Titel:
Sofortige Beschwerde als statthaftes Rechtsmittel gegen Einstellungsbeschlüsse
Normenketten:
ArbGG § 78, § 81, § 83, § 83a, § 84, § 87
ZPO §§ 567 ff
Leitsätze:
Einstellungsbeschlüsse nach §§ 81 Abs. 2 Satz 2, 83a Abs. 2, 89 Abs. 2 ArbGG sind keine verfahrensbeendenden Beschlüsse wie diejenigen nach § 84 ArbGG. Gegen Einstellungsbeschlüsse des Arbeitsgerichts ist daher nicht die Beschwerde nach § 87 Abs. 1 ArbGG statthaft, sondern die sofortige Beschwerde nach §§ 83 Abs. 5, 78 ArbGG iVm §§ 567 ff ZPO. (Rn. 19 – 26)
Ein beurlaubtes Betriebsratsmitglied gilt zumindest so lange als zeitweilig verhindert, bis es seine Bereitschaft, gleichwohl Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt. (Rn. 35 – 36) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschlussverfahren, Einstellungsbeschluss, verfahrensbeendende Beschlüsse, sofortige Beschwerde, statthaftes Rechtsmittel, Antragsrücknahme, Betriebsratsmitglied
Vorinstanz:
ArbG Weiden, Beschluss vom 04.09.2024 – 2 BV 5/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 2045
Tenor
1. Die Beschwerde des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Weiden vom 04.09.2024, Az. 2 BV 5/24, wird zurückgewiesen.
2. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
1
Die Beteiligten streiten darüber, ob am Standort der Beteiligten zu 2 unter der Adresse AStraße, A-Stadt (Filiale 126), weiterhin eine betriebsratsfähige Organisationseinheit besteht.
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Die Beteiligte zu 2 mit Sitz in C-Stadt in der Oberpfalz betreibt deutschlandweit über 500 Filialen, in denen sie ca. 10.000 Mitarbeiter beschäftigt. In der Vergangenheit waren im Unternehmen der Beteiligten zu 2 jeweils in den einzelnen Filialen Betriebsräte gewählt, zudem gab es einen Gesamtbetriebsrat für das ganze Unternehmen.
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Anfang des Jahres 2021 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die Beteiligte zu 2 eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Die Wahl des unternehmenseinheitlichen Betriebsrats wurde erst- und zweitinstanzlich erfolgreich angefochten (Landesarbeitsgericht Nürnberg 29.11.2022 – 1 TaBV 22 / 22, Bl. 18 ff. der Akten). Vor Eintritt der Rechtskraft des Beschlusses des Landesarbeitsgerichts trat der unternehmenseinheitliche Betriebsrat zurück und schloss mit der Beteiligten zu 2 am 22.02.2023 eine neue geänderte Betriebsvereinbarung über die Gründung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrats. Daraufhin wurde am 19.03.2023 der Beteiligte zu 3 gewählt. Auch diese Wahl wurde erst- und zweitinstanzlich erfolgreich angefochten (Beschluss des Landesarbeitsgerichts Nürnberg vom 24.10.2024 – 5 TaBV 6/24). Der Beschluss ist noch nicht rechtskräftig. Die Rechtsbeschwerde ist zugelassen.
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Der Beteiligte zu 1 ist der im Rahmen der letzten regelmäßigen Wahlperiode gewählte Betriebsrat der Filiale 126 A-Stadt, bestehend aus einer Person (F.). Ersatzmitglied ist Herr G.. Der Beteiligte zu 1 hatte bereits anlässlich der Wahl des Rechtsvorgängers des Beteiligten zu 3 erst- und zweitinstanzlich in einem Statusverfahren gemäß § 18 Abs. 2 BetrVG obsiegt.
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Mit Schriftsatz vom 11.04.2024 beantragte der Beteiligte zu 1 im Hinblick auf die Anfechtung der Wahl des Beteiligten zu 3 nach § 18 Abs. 2 BetrVG die Feststellung, dass die Filiale 126 A-Stadt weiterhin eine betriebsratsfähige Organisationseinheit darstelle.
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Mitarbeitende der Filiale 126 forderten Herrn F. mehrmals auf, die Klagen gegen den Beteiligten zu 3, insbesondere auch das gegenständliche Verfahren, zu beenden, die Existenz des Beteiligten zu 3 zu akzeptieren und das Betriebsratsamt niederzulegen (s. Schreiben vom 14.02.2024, Blatt 425 der Akten, und vom 13.05.2024, Blatt 426 der Akten, Protokoll der Betriebsversammlung vom 10.07.2024, Blatt 427 der Akten, und Schriftstück vom 27.08.2024, Blatt 428 der Akten).
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Herr F. befand sich vom 26.08. bis 15.09.2024 in genehmigtem Erholungsurlaub am Bodensee.
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Am 28.08.2024 fasste das Ersatzmitglied des Beteiligten zu 1, Herr G., den Beschluss, die „Feststellungsklage betriebsratsfähige Einheit Filiale 126 A-Stadt, Aktenzeichen 2 BV 5/24 vollumfänglich zu beenden“ und den anwaltlichen Vertretern des Beteiligten zu 1 das Mandat zu entziehen (Blatt 424 der Akten). Dieser im Original unterschriebene Beschluss ging am 29.08.2024 beim Arbeitsgericht Weiden ein. Den Beteiligtenvertretern zu 1 – 3 wurden ausweislich des Vermerks der Geschäftsstelle am 02.09.2024 Abschriften erteilt (Blatt 424 der Akten). Die Beteiligten zu 2 und 3 werteten dies mit Schriftsätzen vom 02.09. bzw. 03.09.2024 als Antragsrücknahme.
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Das Arbeitsgericht stellte mit Beschluss vom 04.09.2024 das Verfahren wegen der Antragsrücknahme des Beteiligten zu 1 nach § 81 Abs. 2 Satz 2 ArbGG ein. Der Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrung, wonach innerhalb eines Monats ab Zustellung Beschwerde zum Landesarbeitsgericht eingelegt und innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung die Beschwerde begründet werden und von einem Rechtsanwalt oder sonst zur Vertretung vor dem Landesarbeitsgericht Berechtigten unterschrieben sein muss. Wegen des genauen Wortlauts wird auf Blatt 435 f der Akten Bezug genommen. Der Beschluss wurde den Verfahrensbevollmächtigten der Beteiligten zu 2 und 3 ausweislich der Empfangsbekenntnisse am 04.09.2024 zugestellt. Die Zustellung an den Beteiligten zu 1 erfolgte per Postzustellungsurkunde, die von der Mitarbeiterin der Filiale 126, Frau H., am Donnerstag, den 05.09.2024, entgegengenommen wurde (Blatt 438 der Akten). Nach nicht bestrittener Behauptung der Beteiligten zu 2 und 3 hat Frau H. den Beschluss am 05.09.2024 Herrn G. weitergegeben. Den Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten 1 wurde der Einstellungsbeschluss per beA am 09.09.2024 als Anhang eines anderen Verfahrens des Arbeitsgerichts Weiden, Az. 1 BV 3/22, zugeleitet (Blatt 21 der Beschwerdeakte).
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Am 11.09.2024 fasste Herr F. für den Beteiligten zu 1 den Beschluss, das vorliegende Verfahren 2 BV 5/24 fortzuführen und die Vertretung durch die Vertreter des Beteiligten zu 1 beizubehalten (Blatt 14 der Beschwerdeakte).
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Mit Schriftsatz vom 08.10.2024, beim Landesarbeitsgericht am selben Tage eingegangen, legten die Vertreter des Beteiligten zu 1 gegen den Beschluss vom 04.09.2024 Beschwerde ein.
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Mit Schreiben vom 06.11.2024 wies das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass der Beschluss vom 04.09.2024 dem Beteiligten zu 1 per Postzustellungsurkunde am 05.09.2024 zugestellt worden sei und die Beschwerdebegründungsfrist am 05.11.2024 abgelaufen sei.
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Mit Verfügung vom 13.11.2024 wies das Landesarbeitsgericht darauf hin, dass Einstellungsbeschlüsse nach §§ 81 Abs. 2, 83a Abs. 2 und 89 Abs. 4 Satz 1 ArbGG keine verfahrensbeenden Beschlüsse seien, zeigte Konsequenzen dieser Rechtsansicht auf (Blatt 15 f der Beschwerdeakte) und gab den Beteiligten Gelegenheit zur Stellungnahme.
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Der Beteiligte zu 1 ist der Auffassung, dass der Beschluss des Herrn G. vom 28.08.2024 unwirksam sei, da Herr F. trotz seines Urlaub an der Ausübung seines Betriebsratsamts nicht verhindert gewesen sei. Deshalb sei auch die Zustellung per Postzustellungsurkunde an eine Mitarbeiterin der Filiale, die auch keine entsprechende Vollmacht gehabt habe, unwirksam. Die Zustellung hätte zwingend an die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 erfolgen müssen.
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Die Beteiligten zu 2 und 3 halten den Beschluss des Herrn G. für wirksam, da Herr F. wegen seines Urlaubs verhindert gewesen sei. Die Zustellung per Postzustellungsurkunde sei wirksam. Den Beschluss habe Frau H. am 05.09.2024 an Herrn G. weitergegeben. Auch unter Berücksichtigung des Grundsatzes der Meistbegünstigung sei die Beschwerde wegen der Versäumung der Beschwerdefrist unzulässig.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die im Beschwerdeverfahren gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
17
Die Beschwerde ist zulässig, jedoch unbegründet.
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I. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist insbesondere in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt worden (§§ 83 Abs. 5, 78 Satz 1 ArbGG, 567 ff ZPO).
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1. Stellt das Arbeitsgericht ein Beschlussverfahren nach den §§ 81 Abs. 2 bzw. 83a Abs. 2 ArbGG wegen Antragsrücknahme bzw. übereinstimmender Erledigungserklärung ein, ist hiergegen die sofortige Beschwerde nach §§ 83 Abs. 5, 78 ArbGG das statthafte Rechtsmittel, nicht die Beschwerde nach § 87 ArbGG. Dies ist allerdings umstritten.
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a. Nach einer Ansicht sind Einstellungsbeschlüsse nach §§ 81 Abs. 2, 83a Abs. 2, aber auch nach § 89 Abs. 4 Satz 2 ArbGG bei Rücknahme der Beschwerde, keine verfahrensbeendenden Beschlüsse im Sinne von §§ 84 bzw. 91 ArbGG, sondern Beschlüsse im Sinne von §§ 83 Abs. 5 bzw. 90 Abs. 3 ArbGG. Sie haben lediglich deklaratorische Wirkung (LAG Nürnberg 20.08.2014 – 2 TaBV 5/14, BeckRS 2014, 71871; BVerwG 08.03.2010 – 6 PB 47/09, Rn 2 ff – juris; Hessisches LAG v. 24.1.1984 – 4 TaBV 82/83, NZA 1984, 269; LAG Hamm v. 26.5.1989 – 8 TaBV 34/89, DB 1989, 1578; LAG Hamm v. 21.9.1999 – 13 TaBV 53/99, NZA-RR 2000, 660 (661); Schwab/Weth/Weth, ArbGG, 6. Aufl. § 81 ArbGG, Rn 107 mwN und § 83 ArbGG Rn 121 f; GWBG/Greiner, 8. Aufl., 2014, § 81 ArbGG Rn 6f). Nach anderer Ansicht kommt diesen Einstellungsbeschlüssen konstitutive Bedeutung zu (ErfK/Koch, 25. Aufl., § 81 ArbGG Rn. 6; Schwab/Weth/Tiedemann, ArbGG, 6. Aufl., § 89 ArbGG, Rn. 69; BeckOK ArbR/Roloff, 74. Ed. 1.12.2024, ArbGG § 81 Rn. 42; GMP-Spinner, 10. Aufl. 2022, ArbGG § 81 Rn. 75; GK-ArbGG/Ahrendt, § 81 Rn. 128 ff allesamt unter Berufung auf LAG Rheinland-Pfalz vom 25.06.1982 – 6 TaBV 10/82). Auch das BAG stellt Beschlussverfahren nach Ende der Rechtshängigkeit durch förmlichen Beschluss ein, da die Vorschriften §§ 81 Abs. 2, 83a Abs. 2 ArbGG zu erkennen gäben, dass ein Beschlussverfahren mit dem Ende der Rechtshängigkeit eines Antrags nicht von selbst sein Ende finde, sondern es dazu der förmlichen Einstellung durch das Gericht bedürfe (z.B. BAG 10.3.2009 – 1 ABR 93/07, BeckRS 2009, 63536 Rn 51).
21
b. Die erkennende Kammer folgt der ersten Ansicht (so bereits LAG Nürnberg 20.08.2014 – 2 TaBV 5/14, BeckRS 2014, 71871). Die Einstellungsbeschlüsse sind keine verfahrensbeendenden Beschlüsse im Sinne der §§ 84 und 91 ArbGG.
22
Verfahrensbeendende Beschlüsse sind vielmehr nur die Beschlüsse gemäß §§ 84 bzw. 91 ArbGG, die dem Urteil im Urteilsverfahren entsprechen, die Beschlüsse über Anträge auf Erlass von einstweiligen Verfügungen gemäß § 85 Abs. 2 ArbGG und die Beschlüsse über die Besetzung von Einigungsstellen gemäß § 100 ArbGG. Die §§ 87, 92 ArbGG eröffnen die Rechtsmittel gegen im Beschlussverfahren ergangene Entscheidungen, die in ihrer Bedeutung Urteilen vergleichbar sind. Es sind dies diejenigen Beschlüsse, durch welche aufgrund materieller Erkenntnis über das Begehren des Antragstellers streitig entschieden wird. Darunter fallen die Einstellungsbeschlüsse nach §§ 81 Abs. 2, 83a Abs. 2 ArbGG und 89 Abs. 4 Satz 1 ArbGG nicht, mit denen bei Vorliegen einer Antragsrücknahme, einer Beschwerderücknahme oder bei Vorliegen oder Fingierung übereinstimmender Erledigungserklärungen ohne weitere Sachprüfung die vorgesehenen formellen Konsequenzen gezogen werden. Ihnen liegt keine materielle Prüfung zugrunde, auch nicht dahingehend, ob etwa ein erledigendes Ereignis tatsächlich eingetreten ist. Das Verfahren ist einzustellen, wenn Antragsrücknahme, Beschwerderücknahme oder die Erledigungserklärungen aller Beteiligten vorliegen oder die Zustimmung der sonstigen Beteiligten zur Erledigungserklärung des Antragstellers als erteilt gilt (BVerwG 08.03.2010 – 6 PB 47/09, Rn 5 – juris für den Einstellungsbeschluss bei übereinstimmender Erledigungserklärung).
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Hierfür spricht augenscheinlich, dass mit Ausnahme des besonders eiligen Einigungsstellenbesetzungsverfahrens nach § 100 ArbGG alle auf Grund materieller Erkenntnis ergehenden Beschlüsse durch die Kammer ergehen, während die Beschlüsse über die Einstellung des Verfahrens gemäß §§ 81 Abs. 2, 83 a Abs. 2 und 89 Abs. 4 Satz 2 ArbGG durch den Vorsitzenden allein erlassen werden. Schon dies stellt eine Parallele zu den meisten nach §§ 83 Abs. 5 bzw. 90 Abs. 3 ArbGG ergehenden sonstigen Beschlüssen dar.
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Außerdem erfolgt die Einstellung des Verfahrens in den Fällen der §§ 81 Abs. 2, 83 a Abs. 2 und 89 Abs. 4 Satz 2 ArbGG von Amts wegen. Mit dem Einstellungsbeschluss ist auch keine eigene Entscheidung des Gerichts verbunden, ihm kommt lediglich eine formal verfahrensbeendende Funktion zu. Inhaltlich wird der dem Beschlussverfahren zugrunde liegende Streit nicht entschieden. Im Gegenteil: Die Beteiligten wollen dies mit Antragsrücknahme, Erledigterklärung oder Beschwerderücknahme gerade vermeiden. Der Vorsitzende hat beim Einstellungsbeschluss keinerlei Spielraum.
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Es erscheint auch nicht sinnvoll, bei einer Beschwerde gegen den erstinstanzlichen Einstellungsbeschluss, der keinerlei Sachentscheidung enthält, den gesamten Streitstoff in die zweite Instanz zu hieven. Dies wäre bei der Anwendung auf Einstellungsbeschlüsse nach §§ 81 Abs. 2 und 83a Abs. 2 ArbGG insbesondere im Verhältnis von erster und zweiter Instanz unangemessen, weil dem Beschwerdegericht die Zurückverweisung versagt ist (§ 91 Abs. 1 Satz 2 ArbGG). Ein Rechtsmittel gegen einen Beschluss nach § 81 Abs. 2 Satz 2 oder § 83a Abs. 2 ArbGG wird sich vernünftigerweise dagegen wenden, dass das Gericht eingestellt hat, obschon eine Antragsrücknahme oder die erforderlichen Erledigungserklärungen nicht vorliegen bzw. nicht als abgegeben gelten. Darauf ist das Beschwerdeverfahren nach §§ 78, 83 Abs. 5 ArbGG zugeschnitten: Das Landesarbeitsgericht hebt den erstinstanzlichen Beschluss auf und ordnet den Fortgang des Verfahrens vor dem Arbeitsgericht an (BVerwG 08.03.2010 – 6 PB 47/09, Rn 6 – juris). Hebt das Landesarbeitsgericht den Einstellungsbeschluss nicht auf, steht der Fortsetzung des (erstinstanzlichen) Verfahrens zwar ein Verfahrenshindernis entgegen. Der Antragsteller ist – wie bei der wirksamen Antragsrücknahme – materiellrechtlich aber nicht gehindert, ein neues Verfahren vor dem Arbeitsgericht einzuleiten, soweit nicht einzuhaltende Fristen versäumt sind.
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Auch die Tatsache, dass der Einstellungsbeschluss den Beteiligten nicht förmlich zugestellt werden muss, sondern ihnen gemäß §§ 81 Abs. 2 Satz 3, 83a Abs. 2 Satz 2 und 89 Abs. 4 Satz 3 ArbGG nur zur Kenntnis zu geben ist, zeigt, dass der Einstellungsbeschluss kein das Verfahren beendender Beschluss ist, der nur innerhalb einer durch förmliche Zustellung in Gang gesetzten Frist nach §§ 87Abs. 2, 66 Abs. 1 bzw. 92 Abs. 2, 74 Abs. 1 ArbGG angefochten werden kann. Ansonsten wären die §§ 81 Abs. 2 Satz 3, 83a Abs. 2 Satz 2 und 89 Abs. 4 Satz 3 ArbGG überflüssig. Wird der Einstellungsbeschluss allerdings förmlich zugestellt, sind die Rechtsmittelfristen zu beachten.
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2. Die Anwendung der Regelungen über die Beschwerde nach §§ 78, 83 Abs. 5 ArbGG iVm §§ 567 ff ZPO führt im vorliegenden Fall zur Zulässigkeit der Beschwerde des Beteiligten zu 1. Insbesondere ist die Beschwerde fristgemäß erfolgt.
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a. Nach §§ 85 Abs. 5, 78 Satz 2 ArbGG iVm § 569 Abs. 1 ZPO ist die sofortige Beschwerde binnen einer Notfrist von zwei Wochen bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, oder bei dem Beschwerdegericht einzulegen. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung, spätestens mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung zu laufen (§ 569 Abs. 1 Satz 2 ZPO). Auf nicht zu verkündende Beschlüsse ist diese Regelung entsprechend anzuwenden (BAG 30.08.1993 – 2 AZB 6/93 Rn 15 juris; Zöller/Feskorn, ZPO 35. Aufl., § 569 ZPO Rn 4 mwN).
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b. Es kann dahingestellt bleiben, ob der Einstellungsbeschloss dem Beteiligten zu 1 wirksam am 05.09.2024 durch Postzustellungsurkunde zugestellt wurde. Denn am Tag der Einlegung der Beschwerde (08.10.2024) war die Frist zur Einlegung der Beschwerde gem. § 9 Abs. 5 ArbGG nicht abgelaufen.
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aa. Nach § 9 Abs. 5 Satz 1 ArbGG enthalten alle mit einem Rechtsmittel anfechtbaren Entscheidungen eine Belehrung über das Rechtsmittel. Nach § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG beginnt die Frist für ein Rechtsmittel nur, wenn die Partei oder der Beteiligte über das Rechtsmittel und das Gericht, bei dem das Rechtsmittel einzulegen ist, die Anschrift des Gerichts und die einzuhaltende Frist und Form schriftlich belehrt worden ist. Eine teilweise fehlerhafte Rechtsmittelbelehrungmacht die Rechtsmittelbelehrungnur für die Partei im ganzen unwirksam, die durch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrungbeschwert ist; und setzt die Rechtsmittelfrist nicht in Gang (BAG 22.08.2017 – 10 AZB 46/17 Rn 6 juris).
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bb. Das Arbeitsgericht hat die Beteiligten im angegriffenen Beschluss über das Rechtsmittel der Beschwerde nach § 87 ArbGG belehrt, also u.a. darüber, dass sie innerhalb eines Monats ab Zustellung Beschwerde beim Landesarbeitsgericht einlegen können und diese von einem bei einem deutschen Gericht zugelassenen Rechtsanwalt (oder anderen im Einzelnen genannten zur Vertretung vor dem Landesarbeitsgericht befugten Person) unterzeichnet sein müsse. Es ist zwar richtig, dass dann, wenn eine längere als die gesetzlich vorgeschriebene Frist (hier 2 Wochen) angegeben ist, die Rechtsmittelfrist „jedenfalls nicht vor dem angegebenen Zeitpunkt abläuft“ (BAG 23.11.1994 – 4 AZR 743/93) und mangels Beschwer allein dadurch nicht die gesamte Rechtsmittelbelehrungunwirksam wird (Schwab/Weth/Weth, ArbGG 6. Aufl., § 9 ArbGG Rn. 29 mit weiteren Nachweisen auch zur Gegenansicht). Im vorliegenden Fall ist die Rechtsmittelbelehrungim Hinblick auf das richtigerweise gegebene Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde jedoch noch in weiterer Hinsicht falsch. So ist nicht darauf hingewiesen, dass die sofortige Beschwerde auch beim Ausgangsgericht eingelegt werden kann. Darüber hinaus kann die sofortige Beschwerde auch von den Beteiligten selbst eingelegt werden, ein Vertretungszwang im Sinne von § 11 Abs. 4 ArbGG besteht vor dem Landesarbeitsgericht auch insoweit nicht, da die Beschwerde auch zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt werden kann und der Rechtsstreit vor dem Arbeitsgericht nicht als Anwaltsprozess zu führen ist (§§ 83 Abs. 5, 78 S. 1 ArbGG, 569 Abs. 3 ZPO, 11 Abs. 1 S. 1 ArbGG).
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3. Der Beteiligte zu 1 ist durch den Einstellungsbeschluss beschwert. Er macht geltend, dass eine wirksame Antragsrücknahme durch Herrn G. nicht vorliegt und das Verfahren daher fortzuführen wäre.
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4. Sonstige Gründe, warum die Beschwerde nicht zulässig sein sollte, sind nicht erkennbar.
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II. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Verfahren war einzustellen, da Herr G. als Ersatzmitglied der Betriebsrats während des Urlaubs des Herrn F. in der Zeit ab 26.08.2024 an dessen Stelle getreten ist (§ 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG) und, da der Beteiligte zu 1 nur aus einem Betriebsratsmitglied besteht, auch Beschlüsse fassen konnte.
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1. Nach § 25 Abs. 1 Satz 1 BetrVG rückt ein Ersatzmitglied in den Betriebsrat nach, sofern ein ordentliches Mitglied aus diesem ausscheidet. Das gilt nach § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG entsprechend für die Dauer der Stellvertretung eines zeitweilig verhinderten ordentlichen Mitglieds. Eine zeitweilige Verhinderung in diesem Sinne liegt vor, wenn ein Betriebsratsmitglied aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht in der Lage ist, sein Amt auszuüben (BAG 27.09.2012 – 2 AZR 955/11 Rn 19 mwN). Diese Voraussetzung ist während des Erholungsurlaubs eines Betriebsratsmitglieds jedenfalls dann erfüllt, wenn es nicht zuvor seine Bereitschaft angezeigt hat, trotz des Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung zu stehen. Dem Betriebsratsmitglied wird zwar aufgrund des Erholungsurlaubs die Verrichtung seiner Amtspflichten nicht ohne Weiteres objektiv unmöglich, grundsätzlich aber unzumutbar. Das beurlaubte Betriebsratsmitglied gilt zumindest so lange als zeitweilig verhindert, bis es seine Bereitschaft, gleichwohl Betriebsratstätigkeiten zu verrichten, positiv anzeigt (BAG 27.09.2012 – 2 AZR 955/11 Rn 19 mwN). Zwar handelt es sich bei der Erfüllung von Betriebsratsaufgaben um die Wahrnehmung eines Ehrenamts (§ 37 Abs. 1 BetrVG) und nicht um eine dem Urlaubszweck entgegenstehende Erwerbstätigkeit iSv. § 8 BUrlG. Es widerspräche aber dem auf Erholung ausgerichteten Sinn der Befreiung von der Arbeitspflicht, nicht zugleich von der Betriebsratstätigkeit befreit zu sein. Die Wahrnehmung des Betriebsratsamts während des Urlaubs ist dem Betriebsratsmitglied deshalb, auch wenn sie objektiv möglich sein sollte, typischerweise unzumutbar.
36
2. Herr G. ist nach diesen Grundsätzen ab 26.08.2024 in den Betriebsrat nachgerückt. Herr F. hat sich ab 26.08.2024 im genehmigten Erholungsurlaub befunden. Er hat unstreitig nicht angezeigt – weder dem Ersatzmitglied noch den Beteiligten zu 2 oder 3 – dass er trotz des Urlaubs für Betriebsratstätigkeiten zur Verfügung steht. Der Beteiligte zu 1 beruft sich zwar darauf, dass er auch in der Vergangenheit im Urlaub Betriebsratstätigkeiten wahrgenommen habe. Dies ist jedoch nicht ausreichend. Wenn ein Betriebsratsmitglied während des Urlaubs als Betriebsratsmitglied zur Verfügung stehen will, muss das für alle Beteiligten klar erkennbar sein. Dies erfordern Gründe der Praktikabilität und Rechtssicherheit. Hinge die Beurteilung, ob einem Betriebsratsmitglied während des Urlaubs eine Betriebsratstätigkeit persönlich zumutbar ist oder nicht, von den Umständen des Einzelfalls ab, würde dies die Feststellung einer Verhinderung erheblich erschweren. Dies wiederum würde zum einen die Funktionsfähigkeit des Betriebsrats beeinträchtigen. Zum anderen wären Betriebsratsbeschlüsse, die in Abwesenheit eines beurlaubten Betriebsratsmitglieds gefasst werden, mit einem nicht unerheblichen Risiko der Unwirksamkeit behaftet. Eine Einzelfallbetrachtung liefe zudem darauf hinaus, Umstände zu erforschen, die der privaten Urlaubsgestaltung und damit dem engsten persönlichen Lebensbereich des Betriebsratsmitglieds zuzuordnen sind. Es bedarf deshalb einfacher, klarer Kriterien für die Feststellung einer zeitweiligen Verhinderung. Diesem Verlangen der Rechtssicherheit ist am ehesten Genüge getan, wenn die Urlaubsgewährung grundsätzlich zur Verhinderung des Betriebsratsmitglieds führt, es sei denn, dieses hätte seine Bereitschaft zur Betriebsratstätigkeit positiv, ggf. konkludent angezeigt. Solange eine solche – positive – Anzeige nicht vorliegt, ist das beurlaubte Betriebsratsmitglied iSv. § 25 Abs. 1 Satz 2 BetrVG als verhindert anzusehen (BAG 08.09.2011 – 2 AZR 388/11 Rn 32).
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3. Der Beschluss des Beteiligten zu 1 vom 28.08.2024 ist wirksam. Herr G. hat am 28.08.2024 (wohl einem Wunsch der Belegschaft der Filiale folgend) den Beschluss gefasst, das Verfahren vollumfänglich zu beenden und den Vertretern des Beteiligten zu 1 das Mandat zu entziehen (Blatt 424 der Akten). Im Hinblick darauf, dass er am 26.08.2024 in den Betriebsrat nachgerückt war und der Betriebsrat nur aus einem Mitglied bestand, sind die Voraussetzungen für einen wirksamen Beschluss gegeben (§§ 30, 33 BetrVG). Betriebsratssitzungen im eigentlichen Sinne finden bei einem aus einem Mitglied bestehenden Betriebsrat nicht statt (Fitting BetrVG 32. Aufl. § 9 BetrVG Rn 40).
38
4. Der Beteiligte zu 1 hat den Antrag im Verfahren 2 BV 5/24 durch Übersendung dieses im Original unterschriebenen Beschlusses an das Arbeitsgericht zurückgenommen.
39
a. Nach § 81 Abs. 1 ArbGG ist der Antrag auf Einleitung eines Beschlussverfahrens beim Arbeitsgericht schriftlich einzureichen oder bei seiner Geschäftsstelle mündlich zu Protokoll anzubringen. Nach § 81 Abs. 2 Satz 1 ArbGG kann der Antrag jederzeit in derselben Form zurückgenommen werden. Dies bedeutet, dass der Antragsteller wählen kann, ob er die Rücknahme schriftlich oder zu Protokoll der Geschäftsstelle erklärt oder die Rücknahme in der mündlichen Verhandlung zu Protokoll des Gerichts erklärt (Schwab/Weth, ArbGG 6.Aufl., § 81 ArbGG Rn 105).
40
b. Im vorliegenden Fall hat der Beteiligte zu 1 durch Einreichung des von Herrn G. im Original unterschriebenen Beschlusses vom 28.08.2024 den Antrag schriftlich zurückgenommen. Eine Vertretung durch die Verfahrensbevollmächtigten des Beteiligten zu 1 war hierzu nicht notwendig. Zum einen hat der Beteiligte zu 1 im genannten Beschluss auch den Verfahrensbevollmächtigten das Mandat entzogen. Zum anderen besteht vor dem Arbeitsgericht kein Vertretungszwang (§ 11 Abs. 1 S. 1 ArbGG).
41
I. Das Landesarbeitsgericht hatte über die sofortige Beschwerde ohne Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter zu entscheiden (§§ 83 Abs. 5, 78 S. 3 ArbGG). Die Entscheidung konnte ohne mündlichen Anhörung ergehen (§§ 83 Abs. 5, 78 S. 1 iVm §§ 572 Abs. 4, 128 Abs. 4 ZPO). Im Hinblick auf die grundsätzliche Bedeutung hat das Landesarbeitsgericht davon Abstand genommen, die Sache an das Arbeitsgericht zur Durchführung des Abhilfeverfahren zurückzuverweisen.
42
II. Eine Kostenentscheidung war im Hinblick auf § 2 Abs. 2 GKG nicht zu treffen.
43
III. Die Rechtsbeschwerde war wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen. Es ist vom Bundesarbeitsgericht nicht abschließend geklärt, ob Einstellungsbeschlüsse nach §§ 81 Abs. 2 S. 2, 83a Abs. 2 S. 1 und auch 89 Abs. 4 S. 2 ArbGG verfahrensbeendende Beschlüsse sind und welche Rechtsmittel jeweils statthaft sind.