v. 24.07.2025 – M 27 K 23.6209
Titel:

Freizügigkeitsrecht, Verlustfeststellung, Polnischer Staatsangehöriger, Verurteilung u.a. wegen Diebstahls, Strafverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten, Konkrete Wiederholungsgefahr (bejaht), Einreise- und Aufenthaltsverbot

Normenketten:
FreizügG/EU § 6
FreizügG/EU § 7
Schlagworte:
Freizügigkeitsrecht, Verlustfeststellung, Polnischer Staatsangehöriger, Verurteilung u.a. wegen Diebstahls, Strafverurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten, Konkrete Wiederholungsgefahr (bejaht), Einreise- und Aufenthaltsverbot
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20517

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Der 54-jährige Kläger polnischer Staatsangehörigkeit begehrt Rechtsschutz hinsichtlich der Feststellung des Verlusts seines Rechts auf Einreise und Aufenthalt.
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Der Kläger reiste am … … … erstmals in das Bundesgebiet ein und verzog am 1. Mai 2011 sowie nach Wiederzuzug am 23. September 2013 am 19. November 2015 erneut ins Ausland.
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Der Kläger trat strafrechtlich wie folgt in Erscheinung:
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1. Urteil des Amtsgerichts München vom 15. Oktober 2015 (923 Cs 421 Js 164759/15), rechtskräftig seit dem 5. November 2015, Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 35 Tagessätzen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis;
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2. Urteil des Amtsgerichts Starnberg vom 28. August 2017 (2 Cs 52 Js 656/17), rechtskräftig seit dem 19. September 2019, Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 90 Tagessätzen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis und Veränderns von amtlichen Ausweisen;
6
3. Urteil des Amtsgerichts Görlitz vom 10. Februar 2020 (6 Cs 210 Js 24885/19), rechtskräftig seit dem 5. August 2020, Verurteilung zu einer Geldstrafe in Höhe von 140 Tagessätzen wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis;
7
4. Urteil des Landgerichts München I vom 24. Januar 2022 (28 Ns 244 Js 104538/20), rechtskräftig seit dem 23. Mai 2022, Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und vier Monaten unter Einbeziehung des Urteils des Amtsgerichts Görlitz vom 10. Februar 2020 wegen Diebstahls in drei Fällen, in einem Fall tateinheitlich mit Urkundenfälschung. Eine Revision hiergegen wurde mit Beschluss des Bayerischen Obersten Landesgerichts vom 23. Mai 2022 als unbegründet verworfen. Aufgrund von Haftbefehlen des Amtsgerichts München vom 11. März sowie 22. Oktober 2020 sowie von europäischen Haftbefehlen vom 19. März sowie 22. Oktober 2020 wurde der Kläger am 20. Oktober 2020 in Polen festgenommen und aufgrund einer Entscheidung des Landgerichts Opole vom 28. Oktober 2020 am 9. November 2020 nach Deutschland zur Durchführung des Strafverfahrens abgeschoben. Der Kläger befand sich vom 9. November 2020 bis zum 2. Februar 2024 in Untersuchungs- und Strafhaft.
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Der Verurteilung lag zugrunde, dass der Kläger am 12. August 2018 einem Geschädigten auf einem Badegelände zunächst dessen Fahrzeugschlüssel, anschließend sein auf dem Parkplatz abgestelltes Fahrzeug sowie mittels eines im Fahrzeug befindlichen Haustürschlüssels aus dem Wohnhaus des Geschädigten hochwertige Schmuck- und Kleidungsstücke, Kosmetika und Gepäckstücke im Gesamtwert von 11.831,- EUR entwendete. Zudem ließ sich der Kläger am 14. Dezember 2019 in der Lagerhalle eines Autohauses einschließen, brachte an ein Ausstellungsfahrzeug ein Kennzeichen, eine Kfz-Batterie und ein Navigationsgerät anderer Ausstellungsfahrzeuge an und fuhr anschließend mit dem Fahrzeug davon. Durch diese Tat entstand ein Gesamtschaden in Höhe von 21.700,00 EUR. Zu Gunsten des Klägers wurde berücksichtigt, dass er teilweise geständig war, die Taten bereits lange zurücklagen, die Untersuchungshaft für den Kläger besonders belastend war und die Versicherung der Geschädigten den Wertverlust teilweise erstattet hat. Zu seinen Lasten sprachen seine Vorstrafen, der hohe Wert der entwendeten Gegenstände, die professionelle mittäterschaftliche Vorgehensweise sowie die Tatsache, dass die Geschädigten vom 12. August 2018 noch immer unter dem Geschehen litten.
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Mit Schreiben vom 17. August 2022 sowie 24. Januar 2023 bat der Kläger das Landratsamt … (Landratsamt) um Genehmigung zum Absehen von der Strafvollstreckung gemäß § 456a StPO und seine Abschiebung nach Polen.
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Der Kläger wurde mit Schreiben des Landratsamts vom 25. Oktober 2023 zu den beabsichtigten Maßnahmen angehört. Dazu nahm er mit Schreiben vom 2. November 2023 dahingehend Stellung, dass er nicht mehr abgeschoben werden wolle. Er wolle nach seiner Haftentlassung freiwillig ausreisen, damit ihm die Möglichkeit offenbleibe, wieder in das Bundesgebiet einzureisen.
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Laut einem Führungsbericht der … … … … … … … 2023 wird der Kläger als freundlich, ruhig, sicher und aufmerksam beschrieben. Er verhalte sich höflich, vernünftig und ohne große Ansprüche. Sein vollzugliches Verhalten sei bisher nur einmal disziplinarisch beanstandet worden, als er mit einem Handy telefoniert habe. Der Kläger halte regelmäßigen telefonischen Kontakt mit seiner Verlobten. Es bestünden keinerlei psycho- oder suchttherapeutische Behandlungserfordernisse. Es könne nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass erneut gleichgelagerte Straftaten begangen würden.
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Mit Bescheid des Landratsamts vom 11. Dezember 2023, zugestellt am 15. Dezember 2023, wurde der Verlust des Rechts auf Einreise und Aufenthalt im Bundesgebiet der Bundesrepublik Deutschland festgestellt (Ziff. 1). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Sollte er aufgrund seiner Inhaftierung nicht fristgerecht ausreisen können, wurde ihm unter anderem die Abschiebung nach Polen angedroht (Ziff. 2). Die Ziff. 1 und 2 des Bescheids wurden für sofort vollziehbar erklärt (Ziff. 3) und die Wiedereinreise in die Bundesrepublik Deutschland für die Dauer von drei Jahren ab der Ausreise untersagt (Ziff. 4). Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Verlustfeststellung erfolge auf Grundlage von § 6 Abs. 1 FreizügG/EU. Der Kläger sei in der Vergangenheit mehrfach straffällig geworden. Sein bisher gezeigtes Verhalten lasse eine negative Prognose zu. Das Strafgericht habe die professionelle Vorgehensweise zur Erlangung und Weiterveräußerung der gestohlenen Gegenstände betont. Die vom Kläger begangene Straftat sei der mittleren bis schweren Kriminalität zuzuordnen. Er halte sich – mit Unterbrechungen – zuletzt seit etwas über drei Jahren im Bundesgebiet auf. Seit der Abschiebung am 9. November 2020 sei er jedoch in Haft. Von einer wirtschaftlichen Integration im Bundesgebiet könne nicht ausgegangen werden. Zum Zeitpunkt der begangenen Straftaten habe der Kläger keinen Wohnsitz in der Bundesrepublik Deutschland angemeldet gehabt, weshalb davon auszugehen sei, dass die Straftaten während eines geschäftlichen Aufenthalts oder eines Besuchsaufenthalts von ihm begangen worden sind. Diese Tatsache bestätige, dass er nicht bereit sei, sich an die in Deutschland geltende Rechtsordnung zu halten. Eine Rückkehr nach Polen sei nicht mit gravierenden Einschränkungen verbunden. Der Kläger habe dort viel Zeit verbracht und seine Kinder und Verlobte würden dort leben. Schutzwürdige persönliche, wirtschaftliche oder sonstige Bindungen im Bundesgebiet seien nicht ersichtlich und auch nicht vorgetragen worden. Eine dreijährige Wiedereinreisesperre erscheine im Hinblick auf eine prognostische Einschätzung im Einzelfall angemessen, um weitere Beeinträchtigungen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung abzuwenden.
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Dagegen hat der Kläger am 27. Dezember 2023 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München erheben und sinngemäß beantragen lassen,
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den Bescheid vom 11. Dezember 2023 aufzuheben.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, er werde nach der Haft wieder seine Tätigkeit als Spediteur aufnehmen. Er habe deutsche, italienische, österreichische, niederländische und schweizerische Kunden. Da er nicht genügend Mitarbeitende in seiner Firma habe, müsse er die Fahrten teilweise selbst antreten und dabei das Bundesgebiet passieren. Vorgelegt wurde eine beglaubigte Übersetzung einer Auskunft aus dem Zentralen Gewerberegister der Republik Polen.
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Der Beklagte hat mit Schriftsatz vom 9. Januar 2024 die Behördenakte vorgelegt.
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Mit Schriftsatz vom 7. Januar 2025 hat der Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen auf die Ausführungen im Bescheid Bezug genommen. Ergänzend wurde vorgetragen, dass die Ausreise des Klägers nachweislich am 22. Februar 2024 erfolgt sei.
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Das Gericht hat am 24. Juli 2025 mündlich zur Sache verhandelt. In der mündlichen Verhandlung erschien lediglich eine Vertreterin des Beklagten.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie auf die vorgelegte Behördenakte und die Niederschrift der mündlichen Verhandlung am 24. Juli 2025 Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

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Über die Klage konnte trotz des Nichterscheinens der Klagepartei in der mündlichen Verhandlung verhandelt und entschieden werden, da sie ordnungsgemäß geladen und dabei auf die Folgen ihres Ausbleibens hingewiesen wurde (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
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1. Die zulässige Klage ist unbegründet. Der streitgegenständliche Bescheid ist rechtmäßig und nicht rechtsverletzend (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
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1.1 Die Klage ist auszulegen als Anfechtungsklage gegen Ziff. 1, 2 und 4 des streitgegenständlichen Bescheids (§ 88 VwGO). Der Kläger hat seinen Klageantrag nicht auf die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots in Ziff. 4 des Bescheids beschränkt, sondern hat „Klage gegen den erlassenen Ausweisungsbescheid“, mithin gegen den gesamten Bescheid vom 11. Dezember 2023 erhoben.
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1.2 Die Feststellung des Verlusts des Rechts des Klägers auf Einreise und Aufenthalt ist zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Gerichts (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 16.12.2021 – 1 C 60.20 – juris Rn. 15) rechtmäßig.
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Als polnischer Staatsangehöriger und damit freizügigkeitsberechtigter Unionsbürger hat der Kläger nach § 2 Abs. 1 FreizügG/EU das Recht auf Einreise und Aufenthalt.
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Die Feststellung des Verlusts dieses Rechts erfolgte vorliegend nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU aus Gründen der öffentlichen Sicherheit, Ordnung und Gesundheit. Gemäß § 6 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU genügt die Tatsache einer strafrechtlichen Verurteilung für sich allein nicht, um eine Verlustfeststellung nach § 6 Abs. 1 FreizügG/EU zu begründen. Nach § 6 Abs. 2 Satz 2 FreizügG/EU darf eine solche Verlustfeststellung vielmehr nur getroffen werden, wenn der strafrechtlichen Verurteilung zu Grunde liegenden Umstände ein persönliches Verhalten erkennen lassen, das eine gegenwärtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung darstellt. Erforderlich ist nach § 6 Abs. 2 Satz 3 FreizügG/EU eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Dieser Maßstab verweist – anders als der Begriff der Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung im deutschen Polizeirecht – nicht auf die Gesamtheit aller Rechtsnormen, sondern auf einen spezifischen Rechtsgüterschutz, nämlich ein Grundinteresse der Gesellschaft, das berührt sein muss (vgl. BVerwG, U.v. 3.8.2004 – 1 C 30.02 – juris Rn. 24). Damit lässt sich der Bereich der Ordnungswidrigkeiten sowie kleinerer Kriminalität als Basis für eine Verlustfeststellung ausscheiden (vgl. Kurzidem in: BeckOK AuslR, 44. Ed. Stand 1.4.2025, § 6 FreizügG/EU Rn. 12). Drohende Eigentums- und Vermögensstraftaten der mittelschweren Kriminalität sind hingegen im Grundsatz geeignet, eine Verlustfeststellung zu rechtfertigen. Straftaten der mittelschweren Kriminalität sind jedenfalls solche, die in ihrer Höchststrafe mit einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und mehr sanktioniert werden (vgl. HessVGH, B.v. 5.6.2025 – 3 B 815/24 – juris Rn. 23).
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Dem Kläger kommt darüber hinaus nicht der erhöhte Schutz der § 6 Abs. 4, Abs. 5 FreizügG/EU zu, da er bis zu seiner Überstellung in das Bundesgebiet zur Durchführung des Strafverfahrens am 9. November 2020 in Polen wohnhaft war.
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Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts haben Ausländerbehörden und Verwaltungsgerichte bei spezialpräventiven Ausweisungsentscheidungen sowie Verlustfeststellungsentscheidungen und deren gerichtlicher Überprüfung eine eigenständige Prognose zur Wiederholungsgefahr zu treffen (BVerwG, U.v. 15.1.2013 – 1 C 10.12 – juris Rn. 18). Bei der Prognose, ob eine Wiederholung vergleichbarer Straftaten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit droht, sind die besonderen Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen, insbesondere die Höhe der verhängten Strafe, die Schwere der konkreten Straftat, die Umstände ihrer Begehung, das Gewicht des bei einem Rückfall bedrohten Rechtsguts sowie die Persönlichkeit des Täters und seine Entwicklung und Lebensumstände bis zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt (BayVGH, U.v. 30.10.2012 – 10 B 11.2744 – juris Rn. 33 m.w.N.). An die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts sind bei dieser Prognose umso geringere Anforderungen zu stellen, je größer und folgenschwerer der möglicherweise eintretende Schaden ist (vgl. zum Ganzen BayVGH, B.v. 10.10.2022 – 19 ZB 22.1660 – juris Rn. 9.).
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Hieran gemessen hat der Beklagte zu Recht dargelegt, dass sich aus dem bisherigen Verhalten des Klägers und aus den gegen ihn ergangenen strafrechtlichen Verurteilungen eine gegenwärtige Gefahr für die öffentliche Ordnung und eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung, die Grundinteressen der Gesellschaft berührt, ergibt. Der Kläger hat mehrere Straftaten, zuletzt im Bereich der Eigentumsdelikte begangen. Angesichts der professionellen Vorgehensweise und der Tatsache, dass der Kläger zum Tatzeitpunkt der letzten beiden Straftaten keinen Wohnsitz im Bundesgebiet angemeldet hatte, sowie des jeweils hohen Schadens kann nicht davon ausgegangen werden, dass seine Hafterfahrung ihn künftig von der Begehung weiterer Straftaten im Bereich der Vermögens- und Eigentumsdelikte abschrecken wird. Es liegt die Befürchtung nahe, dass der Kläger durch gleiche oder ähnliche Straftaten die öffentliche Sicherheit erneut erheblich beeinträchtigen wird.
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Dass die von dem Kläger ausgehende Gefahr im Wesentlichen in der drohenden Begehung von Eigentumsdelikten besteht, steht einer Verlustfeststellung nicht entgegen. Ein Diebstahl ist nach § 242 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren strafbewehrt. Diebstahldelikte werden auch von dem Grundinteresse der Gesellschaft als Schutzgut erfasst. Denn der Schutz von Vermögen und Eigentum vor rechtswidrigen Eingriffen Dritter ist nicht nur ein rein wirtschaftliches Interesse; er gewährleistet die Funktionsfähigkeit von Gesellschaft und Wirtschaft, womit er ein Grundinteresse der Gesellschaft darstellt. Schwer gefährdet wird dieses Grundinteresse, wenn Eigentums- oder Vermögensstraftaten – wie vorliegend – gehäuft auftreten oder sonstige erschwerende Umstände vorliegen (vgl. HessVGH, B.v. 5.6.2025 – 3 B 815/24 – juris Rn. 21, 25 m.w.N.). Die schweren Folgen von Eigentumsdelikten zeigen sich vorliegend auch daran, dass die Geschädigten der Straftat vom 12. August 2018 noch Jahre später unter der Tat litten.
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Die Feststellung des Verlusts des Rechts auf Einreise und Aufenthalt steht gem. § 6 Abs. 1 Satz 1 FreizügG/EU im Ermessen des Beklagten. Gemäß § 6 Abs. 3 FreizügG/EU sind bei der Entscheidung insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Betroffenen in Deutschland, sein Alter, sein Gesundheitszustand, seine familiäre und wirtschaftliche Lage, seine soziale und kulturelle Integration in Deutschland und das Ausmaß seiner Bindungen zum Herkunftsstaat zu berücksichtigen. Das Gericht kann die Ermessensentscheidung des Beklagten gem. § 114 Satz 1 VwGO und Art. 40 BayVwVfG lediglich eingeschränkt auf Ermessensfehler überprüfen. Solche sind vorliegend nicht ersichtlich. Insbesondere verfügt der Kläger über keine familiären oder wirtschaftlichen Bindungen im Bundesgebiet, sondern hatte bis zu seiner Inhaftierung seinen Wohnsitz in Polen, wo auch seine Verlobte und seine Kinder leben.
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1.3 Rechtsgrundlage für die Festsetzung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist § 7 Abs. 2 Satz 1 FreizügG/EU. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gem. § 7 Abs. 2 Satz 5 FreizügG/EU von Amts wegen zu befristen. Die Frist ist nach § 7 Abs. 2 Satz 6 FreizügG/EU unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles auf Grund der auf Tatsachen gestützten Annahme der künftig von einem Aufenthalt der Person innerhalb der Europäischen Union ausgehenden Gefahren für die öffentliche Ordnung und Sicherheit festzusetzen und darf fünf Jahre nur in den Fällen des § 6 Abs. 1 FreizügG/EU überschreiten.
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Hieran gemessen hält sich die im streitgegenständlichen Bescheid verfügte dreijährige Frist im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben. Der Beklagte hat das Gewicht des Grunds der Verlustfeststellung und den mit der Verlustfeststellung verfolgten Zweck sowie die persönlichen Interessen des Klägers zutreffend berücksichtigt. Die Festsetzung einer dreijährigen Frist ist im vorliegenden Einzelfall angemessen.
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1.4 Die Androhung der Abschiebung des Klägers in Ziff. 2 des Bescheids findet ihre Rechtsgrundlage in § 7 Abs. 1 Satz 2 FreizügG/EU i.V.m. § 59 Abs. 1 Satz 1 AufenthG.
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Im Übrigen wird von einer weiteren Darstellung der Gründe abgesehen und gemäß § 117 Abs. 5 VwGO auf die Ausführungen in dem streitgegenständlichen Bescheid verwiesen, denen das Gericht folgt.
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2. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.