Inhalt

VG Bayreuth, Urteil v. 13.05.2025 – B 5 K 24.213
Titel:

Rücknahme der Ernennung eines Beamten auf Probe wegen arglistiger Täuschung über Krankheitsdaten

Normenketten:
BBG § 14 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 3 S. 1, § 34 Abs. 1 Nr. 2
VwGO § 113 Abs. 1 S. 1
VwVfG § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2
Leitsätze:
1. Die im Beamtenrecht geregelte Ausschlussfrist für die Rücknahme der Ernennung als Beamter auf Probe beginnt von dem Zeitpunkt an zu laufen, an dem die oberste Dienstbehörde von der Ernennung und dem Rücknahmegrund Kenntnis erlangt hat; maßgebend ist nur die Kenntnis der obersten Dienstbehörde, nicht die der Ernennungsbehörde und innerhalb der obersten Dienstbehörde nur die Kenntnis des entscheidungsbefugten Bediensteten. (Rn. 44) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Rücknahme wegen arglistiger Täuschung muss die oberste Dienstbehörde sichere Kenntnis von der Täuschungshandlung in objektiver und subjektiver Hinsicht erlangt haben, wobei die oberste Dienstbehörde den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten kann, um sich so die erforderliche sichere Kenntnis zu verschaffen; die Sechs-Monats-Frist wird nicht in Lauf gesetzt, wenn die Dienstbehörde zwecks zuverlässiger Feststellung des gesamten Sachverhalts und Nachgehen der Einwendungen des betroffenen Beamten zunächst weitere Ermittlungen anstellt. (Rn. 45) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, um diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. (Rn. 49) (redaktioneller Leitsatz)
4. Unvollständige Angaben im Anamnesebogen über eine rezidivierende Sinusitis, häufige Atemwegsinfekte, Migräne mit Aura, die insgesamt zu 163 Tagen Dienstunfähigkeit führten, können als arglistige Täuschung zur Erlangung der Ernennungsurkunde auf Probe gewertet werden. (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Rücknahme der Ernennung zur Beamtin auf Probe, Arglistige Täuschung durch Verschweigen von Erkrankungen und behandelnden Ärzten, Kausalität der Täuschung bei der Eingangsuntersuchung für die spätere Ernennung zur, Beamtin auf Probe, Beamter auf Probe, Ernennung, Erkrankung, Bewerber, Lebenszeit, Polizeivollzugsdienst, Anfechtungsklage, arglistige Täuschung, Ernennung auf Probe, Gesundheitsangaben, Kausalität der Täuschung, Rücknahmebescheid
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20370

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.  

Tatbestand

1
Die am … geborene Klägerin wendet sich gegen die Rücknahme ihrer Ernennung zur Polizeimeisterin auf Probe.
2
Im Rahmen der polizeiärztlichen Eignungsuntersuchung zur Beurteilung der Polizeidienstfähigkeit am 30.03.2017 erklärte die Klägerin im Anamnesebogen, dass sie bereit sei, dem untersuchenden Arzt alle Umstände zu offenbaren, die für die Beurteilung ihres Gesundheitszustandes bedeutsam sein könnten. Sie nehme zur Kenntnis, dass das Verschweigen bestehender Beschwerden und früherer Krankheiten die Entlassung aus dem Polizeivollzugsdienst nach sich ziehen könne. Die sodann folgenden Fragen (Nrn. 1.2.-1.2.16), ob sie an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden gelitten habe oder leide, verneinte die Klägerin jeweils. Nur zum Punkt „Wirbelsäule, Knochen und Gelenke“ (Nr. 1.2.9) ist „Bei der Geburt Schlüsselbeinbruch“ vermerkt. Bei der Frage (Nr. 1.10), durch welche Ärzte – außer den bereits angegebenen – die Klägerin in den letzten fünf Jahren behandelt worden sei, sind ausschließlich genannt „Hausarzt Dr. … in …“ sowie „Frauenarzt Frau Dr. … in …“; zuvor war allein bei Frage 1.8.1 ein Zahnarzt angegeben. Die Eingangsuntersuchung ergab, dass die Klägerin polizeidiensttauglich ist.
3
In dem auf 31.08.2017 datierten und von der Klägerin unterschiebenen Anamnesebogen wurde nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden gefragt, die nach der Eingangsuntersuchung bestanden; diese Fragen verneinte die Klägerin allesamt.
4
Die Klägerin wurde nach erfolgreich absolviertem Einstellungs- und Auswahlverfahren (EAV) am 01.09.2017 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf zur Polizeimeisteranwärterin ernannt.
5
Nach erfolgreichem Absolvieren der Laufbahnausbildung wurde die Klägerin am …2020 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Polizeimeisterin ernannt. Sodann wurde die Klägerin zunächst als Kontroll- und Streifenbeamtin am Flughafen … eingesetzt. Seit …2022 ist sie als Lehrkraft bei der Bundespolizeiakademie tätig. Seit 2022 ist sie in dieser Funktion beim Bundespolizeiaus- und -fortbildungszentrum … (BPOLAFZ **) im Wege der Abordnung eingesetzt.
6
Anlässlich der Beurteilung der Gesundheit der Klägerin zwecks ihrer späteren Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit sind in dem auf 16.11.2022 datierten, von der Klägerin unterschriebenen Anamnesebogen die Fragen (Nrn. 1.2.-1.2.16), ob sie an Krankheiten, Störungen oder Beschwerden gelitten habe oder leide, allesamt verneint.
7
Nach Mitteilung der Bundespolizeidirektion … vom 11.11.2022 fiel die Klägerin während ihrer Probezeit durch viele Krankheitstage auf. So sei sie im Zeitraum vom 24.07.2020 bis 26.10.2022 an 53 Arbeitstagen krank gewesen, die sich auf 27 einzelne Zeiträume verteilen würden, während die anderen mit ihr zur Ernennung auf Lebenszeit anstehenden Beamten lediglich neun bzw. 13 Krankheitstage gehabt hätten. Vor der Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit wurde die Klägerin sodann am 01.02.2023 vom Sozialmedizinischen Dienst der Bundespolizei in …, LtdMedD …, untersucht.
8
Mit Bescheid vom 09.02.2023 verlängerte die Beklagte die Probezeit der Klägerin um ein Jahr bis zum 25.02.2024, nachdem der polizeiärztliche Dienst die Beurteilung der Klägerin ausgesetzt und eine Nachuntersuchung in zwölf Monaten verfügt hatte.
9
Unter dem 13.02.2023 fertigte LtdMedD … auf Grundlage der Untersuchung vom 01.02.2023 ein elfseitiges sozialmedizinisches Gutachten. Zusammenfassend heißt es darin:
„Die zuletzt diagnostizierte Toxoplasmose ist ebenso, wie das FNH kein Ausschlusskriterium für die weitere Tätigkeit in der Bundespolizei.
Frau … hat jedoch im Rahmen der EAV, ebenso wie zur Einstellung, weder die unklare Transaminasenerhöhung, diagnostiziert November 2015, genauso wie die Juni 2016 diagnostizierte Migräne mit Aura, die bereits seit der Pubertät bestand, als auch die am 30.01.2017 somit 2 Monate vor EAV diagnostizierte rezidivierende Sinusitis aufgeführt.
Im Anamnesebogen vom 30.03.2017 werden neben der Hausärztin und der Frauenärztin keine weiteren Ärzte angegeben bei der sie behandelt wurde.
Auffällig ist bei der nun zugesendeten Krankenkarte von Frau Dr. …, die hohe Krankentagezahl der ehemaligen Bewerberin, insbesondere mit den Diagnosen Migräne, depressive Episode, Cervicalneuralgie, die neben der immer wieder vorhandenen Erkrankung der Atemwege zu nicht unwesentlichen Krankenfehlzeiten führten.
Aktuell ist unklar, ob die seinerzeit verschwiegene und jetzt angeblich nicht mehr zu Beschwerden führende Migräne die Krankenfehltage während der Probezeit im Rahmen der Kulanzzeiten begründen.
Die dauerhaft erhöhte GGT im Verbund mit immer wieder erhöhten anderen Leberwerten wurde nie konsequent abgeklärt und auch im Rahmen der EAV nicht angegeben.
Vor dem Hintergrund der fehlenden Krankheitsangaben und der Aussage der Beamtin, dass sie den Anamnesebogen mithilfe der Hausärztin ausgefüllt hätte, kann davon ausgegangen werden, dass Frau … auf die Nennung der Krankenfehltage begründenden Diagnosen verzichtet hat, um ihre Einstellung bei der Bundespolizei nicht zu gefährden. Meiner Ansicht nach ist dies als arglistige Täuschung zu sehen.“
10
Die Bundespolizeidirektion … wandte sich daraufhin mit Schreiben vom 11.05.2023 an das Bundespolizeipräsidium und bat um Rücknahme der Ernennung.
11
Mit Schreiben vom 09.08.2023, der Klägerin ausgehändigt am 11.08.2023, hat das Bundespolizeipräsidium die Klägerin davon unterrichtet, dass es die Rücknahme ihrer Ernennung zur Beamtin auf Probe wegen arglistiger Täuschung beabsichtige, und ihr Gelegenheit zur Äußerung bis zum 24.08.2023 gegeben. Im Rahmen ihres EAV am 30.03.2017 habe sie keine Angaben zu ihren Erkrankungen im Anamnesebogen gemacht. Weder habe sie die unklare Transaminasenerhöhung, diagnostiziert im November 2015, noch die im Juni 2016 diagnostizierte Migräne mit Aura und auch nicht die rezidivierende Sinusitis aufgeführt. Gemäß § 14 Abs. 1 Nr. 1 des Bundesbeamtengesetzes (BBG) sei die Ernennung mit Wirkung auch für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt worden sei.
12
Der Bevollmächtigte der Klägerin erwiderte unter dem 06.09.2023, dass von der Klägerin medizinische Wertungen verlangt würden. Die Beklagte werte ohne medizinischen Sachverstand und behaupte, es habe „eine Erkrankung“ bei der Klägerin vorgelegen, ohne diese zu substantiieren.
13
Der Sozialmedizinische Dienst …, LtdMedD …, nahm gegenüber der Bundespolizeidirektion … mit Schreiben vom 16.10.2023 wie folgt Stellung: Im Rahmen der Untersuchung vor Lebzeitverbeamtung habe die Klägerin in der Anamneseerhebung ausgeführt, dass sie den Anamnesebogen mithilfe der Hausärztin ausgefüllt habe, sodass zumindest im Rahmen der Untersuchung vor Lebzeitverbeamtung entsprechende Diagnosen hätten erwähnt werden können. Von Bewerbern bzw. Beamten werde keine Diagnose per se verlangt, jedoch sei vor einer Krankschreibung bzw. bei vorhandenen Befunden ein Aufsuchen des Arztes durch den Beamten erfolgt. Es bestehe im allgemeinen ein Leidensdruck, der den Patienten zum Arzt führe. Zumindest den Grund des Arztbesuches könne der Bewerber/Beamte angeben. Bei den hohen Arbeitsunfähigkeitszeiten der Klägerin von 191 Tagen im 1. Quartal 2015 bis 2. Quartal 2017 sei davon auszugehen, dass sich die Klägerin an diese Erkrankungen auch noch erinnern müsse – wenn nicht an jede einzelne, so doch an die Hauptprobleme. Ob dies von der Beamtin als Migräne bezeichnet werde, als Cervicalneuralgie oder einfach als Kopfschmerz sei dabei irrelevant und auch eine depressive Episode sei durchaus als Allgemeinwortschatz, zum Beispiel als Depression, vorhanden.
14
Mit Bescheid vom 14.11.2023 nahm das Bundespolizeipräsidium die Ernennung der Klägerin zur Polizeimeisterin auf Probe zum 26.02.2020 zurück. Die Rücknahme der beamtenrechtlichen Ernennung werde mit Ablauf des Tages der Zustellung dieser Verfügung wirksam. Ein Sofortvollzug wurde nicht angeordnet. Begründet wurde die Entscheidung vor allem damit, dass von einer arglistigen Täuschung angesichts des von der Klägerin wahrheitswidrig unterschriebenen Selbstauskunftsbogens auszugehen sei. Die Klägerin habe im Rahmen der Eingangsuntersuchung am 30.03.2017 weder Angaben zu der unklaren Transaminasenerhöhung, diagnostiziert im November 2015, noch zu der im Juni 2016 diagnostizierte Migräne mit Aura, die bereits in der Pubertät bestanden habe, noch zu der am 30.01.2017 diagnostizierten rezidivierende Sinusitis gemacht. Es werde zwar von Bewerbern/Beamten keine Diagnose per se verlangt, aber bei der Klägerin sei ein Befund seitens eines Arztes erfolgt. Zumindest kann also von ihr erwartet werden, den Grund des Arztbesuches und den daraus folgenden Befund anzugeben. Die Ernennungsbehörde hätte bei Kenntnis dieser Erkrankungen von der Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Probe Abstand genommen. Die Klägerin wäre damals schon im EAV nicht für den Polizeivollzugsdienst gesundheitlich geeignet gewesen.
15
Der Bevollmächtigte der Klägerin legte mit Schreiben vom 24.1.2023 Widerspruch gegen den Bescheid vom 14.11.2023 ein und begründete diesen u.a. damit, dass bereits die Sachverhaltsfeststellungen defizitär seien. Der Bescheid unterliege in seiner Argumentationsführung einem logischen Bruch, da es symptomlose Krankheiten ebenso wie Erkrankungen gebe, die sich auf die Dienstfähigkeit nicht auswirken würden.
16
Mit Widerspruchsbescheid vom 04.03.2024, der den Bevollmächtigten der Klägerin ausweislich der Postzustellungsurkunde am 07.03.2024 zugestellt wurde, wies das Bundespolizeipräsidium den Widerspruch zurück.
17
Mit Schreiben vom 15.03.2024, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Bayreuth eingegangen am 17.03.2024, ließ die Klägerin Klage erheben und beantragen,
1.
Der Bescheid vom 14.11.2023 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 04.03.2024 wird aufgehoben.
2.
Die Hinzuziehung der Prozessbevollmächtigten der Klägerin im Widerspruchsverfahren wird für notwendig erklärt.
18
Zur Begründung ließ die Klägerin ausführen: Der Gerichtsstand sei Bayreuth, denn mit Verfügung vom 26.07.2023 sei die Abordnung der Klägerin zum BPOLAFZ …, wie sie mit Verfügung vom 20.07.2022 erfolgt sei, bis zum 31.12.2024 verlängert worden.
19
Die Anhörung der Klägerin sei nicht ordnungsgemäß erfolgt. Die Beklagte vermische im Anhörungsschreiben schon Tatsachen, medizinische Tatsachen, medizinische Wertungen und Rechtsausführungen. Das Anhörungsschreiben unterstelle ohne Aufklärung in der Sache als bei der Klägerin bestehende Erkrankungen eine Transaminasenerhöhung, eine Migräne mit Aura und eine rezidivierende Sinusitis. Medizinische Feststellungen für diese Diagnose fänden nicht statt, sie würden vielmehr schlicht abgeschrieben. Die Zeitpunkte wie Zeitdauern der behaupteten Erkrankungen würden gleichfalls nicht festgestellt. Die Beklagte selbst gehe davon aus, dass der medizinische Sachverhalt noch weiterer Aufklärung bedürfe. Es bleibe mangels getroffener relevanter Feststellungen unklar, ob die Beklagte von einer Täuschung durch aktives Tun oder durch Unterlassen ausgehe. Auch werde nicht klar, zu welchem Zeitpunkt die Täuschung erfolgt sei.
20
Die Beklagte habe ein solches Anhörungsverfahren schon nicht einleiten dürfen, zumindest aber sogleich wiedereinstellen müssen. Mit Bescheid vom 09.02.2023 habe die Beklagte die Probezeit verlängert und damit eine laufbahnrechtliche Maßnahme getroffen, weil die gesundheitliche Eignung der Klägerin „noch nicht bestätigt“ worden sei. Damit vermöge jeder Sachverhalt vor dem Zeitpunkt des Zugangs dieses Bescheids schon nicht kausal zu einer Täuschung der Beklagten geführt haben. In dem am 13.02.2023 erstellten sozialmedizinischen Gutachten würden zudem „nun zugesendete Krankenkarten von Frau Dr. …“ ausgewertet, die sich nicht in der Akte befänden.
21
Einzuwenden sei ferner, dass sich der Widerspruchsbescheid nicht mit der Widerspruchsbegründung der Klägerin auseinandersetze. Die Beklagte führe zudem die Akten nicht ordnungsgemäß.
22
Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 09.07.2024,
die Klage abzuweisen.
23
Zur Begründung wurde insbesondere vorgebracht, die Klägerin habe in ihrer Erklärung vom 30.03.2017 die Frage (Ziff. 1.2.5), ob sie an häufigen Kopfschmerzen leide oder gelitten habe trotz der Tatsache, dass bei ihr eine Migräne mit Aura seit ihrer Pubertät diagnostiziert worden sei, mit „nein“ beantwortet. Die Frage 1.2.2 nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden der Atmungsorgane habe sie ungeachtet einer am 30.01.2017 diagnostizierten chronisch rezidivierenden Sinusitis ebenfalls wahrheitswidrig verneint. Dies habe sie im Gesundheitsfragebogen vom 31.08.2017 wiederholt. Bei der Frage 1.10, durch welche Ärzte sie innerhalb der letzten fünf Jahre behandelt worden sei, habe sie ihren Hausarzt und ihre Frauenärztin angegeben, aber die Ärzte, welche die kritischen Diagnosen zur Transaminasenerhöhung (Dr. …Dr. …*), zur Migräne mit Aura (Dr. med. …*) sowie zur rezidivierenden Sinusitis (Gemeinschaftspraxis für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde in …*) verschwiegen.
24
Die Angaben habe die Klägerin anlässlich ihrer Befragung zu ihrem Gesundheitszustand vor Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe im Anamnesebogen vom 16.11.2022 nicht korrigiert, sondern lediglich Untersuchungen angeben, die nach ihrer Berufung in das Beamtenverhältnis auf Widerruf durchgeführt worden seien und die der Beklagten aufgrund der Gewährung von Heilfürsorge ohnehin bekannt gewesen seien.
25
Wenn die Klägerin beanstande, die Diagnosen seien „abgeschrieben“, insinuiere sie, die Diagnosen der sie behandelnden Ärzte seien falsch. Warum das so sein solle, werde von der Klägerin indes nicht erörtert.
26
Die Beklagte gehe, entgegen der klägerischen Behauptung, nicht davon aus, dass der medizinische Sachverhalt weiterer Aufklärung bedürfe. Woher die Klägerin diesen Schluss ziehe, bleibe unklar. Die Klägerin übersehe, dass die Rücknahme nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG nicht erfordere, dass die gesundheitliche Nichteignung zweifelsfrei feststehe, sondern lediglich, dass hinreichende Tatsachen dafür vorlägen, dass die Klägerin über ihren Gesundheitszustand arglistig getäuscht habe.
27
Mit Schriftsatz vom 18.12.2024 lässt die Klägerin ihre bisherigen Ausführungen wiederholen und im Wesentlichen ergänzend Folgendes vortragen:
28
Die Beklagte nehme nicht die von gesundheitlichen Störungen freie Dienstzeit der Klägerin und damit zugleich das „Überholtsein“ der vermeintlichen Feststellungen zur gesundheitlichen Lage der Klägerin bei Einstellung in den Blick.
29
Der Gesundheitsfragebogen sei rechtlich mangelhaft; er durchmische medizinische Wertungen im Hinblick auf Erkrankungen mit medizinischen Symptomen und nicht zuletzt ärztliche Feststellungen von Erkrankungen oder Symptomen. Die Richtigkeit der privatärztlichen Feststellungen (Anamnesen, Diagnosen, Therapieempfehlungen) werde nicht geprüft, solange diese die Tatbestandsvoraussetzungen erfüllten.
30
Die Wertung, die Klägerin habe „sowohl anlässlich der Befragung im Eignungsauswahlverfahren als auch vor Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe unvollständige bzw. unzutreffende Angaben zu ihrem Gesundheitszustand gemacht und ihr bekannte Diagnosen und ärztliche Behandlungen verschwiegen“, sei eine bloße Rechtsbehauptung, die schon nicht durch Tatsachen aufgelöst werde. Der Gesundheitsfragebogen differenziere nicht nach „bekannten Diagnosen und ärztlichen Behandlungen“. Um etwas zu verschweigen, bedürfe es der Darstellung einer entsprechenden Rechtspflicht zum Handeln. Die Klägerin sei nach Diagnosen ihrer Privatärzte gar nicht gefragt worden.
31
Es sei schlicht unzutreffend, dass die Klägerin unter Nummer 1.2.5 ihrer Erklärung vom 30.03.2017 wahrheitswidrige Angaben gemacht habe, die rücknahmerelevant i.S.d. des § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG seien. Der Beklagtenvortrag lasse nicht erkennen, warum die Frage objektiv falsch beantwortet und darüber hinaus subjektiv von der Klägerin die Unwahrheit gesagt worden sein solle. Die Beklagte habe nie festgestellt, ob die der Klägerin von Privatärzten vor Jahren gestellten Anamnesen, Diagnosen und Therapievorschläge tatsächlich richtig gewesen seien. Die Begrifflichkeit des „Kopfschmerzes“ sei schon völlig diffus. Gleiches gelte für die „chronisch rezidivierende Sinusitis“. Hinsichtlich der angeblich „kritischen Diagnose zur Transaminasenerhörung“ sei schon nicht festgestellt worden, was hier pathogen sein solle. Ferner sei wie bei sämtlichen, vermeintlich hier relevanten Krankheiten nicht festgestellt worden, dass diese symptomlos geblieben seien und damit die Klägerin keinerlei Veranlassung gehabt habe, ins Blaue hinein Krankheiten mitzuteilen.
32
Es sei unklar, warum die Beklagte ihre Kenntnisse aus den im Rahmen der Heilfürsorge bekannten Arztbehandlungen nicht darstelle. Die Klägerin könne nicht auf „Aufzeichnungen“ der sie behandelnden Ärzte „zurückgreifen“.
33
Die Klägerin befinde sich derzeit im Dienst als Einsatztrainerin im BPOLAFZ … Wie in ihrer gesamten Dienstzeit weise die Klägerin keine überdurchschnittlichen Dienstausfallzeiten infolge Krankheit auf. Auch verschweige die Beklagte, dass die Ausfallzeiten der Klägerin weit unterdurchschnittlich seien.
34
Nachdem die Klägerin eine Schweigepflichtentbindungserklärung hat vorlegen lassen, zog das Gericht die sozialmedizinischen Aufzeichnungen bei und gewährte der Klägerseite Akteneinsicht. Die Klägerin erwähnte im Nachgang, dass die Bundespolizeidirektion … sie nun zusätzlich mit Bescheid vom 25.02.2025 gemäß § 34 Abs. 1 Nr. 2 BBG entlassen habe, wogegen sie Widerspruch eingelegt habe.
35
Die Beteiligten haben mit Schriftsätzen vom 03.04.2025 sowie 24.04.2025 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.
36
Mit Schriftsätzen vom 07.05.2025 und 08.05.2025 lässt die Klägerin ergänzend vorbringen, dass sich aus den Anamnesebögen der Beklagten zur Lebenszeitverbeamtung ein neuer allgemeiner Maßstab entnehmen lasse. Dieser bestehe darin, nicht in die Jugendzeit zurück nach Krankheiten, Anamnesen, Diagnosen und Therapien zu fragen. Die Klägerin habe als Probebeamtin unter keinerlei Erkrankungen, ausgenommen Bagatellerkrankungen, gelitten.
37
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
38
Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da die Beteiligten hierauf übereinstimmend verzichtet haben (§ 101 Abs. 1 und 2 der Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO).
II.
39
Das Bayerische Verwaltungsgericht Bayreuth ist auch örtlich zuständig, da die Klägerin ihren dienstlichen Wohnsitz im insoweit maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung in … hatte (§ 52 Nr. 4 Satz 1 VwGO).
III.
40
Die erhobene Anfechtungsklage ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg. Der Rücknahmebescheid vom 14.11.2023 und der Widerspruchsbescheid vom 04.03.2024 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).
41
1. Gegen die formelle Rechtmäßigkeit der streitgegenständlichen behördlichen Entscheidungen bestehen keine rechtlichen Bedenken.
42
a. Insbesondere wurde die Klägerin mit Schreiben vom 09.08.2023 ordnungsgemäß nach § 28 Abs. 1 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) angehört. Im Übrigen würde – abgesehen von einer Heilung nach § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG – hier ein etwaiger Anhörungsmangel gemäß § 46 VwVfG nicht zur Aufhebung der Bescheide führen, weil es sich um eine gebundene Entscheidung handelt und er daher die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst haben kann.
43
b. Auch hat die Beklagte die Entlassungsfrist des § 14 Abs. 3 Satz 1 BBG eingehalten.
44
Im Interesse der Rechtssicherheit muss die Ernennung gemäß § 14 Abs. 3 Satz 1 BBG innerhalb einer Frist von sechs Monaten zurückgenommen werden. Die Ausschlussfrist beginnt von dem Zeitpunkt an zu laufen, an dem die oberste Dienstbehörde von der Ernennung und dem Rücknahmegrund Kenntnis erlangt hat. Unerheblich ist, wann die Ernennung erfolgt ist. Maßgebend ist nur die Kenntnis der obersten Dienstbehörde, nicht die der Ernennungsbehörde und innerhalb der obersten Dienstbehörde nur die Kenntnis des entscheidungsbefugten Bediensteten. Vorwerfbare Unkenntnis (Kennenmüssen) genügt nicht. Bei einer Rücknahme wegen arglistiger Täuschung muss die oberste Dienstbehörde sichere Kenntnis von der Täuschungshandlung in objektiver und subjektiver Hinsicht erlangt haben (vgl. BVerwG, U.v. 08.11.1961 – VI C 120.59 – BVerwGE 13, 156, 161 f.). Die oberste Dienstbehörde kann den Ausgang eines Strafverfahrens abwarten, um sich so die erforderliche sichere Kenntnis zu verschaffen (vgl. ebd.; so zum Ganzen Battis, BBG, 6. Aufl. 2022, § 14 Rn. 17).
45
Die Klägerin hat den Entlassungsbescheid innerhalb einer Frist von sechs Monaten erhalten, nachdem die oberste Dienstbehörde bzw. die Stelle, der die Ausübung der Befugnis zur Entlassung von ihr übertragen worden ist (hier konkret das Bundespolizeipräsidium), von dem Entlassungsgrund sichere Kenntnis erhalten hat. Wann der entscheidungsbefugte Bedienstete des Bundespolizeipräsidiums das Schreiben der Bundespolizeidirektion … vom 11.05.2023 erhalten hat, kann dahinstehen, weil dieses Schreiben nicht die Sechs-Monats-Frist in Lauf gesetzt hat. Vielmehr sah das Bundespolizeipräsidium durch die Antwort der Bevollmächtigten der Klägerin vom 06.09.2023 auf das Anhörungsschreiben die Notwendigkeit weiterer Ermittlungen, konkret eine ergänzende Stellungnahme des Sozialmedizinischen Dienstes einzuholen. Daher hat die Entlassungsfrist erst mit Zugang dieser, auf 16.10.2023 datierenden Stellungnahme begonnen und war bei Zugang des Rücknahmebescheides vom 14.11.2023 augenscheinlich noch nicht abgelaufen. Es kann der Beklagten nicht zum Nachteil gereichen, dass sie zwecks zuverlässiger Feststellung des gesamten Sachverhalts und Nachgehen der Einwendungen der Klägerin zunächst weitere Ermittlungen anstellte (vgl. BVerwG, U.v. 08.11.1961 – VI C 120.59 – BVerwGE 13, 156, 161 f.).
46
2. Die streitgegenständlichen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig.
47
Rechtsgrundlage für die Rücknahme der Ernennung der Klägerin zur Polizeimeisterin auf Probe ist § 14 Abs. 1 Nr. 1 BBG. Danach ist die Ernennung mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, wenn sie durch Zwang, arglistige Täuschung oder Bestechung herbeigeführt wurde. Die Voraussetzungen dieser Befugnisnorm liegen vor, denn die Klägerin hat ihre Ernennung zur Polizeimeisterin auf Probe durch arglistige Täuschung herbeigeführt.
48
a. Die Klägerin hat die Beklagte im Rahmen ihrer Eingangsuntersuchung arglistig getäuscht.
49
Eine arglistige Täuschung liegt vor, wenn der zu Ernennende durch Angaben, deren Unrichtigkeit ihm bewusst war oder deren Unrichtigkeit er für möglich hielt, oder durch Verschweigen wahrer Tatsachen bei einem an der Ernennung maßgeblich beteiligten Bediensteten der Ernennungsbehörde einen Irrtum in dem Bewusstsein hervorrief, um diesen durch Täuschung zu einer günstigen Entschließung zu bestimmen. Unrichtige Angaben sind stets eine Täuschung, unabhängig davon, ob die Ernennungsbehörde danach gefragt hat oder nicht. Das Verschweigen von Tatsachen ist eine Täuschung, wenn die Ernennungsbehörde nach Tatsachen gefragt hat oder der Ernannte auch ohne Befragung weiß oder in Kauf nimmt, dass die verschwiegenen Tatsachen für die Entscheidung der Ernennungsbehörde erheblich sind oder sein können. Eine arglistige Täuschung liegt nach alledem schon dann vor, wenn der Täuschende erkennt und in Kauf nimmt, dass die Ernennungsbehörde aufgrund seines Verhaltens für sie wesentliche Umstände als gegeben ansieht, die in Wahrheit nicht vorliegen oder – umgekehrt – der Ernennung hinderliche Umstände als nicht gegeben ansieht, obwohl solche in Wahrheit vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 18.09.1985 – 2 C 30.84 – juris Rn. 24 m.w.N.; Plog/Wiedow, BBG, Stand Juni 2018, § 14 Rn. 11). Die Täuschungshandlung kann auch gegenüber dem Amtsarzt erfolgen, da sich die Ernennungsbehörde maßgeblich auf dessen Beurteilung der gesundheitlichen Eignung des zur Ernennung anstehenden Bewerbers stützt und dem Bewerber das auch bewusst ist (vgl. BVerwG, U.v. 18.09.1985 – 2 C 30.84 – juris Rn. 28; VG Neustadt a. d. W., B.v. 25.09.2015 – 1 L 657/15.NW – juris Rn. 6). Im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung muss der zur Ernennung anstehende Bewerber die Fragen nach seiner gesundheitlichen Verfassung nach ihrem erkennbaren Sinn richtig und vollständig beantworten (vgl. erneut Plog/Wiedow, a.a.O. Rn. 12).
50
Die Klägerin hat im handschriftlich von ihr unterzeichneten, auf 30.03.2017 datierten Anamnesebogen („I. Vorgeschichte“; Seite 1 f. BA II) unvollständige Angaben gemacht, konkret klar formulierte Fragen besseren Wissens mit „Nein“ beantwortet. So wurde beispielsweise unter Nr. 1.2.2 ausdrücklich nach Krankheiten, Störungen oder Beschwerden der Atmungsorgane gefragt und als Beispiel u.a. „Stirn- oder Nebenhöhlenvereiterungen“ genannt. Die Klägerin beantwortete die Frage mit „Nein“, erwähnte also insbesondere nicht ihre rezidivierende Sinusitis bzw. häufigen Atemwegsinfekte, welche Frau Dr. … ausweislich ihres Datenblattes (Seite 73 ff. BA II) am 26.01.2015, 10.12.2015, 25.01.2016, 03.03.2016, 06.10.2016, 10.10.2016, 03.11.2016, 05.12.2026 und 12.01.2017 diagnostiziert hatte und wegen der im Januar 2017 sogar ein Facharzt eingeschaltet war (Seite 53 BA II). Auch die Frage Nr. 1.2.5 (Krankheiten, Störungen oder Beschwerden des Gehirn- oder Rückenmarks, Gemüts- oder Geistesstörungen) verneinte die Klägerin, obwohl dort als Beispiel „häufige Kopfschmerzen“ genannt war und bei der Klägerin nicht nur im Juni 2016 Migräne mit Aura (Dr. …, Facharzt für Neurologie, am 07.06.2016 an Frau Dr. …: „Seit Pubertät Migräne mit Aura bekannt.“, Seite 52 BA II) diagnostiziert wurde, sondern sie deshalb bei Frau Dr. … auch ausweislich ihres Datenblattes (Seite 73 ff. BA II) u.a. am 14.04.2015, 02.11.2015, 04.11.2015, 06.11.2015, 23.11.2015 und 06.08.2016 vorstellig wurde – zudem wegen depressiver Episode am 03.08.2015 und 14.08.2015 sowie Cervicalneuralgie am 18.05.2015. Augenfällig ist auch, dass die Klägerin die sie wegen Sinusitis, Migräne sowie Transaminasenerhöhung behandelnden Fachärzte allesamt nicht angegeben hat (Seite 49, 52, 53 BA II), obwohl unter Frage Nr. 1.10 ausdrücklich danach gefragt wurde und die jeweiligen Untersuchungen bzw. Diagnosen aus den Jahren 2015 bis 2017 stammten.
51
Hinzu kommt, dass die Klägerin im Zeitraum Januar 2015 bis Januar 2017 für insgesamt 163 (!) Tage von ihrer Hausärztin Dr. … ausweislich deren Datenblattes (Seite 73 ff. BA II) Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen erhalten hat – weitgehend wegen der genannten, relevanten Diagnosen. Damit lag auch für einen medizinischen Laien auf der Hand, dass die Erkrankungen bzw. Beschwerden keine bloßen Bagatellen sind und für das Einstellungsverfahren relevant sein könnten. Jedenfalls beim Vorliegen nicht unerheblicher, der Behandlung bedürftiger Beschwerden ist zu erwarten, dass der Bewerber unabhängig von der exakten medizinischen Diagnose im engeren Sinn sein Beschwerdebild zumindest laienhaft bezeichnet (vgl. OVG Berlin-Bbg, U.v. 30.11.2006 – OVG 4 B 11.06 – juris Rn. 45). Dies hat die Klägerin jedoch gerade nicht getan, sondern diese Tatsachen schlicht verschwiegen, obwohl die Beklagte ausdrücklich danach gefragt hatte. Es hätte genügt, dass die Klägerin sie laienverständlich angibt und ihre behandelnden Ärzte nennt, um der Beklagten die nähere Abklärung zu ermöglichen.
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Aufgrund der Gesamtumstände, insbesondere der dezidierten Fragen nach bestimmten Erkrankungen und behandelnden Ärzten sowie ihren erheblichen Krankheitszeiten, ist das Gericht auch davon überzeugt, dass die Klägerin zumindest billigend in Kauf nahm, dass ihre unvollständigen Antworten für ihre Einstellung und spätere Ernennungen von Bedeutung sind.
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b. Die von der Klägerin bei ihrer Eingangsuntersuchung am 30.03.2017 arglistig verschwiegen Tatsachen waren für ihre Ernennung zur Polizeimeisterin (auf Probe) am 26.02.2020 auch kausal.
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Eine arglistige Täuschung ist schon dann für die Ernennung ursächlich, wenn sich feststellen lässt, dass die Behörde bei Kenntnis des wahren Sachverhalts von der Ernennung jedenfalls zu diesem Zeitpunkt Abstand genommen hätte. Für die Ursächlichkeit der Täuschung genügt, dass die Behörde ohne sie den Bewerber jedenfalls nicht wie geschehen alsbald ernannt hätte, sondern zunächst weitere Prüfungen und Erwägungen angestellt und erst auf dieser vervollständigten Grundlage ihre Entscheidung getroffen hätte (vgl. BVerwG, U.v. 10.06.1999 – 2 C 20.98 – juris Rn. 13; B.v. 29.07.1998 – 2 B 63.98 – juris Rn. 5; BayVGH, B.v. 15.12.1998 – 3 B 96.586 – juris Rn. 46 m.w.N.).
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Die Eingangsuntersuchung am 30.03.2017 diente zwar zunächst der Feststellung der Polizeidienstfähigkeit für das EAV, das mit Ernennung der Klägerin zur Polizeimeisteranwärterin (Beamtin auf Widerruf) am 01.09.2017 abgeschlossen war. Jedoch waren die dortigen Angaben auch Grundlage der späteren Ernennung der Klägerin zur Polizeimeisterin am 26.02.2020. Denn zwischenzeitlich hat die Klägerin nur am 31.08.2017 einen Anamnesebogen ausfüllen müssen, der sich verständlicherweise auf die Zeit seit der Eingangsuntersuchung beschränkte (Seite 19 BA II). Eine weitere Untersuchung durch den Sozialmedizinischen Dienst der Bundespolizei auf ihre Polizeidienstfähigkeit fand vor der Ernennung zur Polizeimeisterin nicht statt.
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Hätte die Klägerin die Fragen im Anamnesebogen am 30.03.2017 vollständig beantwortet, wäre sie auch nicht eingestellt worden. Denn damals wurde sie aufgrund ihrer unvollständigen Angaben als polizeidiensttauglich eingestuft, während unter Berücksichtigung der damaligen Diagnosen und Fremdbefunde die Polizeidiensttauglichkeit nicht festgestellt hätte werden können (Seite 25 BA I). Vielmehr kam der Sozialmedizinische Dienst schlüssig zur Einschätzung, dass die Klägerin „mehrere potentiell zur Untauglichkeit führende Erkrankungen nicht erwähnt“ hat (Seite 19 BA I). Somit ist davon auszugehen, dass sie zumindest zum damaligen Zeitpunkt nicht eingestellt worden wäre, mithin auch nicht zum 26.02.2020 zur Polizeimeisterin hätte ernannt werden können. Zudem bestätigte auch die Bundespolizeidirektion … in ihrem Schreiben vom 11.05.2023 (Seite 3; Seite 27 BA I), dass bei Kenntnis des wahren Sachverhalts keine Ernennung stattgefunden hätte; daher verlängerte sie dann auch mit Bescheid vom 09.02.2023 die Probezeit der Klägerin (ebd.).
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Somit steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass ohne die unvollständigen Angaben der Klägerin im Anamnesebogen am 30.03.2017 auch ihre spätere Ernennung zur Polizeimeisterin auf Probe zumindest nicht zum 26.02.2020 erfolgt wäre (conditio sine qua non).
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c. Entgegen der klägerischen Ansicht führt auch die mit Bescheid vom 09.02.2023 erfolgte Probezeitverlängerung nicht dazu, dass die vorherige arglistige Täuschung nicht mehr im Rahmen des § 14 BBG herangezogen werden könnte oder die Kausalität zu verneinen wäre. Die Probezeitverlängerung unterbricht insbesondere nicht den Zurechnungszusammenhang, sondern ist gerade ergangen, um die Entscheidung über die Lebenszeiternennung nicht (sogleich) treffen zu müssen und das Rücknahmeverfahren zwischenzeitlich betreiben zu können.
59
Gegen eine arglistige Täuschung oder deren Kausalität spricht entgegen der klägerischen Ansicht auch nicht, dass die Beklagte (mittlerweile) in den Anamnesebögen anlässlich der Lebenszeitverbeamtung nur nach zwischenzeitlichen Krankheiten etc. fragt und Bagatellerkrankungen nicht anzugeben sind. Diese Handhabung der Beklagten ist vielmehr konsequent, weil der Zeitraum vor der Einstellungsuntersuchung mit dem ursprünglichen Anamnesebogen abgedeckt ist, und zeigt einmal mehr, dass der ursprüngliche Anamnesebogen – hier der vom 30.03.2017 – auch für die späteren beamtenrechtlichen Ernennungen Relevanz behält.
60
d. Es kann dahinstehen, ob eine etwaige unbillige Härte einer Rücknahme entgegenstehen könnte, obwohl das BBG eine solche Prüfung – anders als das Soldatengesetz – nicht vorsieht. Denn vorliegend ist keine unbillige Härte gegeben. Zwar sind von der arglistigen Täuschung bis zur streitgegenständlichen Rücknahme mehr als sechs Jahre vergangen. Es ist aber nichts Stichhaltiges dafür ersichtlich, dass die gesundheitlichen Probleme der Klägerin nicht fortbestehen, sich also nicht mehr auf das Dienstverhältnis auswirken. Vielmehr hat die Klägerin auch nach Ernennung zur Polizeimeisterin noch überdurchschnittlich viele Krankheitstage gehabt (Seite 21, BA II). Zudem ist nach den obigen Ausführungen von einer arglistigen Täuschung auszugehen, die die Klägerin zielgerichtet und wohlüberlegt vorgenommen hat – also nicht von einer unüberlegten Kurzschlussreaktion. Andernfalls hätte sie ferner die Möglichkeit gehabt, anlässlich des Ausfüllens des Anamnesebogens 2022 ihre früheren Diagnosen bzw. Beschwerden offenzulegen. Auch sind keine herausgehobenen, dienstlichen Leistungen der Klägerin bekannt oder aktenkundig; vielmehr erfolgte, wie sie selbst darlegte, mittlerweile ihre Entlassung nach § 34 Abs. 1 Nr. 2 BBG, also wegen fehlender Bewährung.
61
e. Da es sich vorliegend um eine gebundene Entscheidung handelt, musste die Beklagte auch keine Ermessenabwägung vornehmen. Denn nur, wenn eine besondere Härte bejaht werden kann, ist Raum für Ermessenserwägungen und deren richterliche Nachprüfung (vgl. BVerwG, U.v. 24.10.1996 – 2 C 23.96 – juris Rn. 25 m.w.N.).
62
f. Die Rechtmäßigkeit der Rücknahme setzt auch nicht, wie die Klägerin wohl fälschlicherweise mit Blick auf die nicht von der Beklagten selbst verifizierten privatärztlichen Diagnosen meint, die umfassende und abschließende Feststellung voraus, wie eine auf vervollständigter Grundlage ergangene Entscheidung ausgefallen und dass sie, falls ablehnend, rechtsfehlerfrei gewesen wäre (vgl. BVerwG, B.v. 29.07.1998 – 2 B 63.98 – juris LS).
IV.
63
Die Klägerin hat als unterliegende Beteiligte die Kosten des Verfahrens nach § 154 Abs. 1 VwGO zu tragen. Für die beantragte Feststellung der Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren i.S.d. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO besteht kein Raum, da der Klägerin nach der gerichtlichen Kostengrundentscheidung kein Kostenerstattungsanspruch zusteht (vgl. Kunze in Posser/Wolff/Decker, BeckOK VwGO, 72. Edition, Stand: 01.01.2025, § 162 Rn. 85a).
V.
64
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 2, Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 der Zivilprozessordnung (ZPO). § 711 ZPO findet keine entsprechende Anwendung.