Inhalt

VG Ansbach, Urteil v. 27.03.2025 – AN 3 K 22.01206
Titel:

Vorbescheid über bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, sonstiges Vorhaben im Außenbereich, Unternehmen der Vermietung und Verpachtung als Gewerbe im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB, funktionaler Zusammenhang zwischen vorhandenem Gewerbe und Erweiterung

Normenketten:
BayBO Art. 71
BauGB § 35 Abs. 2
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1
BauGB § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7
BauGB § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6
Schlagworte:
Vorbescheid über bauplanungsrechtliche Zulässigkeit, sonstiges Vorhaben im Außenbereich, Unternehmen der Vermietung und Verpachtung als Gewerbe im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB, funktionaler Zusammenhang zwischen vorhandenem Gewerbe und Erweiterung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20289

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
3. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1
Die Klägerin wendet sich gegen die Ablehnung eines Antrages auf Erteilung eines Vorbescheides zur Erweiterung eines Bürogebäudes mit Technikraum, Büroräumen und einer Betriebswohnung auf den Grundstücken FlNr. … und … der Gemarkung … ( …).
2
Die Klägerin ist Eigentümerin der Grundstücke FlNr. … und … Die Grundstücke liegen nördlich der … außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteiles und sind von ausgedehnten Waldflächen umgeben. Das Anwesen liegt im Landschaftsschutzgebiet … Die Grundstücke sind mit Betriebsgebäuden sowie einem Wohngebäude bebaut, die an mehrere Gewerbebetriebe bzw. Unternehmen vermietet sind.
3
Die Klägerin stellte erstmals mit Formblatt vom 6. April 2021 einen Antrag auf Vorbescheid hinsichtlich der Erweiterung eines Betriebsgebäudes mit Technikräumen, Büroräumen und einer Betriebswohnung, der der Klägerin mit Schreiben der Beklagten vom 18. Mai 2021 unter Hinweis auf unvollständige Unterlagen und die Verwendung eines falschen Antragsformulars zurückgesandt wurde.
4
Mit Formblatt vom 20. Mai 2021 beantragte die Klägerin erneut die Erteilung eines Vorbescheides zur Erweiterung eines Betriebsgebäudes mit Technikräumen, Büroräumen und einer Betriebswohnung auf den Grundstücken FlNr. … und … über die Frage der planungsrechtlichen Zulässigkeit des Vorhabens. Zur Begründung ließ die Klägerin ausführen, dass das Bauvorhaben energetisch und ökologisch vorteilhaft umgesetzt werden solle. Die Baumaßnahme sei notwendig geworden, nachdem die dort situierten Mieter bereits seit längerem Druck ausübten, weil diese hochpreisige Hightech-Produkte herstellten und lagerten (Wert des Maschinen- und Lagerbestandes in einem höheren siebenstelligen Betrag). Daher werde ein höherer Schutz insbesondere vor Einbruch und Industriespionage benötigt. Um diesen Bedenken Rechnung zu tragen, solle nun eine Sicherheitszentrale nebst Betriebswohnung eingerichtet werden, von der aus eine umfassende Kontrolle des Gesamtgrundstücks möglich sei und zudem rund um die Uhr mindestens ein Mitarbeiter vor Ort sei, der im Bedarfsfall die notwendigen Schritte insbesondere zur Alarmierung von Sicherheitskräften unternehmen könne. Zwar sei bewusst, dass das gegenständliche Grundstück im Außenbereich liege, jedoch seien die Kriterien des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB erfüllt. Die bestehende BGF solle von derzeit 4.715,46 qm um lediglich 302,78 qm erweitert werden. Der BRI von 17.268,00 m3 werde lediglich um 1.201,52 qm (gemeint wohl m3) erhöht. Es handle sich daher um eine nur geringfügige Erweiterung des Baukörpers und damit eine im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessene Erweiterung. Beigefügt waren der Erklärung zwei Anschreiben von Mietern an die Klägerin.
5
Nach den dem Antrag beigefügten Plänen soll im zweiten Obergeschoss der Produktionshalle 1 eine Erweiterung mit den Abmessungen 8,40 m x 28,95 m zuzüglich eines schmäleren Fortsatzes mit 6,64 m Länge errichtet werden, der sich in der Höhe an den bereits vorhandenen Gebäudeteilen orientiert.
6
Im Rahmen der Beteiligung der Träger öffentlicher Belange teilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten … mit Schreiben vom 22. Juni 2021 mit, dass durch das Vorhaben forstliche Belange nicht berührt und landwirtschaftliche Flächen nicht betroffen seien.
7
Mit Schreiben vom 3. August 2021 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass eine positive Entscheidung über den Antrag nicht möglich sei. Das Vorhaben sei nicht mit den Voraussetzungen des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB vereinbar, da die bauliche Erweiterung nicht im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen sei. Unangemessen seien mehrmalige Erweiterungen, die insgesamt nicht angemessen seien. Dies gelte auch, wenn der Betriebsinhaber bei wiederholten Betriebserweiterungen das Ziel verfolgt, ein Gesamtvorhaben, das den Rahmen des Angemessenen sprengt, in Teilakte zu zerlegen, um sie zeitlich gestaffelt auszuführen (Kommentar Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger). Die Erweiterung werde als zeitverzögerte Erweiterung verstanden, da bereits mit Aktenzeichen … die Halle 2 am 24. Februar 2012 genehmigt worden sei. Darüber hinaus befinde sich laut Übersichtplan bereits ein Wohnhaus auf dem Betriebsgelände, dass zum beantragten Zweck genutzt werden könne. Der Klägerin wurde Gelegenheit zur Antragsrücknahme bzw. Stellungnahme gegeben.
8
Die Klägerin verwies mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 4. Oktober 2021 auf eine Entscheidung des VG München vom 21. Januar 1997 – 1 K 95.4131 – und führte aus, dass eine Unangemessenheit nur im Fall eines Missbrauchsfalles vorliege. Es stelle keinen Missbrauch dar, wenn ein erfolgreicher Gewerbebetrieb einige Jahre nach einer Erweiterungsmaßnahme aufgrund des gestiegenen Geschäftsvolumens eine Ausweitung beantrage. Von einem Missbrauch könne dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn die letzte Erweiterungsmaßnahme mehr als zehn Jahre zurückliege. Dies berücksichtigend sei die geplante Maßnahme insgesamt angemessen und nicht rechtsmissbräuchlich (wird weiter ausgeführt).
9
Hinsichtlich des auf dem Betriebsgelände befindlichen Wohnhauses werde darauf hingewiesen, dass die vorhandene Nettoraumfläche zu klein und auch ungeeignet sei.
10
Mit Bescheid vom 4. April 2022, der Klägerin zugestellt mittels Postzustellungsurkunde am 6. April 2022, lehnte die Beklagte die Erteilung eines Vorbescheides ab. Auf die Begründung des streitgegenständlichen Bescheides wird ausdrücklich Bezug genommen.
11
Hiergegen ließ die Klägerin mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 27. April 2022, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach über das besondere Anwaltspostfach eingegangen am selben Tag, Klage erheben. Zur Begründung führt sie mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 2. Juli 2022 aus, dass die Erweiterung der Bruttogeschossfläche lediglich 6,4% betrage und damit unerheblich sei. Sie sei erforderlich, da die Mieter des Objekts bereits seit längerer Zeit Druck auf die Klägerin als Vermieterin ausübten, dass ein höherer Schutz insbesondere vor Einbruch und Industriespionage bewerkstelligt werden solle, indem eine Sicherheitszentrale nebst Betriebswohnung eingerichtet werde, von der aus eine umfassende Kontrolle des gesamten Grundstücks rund um die Uhr möglich sei, insbesondere auch, indem eine dafür zuständige Person in der Betriebswohnung rund um die Uhr vor Ort sein könne. Hintergrund sei, dass nach Angaben der Mieter deren Maschinen- und Lagerbestand regelmäßig einen Wert im höheren siebenstelligen Bereich aufweise und daher besonders geschützt werden müsse.
12
Die Erweiterung sei angemessen, da kein Missbrauchsfall vorliege, wobei es keinen Missbrauch darstelle, wenn ein erfolgreicher Gewerbebetrieb einige Jahre nach einer Erweiterungsmaßnahme aufgrund des gestiegenen Geschäftsvolumens eine Ausweitung beantrage (VG München vom 21.01.1997 – 1 K 95.4131). Von einem Missbrauchsfall könne regelmäßig nicht mehr ausgegangen werden, wenn die letzte Erweiterungsmaßnahme mehr als zehn Jahre zurückliege; je länger die letzten Erweiterungsmaßnahmen zurücklägen, desto weniger spreche für einen Missbrauchsfall (wird weiter ausgeführt).
13
Zudem sei ein Umbau des auf dem Grundstück befindlichen Wohnhauses zur Verwirklichung des benötigten Zweckes nicht nur wirtschaftlich nicht darstellbar, sondern würde im Gegensatz zum geplanten Bauvorhaben die Außenbereichsbelange erheblich beeinträchtigen (wird weiter ausgeführt).
14
Hinsichtlich des mehrfach in Bezug genommenen Bauantrages aus dem Jahre 2012 sei darauf hingewiesen, dass dieser erstens mehr als zehn Jahre zurückliege und zweitens gar nicht von der Klägerin, sondern der Mieterin … gestellt worden sei. Die Klägerin könne damit schon denklogisch nicht im ersten Antragsverfahren das Ziel verfolgt haben, durch einen späteren Bauantrag eine weitere Erweiterung herbeizuführen, weil sie damals gar nicht Antragstellerin gewesen sei. Genau aus diesem Grund könne auch keine Zerlegung einer unangemessenen Betriebserweiterung in Teilakte gegeben sein.
15
Die nunmehrige Erweiterung sei auch nicht zwangsläufig als Folgemaßnahme vorprogrammiert gewesen, sondern diene dazu, nachträglich veränderten betrieblichen Erfordernissen Rechnung zu tragen.
16
Hinsichtlich der Gründe, warum das Wohnhaus nicht genutzt werden könne, wurde auf das Schreiben der Bevollmächtigten der Klägerin vom 4. Oktober 2021 Bezug genommen. Ergänzend wurde darauf verwiesen, dass die Wohnräume zu einem außerordentlich niedrigen Mietzins an die ukrainische Mitarbeiterin eines Mieters und ein junges Studentenpaar vermietet seien; eine Kündigung der Mietverhältnisse dürfte rechtlich nahezu ausgeschlossen sein und würde überdies dazu führen, dass bei erheblichem, vermeidbarem Flächenverbrauch auch bezahlbarer Wohnraum auf dem räumlichen Gebiet der Beklagten beseitigt würde.
17
Eine räumliche Verlagerung auf ein anderes Grundstück außerhalb des Außenbereichs sei nicht möglich, da für die Einrichtung einer Sicherheitszentrale eine unmittelbare Gegenwart des jeweiligen Sicherheitsbeauftragten am zu bewachenden Objekt ebenso erforderlich sei wie eine unmittelbare technische Anbindung der zu überwachenden Räume an die einzurichtende Sicherheitszentrale.
18
Zu den Fragen der Nutzbarkeit des Wohnhauses und der Verortung der Sicherheitszentrale werde die Einholung eines Sachverständigengutachtens angeregt.
19
Die Klägerin beantragt mit Schriftsatz vom 27. April 2022:
Der Beklagte wird unter Aufhebung des zum Az. … ergangenen Bescheids vom 4. April 2022 verpflichtet, der Klägerin den beantragten Vorbescheid zur Erweiterung eines Bürogebäudes mit Technikraum, Büroräumen und einer Betriebswohnung am Baugrundstück …, Flurstück …, … der Gemarkung … zu erteilen.
20
Die Beklagte beantragt mit Schriftsatz vom 1. August 2022,
die Klage abzuweisen.
21
Zur Begründung führt sie aus, dass das Baugrundstück unstreitig im Außenbereich liege. Da es sich auch nicht um ein privilegiertes Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 1 BauGB handele, beurteile sich die Zulässigkeit nach § 35 Abs. 2 BauGB. Das Bauvorhaben beeinträchtige aber die öffentlichen Belange des Naturschutzes und der Landschaftspflege sowie die natürliche Eigenart der Landschaft und ihren Erholungswert (§ 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB). Insbesondere in einer naturnahen Umgebung wie dem Landschaftsschutzgebiet … wirkten künstliche bauliche Anlagen regelmäßig als Fremdkörper und seien daher im Allgemeinen abzulehnen, wenn auch „nur eine gewisse“ Beeinträchtigung der städtebaulichen Situation eintrete. Gleiches gelte für die Erweiterung einer vorhandenen Anlage. Die geplante Aufstockung trete nach außen wahrnehmbar in Erscheinung.
22
Es handele sich nicht um ein Vorhaben i. S. v. § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB, da es an der Angemessenheit fehle. Mit Antrag vom 20. Mai 2011 habe die Mieterin der Klägerin, die …, erstmals die Erteilung eines Vorbescheides für die Errichtung einer Produktionshalle auf dem genannten Grundstück beantragt, welcher mit Bescheid vom 18. Januar 2012 erteilt worden sei. Die darauffolgende Baugenehmigung vom 24. Februar 2012 habe bereits eine Erweiterung der Produktionsfläche (Produktionshalle 2) dargestellt. Der gewerbliche Betrieb sei mit dieser Genehmigung bereits in nicht unerheblichem Umfang, nämlich um 27,30%, erweitert worden. Durch das streitgegenständliche Vorhaben würde eine erneute Erweiterung folgen.
23
Bereits aus den Gründen der Baugenehmigung vom 24. Februar 2012 ergebe sich, dass bereits diese Genehmigung nur erteilt worden sei, weil das Vorhaben innerhalb der Angemessenheitsgrenze des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB gelegen sei; wörtlich sei ausgeführt worden: „Aufgrund der nachgewiesenen dinglichen Sicherung, dass eine weitere Bebauung ausgeschlossen ist, ist ein weiterer Eingriff in den Außenbereich nicht zu befürchten.“ Zwar treffe zu, dass der damalige Bauantrag nicht von der Klägerin gestellt worden sei, für die Beurteilung der Angemessenheit der Erweiterung sei dies jedoch ohne Belang, da die Erweiterungen jedenfalls dann als Einheit zu betrachten seien, wenn sie sich als Teilschritte eines einheitlichen Lebenssachverhaltes darstellten, wie es vorliegend der Fall sei (Rieger in: NomosKommentar BauGB; § 35 Rdnr. 232 m.w.N.).
24
Die Beklagte führte ausführlich aus, unter welchen Umständen von einer Angemessenheit ausgegangen werden könne.
25
Auch das klägerische Argument, die geplante Erweiterung sei aufgrund des gestiegenen Geschäftsvolumens und des damit erhöhten Sicherheitsbedürfnisses erforderlich, überzeuge nicht (wird weiter ausgeführt).
26
Weiterhin erscheine eine Erweiterung des Gebäudebestandes zum beantragten Zweck nicht mehr angemessen, weil sich auf dem Betriebsgelände bereits ein Wohnhaus befinde. Dass dieses Haus, wie die Klägerin selbst vorträgt, an Angestellte und ein Studentenpaar frei vermietet worden sei, anstatt dass es vom Betriebsleiter bezogen werde, müsse sich die Klägerin selbst zurechnen lassen. In den Altakten werde dieses Wohnhaus als „Aufseherhaus“ geführt. Würde das „Aufseherhaus“ entsprechend der Genehmigungslage genutzt, wäre jedenfalls die Errichtung einer weiteren Betriebswohnung nicht erforderlich.
27
Die Klägerin vertiefte mit Schriftsatz vom 27. September 2022 ihr bisheriges Vorbringen und ergänzte, dass das verfahrensgegenständliche Bauvorhaben nach außen nicht wahrnehmbar in Erscheinung trete. Die Aufstockung sei zurückgesetzt; sie weise eine Bruttogeschossfläche von lediglich 302,78 qm auf, während die darunterliegenden Geschosse jeweils auf eine Fläche von über 1.500,00 qm kämen; allein anhand dieses Zahlenverhältnisses sei nachvollziehbar, dass die gegenständliche Erweiterung gegenüber dem Baubestand in den darunterliegenden Geschossen soweit zurückspringe, dass eine Wahrnehmbarkeit für einen vor dem Gebäude stehenden Betrachter nicht gegeben sei. Eine Beeinträchtigung der städtebaulichen Situation stehe damit nicht zu erwarten.
28
Es werde verwiesen auf die Besprechung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 28. September 1992, 4 B 175/92 in IBR 1993, 338. Bei der nunmehr vorgesehenen Erweiterung handele es sich nicht um eine zwangsläufige Folge der früheren Erweiterung, vielmehr ergebe sich die Notwendigkeit der Umsetzung des Vorhabens aus den genannten veränderten Bedingungen nicht nur bei der seinerzeitigen Baubewerberin, sondern auch bei dem anderen Betrieb, der das Objekt nutze.
29
Im Übrigen werde in formellrechtlicher Hinsicht gerügt, dass der Bauausschuss der Beklagten nicht mit dem gegenständlichen Bauvorhaben befasst worden sei, obwohl dieser gemäß § 12 Z. 7 der Geschäftsordnung für den Stadtrat Erlangen zuständig hinsichtlich Baugesuchen im Außenbereich sei.
30
Die Beklagte widersprach dem Vortrag der Klägerin mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2022.
31
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Behördenakte und hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf das Sitzungsprotokoll Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

32
Die zulässige Klage ist unbegründet.
33
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die positive Beantwortung ihrer auf die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens gerichteten Vorbescheidsfrage, § 113 Abs. 5 VwGO i.V.m. Art. 71 Satz 1 und 4 BayBO i.V.m. Art. 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 BayBO, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a BayBO i.V.m. §§ 29 ff. BauGB. Das im Außenbereich gelegene, sonstige Vorhaben im Sinne von § 35 Abs. 2 BauGB widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplans, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB, und lässt die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB. Diese Belange können dem Vorhaben auch entgegengehalten werden, da sich der Kläger nicht auf die Privilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB berufen kann.
I.
34
Ein Anspruch auf Erlass eines Vorbescheids gem. Art. 71 Satz 4 i.V.m. Art. 68 Abs. 1 BayBO besteht nicht, weil dem Vorhaben zum für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (BayVGH, U.v. 22.5.2006 – 1 B 04.3531 – juris Rn. 21) hinsichtlich der zur Prüfung gestellten Frage öffentlich-rechtliche Vorschriften entgegenstehen. Die Klägerin hat im Beiblatt zum Bauantrag vom 20. Mai 2021 ausdrücklich die Prüfung der planungsrechtlichen Zulässigkeit zum Gegenstand des Vorbescheidsantrags gemacht. Daher kommt es darauf an, ob dem Vorhaben die §§ 29 ff. BauGB entgegenstehen. Dies ist hier zu bejahen.
35
Die Zulässigkeit des Vorhabens richtet sich nach § 35 BauGB, da das Vorhabengrundstück im Außenbereich liegt (1.). Dort ist es als sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB planungsrechtlich unzulässig, da es öffentliche Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB beeinträchtigt (2.). Diese können dem Vorhaben auch entgegengehalten werden, da dem Vorhaben nicht die Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB zugutekommt (3.).
36
1. Das Vorhabengrundstück befindet sich im Außenbereich nach § 35 BauGB. Der Außenbereich umfasst all jene Flächen, die nicht von den §§ 30, 34 BauGB erfasst werden (vgl. BVerwG, U.v. 17.2.1984 – 4 C 56.79 – juris Rn. 7). Das Vorhabengrundstück liegt weder im Geltungsbereich eines (qualifizierten) Bebauungsplans noch innerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils i.S.d. § 34 Abs. 1 BauGB. Aufgrund der dem Gericht zur Verfügung stehenden Lichtbilder aus dem Bayern Atlas ist offensichtlich – und ihm Übrigen auch zwischen den Beteiligten unstreitig –, dass das streitgegenständliche Grundstück im Außenbereich liegt. Insbesondere bilden die vorhandenen Gebäudlichkeiten mangels eines ausreichenden Gewichts keinen eigenen Ortsteil, sondern stellen lediglich eine Splittersiedlung im Außenbereich dar. Ein städtebaulicher Zusammenhang mit dem südlich der … liegenden Ortsteil der Beklagten ist aufgrund der weitläufigen Waldflächen, die das streitgegenständliche Grundstück umgeben, ausgeschlossen.
37
2. Das Vorhaben als sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB beeinträchtigt öffentliche Belange.
38
2.1 Bei der Erweiterung der vorhandenen Gebäudlichkeiten um eine Sicherheitszentrale mit Betriebswohnung handelt es sich um ein sonstiges Vorhaben im Sinne des § 35 Abs. 2 BauGB, da für eine Privilegierung nach § 35 Abs. 1 BauGB nichts ersichtlich ist.
39
2.2 Ein sonstiges Vorhaben i.S.d. § 35 Abs. 2 BauGB ist nur dann zulässig, wenn es öffentliche Belange nicht beeinträchtigt. Das geplante Vorhaben beeinträchtigt die öffentlichen Belange nach § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB.
40
2.2.1 Das Vorhaben widerspricht den Darstellungen des Flächennutzungsplanes, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BauGB. Bei der Entscheidung über die Zulässigkeit eines sonstigen Vorhabens im Außenbereich sind die Darstellungen des Flächennutzungsplans grundsätzlich ohne besondere Einschränkungen zu berücksichtigen. Diese Wirkungen können die Darstellungen des Flächennutzungsplans allerdings auch hier nur entfalten, wenn der Planungswille der Gemeinde hinreichend konkretisiert ist, wenn also der Plan mit seinen Darstellungen positiv eine mit dem Vorhaben nicht zu vereinbarende Bestimmung trifft bzw. ein „negativer Planungswille“ mit der erforderlichen Deutlichkeit (BVerwG, U.v. 29.4.1964 – I C 30.62- juris Rn. 20 = BVerwGE 18, 247; vgl. auch BayVGH, B.v. 14.10.2023 – 2 ZB 12.2318 – juris Rn. 13) entnommen werden kann. Einer qualifizierten Standortzuweisung wie bei privilegierten Vorhaben bedarf es dafür jedoch nicht. Entscheidend sind die konkreten Umstände des Einzelfalls. Einer Darstellung im Flächennutzungsplan fehlt indes nicht schon deshalb die Eignung als einem Vorhaben widersprechender öffentlicher Belang, weil die Darstellung nicht mit der gegenwärtigen tatsächlichen Situation übereinstimmt (insgesamt Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 35 Rn. 75 m.w.N.).
41
Der Flächennutzungsplan der Beklagten weist für das streitgegenständliche Grundstück und die großräumig darum herumliegenden Flächen Wald, zusätzlich als Bannwald im Sinne des Art. 11 BayWaldG konkretisiert, aus. Daraus ist zu entnehmen, dass die Flächen gerade von einer Bebauung freizuhalten sind. Dieser Festsetzung widerspricht das Erweiterungsvorhaben der Klägerin auch unter Berücksichtigung, dass der Erweiterungsbau in das 2. Obergeschoss der vorhandenen Produktionshalle 1 eingefügt wird und damit keine zusätzlichen, noch unbebauten Flächen in Anspruch nimmt. Denn das Vorhaben führt eindeutig zu einer nicht nur geringfügigen Erhöhung des umbauten Raumes (um etwa 1.000 m3) und damit zu einer Intensivierung der den Festsetzungen des Flächennutzungsplanes entgegenstehenden Baumaßnahmen und Nutzungen.
42
Dass bereits der bisherige Zustand der streitgegenständlichen Grundstücke FlNr. … und … nicht mit den Festsetzungen des Flächennutzungsplanes übereinstimmt, führt nicht zu einer Unbeachtlichkeit desselben. Zwar kann die tatsächliche Entwicklung dazu führen, dass sich das Gewicht der Aussagen des Flächennutzungsplans bis hin zum Verlust der Aussagekraft abschwächt, so dass ein Flächennutzungsplan die ihm vom Gesetz zugewiesene Bedeutung als Konkretisierung öffentlicher Belange und einer geordneten städtebaulichen Entwicklung verlieren kann. Flächennutzungspläne dienen insoweit nur zur “Unterstützung und einleuchtenden Fortschreibung bestimmter tatsächlicher Gegebenheiten“. Auf die tatsächlichen Gegebenheiten abzustellen, bedeutet aber nicht, dass der Flächennutzungsplan grundsätzlich nur dann ein beachtlicher öffentlicher Belang ist, wenn seine Darstellungen mit der tatsächlichen Situation übereinstimmen; dann liefe seine Erwähnung als öffentlicher Belang weitgehend leer. Vielmehr soll lediglich klargestellt werden, dass der Flächennutzungsplan dort nicht mehr maßgeblich sein kann, wo seine Darstellungen den besonderen örtlichen Verhältnissen nicht mehr gerecht werden, diese also etwa durch die zwischenzeitliche Entwicklung überholt sind (BVerwG, B.v. 1.4.1997 – 4 B 11/97 – juris Rn. 18).
43
Auch wenn vorliegend die im Flächennutzungsplan als Bannwald ausgewiesenen Flächen auf den Grundstücken FlNr. … und … bereits bebaut sind, so führt dies nicht dazu, dass die großflächigen Festsetzungen des Flächennutzungsplanes durch die zwischenzeitlichen Entwicklungen überholt sind, denn die aufgrund von Luftbildern erkennbaren und unberührt vorhandenen Waldflächen überwiegen die Fläche der streitgegenständlichen Grundstücke erheblich. Im Übrigen sind die Festsetzungen des Flächennutzungsplanes auch weiterhin geeignet, eine Intensivierung einer entgegenstehenden Nutzung zu verhindern.
44
2.2.2 Daneben lässt das Vorhaben auch die Verfestigung einer Splittersiedlung befürchten, § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB.
45
Eine Splittersiedlung ist eine Ansammlung von baulichen Anlagen, die zum – wenn auch eventuell nur gelegentlichen – Aufenthalt von Menschen bestimmt sind (BVerwG, U. v. 19.4.2012 – 4 C 10/11 – juris Rn. 19). Dazu zählen nicht nur Wohnhäuser, sondern vor allem auch gewerbliche Anlagen, die ebenfalls dem mindestens gelegentlichen Aufenthalt von Menschen dienen (BVerwG, U.v. 19.4.2012, a.a.O.). Die Verfestigung einer Splittersiedlung ist die Auffüllung des bereits bisher in Anspruch genommenen räumlichen Bereichs, also die Vergrößerung des Baubestands ohne zusätzliche Ausdehnung in den Außenbereich (BVerwG, B.v. 30. 8. 2019 – 4 B 8.19 – juris Rn. 16). Dies gilt auch für Änderungsvorhaben sowie Nutzungsänderungen i.S.v. § 29 Abs. 1 BauGB (Mitschang/Reidt in Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB § 35 Rn. 96).
46
Splittersiedlungen sind nicht schon um ihrer selbst Willen zu missbilligen. „Zu befürchten“ im Sinne von § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 7 BauGB ist die Entstehung, Erweiterung oder Verfestigung einer Splittersiedlung nur, wenn das Vorhaben zu einer „unerwünschten Splittersiedlung“ führt. Unerwünscht in diesem Sinne ist eine Splittersiedlung, wenn mit ihr ein Vorgang der Zersiedelung eingeleitet oder gar schon vollzogen wird. Das anzunehmen, rechtfertigt sich in der Regel (BVerwG, U.v. 19.4.2012, a.a.O.; B.v. 24.6.2004 – 4 B 23/04 – juris Rn. 8). Die Berechtigung einer solchen Annahme bedarf aber – zumindest in Fällen der Verfestigung – einer konkreten Begründung; sie rechtfertigt sich mithin auch in der Regel nicht einfach aus sich. Als Grund für eine Missbilligung kommt u.a. in Betracht, dass das Vorhaben eine weitreichende oder doch nicht genau übersehbare Vorbildwirkung besitzt und daher seine unabweisbare Konsequenz sein könnte, dass in nicht verlässlich eingrenzbarer Weise noch weitere Bauten hinzutreten werden. Hierfür reicht es aus, dass bei einer Zulassung des Vorhabens weitere ähnliche Vorhaben in der Splittersiedlung nicht verhindert werden könnten und dadurch der Außenbereich zersiedelt werden würde. „Weitreichend“ ist die Vorbildwirkung deshalb immer dann, wenn sich das Vorhaben und die weiteren Vorhaben, die nicht verhindert werden könnten, zusammen der vorhandenen Splittersiedlung nicht unterordnen, sondern diese erheblich verstärken und dadurch eine weitergehende Zersiedelung des Außenbereichs bewirken würden (BVerwG, U.v. B.v. 24.6.2004, a.a.O.).
47
Dies berücksichtigend ist vorliegend durch die (teilweise) Aufstockung der Produktionshalle 1 die Verfestigung einer Splittersiedlung zu befürchten, denn grundsätzlich verstärkt die Aufstockung eines bestehenden Gebäudes und die damit verbundene Nutzungsintensivierung das Gewicht einer vorhandenen Splittersiedlung erheblich und trägt dadurch zur weiteren Zersiedelung dieses Teils des Außenbereichs bei (BayVGH, B.v. 27.3.2024 – 1 ZB 23.1548 – juris Rn. 18 unter Hinweis auf BVerwG, B.v. 10.11.2010 – 4 B 45.10 – ZfBR 2011, 163; U.v. 18.5.2001 – 4 C 13.00 – NVwZ 2001, 1282; BayVGH, B.v. 17.10.2007 – 1 ZB 06.3059 – juris Rn. 12).
48
Dabei verkennt die entscheidende Kammer nicht, dass die Aufstockung nicht die gesamte Grundfläche der Produktionshalle 1 umfasst, sondern lediglich einen Teilbereich von 257,12 qm der insgesamt 1.614,69 qm großen Grundfläche im Erdgeschoss der Produktionshalle 1. Allerdings darf dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass bereits die Grundfläche des 1. Obergeschosses gegenüber der des Erdgeschosses reduziert ist (1.523,95 qm) und das 2. Obergeschoss im Bestand nur noch einen Umfang von 133,76 qm aufweist. Damit würde die streitgegenständliche Erweiterung fast doppelt so groß werden wie das bisher vorhandene 2. Obergeschoss. Damit führt die Aufstockung zu einer nicht nur geringfügigen bzw. untergeordneten Erweiterung, sondern lässt über eine Länge von etwa 28 m ein zusätzliches Geschoss entstehen, das insbesondere in der Nord- und Südansicht deutlich über den Bestand hinausragt. Hinzukommt, dass durch die Erweiterung nicht nur eine weitere gewerbliche Nutzung in den Außenbereich getragen wird, sondern gerade auch eine zusätzliche Wohnnutzung, auch wenn diese letztlich nur betriebsbezogen sein soll. Im Übrigen zeigt gerade der Rückblick auf die Baugenehmigung aus dem Jahr 2012, dass damit die Erwartung, dass auch weitere Vergrößerungen problemlos genehmigt werden würden, hervorgerufen wird.
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2.2.3 Auf die von der Beklagten aufgeworfene Frage, ob durch die geplante (teilweisen) Aufstockung der im Landschaftsschutzgebiet liegenden Produktionshalle 1 auch öffentliche Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 5 BauGB beeinträchtigt werden, kommt es damit nicht mehr entscheidungserheblich an.
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3. Die Belange des § 35 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 und Nr. 7 BauGB können dem Vorhaben der Klägerin auch entgegengehalten werden, da sich die Klägerin nicht auf die Teilprivilegierung des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB berufen kann.
51
Nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB kann der baulichen Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs nicht entgegengehalten werden, dass sie den Darstellungen des Flächennutzungsplans oder eines Landschaftsplans widerspricht, die natürliche Eigenart der Landschaft beeinträchtigt oder die Entstehung, Verfestigung oder Erweiterung einer Splittersiedlung befürchten lässt, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist, und das Vorhaben im Übrigen außenbereichsverträglich im Sinne des § 35 Abs. 3 BauGB ist.
52
Entsprechend setzt die Begünstigung nach § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB voraus, dass es sich um die bauliche Erweiterung eines zulässigerweise errichteten gewerblichen Betriebs handelt, wenn die Erweiterung im Verhältnis zum vorhandenen Gebäude und Betrieb angemessen ist. Dabei ist neben der Angemessenheit der Erweiterung auch ein funktionaler Zusammenhang zwischen dem vorhandenen Betrieb und dem beabsichtigten neuen Bauvorhaben erforderlich. Darüber hinaus muss das Vorhaben auch räumlich eine Erweiterung darstellen, also einen eng-en räumlichen Bezug zum vorhandenen baulichen Bestand des Betriebs aufweisen, denn das Gesetz lässt Bauvorhaben, die der Erweiterung eines im Außenbereich zulässigerweise errichteten Betriebs dienen, nur deshalb bevorzugt zu, weil der Außenbereich an dieser Stelle durch die vorhandenen zum Betrieb gehörenden baulichen Anlagen bereits vorgeprägt ist und deshalb angenommen werden kann, die Situation vor Ort habe sich auf diese bauliche Nutzung eingestellt (BVerwG, U.v. 17.2.2011 – 4 C 9/10 – juris Rn. 11; VG München, U.v. 19.3.2024 – M 1 K 21.4049 – juris Rn. 30).
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Offengelassen werden kann, ob vorliegend überhaupt ein gewerblicher Betrieb im Sinne des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB gegeben ist (vgl. hierzu z.B. Söfker in Ernst/Zinkahn/ Bielenberg/Krautzberger, BauGB § 35 Rn. 161). Zwar handelt es sich bei den beiden Mieterinnen aus den Bereichen der Medizin- und Audiotechnik um Gewerbebetriebe im Sinne des § 15 Abs. 1 EStG und § 1 GewO, bei der Klägerin und Bauantragstellerin selbst handelt es sich aber um eine Gesellschaft des Bürgerlichen Rechts, in deren Eigentum lediglich die streitgegenständlichen Grundstücke stehen und die Einnahmen aus der Vermietung bzw. Verpachtung der Grundstücke und der auf diesen vorhandenen Gebäude erzielt. Bei der Vermietung und Verpachtung von Grundstücken wird regelmäßig nicht von der Ausübung eines Gewerbes ausgegangen, da sie sich regelmäßig als bloße Nutzung und Verwaltung des eigenen Vermögens darstellen (Eisenmenger in Landmann/Rohmer, GewO § 1 Rn. 34).
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Es fehlt der Klägerin jedenfalls an einem funktionalen Zusammenhang der Erweiterung mit einem auf den Grundstücken vorhandenen gewerblichen Betrieb. Die Klägerin kann für ihr Unternehmensfeld der Vermietung und Verpachtung gerade nicht möglicherweise für die Mieterinnen bestehende Erweiterungsmöglichkeiten (deren Zulässigkeit hier ausdrücklich offengelassen wird) nutzbar machen. Denn Sinn und Zweck des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB ist es, zulässigerweise im Außenbereich angesiedelten, nicht privilegierten Betrieben in gewissem Umfang erweiterten Bestandsschutz zu gewähren. Mit dieser Zielsetzung und dem Postulat größtmöglicher Schonung des Außenbereichs wäre es nicht vereinbar, wenn unter Anknüpfung an einen im Außenbereich bestehenden Betrieb von diesem nicht benötigte oder in Anspruch zu nehmende Anlagen privilegiert errichtet und für einen anderen Betrieb vermarktet werden könnten (VG Sigmaringen, U.v. 10.5.2017 – 2 K 3007/16 – juris Rn. 41).
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Die vorliegend bestehende Situation berücksichtigend, führt die geplante Erweiterung zu einer Erhöhung des Immobilienbestandes der Klägerin, den diese letztlich unabhängig von einem bestimmten gewerblichen Betrieb vermieten oder verpachten kann. Dabei übersieht das Gericht nicht, dass die beiden Mieterinnen der Klägerin gegenüber durch nahezu wortgleiche Schreiben Bedarf an weitergehenden Sicherheits-/Sicherungsmaßnahmen, deren Umsetzung die Erweiterung nach Vortrag der Klägerin auch dienen soll, geltend gemacht haben. Dies ändert nach Überzeugung des Gerichts nichts daran, dass die Erweiterung nicht nur durch die derzeitigen Mieterinnen genutzt werden kann, sondern durch die Klägerin unabhängig von den derzeitig dort ansässigen Betrieben – insbesondere auch im Fall einer Kündigung der Vertragsverhältnisse durch die Klägerin oder die Mieterinnen – vermarktet werden kann. Auch zeigt die Bedarfsanmeldung gerade durch beide Mieterinnen, dass kein spezifischer Bezug zu einem bestimmten Betrieb gegeben ist und die Erweiterung für verschiedenste Szenarien nutzbar gemacht werden könnte.
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Damit fehlt es bereits an der Eröffnung des Anwendungsbereiches des § 35 Abs. 4 Satz 1 Nr. 6 BauGB, so dass es auf die von den Beteiligten umfassend thematisierte Frage, ob die Erweiterung überhaupt noch angemessen ist, nicht ankommt.
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Nur ergänzend soll darauf hingewiesen sein, dass die in diesem Zusammenhang erfolgte Argumentation der Klägerin, dass die Baumaßnahme 2012 und die nunmehr geplante Erweiterung nicht einheitlich betrachtet werden dürften, u.a. da diese bereits von unterschiedlichen Bauantragstellern umgesetzt worden seien bzw. würden, die Bewertung des Gerichts bestätigt, dass gerade kein beständiger funktionaler Zusammenhang des klägerischen Bauvorhabens mit auf den streitgegenständlichen Grundstücken vorhandenen Gewerbebetrieben besteht.
II.
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Die Klage war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.