Inhalt

VG München, Beschluss v. 04.08.2025 – M 31 S 25.33482
Titel:

Asyl, Herkunftsland Venezuela, Offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Keine asylerheblichen Umstände vorgebracht, Feststellung eines Abschiebungsverbots (verneint)

Normenketten:
AsylG § 30 Abs. 1 Nr. 1
AsylG § 36 Abs. 1, Abs. 4
AufenthG § 60 Abs. 5, Abs. 7 S. 1
Schlagworte:
Asyl, Herkunftsland Venezuela, Offensichtlich unbegründeter Asylantrag, Keine asylerheblichen Umstände vorgebracht, Feststellung eines Abschiebungsverbots (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20505

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens gesamtschuldnerisch zu tragen.

Gründe

I.
1
Die Antragsteller sind Staatsangehörige Venezuelas. Sie reisten am 25. März 2024 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 12. April 2024 einen Asylantrag. Nach Anhörung am 2. April 2025 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) mit Bescheid vom 15. Juli 2025 den Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1), auf Asylanerkennung (Nr. 2) und auf Gewährung subsidiären Schutzes (Nr. 3) als offensichtlich unbegründet ab und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Antragsteller wurden aufgefordert, das Bundesgebiet binnen einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen; widrigenfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Venezuela oder in einen sonstigen Staat, in den sie einreisen dürfen oder der zur Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Die Vollziehung der Abschiebungsandrohung und der Lauf der Ausreisefrist wurden bis zum Ablauf der einwöchigen Klagefrist und, im Falle einer fristgerechten Stellung eines Antrags auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage, bis zur Bekanntgabe der Ablehnung des Eilantrags durch das Verwaltungsgericht ausgesetzt (Nr. 5). Das Verbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 6).
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Die Antragsteller ließen mit Schriftsatz vom 22. Juli 2025, eingegangen bei Gericht am selben Tag, Klage gegen den Bescheid vom 15. Juli 2025 erhoben. Angestrebt wird dabei die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise die Zuerkennung des subsidiären Schutzes, weiter hilfsweise die Feststellung von nationalen Abschiebungsverboten. Das Klageverfahren wird bei Gericht unter M 31 K 25.33481 geführt. Im zugleich anhängig gemachten Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes wird sinngemäß beantragt,
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die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in Nr. 5 des Bescheids vom 15. Juli 2025 anzuordnen.
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Die Antragsgegnerin übersandte die Verfahrensakten und beantragt,
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den Antrag abzulehnen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtssowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag hat keinen Erfolg.
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1. Die gemäß § 36 Abs. 1, § 34 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung ist kraft Gesetzes sofort vollziehbar (§ 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylG), der hiergegen gerichtete Eilantrag nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO mithin statthaft. Der Antrag vom 22. Juli 2025 wahrt zudem – zumal ein Zustellnachweis für den gegenständlichen Bescheid nicht vorliegt – die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 Hs. 1 AsylG.
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2. Nach § 80 Abs. 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung der Klage anordnen. Bei dieser Entscheidung sind das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts einerseits und das private Aussetzungsinteresse, also das Interesse des Betroffenen, bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts von dessen Vollziehung verschont zu bleiben, gegeneinander abzuwägen.
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a) Maßstab ist dabei vorliegend, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen, Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG, § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG. Streitgegenstand im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist hier gemäß § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG die nach § 36 Abs. 1, § 34 AsylG i.V.m. § 59 Abs. 1 und 2 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung, die die offensichtliche Unbegründetheit des Asylantrags i.S.d. § 30 AsylG voraussetzt. Die Erfolgsaussichten eines entsprechenden Eilantrags hängen im Grundsatz davon ab, ob gerade das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamtes ernstlichen Zweifeln begegnet, ohne dass der Ablehnungsbescheid selbst zum Verfahrensgegenstand wird (vgl. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris; U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris). Unmittelbarer Bezugspunkt der Prüfung im vorläufigen Rechtsschutzverfahren ist daher zwar nicht der materielle Asylanspruch als solcher. Als wesentliche Elemente der Abschiebungsandrohung sind deren Erlassvoraussetzungen gemäß § 34 Abs. 1 AsylG bei der gerichtlichen Prüfung jedoch zwingend mit in den Blick zu nehmen (vgl. BVerfG, U. v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 94). Der Inhalt der Entscheidung des Bundesamts ist damit mittelbar Gegenstand der verwaltungsgerichtlichen Kontrolle (VG Augsburg, B.v. 20.9.2023 – Au 9 S 23.30872 – juris Rn. 25).
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Ernstliche Zweifel sind nur dann gegeben, wenn erhebliche Gründe dafürsprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996, aaO). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts setzt die Ablehnung von Asylantrag und Rechtsbehelf gleichermaßen als offensichtlich unbegründet voraus, dass an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen und sich bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung die Ablehnung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 25.4.2018 – 2 BvR 2435/17 – juris). Die gerichtliche Prüfung der vom Bundesamt getroffenen Offensichtlichkeitsfeststellung hat aufgrund der als asylerheblich vorgetragenen oder zu erkennenden Tatsachen und in Anwendung des materiellen Asylrechts zu erfolgen (z.B. BVerfG, B.v. 2.5.1984 – 2 BvR 1413/83 – juris). Dabei hat das Gericht die Frage der Offensichtlichkeit eigenständig zu klären (BVerfG, aaO), wobei es jedenfalls im Eilverfahren auch genügt, wenn die Offensichtlichkeitsfeststellung des Bescheids zumindest im Ergebnis nicht ernstlich zweifelhaft ist.
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Die rechtliche Prüfung des Verwaltungsgerichts schließt hierbei insbesondere das (Nicht-)Vorliegen von Abschiebungshindernissen ein (§ 34 Abs. 1 AsylG; vgl. Hailbronner, in: ders., Ausländerrecht, § 36 AsylG Rn. 80; Pietzsch, in: BeckOK AuslR, 41. Ed. 1.4.2024, AsylG § 36 Rn. 42). Dies folgt daraus, dass der Erlass einer Abschiebungsandrohung auch bei einem als offensichtlich unbegründet angesehenen Asylantrag den Voraussetzungen des § 34 Abs. 1 AsylG unterliegt. Danach ist der Erlass einer Abschiebungsandrohung zulässig, wenn – neben der fehlenden Anerkennung als Asylberechtigter, der fehlenden Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und der fehlenden Gewährung subsidiären Schutzes – keine nationalen Abschiebungsverbote vorliegen (vgl. Faßbender, in: BeckOK MigR, 18. Ed. 15.1.2024, AsylG § 36 Rn. 22; vgl. auch VG Augsburg, B.v. 20.9.2023 – Au 9 S 23.30872 – juris Rn. 25). Verlangt der Anknüpfungspunkt für die Abschiebungsandrohung – wie insbesondere hinsichtlich des Vorliegens nationaler Abschiebungsverbote – keine Offensichtlichkeit, müssen die Voraussetzungen des Tatbestandes selbst ernstlich zweifelhaft sein, damit dem vorläufigen Rechtsschutzbegehren des Asylbewerbers entsprochen werden kann. Daher sind im Rahmen der verwaltungsgerichtlichen Prüfung die (sonstigen) Voraussetzungen des Tatbestandes zu betrachten (VG München, B.v. 26.1.2021 – M 31 S 20.33367 – juris Rn. 14; Pietzsch, in: BeckOK AuslR, 41. Ed. 1.4.2024, AsylG § 36 Rn. 40; vgl. auch Faßbender, in: BeckOK MigR, 18. Ed. 15.1.2024, AsylG § 36 Rn. 20). Ernstliche Zweifel liegen hierbei dann vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (vgl. BVerfG, U.v. 14.5.1996 – 2 BvR 1516/93 – juris Rn. 99; zusammenfassend VG München, B.v. 26.1.2021 – M 31 S 20.33367 – juris Rn. 15; Schoch, in: ders./Schneider, VwGO § 80 Rn. 370).
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b) Bei den Antragstellern liegen die Voraussetzungen dafür vor, ihre Asylanträge als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Davon geht das Bundesamt im streitbefangenen Bescheid vom 15. Mai 2025 zutreffend aus.
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aa) Ein Asylantrag ist gemäß § 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen, wenn der Ausländer im Asylverfahren nur Umstände vorgebracht hat, die für die Prüfung des Asylantrags nicht von Belang sind. Dazu zählt, wenn nach den Umständen des Einzelfalls offensichtlich ist, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen im Bundesgebiet aufhält. Insbesondere gilt dies soweit erwerbsfähige, aber mangels wirtschaftlicher Perspektiven im Herkunftsstaat oder auf dem dortigen Arbeitsmarkt nicht erwerbstätige Personen, letztlich in Deutschland einen Erwerbsaufenthalt auf dem Umweg über ein Asylverfahren und unter Vermeidung des erforderlichen Visumverfahrens anstreben (BT-Drs. 20/9463, S. 56; Dietz in: Hailbronner, Ausländerrecht, Stand: 1.8.2024, § 30 AsylG Rn. 39; näher auch Heusch, in: BeckOK AuslR, 44. Ed. 1.4.2025, § 30 AsylG Rn. 14).
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Dem Sachvortrag der Antragsteller ist – wie vom Bundesamt zutreffend gewürdigt – weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung, noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal zu entnehmen, noch mit Blick auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes relevante Aspekte. Nach eigenem Vortrag – der im Übrigen seitens des Bevollmächtigten in der Antragsbegründung ausdrücklich wiederholt wird – haben die Antragsteller Venezuela aus wirtschaftlichen Gründen verlassen. Verwiesen wird weiter auf die berufliche Qualifikation und Erfahrung der Antragsteller mit Bereitschaft zur Arbeit und Selbständigkeit. Es ergeben sich aus dem Vorbringen der Antragsteller rechtlich wie tatsächlich keine plausiblen und nachvollziehbaren Anhaltspunkte für eine asylerhebliche Verfolgung oder Bedrohung nach Art. 16a Abs. 1 GG bzw. §§ 3 ff. AsylG.
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bb) Als in persönlicher Hinsicht ohne Belang (§ 30 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) erweist sich das ergänzend und erstmals in der Antragsbegründung Ausgeführte, wonach den Antragstellern als Rückkehrer in Venezuela eine konkrete individuelle Verfolgung drohe.
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Aus der aktuellen Erkenntnislage ergibt sich, dass solche Personen, die in exponierter Stellung und/oder öffentlich wahrnehmbarer Weise Kritik am Maduro-Regime üben, Gefahr laufen, Opfer staatlicher Willkürmaßnahmen zu werden. Betroffen waren/sind überwiegend Oppositionelle, Mitarbeitende von NROs, Journalisten, sowie Bürger, die offen das Wahlergebnis angezweifelt haben. Dem Auswärtigen Amt sind dazu Fälle bekannt, in denen Menschen willkürlich inhaftiert wurden oder gegen sie ermittelt wurde, weil sie ihre Meinung in den Medien oder sozialen Netzwerken öffentlich geäußert haben (vgl. aktuell Auswärtiges Amt, Auskunftschreiben vom 26.6.2025, 508-9-516.80 – E 1422 VEN, S. 3 f., allgemein etwa Immigration and Refugee Board of Canada, Venezuela: Political situation, including the 2024 presidential elections, 21.2.2025, S. 2 ff.; eingehend und zusammenfassend auch VG Leipzig, U.v. 11.6.2024 – 7 K 684/23.A). Zu diesem Personenkreis zählen die Antragsteller offenkundig nicht.
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Soweit die Antragsteller weiter auf gesetzliche Regelungen verweisen, wonach gezielt Rückkehrer unter Generalverdacht der Kollaboration mit ausländischen Stellen gestellt würden, ist ebenso eine individualisierte Verfolgung nicht ersichtlich. Bei dem seitens der Antragsteller hervorgehobenen „Ley Bolivariana para la Protección de la Soberanía Nacional“ – wobei entgegen schriftsätzlicher Ankündigung ein Gesetzestext nicht vorgelegt wurde – handelt es sich möglicherweise um eine Sammelbezeichnung für verschiedene rechtliche Regelungen. Zu einem Gesetz dieser Bezeichnung finden sich jedenfalls in den Erkenntnismitteln keine Informationen, auch eine Internetrecherche – zuletzt vom 4. August 2025 – führt zu keinem Treffer mit einem Gesetz dieser Bezeichnung. Bekannt ist indes etwa das „Ley Orgánica Libertador Simón Bolívar contra el Bloqueo Imperialista y por la Defensa de la República Bolivariana de Venezuela“ („Organische Gesetz des Befreiers Simon Bolivar gegen imperialistische Blockade und zur Verteidigung der Bolivarischen Republik Venezuela“, hierzu BAMF, Briefing Notes vom 2. Dezember 2024). Hierzu ist festzustellen, dass der diesbezügliche Vortrag der Antragsteller, dass die Gesetzeslage Grundlage für eine Verfolgung von rückkehrenden Venezolanern sei, die im Ausland einen Asylantrag gestellt haben, weder durch die vorliegenden Erkenntnismittel noch durch den Wortlaut des vorgenannten Gesetzes in deutscher Übersetzung gestützt wird. Dem Wortlaut der deutschen Übersetzung des Gesetzestextes nach sieht das Gesetz ab sofort für alle Personen, die einseitige Zwangsmaßnahmen, bewaffnete oder gewaltsame Handlungen bzw. Cyberangriffe gegen Venezuela fordern, begrüßen oder unterstützen, Haftstrafen von 25-30 Jahren sowie erhebliche Geldstrafen vor. Zudem ermöglicht das Gesetz im Falle einer Verurteilung Ausübungsverbote für öffentliche Ämter für bis zu 60 Jahre sowie die Beschlagnahmung von Eigentum. Außerdem seien gemäß Art. 18 Verfahren in Abwesenheit möglich. So werde davon ausgegangen. dass eine angeklagte Person bei Weigerung zur Teilnahme an der Vorverhandlung oder mündlichen Verhandlung, nicht von ihrem Recht auf rechtliches Gehör Gebrauch machen wolle. Die Verhandlung werde dann mit der selbst gewählten Verteidigung bzw. bei Nichterscheinen mit einer direkt bestellten Pflichtverteidigung durchgeführt. Zudem sieht Art. 23 die Erstellung eines Registers für natürliche und juristische, inländische sowie ausländische Personen vor, bei denen begründeter Verdacht bestehe, dass sie entsprechende Taten begehen könnten. Auch für Medien sieht das Gesetz in entsprechenden Fällen erhebliche Geldstrafen bzw. je nach Medienart sogar Schließungen vor (vgl. auch BAMF, Briefing Notes vom 2. Dezember 2024). Eine Verbindung zwischen den im Gesetz sanktionierten Maßnahmen und einer Asylantragsstellung im Ausland kann weder dem Wortlaut der deutschen Übersetzung noch den Erkenntnismitteln entnommen werden. Auch ergeben sich aus den aktuellen Erkenntnismitteln keine Hinweise darauf, dass Rückkehrer im Allgemeinen bei ihrer Einreise ins Heimatland in Venezuela verhaftet werden würden. Es liegen auch keine Erkenntnisse dafür vor, dass eine Asylantragstellung im Ausland, zumal kein Indiz dafür vorliegt, dass eine solche dem venezolanischen Staat bekannt geworden sei, ein Hindernis für Einreise und Aufenthalt sein sollte. Im Gegenteil ist festzustellen, dass jedenfalls mit Blick auf die Erfordernisse des täglichen Lebens – Versorgung mit Lebensmitteln und Zugang zu medizinischer Versorgung – eine Benachteiligung von Rückkehrern nicht bekannt ist (VG Dresden, U.v. 22.9.2023 – 4 K 599/20.A – S. 12, juris; Auswärtiges Amt, Auskunftschreiben vom 22.8.2023, 508-9-516.80 – E 0650).
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Ernstlichen Zweifeln begegnet das Offensichtlichkeitsurteil des Bundesamts mithin nicht.
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c) Ernstliche Zweifel im vorgenannten Sinne an der Feststellung, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, sind zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG) nicht gegeben; sie hält einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich stand. Zur Begründung wird zunächst auf die Gründe des angefochtenen Bescheids – dort Nummer 4, Seite 4 ff. Bezug genommen (vgl. § 77 Abs. 3 AsylG).
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Ergänzend und zusammenfassend ist Folgendes auszuführen: Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG scheiden unter Berücksichtigung der allgemeinen Situation in Venezuela und der individuellen Umstände des Antragstellers aus.
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Im Hinblick auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK reicht der Umstand, dass die Lage des Betroffenen und seine Lebensumstände im Fall einer Aufenthaltsbeendigung erheblich beeinträchtigt würden, allein nicht aus, einen Verstoß gegen Art. 3 EMRK anzunehmen; anderes kann nur in besonderen – hier nicht vorliegenden – Ausnahmefällen gelten, in denen humanitäre Gründe zwingend gegen die Aufenthaltsbeendigung sprechen (vgl. EGMR, U.v. 27.5.2008 – 26565/05 – NVwZ 2008, 1334; BVerwG, U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris; B.v. 25.10.2012 – 10 B 16/12 – juris). Unabhängig davon, in welchen Fällen existenzbedrohende Armut im Sinne von Art. 3 EMRK relevant sein kann, liegen Anhaltspunkte hierfür nicht vor.
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Trotz der in Venezuela vorherrschenden schwierigen wirtschaftlichen und Versorgungssituation und einer schlechten Sicherheitslage (vgl. VG München, B.v. 31.5.2024 – M 31 S 24.31623 – juris Rn. 16 f; VG Leipzig, U.v. 30.1.2024 – 7 K 996/22.A – juris Rn. 36 f.; ferner EUAA, Venezuela – Country Focus, November 2023, S. 33 ff.; Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 31.3.2023, S. 32 ff.) ist grundsätzlich nicht davon auszugehen, dass die humanitären Bedingungen und die Sicherheitslage, auf die erwachsene und arbeitsfähige Personen bei der Rückkehr nach Venezuela treffen, derartig schlecht sind, dass ein Rückkehrer in humanitären Zuständen existieren müsste, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 EMRK darstellen, sofern nicht spezifische individuelle Umstände festgestellt werden können. Dass die Existenzsicherung oder gar das Überleben für sämtliche Rückkehrer im vorstehenden Sinne nicht gewährleistet wäre, lässt sich nicht generell feststellen (VG München, aaO; VG Leipzig, aaO Rn. 39). Gefahrerhöhende individuelle Merkmale bestehen nicht in den Personen der Antragsteller. Wie bereits ausgeführt, ist jedenfalls mit Blick auf die Erfordernisse des täglichen Lebens – Versorgung mit Lebensmitteln und Zugang zu medizinischer Versorgung – eine Benachteiligung von Rückkehrern nicht bekannt (VG Dresden, U.v. 22.9.2023 – 4 K 599/20.A – S. 12, juris; Auswärtiges Amt, Auskunftschreiben vom 22.8.2023, 508-9-516.80 – E 0650).
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Die Antragsteller sind volljährig und arbeitsfähig; die normative Vermutung nach § 60a Abs. 2c Satz 1 AufenthG ist nicht widerlegt. Hinweise darauf, dass die Antragsteller nach ihrer Rückkehr – allein oder gegebenenfalls mit familiärer Unterstützung, namentlich durch die im Heimatland lebende Familie – nicht in der Lage sein werden, das Existenzminimum für sich zu sichern, sind auch im Übrigen nicht ersichtlich. Es ist nichts dafür erkennbar, dass die Antragsteller, der in ihrer Heimat aufgewachsen und sozialisiert sind, dort die Schule besucht bzw. studiert haben sowie nach eigenem Vortrag in der Antragsbegründung berufliche Qualifikationen und Erfahrung mitbringen, nicht in der Lage wären, im Falle der Rückkehr ihren Lebensunterhalt zumindest „mit ihrer Hände Arbeit“, wenn gegebenenfalls auch auf eher niedrigem Niveau, so doch noch ausreichend zu bestreiten. Bessere wirtschaftliche oder soziale Perspektiven in Deutschland begründen im Übrigen kein Abschiebungsverbot.
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Auch die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG liegen nicht vor. Danach soll von einer Abschiebung abgesehen werden, wenn im Zielstaat für den Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Bei den in Venezuela vorherrschenden Lebensbedingungen handelt es sich um eine Situation, der die gesamte Bevölkerung ausgesetzt ist, weshalb Abschiebeschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausschließlich durch eine generelle Regelung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt wird. Eine extreme Gefährdungslage, bei der aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 6 AufenthG ausnahmsweise dann nicht greift (vgl. BVerwG, U.v. 17.10.1995 – 9 C 9/95 – juris; U.v. 31.1.2013 – 10 C 15/12 – juris), wenn ein Einzelner gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde, liegt nicht vor. Dies hat das Bundesamt im streitbefangenen Bescheid unter Nr. 4 der Begründung (vgl. S. 7) zutreffend festgestellt; hierauf wird Bezug genommen (§ 77 Abs. 3 AsylG).
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d) Auch im Hinblick auf die Abschiebungsandrohung und das auf 30 Monate befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gegen den angefochtenen Bescheid nichts zu erinnern. Auf die Feststellungen und die Begründung des streitbefangenen Bescheids unter Nr. 5 und 6 der Begründung (vgl. S. 7 ff.), wird insoweit gemäß § 77 Abs. 3 AsylG Bezug genommen.
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Sonach war der Antrag mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen; Gerichtskosten werden nicht erhoben, § 83b AsylG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.