Titel:
Ausweisung eines anerkannten syrischen Flüchtlings (rechtswidrig)
Normenketten:
AEUV Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2
AsylG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1, § 73, § 73b, § 73c
AufenthG§ 5 Abs. 4, § 11 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 S. 1, § 50 Abs. 1, Abs. 2, § 53 Abs. 1, Abs. 3a, § 54 Abs. 1 Nr. 2, Nr. 5, § 56 Abs. 1 S. 1, Abs. 4 S. 1, § 60a Abs. 2 S. 1, § 81 Abs. 4, § 84 Abs. 2 S. 1
BayVSG § 3
StGB § 129a
VwZVG Art. 29, Art. 31, Art. 36
EMRK Art. 8
AnerkennungsRL Art. 21, Art. 24 Abs. 1, Art. 28 Abs. 3
VwGO § 80 Abs. 2 Nr. 4, § 91, § 92 Abs. 1, § 113 Abs. 1 S. 1, Abs. 5 S. 1, § 117 Abs. 5, § 154 Abs. 1, § 167
GG Art. 6
GKG § 52 Abs. 1, Abs. 2
Leitsätze:
1. Die Aktivitäten des Klägers auf Facebook rechtfertigen die Schlussfolgerung, dass dieser eine terroristische Vereinigung, namentlich die Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS), unterstützt hat und damit die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet hat. (Rn. 50 – 58) (redaktioneller Leitsatz)
2. Liegt ein Unterstützen iSd § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beziehungsweise der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition („…Hiervon ist auszugehen …“) deutlich macht. (Rn. 62 – 64) (redaktioneller Leitsatz)
3. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung iSd. § 53 Abs. 3a AufenthG und Art. 24 Abs. 1 der RL 2011/95/EU (Anerkennungsrichtlinie) , die allein eine Ausweisung eines anerkannten Flüchtlings rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich. (Rn. 68 – 75) (redaktioneller Leitsatz)
4. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebietet eine Einschränkung der Anwendung des § 5 Abs. 4 AufenthG auf Fälle, in denen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vorliegen. (Rn. 84) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Ausweisung eines syrischen Flüchtlings (rechtswidrig), Unterstützung einer terroristischen Vereinigung (IS), Sympathiewerbung in sozialen Netzwerken, Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, Abschiebung, Abschiebungsandrohung, Aufenthaltserlaubnis, Aufenthaltsverbot, Islamischer Staat, Syrien, Irak, Terrorismusunterstützung, Sympathiewerbung, Sicherheitsgefährdung, Ausweisungsschutz, Sicherheit und Ordnung, zwingende Gründe, nationale Sicherheit, Unterstützungshandlungen, Anwendungsvorrang des Unionsrechts
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20283
Tenor
1. Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2021 und der Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2023 in der Fassung vom 27. Mai 2025 werden aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu erteilen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist insoweit vorläufig vollstreckbar.
3. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen seine Ausweisung nebst Anordnung und Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots auf die Dauer von 20 Jahren, Anordnung einer örtlichen Beschränkung, Meldepflicht und Kommunikationsmittelnutzungsverbot, Ablehnung der Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis sowie Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung.
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Der Kläger ist syrischer Staatsangehöriger, arabischer Volks- und islamischer Religionszugehörigkeit, reiste am 15. Juni 2015 ins Bundesgebiet ein und stellte am 7. August 2015 einen Asylantrag. Mit Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 10. Dezember 2015 wurde dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Der Bescheid ist seit 18. Dezember 2015 bestandskräftig.
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Aufgrund der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wurde dem Kläger erstmals am 3. Februar 2016 eine bis 10. Januar 2019 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2
4
AufenthG erteilt und ein Reiseausweis für Flüchtlinge mit der gleichen Gültigkeit ausgestellt. Am 31. Oktober 2018 (Eingang: 2.11.2018) beantragte der Kläger die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis. Deshalb war der Kläger seit erstmaliger Erteilung am 6. Dezember 2018 zwischenzeitlich im Besitz einer Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG.
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Die Ehefrau des Klägers, Frau …, geboren am … 1988, und dessen Tochter, …, geboren am … 2013, reisten am 11. November 2015 auf dem Landweg in das Bundesgebiet ein und stellten am 22. Februar 2016 Asylanträge. Mit Bescheid des Bundesamts vom 28. September 2016 wurde auch diesen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Daraufhin wurden der Ehefrau des Klägers und dessen Tochter jeweils eine von 14. März 2017 bis 12. Januar 2020 gültige Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 2 AufenthG erteilt. Derzeit sind diese im Besitz einer Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG. Am 30. Mai 2020 wurde die Tochter des Klägers, …, in … geboren. Am 19. August 2020 wurde für diese ein Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis gestellt. Über den Antrag wurde bislang nicht abschließend entschieden. Ein Asylverfahren wurde für die Tochter … bislang nicht betrieben.
6
Am 11. September 2019 wurde unter Beteiligung des Landesamtes für Asyl und Rückführungen, des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz (im Folgenden: BayLfV), der Beklagten und des örtlichen Staatsschutzes ein Sicherheitsgespräch mit dem Kläger durchgeführt.
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Mit Schreiben vom 25. November 2019 teilte das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz Erkenntnisse über die Person des Klägers und die Bewertung des mit dem Kläger am 11. September 2019 durchgeführten Sicherheitsgesprächs mit. Den bayerischen Sicherheitsbehörden lägen relevante Erkenntnisse zur Person des Klägers vor.
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Demnach seien die offen einsehbaren Facebook-Accounts des Klägers bereits in der Vergangenheit beobachtet worden, da diese augenscheinlich einen „Pro-IS“ (Islamischer Staat) Eindruck machten. Dabei hätten die Accounts mit den Namen zu Deutsch „…“ bzw. „…“ dem Kläger mittels eingestellter Lichtbilder eindeutig zugeordnet werden können. Die Accounts seien aufgrund des großen Umfangs stichprobenartig untersucht und islamwissenschaftlich bewertet worden. Die Übersetzungen seien dabei nicht durch einen vereidigten Übersetzer erfolgt, es handele sich um sinngemäße Arbeitsübersetzungen. Auf die Kopien der Posts vom Profil des „…“ sowie dessen Kommentierungen und weitere Aktivitäten im öffentlichen sozialen Netzwerk Facebook wird verwiesen (Bl. 186 ff. der Behördenakte). Laut BayLfV zeichneten all diese Inhalte durch Parteinahme für den IS (Islamischer Staat), Glorifizierung der im März 2019 im syrischen Al-Baghuz belagerten IS-Angehörigen, ein mit einem „Gefällt mir“ versehenes Foto eines „IS-Kindes“ und einem Kommentar zu einem Anti-Al-Baghdadi-Video das Bild eines IS-Sympathisanten. Die salafistische Geisteshaltung sei zusätzlich durch seine Posts zur Buddha-Statue in den Vereinigten Arabischen Emiraten und zur Scharia deutlich geworden. Der Kläger habe sich intensiv mit der aus seiner Sicht misslichen Lage der muslimischen Gemeinschaft beschäftigt und aufgrund verschiedener Posts immer wieder durchblicken lassen, dass er zur Verbesserung dieser Lage auch religiös legitimierte Gewalt für angebracht halte. Das Profil sei als salafistisch-jihadistisch einzustufen.
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Im Sicherheitsgespräch habe der Kläger angegeben, ab 2011 Probleme in Syrien bekommen zu haben. So sei er eines Tages vollkommen unschuldig und ohne Vorzeichen von der syrischen Regierung von zu Hause abgeholt und inhaftiert worden. Im Gefängnis sei er verhört und misshandelt worden. Als Grund für die Festnahme habe der Kläger die Teilnahme eines Bruders (im familiären Sinn) an friedlichen Demonstrationen gegen das syrische Regime gesehen. Auf Nachfrage habe er jedoch nicht erklären können, warum aus der Vielzahl seiner Geschwister (davon sechs weitere Brüder) nur er festgehalten und misshandelt wurde, obwohl er sich sogar gegen eine Teilnahme an Demonstrationen ausgesprochen habe. Als Folge der körperlichen Gewaltanwendungen ihm gegenüber habe der Kläger im Gesicht (Oberkiefer) Krebs bekommen und diesen Anfang 2014 in Syrien operieren lassen. Der Kläger habe im Sicherheitsgespräch angegeben, bereits 2012 in die Türkei gezogen und nach einem zwischenzeitlichen sechsmonatigen Aufenthalt in Syrien im Jahr 2013 endgültig in die Türkei übersiedelt zu sein. Die weitere Therapie habe zwischen April 2014 und Juli 2014 stattgefunden. In dieser Zeit sei der Kläger mehrfach wegen seiner medizinischen Behandlung, aber auch für Warenverkehr (Zuckerhandel) zwischen der Türkei und Syrien hin- und hergereist. Dem Kläger sei die Lage der jeweiligen Gruppen wohl „oberflächlich“ bekannt gewesen, er habe jedoch niemals irgendwelche Probleme oder größere Kontrollen zwischen Syrien und der Türkei gehabt; er habe sich auch keine Gedanken darum gemacht. Zur damaligen Zeit sei man nach seiner Darstellung in Ruhe gelassen worden, sofern man sich nicht einmischte. Auch sein ältester Bruder „…“, der mit seinen Söhnen in … wohne, habe keinerlei Probleme gehabt. Obwohl die Herrschaft zwischen Freier Syrischer Armee (FSA) und dem syrischen Regime gewechselt habe, habe laut Angaben des Klägers keiner seiner Familienangehörigen irgendwelche Probleme gehabt. Der Kläger habe bereitwillig Auskunft über seine weiteren sechs Brüder gegeben, von denen sich der älteste Bruder „…“ in Syrien befinde, sein Bruder „…“ bei einem Luftanschlag in Syrien getötet worden sei und drei weitere Brüder (* …*) in der Türkei leben würden. Lediglich er und sein Bruder „…“ seien in Deutschland. Auf die Frage, ob irgendeiner seiner Brüder bereits mit der Polizei oder anderen Sicherheitsbehörden im In- und Ausland zu tun hatte, habe der Kläger zunächst verneint. Erst auf Nachfrage habe er angegeben, dass sein Bruder „…“ in der Türkei bereits seit einem Jahr und vier Monaten inhaftiert sei. Als Grund sei ihm lediglich bekannt, dass dieser als „Terrorist“ verdächtigt worden sei. Der Kläger könne sich jedoch auf keinen Fall eine Verbindung seines Bruders zum IS vorstellen, da sich sein Bruder in den Jahren vor dem Krieg bzw. zu Beginn des Krieges nur um das Vieh gekümmert habe und nach dessen Verkauf in die Türkei ausgewandert sei. Auch zu weiteren Verwandten habe der Kläger bereitwillig Auskunft gegeben. So habe er von entfernteren Verwandten (Cousinen und Cousins), die in Deutschland leben würden, mit denen er aber kaum Kontakt habe, berichtet. Außerdem habe er von seinem in … wohnhaften Bruder „…“ berichtet, welcher neben wenigen persönlichen Kontakten in … seine engste Bezugsperson in Deutschland sei. Der Kläger habe sich zunächst gegenüber der Demokratie positiv eingestellt gezeigt, habe sich sogar gewünscht, dass „ein System oder eine Regierung wie hier in Deutschland“ in Syrien herrsche. Im weiteren Verlauf habe er allerdings geäußert, dass die Muslime ein von Gott und dem Propheten Mohammed stammendes Gesellschaftssystem hätten, dieses „das wahre System“ sei und von der gesamten Menschheit übernommen werden solle, wohingegen die Demokratie etwas Anderes sei. Laut Angaben des Klägers wolle Gott nicht, dass man Menschen tötet. Darauf angesprochen, dass der Prophet Mohammed und seine Nachfolger, die Kalifen, Kriege in Form des Jihads geführt hätten, im Laufe derer zwangsläufig Muslime andere Menschen töteten, habe der Kläger geantwortet, dass der Jihad ein Befehl Gottes sei und daher eine Pflicht. Wenn Menschen sich gegen den Tauhid – die Auffassung, dass es nur einen einzigen und in sich einigen Gott gibt – wendeten, hätten die Propheten und die Kalifen den Befehl gehabt, diese falls nötig auch mit Waffengewalt zu bekämpfen und zu töten. Der Befehl des Kampfes für den Tauhid gelte theoretisch auch heute noch, dieser sei „das Programm Gottes“, allerdings gebe es aktuell kein Kalifat. Auch die Körperstrafen der Scharia habe der Kläger als gültigen Befehl Gottes betrachtet. So müsse ein Mörder getötet werden, es sei denn die Eltern des Opfers vergeben ihm, oder einem Dieb die Hand abgehackt werden, außer er habe eine islamkonforme Rechtfertigung. Auf die Frage, wie er dazu stehe, dass Menschen, die den Islam beleidigen, getötet würden, habe der Kläger geantwortet, dass er es nicht erlauben könne, dass jemand die Propheten beleidige. Allerdings bestrafe er keinen für die Beleidigung, dies mache Gott. Eine Verneinung der Legitimität der Tötung von Beleidigern des Islams bzw. des Propheten Mohammed – wie sie an dieser Stelle laut BayLfV eigentlich angebracht gewesen wäre – sei durch den Kläger nicht erfolgt. Zumindest Teile der innerislamischen Minderheit der Schiiten seien in den Augen des Klägers Götzenanbeter, da sie einen Gräberkult praktizierten und den Schwiegersohn des Propheten, Ali, Gott gleichstellten. Die Tochter des Klägers, die voraussichtlich in Deutschland aufwachsen werde, werde der Kläger „zu einem anständigen Menschen“ erziehen. Dies bedeute für ihn, dass sie keine voreheliche sexuelle Beziehung mit einem Mann habe. Auch habe er deutlich gemacht, dass es aus islamischer Sicht nicht akzeptabel sei, wenn seine Tochter einen Christen heirate. Der Kläger habe keine Äußerungen gemacht, die darauf hindeuteten, dass er bei entsprechend unerwünschtem Verhalten seiner Tochter Maßnahmen gegen sie ergreifen würde, allerdings sei deutlich geworden, dass er es als Sünde betrachtet. Der Kläger habe zunächst bereitwillig Auskunft über seine elektronische Erreichbarkeit mit Angabe seiner E-Mail-Adressen sowie seiner Social-Media-Accounts gegeben. Im Nachhinein habe sich jedoch herausgestellt, dass eine der beiden E-Mail-Adressen nicht gestimmt habe. Auch seine Facebook-Account-Namen habe er bereitwillig angegeben, allerdings bereits in der Gewissheit, dass seine Accounts durch Facebook gesperrt worden seien. Lediglich seinen Instagram-Account habe er selbst geschlossen bzw. deaktiviert. Zum Grund der wiederholten und aktuell fortlaufenden Sperrungen seiner Accounts habe er angegeben, dass dies geschehe, weil seine Posts „gegen das Assad-Regime, die Korrupten und die Kämpfe“ nicht gemocht würden. Der Kläger habe seine Tätigkeiten auf Facebook als harmloses Kommentieren von Posts oder Videos beschrieben.
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Das Sicherheitsgespräch wurde durch das BayLfV dahingehend bewertet, dass dieses zunächst in ruhiger, besonnener Atmosphäre stattgefunden habe, im Verlauf jedoch beim Kläger eine zunehmende Nervosität und Anspannung bis hin zu leichter emotionaler Aggressivität habe festgestellt werden können. Die Aussagen des Klägers seien mehrfach mindestens fraglich erschienen. So stehe in deutlichem Widerspruch, dass Teile seiner Familie in Syrien unter den verschiedenen Parteien ohne Probleme leben könnten, er selbst jedoch nicht wieder zurückreisen könne, da das Regime ihn dort festnehme und töte. Er habe vorgegeben, gegen das Regime zu sein und daher keine Rückreiseoption zu haben. Zudem sei er 2011 bereits in sogenannte Sippenhaft genommen worden. Dennoch soll sein Bruder nebst Familie keinerlei Probleme unter den verschiedenen Machthabern gehabt haben. In irgendeiner Weise aktiv gegen eine der Parteien sei der Kläger jedoch auch nicht gewesen. Gleichzeitig habe er aber über die Jahre 2013 bis 2015 mehrfach nach Syrien zurückkehren und wieder ausreisen können. Der Kläger habe im Sicherheitsgespräch versucht, das Bild einer unbescholtenen und friedlichen Familie zu zeichnen, die in Ruhe gelassen werde, da sie sich in keine politischen Angelegenheiten einmische. Auf der anderen Seite habe er versucht, sich in der Opferrolle darzustellen und seine Asylgründe zu verfestigen, da nur er die genannten Repressalien zu erwarten habe. In den Äußerungen des Klägers habe dieser den Eindruck vermittelt, den Gefängnisaufenthalt seines Bruders relativieren oder anfangs gar verschweigen zu wollen. Da diese Tatsache seiner Äußerung, dass keiner aus seiner Familie mit dem IS zu tun gehabt hätte, entgegenstünde, sei ihm die Brisanz dieses Umstandes wohl bewusst gewesen und er habe versucht, dies herunterzuspielen. Anhand der Äußerungen des Klägers habe sich das Bild eines strenggläubigen Muslims zeichnen lassen, für den die Befehle seines Gottes eine nicht verhandelbare Gültigkeit besäßen. Für den Kläger sei der Islam die wahre, von Gott befohlene Religion, wohingegen andere – von ihm nicht näher benannte – Gruppierungen eigene Religionen entwickelt hätten, die nicht den Vorstellungen Gottes entsprächen. Auf die Frage nach islamischen Gelehrten, deren Islamverständnis man folgen könne, habe der Kläger drei salafistische bzw. wahabbitische Gelehrte aus Saudi-Arabien genannt: …, … (gestorben 1999) und … (gestorben 2001). Da er diese Personen als geistige Autoritäten anerkenne und weiterempfehle, sei es naheliegend, dass das eigene Islam-Verständnis des Klägers dem Salafismus entspreche. Während des Sicherheitsgesprächs habe sich der Kläger zwar von allen in Syrien kämpfenden Gruppen distanziert und auch das pejorative Wort „Da’ish“ als Bezeichnung für den IS verwendet. Seine dem BayLfV bekannten Äußerungen auf Facebook hätten jedoch ein ganz anderes Bild gezeigt, indem der Kläger eindeutig Sympathie für und Solidarität mit Jihad-Kämpfern, darunter auch denen des IS, gezeigt habe. Der Kläger habe sich im Sicherheitsgespräch meist höflich und gegenüber dem deutschen Staat dankbar gezeigt. Dabei habe er aber ungewollt deutlich gemacht, dass er die in Deutschland gültigen Inhalte der freiheitlich demokratischen Grundordnung keineswegs teile. Er favorisiere ein von Gott vorgegebenes islamisches Gesellschaftssystem, in dem auch das Strafrecht der Scharia gelte. Dieses System habe nach seiner Auffassung einen globalen Anspruch. Sollte sich jemand gegen den Tauhid stellen, sei die Anwendung von Gewalt einschließlich der Tötung von Menschen legitim, unter der Voraussetzung, dass es ein Kalifat gebe. Meinungsfreiheit stoße für den Kläger dort an eine Grenze, wo der Islam beleidigt werde. Sexuelle Selbstbestimmung existiere im Islamverständnis des Klägers nicht. Auch die islamwissenschaftliche Auswertung füge sich eher ins Bild der wiederholten Sperrungen seiner Social-Media-Accounts, als die verharmlosenden bzw. falschen Aussagen des Klägers aus dem Sicherheitsgespräch. Während des Gesprächs habe der Kläger wiederholt seine Dankbarkeit gegenüber Deutschland betont, da er hier ein Leben ohne Krieg und in Sicherheit führen könne. Dem habe jedoch gänzlich seine Einstellung und Ansicht von Demokratie und dem dazugehörigen Rechtsverständnis gegenübergestanden. Er habe den Befehl Gottes, also die Scharia, weit über die Gesetze, die in Deutschland gelten, gestellt. Er habe zwar Christen als Glaubensbrüder darzustellen versucht, jedoch sei ihm dies nicht gelungen, da er an späterer Stelle des Sicherheitsgesprächs ausschließlich Muslime als die wahren Gläubigen dargestellt habe. Obwohl der Kläger bereits seit einigen Jahren in Deutschland sei und bereits mehrere Sprachkurse absolviert habe, seien seine Sprachkenntnisse auffallend schlecht gewesen, auch wenn er zu verstehen gegeben habe, dass die Schule nichts für ihn sei, sondern er lieber arbeiten möchte. Für seine Tochter hoffe er auf ein besseres Leben als er es hatte – habe aber im Anschluss betont, dass dies nicht nach den üblichen gesellschaftlichen Regeln erfolgen solle, also sie zum Beispiel keinen Freund haben dürfe. Sie solle sich „nach seiner Erziehung“ richten, also nach den muslimischen Traditionen und Werten, die er ihr mitgegeben habe. Betrachte man diese Aussagen im Kontext zu seiner ideologischen Einstellung, so wirkten die Äußerungen des Klägers und dessen Vorstellungen umso bedrohlicher. Eine Prognose der mittel- und langfristigen Integration des Klägers nebst seiner Familie könne nach bisherigen Erkenntnissen nur negativ ausfallen. Durch das Sicherheitsgespräch sei die ideologische Einstellung des Klägers sehr deutlich geworden. Alles habe darauf hingedeutet, dass es sich bei ihm um einen Akteur des jihadistisch-salafistischen Spektrums handele, der vor dem Hintergrund seines für ihn bislang unbefriedigenden Aufenthaltsstatus in Deutschland versucht habe, sich gegenüber Behördenvertretern in einem positiven Licht zu präsentieren, wobei dieser Versuch aufgrund seiner Äußerungen in Abgleich mit den dem BayLfV bislang vorliegenden Erkenntnissen gescheitert sei. Gesprächsmomenten, welche auf den IS oder deren religiöse Auslegung abzielten, sei der Kläger gekonnt ausgewichen und habe diese genutzt, um sich als unschuldiges Opfer darzustellen, dem allein durch eine intensive Überprüfung und das Sicherheitsgespräch Unrecht widerfahre. Er habe vergeblich versucht, sich als unwissender, bedeutungsloser und introvertierter friedlicher Muslim darzustellen, jedoch sei ihm dies insbesondere mit den wiederholten Auftritten auf Facebook und seinen getätigten Aussagen im Sicherheitsgespräch nicht gelungen. Vielmehr sei ihm die Verbreitung seiner ideologischen Ansichten wichtiger erschienen als das von ihm als wertvolles familiäres Kommunikations- und Informationsmittel beschriebene Facebook. Insbesondere seine Legitimation zum Töten von Ungläubigen als Befehl Gottes und seine jihadistisch-salafistisch geprägten Auftritte bei Facebook stützten diese Einschätzung.
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Die Mitteilung des BayLfV enthielt weitere Hintergrunderkenntnisse zum Islamischen Staat (IS) sowie zur Ideologie des Salafismus, auf welche verwiesen wird.
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Nach Einschätzung des BayLfV vom 25. November 2019 lägen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass der Kläger durch seine Social-Media-Aktivitäten eine Vereinigung unterstützt hat, die den Terrorismus unterstützt. Das BayLfV erhob daher Sicherheitsbedenken gegen den weiteren Aufenthalt des Klägers in Deutschland.
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Laut Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 9. Dezember 2020 habe der Kläger im Laufe der Zeit mehrere Facebook-Accounts und einen bekannten Instagram-Account besessen. Letztgenannten habe er nach eigenen Aussagen selbst gelöscht, die jeweiligen Facebook-Accounts seien von Facebook gesperrt bzw. gelöscht worden mit dem Vorwurf, er verstoße gegen entsprechende Regeln. Hierbei seien wohl die dokumentierten islamistisch/jihadistischen Posts und Kommentierungen gemeint. Seit Ende 2019 sei dem BayLfV keine Social-Media-Aktivität mehr bekannt. Der neueste Facebook-Account des Klägers vom Oktober 2020 sei seit längerer Zeit wieder ein Versuch gewesen, sein Gedankengut nach außen zu tragen. Die vereinzelt gesicherten Posts seien streng religiös, jedoch strafrechtlich nicht relevant. Zudem habe er sich mit persönlichen Kommentaren und Veröffentlichungen zurückgehalten. Vielmehr habe er religiöse Texte, die nach strenger Auslegung auch islamistisch interpretiert werden könnten, gepostet. Der Account sei nur wenige Tage bzw. Wochen online gewesen und dann wieder gesperrt worden. Die Sperrung sei aufgrund zu vieler falscher Passworteingaben erfolgt und mittlerweile (Stand: 7.12.2020) wieder aufgehoben worden. Der zum damaligen Zeitpunkt neueste Post des Klägers sei lediglich ein neues Profilbild von sich selbst gewesen.
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Mit Schreiben vom 21. Januar 2021 teilte das Bundesamt der Beklagten mit, dass die Überprüfung der asylrechtlichen Begünstigung nach § 73 AsylG bzw. des subsidiären Schutzes nach § 73b AsylG bzw. der Abschiebungsverbote nach § 73c AsylG ergeben habe, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Begünstigung nicht vorlägen. Das zunächst eingeleitete Aufhebungsverfahren sei formlos eingestellt worden.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 13. November 2020, zugestellt an den Kläger mittels Postzustellungsurkunde am 19. November 2020, wurde der Kläger zur beabsichtigten Ausweisung, Erlass und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots sowie Anordnung weiterer Überwachungsmaßnahmen gemäß § 56 AufenthG angehört.
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Mit E-Mail des Klägers vom 24. November 2020 teilte dieser mit, dass er die Vorwürfe in dem Schreiben der Beklagten vom 13. November 2020 nicht akzeptieren könne. Er bestätige, dass er gegen alle islamischen Organisationen und den Islamischen Staat sei, weil diese nicht Repräsentanten des Islams seien, sondern Täter und Kriminelle. Was er in den sozialen Medien geschrieben habe, seien nur allgemeine Religionstipps und Rat gewesen, den alle muslimischen Menschen in den sozialen Medien veröffentlichten.
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Eine zusätzlich angekündigte Stellungnahme des zwischenzeitlich vom Kläger bevollmächtigten Rechtsanwalts erging auch nach mehrmaliger Fristverlängerung der Anhörung nicht.
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Mit Bescheid vom 3. März 2021 (zugestellt an den Bevollmächtigten des Klägers mittels Postzustellungsurkunde am 4.3.2021) wies die Beklagte den Kläger aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer I), erließ gegen diesen ein Einreise- und Aufenthaltsverbot, das auf die Dauer von 20 Jahren ab Ausreise befristet wurde (Ziffer II) und lehnte den Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab (Ziffer III). Der Aufenthalt des Klägers wurde mit Zustellung dieser Entscheidung bis zu dessen Ausreise auf das Stadtgebiet … beschränkt (Ziffer IV). Der Kläger wurde verpflichtet, sich ab Zustellung dieses Bescheids bis zu seiner Ausreise einmal wöchentlich bei der zuständigen Polizeiinspektion … (* …*) unter Vorlage eines amtlichen Identifikationspapiers zu melden (Ziffer V). Zudem wurde der Kläger mit sofortiger Wirkung verpflichtet, folgende Kommunikationsmittel nicht zu nutzen: EDVgestützte Kommunikationsmittel, Mobiltelefone aller Art, öffentliche und private Fernsprecher aller Art und Faxgeräte aller Art. Von diesem Verbot ausgenommen wurde die Nutzung eines nicht internetfähigen Mobiltelefons, nachdem der Kläger der Ausländerbehörde …, dessen Telefon-, Karten- und Gerätenummer (IMEI) angezeigt hat, sowie die Nutzung eines Mobiltelefons, das dem Kläger im Falle der elektronischen Aufenthaltsüberwachung von der für die elektronische Aufenthaltsüberwachung zuständigen Behörde zur Verfügung gestellt wird (Ziffer VI). Für die Ziffern IV, V und VI dieser Entscheidung wurde die sofortige Vollziehung angeordnet (Ziffer VII). Für den Fall, dass der Kläger gegen die Verpflichtungen unter Ziffer IV und VI (Aufenthaltsbeschränkung und Kommunikationsmittelverbot) verstößt, werde je ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer VIII). Für den Fall, dass der Kläger seiner Verpflichtung unter Ziffer V dieses Bescheids (Meldepflicht) nicht nachkommt, werde ein Zwangsgeld in Höhe von 100,00 EUR zur Zahlung fällig (Ziffer IX). Der Bescheid wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Tatbestand des § 53 Abs. 1 AufenthG sei erfüllt. Der Aufenthalt des Klägers im Bundesgebiet stelle eine Gefahr für die in § 53 Abs. 1 AufenthG genannten Rechtsgüter der öffentlichen Sicherheit und Ordnung sowie der freiheitlich demokratischen Grundordnung dar. Durch die Auswertung der durch den Kläger genutzten Profile in den sozialen Medien und der Würdigung von deren Inhalten stehe für die Beklagte fest, dass der Kläger ein jihadistischer Salafist sei, der durch seine Social-Media-Aktivitäten eine Vereinigung, nämlich den IS, unterstütze und für diesen sympathisiere (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG). Die salafistische Geisteshaltung des Klägers sei zunächst durch dessen Post am 4. April 2019 deutlich geworden. Der Kläger habe ein Video mit dem Inhalt, die Emirate (die Vereinigten Arabischen Emirate) seien Abtrünnige, Agenten und Verräter, gepostet. Sie würden ein Götzenbild des Buddhas an einer Straße in den verräterischen und abtrünnigen Emiraten aufstellen. Diejenigen, die sie regieren, seien eine Gruppe von Abtrünnigen, die Al Zayad und die Al Nahyan (eine Anspielung auf Khalifa bin Zayad Al Nahyan, das Staatsoberhaupt der Vereinigten Arabischen Emirate bzw. dessen faktisch regierenden Halbbruder Muhammad bin Zayad al Nahyan). „Allah möge sie erniedrigen! Wie lange noch, O Anhänger des Tauhids!“ (Bekennen der Einzigkeit Allahs; absoluter Monotheismus). Dass der Kläger dem jihadistischen Salafismus zuzurechnen sei, stütze sich unter anderem darauf, dass er am 31. Mai 2019 einen jihadistischen Nashid (jihadistisches Kampflied) gepostet habe, in dem das Bild eines Löwen als Sinnbild für den tapferen Kämpfer verwendet worden sei. Am 30. Juni 2019 habe der Kläger ein Bild eines Löwenkopfes gepostet. Der Löwenkopf sei ein islamistisches Symbol und repräsentiere in der islamistischen Symbolik Glaubenskämpfer (Mujahidin), die bereit seien, für ihren Glauben zu sterben. Er stehe für Mut, Tapferkeit und Stärke. Seine Mähne werde mit dem Bart eines erwachsenen Mannes verglichen. Usama bin Laden werde in der jihadistischen Propaganda häufig als „Löwe des Jihad“ dargestellt. Dies sei auch darin begründet, dass der Vorname Usama im Arabischen „der Löwe“ bedeute. Am 7. August 2019 habe der Kläger ein weiteres Video eines jihadistischen Nashid gepostet, der den sinngemäßen Titel „Die Löwen der Ehre warten an den Toren unserer Macht“ trage. In dem Video seien verschiedene Zeichnungen von mittelalterlichen Kämpfern gezeigt worden. Am 22. März 2019 habe der Kläger einen Text mit den Worten: „O Allah, an diesem guten gesegneten Tage, O Allah, verleihe unseren Brüdern, den monotheistischen Mujahidin (diejenigen, die im Jihad sind), den Löwen des Tauhids und des Jihads an jedem Ort den Sieg! Amen, O Herr der Welten!“. Am 10. August 2019 habe der Kläger ein Bittgebet gepostet. Die Wortwahl „Löwen des Tauhids“ suggeriere, dass der Kläger das Bittgebet für muslimische Kämpfer gepostet habe. In den Posts des Klägers beschäftige dieser sich intensiv mit der aus seiner Sicht misslichen Lage der muslimischen Gemeinschaft. Auch lasse sich aufgrund dieser Posts immer wieder durchblicken, dass der Kläger zur Verbesserung dieser Lage auch religiös legitimierte Gewalt für angebracht halte. Der IS sei eine salafistisch-jihadistische Terrororganisation, für die der Kläger sympathisiere. Dies werde unter anderem dadurch deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er am 5. April 2019 einen Text gepostet habe, in dem die Märtyrer von Al-Baghuz (Stadt im Osten Syriens, die im März 2019 als letzte Bastion des Islamischen Staates fiel) gefeiert worden seien. In einem Post vom 21. März 2019 habe der Kläger einen Text gepostet mit den Worten: „Ich sage zu denen, die sich über die Ermordung und Verbrennung unserer muslimischen, monotheistischen Brüder in Al-Baghuz freuen, ich sage euch: O Verräter, O abtrünnige Förderer von Unzucht und Trommler für die (unverständlich)!“. Sie würden als Schande der islamischen Gemeinschaft gesehen. Auf einen Post von einem anderen User (Nutzer), der geschrieben habe, dass jene (gemeint seien Muslime im damals umkämpften Al-Baghuz) sich unter der Herrschaft der Dawa’ish (gemeint seien die Mitglieder des Islamischen Staates) befänden und die ganze Welt gegen die Dawa’ish sei, habe der Kläger mit den Worten geantwortet: „Die ganze Welt ist in den Händen von Ungläubigen, Heuchlern und Frevlern, außer eine Gruppe der monotheistischen Muslime, die dem Weg des Gesandten Allahs, Allah segne ihn und schenke ihm Heil, und seiner Gefährten folgen. Und ihre Verfassung sind das Buch Allahs und die Suuna (überlieferte Lebens- und Glaubenspraxis des Propheten und seiner Gefährten) des Gesandten Allahs, Allah segne ihn und schenke ihm Heil, und seiner edlen Gefährten, mit kurzen starken Worten gesagt.“ Ein von einem anderen User eingestelltes Video mit der Überschrift „Al-Baghdadi… isoliert, er lebt in einer sicheren Blase und fürchtet sich vor den Leuten, die ihm am nächsten sind“, welches den Anführer des Islamischen Staates verhöhne, habe der Kläger kommentiert: „Mit der Erlaubnis Allahs gibt es einen Ausweg für die monotheistischen, aufrichtigen und geduldigen Gottesfürchtigen. Und Schmach und Schande für jeden, der Allah, seinen Gesandten und die Muslime verraten hat! Los, Amerika, Russland und alle Religionen des Unglaubens, des Verrats und der Lakaien, auf zur Blase! O Allah, verhilf den Löwen des Tauhids überall zum Sieg! Amen, O Herr der Welten!“. Auch habe der Kläger ein Foto mit „Gefällt mir“ markiert, auf dem ein Kind mit einer Mütze im Military-Look mit dem Logo des IS zu sehen sei. Das Logo habe einen weißen Schriftzug „Es gibt keinen Gott außer Allah“ auf schwarzem Grund beinhaltet und darunter einen weißen Kreis mit den Wörtern „Allah, Gesandter, Muhammad“ in schwarzer Schrift. Da der Kläger das Foto „geliked“ habe, müsse davon ausgegangen werden, dass er es befürworte, dass ein Kind dem IS angehöre. Da es sich um eine jihadistische Organisation handele, die auch Kindersoldaten einsetze, sei nicht auszuschließen, dass der Kläger auch den bewaffneten Kampf von Kindern für den IS befürworte. Ausreichend für die Anwendung von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG sei eine Gefahr, die durch den weiteren Aufenthalt bestehe, ohne dass bereits ein strafrechtlich relevantes Verhalten vorliege. Dies habe zur Folge, dass die Ausländerbehörde auf der Grundlage der ihr vorliegenden Erkenntnisse eine Prognoseeinschätzung zu treffen habe, die allerdings nicht auf Vermutungen oder entfernte Möglichkeiten gestützt sein dürfe. Außerdem könnten auch Vorbereitungs- und Unterstützungstätigkeiten, die noch nicht strafbar seien, dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterfallen. Die ideologischen Grundsätze des Salafismus seien unvereinbar mit den im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland verankerten Prinzipien insbesondere der Demokratie, des Rechtsstaats und einer auf der Menschenwürde basierenden politischen Ordnung. Der Kläger sei wie bereits ausgeführt ein jihadistischer Salafist und Sympathisant bzw. Unterstützer des IS. Die Ideologie des Klägers sei mit der freiheitlichen demokratischen Grundordnung nicht vereinbar. Durch das „liken“ und „posten“ verschiedener salafistischer Beiträge aber auch von Beiträgen mit IS-Bezug trage der Kläger dazu bei, dass sich die jihadistisch-salafistische Ideologie weiterverbreite. Auch unterstütze er dadurch die terroristische Vereinigung IS. Das Tatbestandsmerkmal der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei somit erfüllt. Von einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung oder der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland sei gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigten, dass der Ausländer einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt oder eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat. Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“, die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftrete, handele es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätige (VG München, U.v. 26.1.2017 – M 12 K 16.5397). Der Kläger habe über seinen Facebook-Account jihadistisch-salafistisches Gedankengut verbreitet und auch Inhalte mit dem Bezug zum IS veröffentlicht. Dadurch unterstütze er die terroristischen Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Aktivitäten, Ziele und Methoden des IS kenne, die letztlich zu dessen Einordnung als terroristische Vereinigung geführt haben. Seitens des Klägers sei in keiner Weise dargelegt bzw. glaubhaft gemacht worden, dass dieser von der jihadistisch-salafistischen Ideologie Abstand genommen habe bzw. dass er kein Sympathisant des Islamischen Staates mehr sei. Bereits das BayLfV habe am 25. November 2019 mitgeteilt, dass Tatsachen vorliegen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger durch seine Social-Media-Aktivitäten eine Vereinigung unterstützt hat, die den Terrorismus unterstützt. Dieser Auffassung und der Bewertung dieser Entscheidung schließe sich auch die Beklagte an. Der Kläger gefährde die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland in höchstem Maße. Ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG liege zweifelsohne vor. Die Voraussetzungen für das Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Bleibeinteresses i.S.d. § 55 Abs. 1 AufenthG habe der Kläger schon allein deshalb nicht erfüllen können, weil diese Vorschrift den Besitz eines Aufenthaltstitels, das Führen einer familiären oder lebenspartnerschaftlichen Lebensgemeinschaft mit einem Deutschen oder die Ausübung eines Personensorge- oder Umgangsrechts für einen minderjährigen ledigen Deutschen voraussetze. Diese Voraussetzungen erfülle der Kläger nach Aktenlage nicht, insbesondere sei er seit 28. August 2015 nicht mehr im Besitz einer Aufenthaltserlaubnis. Gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG wiege das Bleibeinteresse schwer, wenn der Ausländer sein Personensorgerecht für einen im Bundesgebiet rechtmäßig sich aufhaltenden ledigen Minderjährigen oder mit diesem sein Umgangsrecht ausübe. Laut Aktenlage lebe der Kläger zusammen mit seiner Ehefrau und seinen zwei minderjährigen Kindern unter einer gemeinsamen Meldeadresse, sodass davon ausgegangen werde, dass der Kläger das Personensorgerecht für seine Kinder auch ausübe. Auch hielten sich die Kinder des Klägers rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Somit liege ein schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 2 Nr. 3 AufenthG vor. Der rechtzeitige Verlängerungsantrag des Klägers löse zwar eine Fiktionswirkung nach § 81 Abs. 4 AufenthG aus, jedoch werde der Antrag mit dieser Verfügung abgelehnt, sodass der Aufenthalt des Klägers auf der Grundlage von § 81 Abs. 4 AufenthG nicht als rechtmäßiger Aufenthalt i.S.d. § 55 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG berücksichtigt werde (§ 55 Abs. 3 AufenthG). Weitere Bleibeinteressen i.S.d. § 55 Abs. 1 und/oder 2 AufenthG seien nicht erkennbar und auch nicht geltend gemacht worden. Mit Bescheid des Bundesamts vom 10. Dezember 2015 sei dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Gemäß § 53 Abs. 3a AufenthG dürfe ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings genießt oder der einen von einer Behörde der Bundesrepublik Deutschland ausgestellten Reiseausweis nach dem Abkommen vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) besitzt, nur ausgewiesen werden, wenn er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder als eine terroristische Gefahr anzusehen ist oder er eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellt, weil er wegen einer schweren Straftat verurteilt wurde. Die Ausweisung des Klägers erfolge nur aus individualpräventiven Gründen. Die gegen den Kläger hier vorliegenden Erkenntnisse bestätigten, dass er aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und eine terroristische Gefahr anzusehen sei. Das BayLfV habe am 25. November 2019 mitgeteilt, dass die offen einsehbaren Facebook-Accounts des Klägers bereits in der Vergangenheit von diesem beobachtet worden seien, da diese augenscheinlich einen „Pro-IS“ Eindruck gemacht hätten. Es werde auch auf die Angaben des Klägers im Sicherheitsgespräch vom 11. September 2019 verwiesen. Bei Würdigung des Verhaltens des Klägers sei damit zu rechnen, dass er auch zukünftig seinen Aufenthalt im Bundesgebiet zur (Sympathie-)Werbung für den bewaffneten Jihad und zu Aktivitäten, die auf eine Unterstützung des IS hindeuten, ausnutzen werde. An die Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts seien umso geringere Anforderungen zu stellen, je gewichtiger die mögliche Rechtsverletzung ist. Die Gefahr von Terrorakten, die von Unterstützern oder Sympathisanten des IS ausgehe und für die der Kläger durch seine Sympathiewerbung den Boden bereite, sei dabei so schwerwiegend, dass an die Möglichkeit der direkten oder indirekten Beteiligung des Klägers hieran nur geringere Anforderungen zu stellen seien. Dies gelte umso mehr, als die Radikalisierung potentieller Täter, zu der auch der Kläger durch seine Sympathiewerbung beitrage, oftmals über das Internet verlaufe und von den Sicherheitsbehörden nicht oder nur unzureichend überwacht werden könne. Es bestehe daher eine erhebliche Wiederholungsgefahr. Die Beklagte habe bei der Entscheidung über die Ausweisung neben dem Ausweisungsinteresse auch die Bleibeinteressen des Klägers umfassend berücksichtigt. Dem besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresse stehe ein schwerwiegendes Bleibeinteresse und ein besonderer Ausweisungsschutz gemäß § 53 Abs. 3a AufenthG gegenüber. Im Rahmen der an den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit geleiteten Abwägung der öffentlichen Interessen an der Ausreise des Klägers mit dessen privaten Interessen seien im Fall des Klägers dennoch keine Umstände ersichtlich gewesen, die das bereits mit den obigen Ausführungen begründete überragende öffentliche Interesse an der Ausweisung des Klägers hätten aufwiegen können. Im Rahmen dieser Abwägung sei zwar insbesondere zu berücksichtigen, dass der Kläger, dessen Frau und dessen Tochter anerkannte Flüchtlinge seien. Der Kläger lebe seit knapp sechs Jahren im Bundesgebiet, jedoch sei eine Integration seinerseits bislang gescheitert. Dies sei auch bei der Sicherheitsbefragung des Klägers deutlich geworden. Obwohl er bereits seit einigen Jahren in Deutschland lebe und bereits mehrere Sprachkurse absolviert habe, seien seine Sprachkenntnisse auffallend schlecht gewesen, auch wenn er zu verstehen gegeben habe, dass die Schule nichts für ihn sei, sondern er lieber arbeiten möchte. Erkenntnisse, dass dem Wunsch des Klägers auch Taten folgten, seien nicht ersichtlich. Einer dauerhaften Erwerbstätigkeit sei der Kläger nach Aktenlage bislang nicht nachgegangen, obwohl ihm dies seit mehr als fünf Jahren erlaubt gewesen sei. Für seine Tochter hoffe der Kläger auf ein besseres Leben als er es gehabt habe, habe aber im Anschluss betont, dass dies nicht nach den üblichen gesellschaftlichen Regeln erfolgen solle, also sie z.B. keinen Freund haben dürfe. Sie solle sich „nach seiner Erziehung“ richten, also nach den muslimischen Traditionen und Werten, die der Kläger seiner Tochter mitgegeben habe. Betrachte man diese Aussagen im Kontext zur ideologischen Einstellung des Klägers, so wirkten dessen Äußerungen und Vorstellungen umso bedrohlicher. Eine Prognose über seine mittel- und langfristige Integration könne nach bisherigen Erkenntnissen nur negativ ausfallen. Auch bedeute die Ausweisung des Klägers aus dem Bundesgebiet keine räumliche Trennung von dessen Frau und Kindern, da er weiterhin die Flüchtlingseigenschaft innehabe. Der Eingriff sei weder unbillig noch unverhältnismäßig, da allein das persönliche Verhalten hierzu Veranlassung gegeben habe und der Ausweisungsanlass ein besonders schwerwiegender gewesen sei. Die einschneidenden Konsequenzen dieser Entscheidung würden hierbei nicht verkannt, seien jedoch erforderlich und zumutbar, da die Ausweisung des Klägers vorrangig dazu diene, die Gefährdung höchster Rechtsgüter abzuwehren. Die hier getroffene Entscheidung sei verhältnismäßig und stehe auch mit höherrangigen Rechtsnormen bzw. zwischenstaatlichen Vereinbarungen in Einklang, Art. 6 GG und Art. 8 EMRK. Das gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG zu erlassende und gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 AufenthG zu befristende Einreise- und Aufenthaltsverbot werde gemäß § 11 Abs. 5a Satz 1 AufenthG auf die Dauer von 20 Jahren befristet, da der Kläger zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland und einer terroristischen Gefahr aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werde. Ein atypischer Fall sei vorliegend nicht erkennbar. Bezüglich der beantragten Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis des Klägers sei zunächst festzustellen, dass die Titelerteilungssperre des § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegenstehe, weil der Kläger mit dieser Verfügung aus dem Bundesgebiet ausgewiesen werde und eventuelle Rechtsmittel hiergegen die Wirksamkeit dieser Maßnahme zunächst unberührt ließen (§ 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG). Die Erteilung bzw. Verlängerung eines Aufenthaltstitels an den Kläger sei deshalb bereits kraft Gesetzes ausgeschlossen. Zudem sei der Kläger aufgrund eines besonders schwerwiegenden Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG ausgewiesen worden, sodass ihm keine Aufenthaltserlaubnis erteilt werden dürfe, vgl. § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG (a.F.). Der Aufenthalt des Klägers werde auf das Stadtgebiet der Stadt … beschränkt. Auf den in der Anlage beigefügten Lageplan werde verwiesen. Grundsätzlich bestehe die Aufenthaltsbeschränkung kraft Gesetzes. Gemäß § 56 Abs. 2 AufenthG resultiere aus der obigen Ausweisungsverfügung eine Aufenthaltsbeschränkung. Der Aufenthalt des Klägers sei danach auf den Bezirk der Ausländerbehörde … beschränkt, soweit die Ausländerbehörde keine abweichenden Festlegungen treffe. Von dieser gesetzlichen Ermächtigung mache die Beklagte aktuell keinen Gebrauch. Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit sei im Rahmen einer Güterabwägung gewahrt. Die obige Maßnahme sei im Fall des Klägers aus Gründen der inneren Sicherheit geeignet, um die von ihm ausgehende Gefährlichkeit durch die Verwirklichung des Ausweisungsinteresses nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG weitestgehend bzw. soweit wie möglich zu unterbinden. Sie sei auch erforderlich, da ansonsten die Überwachbarkeit des Klägers nicht effektiv gewährleistet werden könne. Die vorgesehene wöchentliche Meldeverpflichtung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG diene dazu, den Aufenthalt des Klägers in … zu überwachen und stelle somit eine sinnvolle und verhältnismäßige Ergänzung des Aufenthaltsgebots dar. Aus Gründen der inneren Sicherheit sei die wöchentliche Meldepflicht ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, um die vom Kläger ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung zu kontrollieren und zu überwachen. Die von ihm unterstützte Verbreitung einer salafistisch-jihadistischen Ideologie müsse effektiv eingedämmt werden. Wie bereits dargestellt habe der Kläger eine terroristische Vereinigung unterstützt. Er erfülle damit ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse. Da keine Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass er sein Verhalten und seine ideologische Einstellung in absehbarer Zukunft ändern werde, sei die Auflage notwendig und geeignet, um ihm weitere Aktivitäten zumindest zu erschweren, indem ihm keine Möglichkeiten zu einem längeren unbemerkten Aufenthalt außerhalb seines zugewiesenen Bereiches gegeben würden. Ein milderes Mittel sei vorliegend nicht ersichtlich bzw. stehe der Ausländerbehörde nicht zur Verfügung. Die Anordnung einer wöchentlichen Meldepflicht sei ferner auch erforderlich, um die Mobilität des Klägers in erforderlicher Weise einzuschränken. Darüber hinaus sei sie in Abwägung der persönlichen Interessen des Klägers und denen der Allgemeinheit auch angemessen. Das öffentliche Interesse an einer Gefahrenabwehr überwiege hier dessen private Interessen, insbesondere das der allgemeinen Handlungsfreiheit. Das Kommunikationsmittelverbot nach § 56 Abs. 4 AufenthG erfolge zur Unterbindung der Fortführung von Bestrebungen, die zur Ausweisung des Klägers geführt hätten. Es sei zudem notwendig und erforderlich, um erhebliche Gefahren für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter abzuwehren. Wie oben bereits aufgeführt, habe der Kläger über das Internet Inhalte und Beiträge verbreitet, durch die er die Sicherheit, insbesondere die innere Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährde. Gerade die Tatsache, dass der Kläger mittels sozialer Medien aktiv dessen jihadistisch-salafistische Ideologie verbreitet und auch den IS unterstützt habe, zeige die Notwendigkeit eines Kommunikationsmittelverbotes, um ihm weitere Betätigungen in diese Richtung zumindest zu erschweren. Auf Grund der bereits dargestellten persönlichen Einstellung und Überzeugung des Klägers genüge es insbesondere auch nicht, diesem lediglich die Nutzung des Internets bzw. bestimmter Internetseiten zu verbieten oder die Nutzung bestimmter Telefone oder einzelner anderer Kommunikationsmittel zu untersagen. Es bestehe in diesem Zusammenhang zum einen die Gefahr, dass der Kläger sich – beispielsweise bei der bloßen Untersagung der Facebook-Nutzung – in anderen sozialen Netzwerken anmelde und seine oben beschriebenen Aktivitäten dort durchführe, oder dass er über E-Mail-Programme sicherheitsgefährdende Inhalte weiterverbreite oder sicherheitsrechtlich relevante Kontakte aufbaue und weiter aufrechterhalte. Zum anderen bestehe die Gefahr, dass der Kläger sich unabhängig von sozialen Netzwerken und E-Mail-Programmen im Internet noch weiter zu jihadistisch-salafistischen Themen informiere und sich so in seinem Denken und Handeln noch weiter radikalisiere. Darüber hinaus könne der Kläger ein beschränktes Internet- und Kommunikationsmittelverbot aufgrund des heutzutage vielfältig vorhandenen Angebotes ohne größere Probleme umgehen, so dass eine Unterbindung der Fortführung seiner Aktivitäten sowie die Eindämmung der von ihm ausgehenden erheblichen Gefahr für die innere Sicherheit oder für Leib und Leben Dritter auf diesem Wege nicht erreicht werden könne. Wie oben bereits erwähnt, stelle das Internet ein wichtiges gesellschaftliches Medium dar und sei gerade bei jungen Menschen sehr beliebt. Des Weiteren gewinne es im internationalen Terrorismus zunehmend an Bedeutung. Die Anordnung des Verbots der gesamten Internetnutzung sowie der Nutzung weiterer Kommunikationsmittel sei im Fall des Klägers notwendig und vor allem zweckmäßig, da hierdurch insbesondere erreicht werde, dass er keine sicherheitsgefährdenden Inhalte mehr verbreiten, sich beschaffen oder konsumieren könne. Ferner schränke das Verbot auch die Kontaktaufnahme und Aufrechterhaltung der Verbindung zu dem bisherigen gefährlichen Umfeld des Klägers und gleichzeitig die Möglichkeit der Radikalisierung anderer Internetbesucher durch dessen Veröffentlichungen und Statements in erheblichem Maße ein. Das Verbot sämtlicher Kommunikationsmittel bis auf ein nicht internetfähiges Mobiltelefon solle dem Kläger zudem auch die Kontaktaufnahme zu dessen bisherigen Bezugspersonen aus der salafistischen, extremistischen, jihadistischen und/oder auch terroristischen Szene so weit wie möglich erschweren, um auf diese Weise ebenfalls die weitere Verbreitung seiner Ideologien und die davon ausgehende Gefährdung so weit wie möglich zu unterbinden. Dem gesetzlich in § 56 Abs. 4 AufenthG bestimmten Erfordernis, dass dem Kläger bestimmte Kommunikationsmittel verbleiben müssten, werde insoweit Rechnung getragen, dass ihm ein nicht internetfähiges Mobiltelefon, bei dem er gegenüber der Ausländerbehörde … die Telefon-, Karten- und Gerätenummer angeben müsse, gewährt werde. In diesem Rahmen habe der Kläger so auch weiterhin die Möglichkeit, das verfassungsmäßig geschützte Recht auf Kommunikationsfreiheit noch wahrzunehmen und auszuüben. Die Androhung des Zwangsgeldes stütze sich jeweils auf Art. 29, 31 und 36 VwZVG. Im Interesse einer wirksamen Gefahrenabwehr sei die Anordnung von Zwangsgeldern geeignet und zweckmäßig, um zur Durchsetzung der in Ziffern IV, V und VI dieser Verfügung festgelegten Verpflichtungen beizutragen. Dieses sei in der angedrohten Höhe von 100,00 EUR in Anbetracht der Bedeutung der jeweiligen Verpflichtungen geeignet, erforderlich und auch angemessen. Für die Ziffern IV, V und VI dieser Verfügung sei nach § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO im öffentlichen Interesse die sofortige Vollziehung anzuordnen gewesen. Die sofortige Vollziehbarkeit der Ziffern IV, V und VI sei erforderlich, um die Durchsetzung der Maßnahmen im Wege des Verwaltungszwangs zu ermöglichen. Zwar träten die Aufenthaltsbeschränkung und die Meldepflicht bereits kraft Gesetzes mit sofortiger Wirkung ein (§ 56 Abs. 1 und 2, § 84 Abs. 2 Satz 1 AufenthG), die Vollstreckung im Wege des Verwaltungszwangs setze jedoch einen vollziehbaren Verwaltungsakt voraus. Ohne die Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit der Ziffern IV, V und VI könnten die Aufenthaltsbeschränkung und die Meldepflicht daher nicht effektiv durchgesetzt werden. Die Durchsetzung der Überwachungsmaßnahmen sei bereits ab Zustellung dieses Bescheides erforderlich, da der Kläger sich ansonsten während eines zu erwartenden verwaltungsgerichtlichen Verfahrens weitgehend ungehindert im Bundesgebiet bewegen könnte und hierdurch während dieses Verfahrens weiterhin Gefahren für die freiheitliche demokratische Grundordnung sowie für die öffentliche Sicherheit im Bundesgebiet hingenommen werden müssten. Konkret drohe die Gefahr, dass ohne die sofortige Vollziehbarkeit der mit dieser Entscheidung verfügten Überwachungsmaßnahmen die im Rahmen dieser Entscheidung ausreichend begründete durch die Person des Klägers ausgehende Gefahr fortbestehe und er weitere Unterstützungshandlungen zugunsten des IS verwirkliche. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung stehe somit im überwiegenden öffentlichen Interesse.
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Mit Schreiben vom 1. April 2021 (bei Gericht eingegangen am selben Tag) erhob der Kläger über dessen Bevollmächtigten Klage gegen den Bescheid vom 3. März 2021 (AN 11 K 21.00603) und stellte einen Antrag im Eilrechtsschutz (AN 11 S 21.00602) sowie auf Gewährung von Prozesskostenhilfe.
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Mit Schreiben vom 2. Dezember 2021 fragte die Beklagte beim BayLfV unter Verweis auf die Bewertung des Sicherheitsgesprächs des BayLfV vom 25. November 2019 nach dem Anfall neuer relevanter Erkenntnisse.
21
Mit Schreiben vom 25. Januar 2022 übersandte die Beklagte dem Gericht im Nachgang zur Ausländerakte die am 2. Dezember 2021 angefragte Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 14. Dezember 2021. Hierin würden Erkenntnisse, welche durch offene Recherche im Internet gewonnen worden seien, mitgeteilt. Es handele sich um Videos (Bildausschnitte aus Videos), welche mutmaßlich den Kläger zeigten. Nach Bewertung des BayLfV ließen Lichtbildvergleiche eine Feststellung der Personenidentität zu. Die Beklagte schließe sich der Auffassung des BayLfV vollumfänglich an. Aus der Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 14. Dezember 2021 geht hervor, dass Recherchen der Sicherheitsbehörden um den Ort Muhassan in Verbindung mit dem sog. „Arabischen Frühling“ in Syrien zu einem Video geführt hätten, in dem ein „Oberst …“ mehreren augenscheinlichen Kämpfern eine Ausbildung im Umgang mit und der Anwendung von Antipanzer- und Antipersonenminen gebe. Bei dem Unterrichtenden handele es sich laut Text im Video um einen …, alias „…“. Unter den Personen habe bislang vermutlich der Kläger identifiziert werden können. Das Video sei auch insoweit relevant, als dass in einem anderen Bildausschnitt vermutlich „…“ zu sehen sei, welcher in seiner Sterbeanzeige als ein Lokalkommandeur der Katiba „…“, die ihrerseits zumindest zu diesem Zeitpunkt der Liwa „al Fateh“ zugehörig gewesen sei, bezeichnet werde. In einem weiteren Video sei zu sehen, wie sich mehrere aktive Kampfgruppen der Region Muhassan zu einer gemeinsamen „revolutionären Kraft“ zusammengeschlossen hätten. Zu dieser Kraft würden anlässlich der gemeinsamen Erklärung explizit alle Gruppen genannt – revolutionäre, islamistische und auch die Jabhat an Nussrah (JaN). Auch hier sei mutmaßlich die gleiche Person, d.h. vermutlich der Kläger, zu sehen. Neben Statur und Bartwuchs spreche auch die gleiche Kopfbedeckung wie im vorherigen Video für eine Personenidentität. In einem dritten Video seien gleiche Protagonisten zu sehen wie im zweiten Video. Auch hier ginge es um die Bildung bzw. den Zusammenschluss einer „Armee“ bzw. Kampfgruppe. Auch hier sei vermutlich der Kläger zu sehen. Inhaltlich werde öffentlich kundgetan, dass eine Vielzahl von „Katiba“ (Kampfgruppen) sich zu „Jaish al-Faqq“ (Arbeitsübersetzung: Armee der Wahrheit) zusammengeschlossen hätten. Obgleich kein direktes Bekenntnis zu einer terroristischen Vereinigung nach hiesiger Einstufung getroffen werden könne, so bleibe zumindest festzustellen, dass eine Vielzahl der aufgezählten Gruppen einen islamistischen Namen trage. Die Erkenntnisse seien aus offenen Internetquellen recherchiert und gesichert. Es könne aufgrund der relativ geringen Auflösung der Videos nicht abschließend festgestellt werden, ob es sich tatsächlich um den Kläger handele, obgleich entsprechende Lichtbildvergleiche eine Feststellung der Personenidentität nach Bewertung des BayLfV zuließen.
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Mit Schreiben vom 14. Oktober 2022 teilte die Beklagte dem Bevollmächtigten des Klägers mit, dass beabsichtigt sei, den Kläger zur Ausreise aufzufordern. Sofern der Kläger seiner Ausreisepflicht freiwillig nicht nachkomme, sei nach dem Wegfall der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, der Feststellung von Abschiebungsverboten und Aufhebung des generellen Abschiebestopps nach Syrien weiter beabsichtigt, den Kläger insbesondere nach Syrien abzuschieben. Dem Kläger wurde Gelegenheit zur Stellungnahme bis 21. Oktober 2022 gegeben.
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Mit Schreiben vom 12. Oktober 2023 wurde nochmals Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigten Ausreiseaufforderung und bedingten Abschiebungsandrohung insbesondere nach Syrien bis 26. Oktober 2023 gegeben.
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Mit Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2023 (* …*) (zugestellt an den Bevollmächtigten des Klägers gegen Empfangsbekenntnis am 2.11.2023) ergänzte diese den streitgegenständlichen Bescheid vom 3. März 2021 gemäß Ziffer 1 um die Ziffern XI und XII. Der Kläger wurde auf seine vollziehbare Ausreisepflicht hingewiesen und aufgefordert, das Bundesgebiet bis spätestens 26. November 2023 zu verlassen (Ziffer XI). Sollte er seiner vollziehbaren Ausreiseverpflichtung innerhalb der vorstehend genannten Frist nicht freiwillig nachkommen, wurde ihm im Fall des bestandskräftigen Wegfalls der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, des subsidiären Schutzes bzw. des Wegfalls der Feststellung von Abschiebungsverboten die Abschiebung insbesondere nach Syrien angedroht (Ziffer XII). Zur Begründung führte die Beklagte im Wesentlichen aus, dass dem Kläger zuletzt von der Beklagten am 28. Dezember 2022 eine bis 3. Januar 2024 gültige Bescheinigung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) nach § 60a Abs. 2 Satz 1 AufenthG erteilt worden sei. Im Hinblick auf die aktuelle Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs werde diese Entscheidung erlassen. Aufgrund des sachlichen Zusammenhangs werde die Entscheidung als Ergänzungsbescheid erlassen. Gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG sei der Kläger zur Ausreise verpflichtet. Er habe das Bundesgebiet gemäß § 50 Abs. 2 AufenthG bis zum Ablauf der ihm gesetzten Frist unter Ziffer 1 dieses Bescheides zu verlassen. Diese Frist sei im Hinblick auf seine bisherige Aufenthaltsdauer im Bundesgebiet angemessen. Sollte der Kläger seiner Ausreiseverpflichtung nicht freiwillig und fristgerecht nachkommen, werde nach bestandskräftigem Wegfall der zu seinen Gunsten festgestellten Flüchtlingseigenschaft sowie etwaiger Feststellungen von Abschiebungsverboten seine Ausreiseverpflichtung gemäß § 59 Abs. 1
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AufenthG durch Abschiebung vollzogen. Weitere Abschiebungshindernisse seien nicht ersichtlich und auch nicht geltend gemacht worden. Solange die Feststellung eines Abschiebungsverbots durch das Bundesamt fortbestehe, sei die Abschiebung vorübergehend ausgesetzt. Im Falle der Abschiebung wäre gemäß § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 3 AufenthG ebenfalls ein von Amts wegen zu befristendes Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen, welches gemäß § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG zur Folge hätte, dass der Kläger weder erneut in das Bundesgebiet einreisen, noch sich darin aufhalten dürfte noch dürfte ihm, selbst im Falle eines Anspruchs, ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Nach Auffassung des EuGH sei das Einreise- und Aufenthaltsverbot ohne Rückführungsentscheidung rechtswidrig. Die Beklagte habe sich mit der Auffassung des EuGH auseinandergesetzt. Aufgrund der mit dieser Verfügung erlassenen Abschiebungsandrohung liege eine Rückführungsentscheidung vor und es werde entsprechend der Auffassung des EuGH gehandelt. Diese Rückkehrentscheidung sei allein aufgrund des nunmehr nationalen Ausweisungssystems notwendig. Eine Verfestigung eines straffälligen und ausgewiesenen Ausländers sei dadurch nicht mehr möglich, da aufgrund des erlassenen Einreise- und Aufenthaltsverbotes eine Titelerteilungssperre (§ 11 Abs. 1 AufenthG) vorliege. Bezüglich weiterer Ausführungen hierzu werde auf die streitgegenständliche Entscheidung der Beklagten vom 3. März 2021 verwiesen. Der Aufenthalt des Klägers könne im Moment tatsächlich nicht beendet werden. Ihm sei zuletzt am 28. Dezember 2022 von der Beklagten eine Bescheinigung über die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung) ausgestellt worden. Die Möglichkeit einer freiwilligen Ausreise bleibe hiervon unberührt und bestehe auch weiterhin.
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Mit Schriftsatz vom 24. November 2023 (bei Gericht eingegangen am selben Tag) erhob der Kläger über dessen Bevollmächtigten Klage gegen den Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2023 (* …*) (vormals erfasst unter AN 11 K 23.2388) und beantragte dessen Aufhebung. Eine Einbeziehung des Ergänzungsbescheids vom 27. Oktober 2023 in die Verfahren AN 11 K 21.00603 und AN 11 S 21.00602 wurde zudem bereits mit Schriftsatz vom 22. November 2023 (bei Gericht eingegangen am 23.11.2023) beantragt.
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Mit Schreiben vom 12. Dezember 2023 (bei Gericht eingegangen am selben Tag) beantragte die Beklagte im Verfahren AN 11 K 23.2388 die Abweisung der Klage als unbegründet. Die Beklagte stimmte der Einbeziehung des Ergänzungsbescheids vom 27. Oktober 2023 in das bereits anhängige Klageverfahren (AN 11 K 21.00603) zu.
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Mit Schreiben vom 6. Dezember 2024 wies der Klägerbevollmächtigte darauf hin, dass eine zwischenzeitliche Beobachtung des Klägers durch das BayLfV eingestellt worden sei.
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Auf Nachfrage der Beklagten mit E-Mail vom 10. Dezember 2024 teilte das BayLfV am 17. Dezember 2024 mit, dass dieses keine Auskünfte darüber erteile, ob eine Person nach § 3 BayVSG beobachtet werde oder nicht.
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Mit Schreiben der Beklagten vom 20. Dezember 2024 trug diese zum aktuellen Sachstand vor und wies unter anderem nochmals auf die Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 14. Dezember 2021 hin. Mit Schreiben vom 20. Dezember 2022 habe das BayLfV zudem die Internetaktivitäten des Klägers seit dem 3. März 2021 ausgewertet. Es habe in Erfahrung gebracht werden können, dass alle E-Mail-Adressen, die als Recherche-Parameter benutzt worden seien, im Zeitraum vom 17. April 2021 bis 18. August 2022 aktiv gewesen seien. Somit werde vom BayLfV davon ausgegangen, dass sich der Kläger Zugang zum Internet verschafft habe. Vorausgesetzt, dass der Kläger auch wirklich Nutzer dieser E-Mail-Adressen sei und nicht etwa seine Ehefrau, Tochter, o.Ä. Drei der E-Mail-Adressen seien mit sozialen Netzwerken verknüpft gewesen. Der Kläger gefährde die freiheitliche demokratische Grundordnung und die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland weiterhin in höchstem Maße. Der Kläger bestreite von Anfang an seine Unterstützungshandlungen für eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstütze. Seine beweisbaren Social-Media-Aktivitäten habe er verharmlost. Laut seinen Aussagen wären dies nur allgemeine Religionstipps und Ratschläge gewesen. Jedoch zeigten diese Aktivitäten eindeutige IS-Bezüge auf. In einem am 11. September 2019 durchgeführten Sicherheitsgespräch habe der Kläger vorgegeben, gegen das (damals) syrische Regime zu sein. Er habe sich von allen in Syrien kämpfenden Gruppen distanziert. Aus der Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 14. Dezember 2021 habe der Kläger jedoch vermutlich als eine Person identifiziert werden können, die in einem – im Jahr 2014 hochgeladenen – Video zu sehen sei. In dem Video seien mehrere augenscheinliche Kämpfer (darunter auch vermutlich der Kläger) für die Anwendung von Antipanzer- und Antipersonenminen ausgebildet worden. In einem weiteren Video sei zu sehen, wie sich mehrere aktive Kampfgruppen der Region Muhassan zu einer gemeinsamen „revolutionären Kraft“ zusammengeschlossen hätten. Zu dieser Kraft würden anlässlich der gemeinsamen Erklärung explizit alle Gruppen genannt – revolutionäre, islamistische und auch die Jabhat an Nussrah. Auch in diesem Video sei mutmaßlich der Kläger zu sehen. Die Unterstützungshandlungen des Klägers für eine Vereinigung, die den Terrorismus unterstützt, seien demzufolge viel tiefgreifender als zum Zeitpunkt der Ausweisungsverfügung angenommen worden sei. Der Kläger habe nicht im Ansatz versucht, dazu Stellung zu nehmen. Auch nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung habe es mehrere Verstöße gegen seine Meldeauflage und gegen das Kommunikationsverbot gegeben. Auch sei nicht auszuschließen, dass der Kläger nach dem Erlass der Ausweisungsverfügung seine E-Mail-Adressen weiterhin genutzt habe. Der Kläger habe sich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft mit den beweisbaren Unterstützungshandlungen auseinandergesetzt. Vielmehr spiele er seine Handlungen herunter bzw. streite diese ab. Demzufolge könne von einem Abstand nehmen und einer Distanzierung auch überhaupt nicht die Rede sein, da dem Kläger bereits die Einsicht fehle, warum seine Tätigkeiten zum Erlass der Ausweisungsverfügung geführt haben.
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Mit Schreiben vom 9. Januar 2025 erwiderte der Klägerbevollmächtigte auf die vorgelegte Auswertung der Internetaktivitäten des Klägers, dass diese zum einen völlig unbrauchbar sei, da das BayLfV selbst nicht gesichert angeben könne, ob der Kläger tatsächlich der Nutzer der ermittelten E-Mail-Adressen sei, und zum anderen offenbar keine sicherheitsrelevanten Erkenntnisse zu Tage gebracht worden seien.
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Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Ansbach vom 22. Mai 2025 wurde dem Kläger für das Klage- und Antragsverfahren Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt …, bewilligt.
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In der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2025 führte die Beklagtenvertreterin aus, dass angesichts der wohl derzeitig voraussichtlich rechtswidrigen Formulierung in Ziffer XII des Ergänzungsbescheids vom 27. Oktober 2023 eine Abänderung in Anlehnung an die EuGH-Rechtsprechung erfolge. Ziffer XII werde wie folgt abgeändert: „Sollten Sie Ihrer vollziehbaren Ausreiseverpflichtung innerhalb der vorstehend genannten Frist nicht freiwillig nachkommen, wird Ihnen die Abschiebung in jeden Staat, in den Sie einreisen dürfen oder der zu Ihrer Übernahme verpflichtet ist, angedroht. Eine Abschiebung nach Syrien darf nicht erfolgen.“
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Der Kläger beantragt in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2025:
1. Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2021 sowie der Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2023 in der geänderten Fassung vom 27. Mai 2025 werden aufgehoben.
2. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die beantragte Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG zu verlängern.
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Die Beklagte beantragt in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2025:
Die Klage wird abgewiesen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Niederschrift der mündlichen Verhandlung sowie den Inhalt der Gerichtsakten (AN 11 S 21.00602, AN 11 K 21.00603, vormals AN 11 K 23.2388) und der beigezogenen Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Bezüglich des im vormaligen Verfahren AN 11 K 23.2388 beklagten Ergänzungsbescheids der Beklagten vom 27. Oktober 2023 (...) in der Fassung vom 27. Mai 2025 und dessen begehrter Einbeziehung in das vorliegende Verfahren handelt es sich um einen Fall der Klageänderung in Form der Klageerweiterung, § 91 VwGO. Diese ist vorliegend zulässig aufgrund der Einwilligung der Beklagten vom 12. Dezember 2023 bzw. jedenfalls aufgrund Sachdienlichkeit, § 92 Abs. 1 VwGO.
39
Die Klage ist – soweit die Aufhebung des Bescheids vom 3. März 2021 sowie die Aufhebung des Ergänzungsbescheids der Beklagten vom 27. Oktober 2023 in der geänderten Fassung vom 27. Mai 2025 begehrt werden – als Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
40
Soweit der Kläger darüber hinaus auch die Erteilung bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis begehrt, ist die Klage als Verpflichtungsklage in Form der Versagungsgegenklage gemäß § 42 Abs. 1 Alt. 2 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig.
41
Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 3. März 2021 sowie der Ergänzungsbescheid der Beklagten vom 27. Oktober 2023 in der geänderten Fassung vom 27. Mai 2025 sind jeweils rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung bzw. Verlängerung seiner Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
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Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BVerwG, U.v. 27.7.2017 – 1 C 28/16 – juris, Rn. 16; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 8).
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1. Die Ausweisung des Klägers aus der Bundesrepublik Deutschland (Ziffer I des Bescheids vom 3.3.2021) erweist sich als rechtswidrig.
44
Rechtsgrundlage für die Ausweisung ist § 53 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3a AufenthG, weil dem Kläger mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts vom 10. Dezember 2015 die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt und seither nicht widerrufen wurde.
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Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem weiteren Verbleib des Ausländers im Bundesgebiet ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Hierbei sind insbesondere die Dauer seines Aufenthalts, seine persönlichen, wirtschaftlichen und sonstigen Bindungen im Bundesgebiet und im Herkunftsstaat oder in einem anderen zur Aufnahme bereiten Staat sowie die Folgen der Ausweisung für Familienangehörige und Lebenspartner sowie die Tatsache, ob sich der Ausländer rechtstreu verhalten hat, zu berücksichtigen (§ 53 Abs. 2 AufenthG). Für die Abwägung hat der Gesetzgeber in nicht abschließenden Katalogen vorgegeben, unter welchen Voraussetzungen das öffentliche Ausweisungsinteresse (§ 54 AufenthG) und unter welchen Voraussetzungen das Bleibeinteresse des Ausländers (§ 55 AufenthG) schwer bzw. besonders schwer zu gewichten ist.
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Zwar gefährdet der Aufenthalt des Klägers zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt die öffentliche Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland i.S.v. § 53 Abs. 1 AufenthG. Der Maßstab des § 53 Abs. 1 AufenthG wird hier jedoch durch den Maßstab des § 53 Abs. 3a AufenthG modifiziert, wonach ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist oder der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG oder eines subsidiär Schutzberechtigten i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG genießt, nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden darf. Der Kläger verwirklicht hier zwar ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG (a.), zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung i.S.d. § 53 Abs. 3a AufenthG liegen aber nicht vor (b.).
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a. Der Kläger verwirklicht ein besonders schwerwiegendes Ausweisungsinteresse i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Nach dieser Vorschrift wiegt das Ausweisungsinteresse besonders schwer, wenn der Ausländer die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet; hiervon ist auszugehen, wenn Tatsachen die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass er einer Vereinigung angehört oder angehört hat, die den Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, es sei denn, der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand.
48
Die genannten Voraussetzungen sind erfüllt. Es liegen Tatsachen vor, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger eine Vereinigung unterstützt oder unterstützt hat, die den Terrorismus unterstützt.
49
aa. Bei der Vereinigung „Islamischer Staat“ (IS), die auch unter den Aliasnamen „Islamischer Staat im Irak und in Syrien (ISIS)“, „Islamischer Staat im Irak und Levante (ISIL)“ und „Islamischer Staat im Irak und Großsyrien (ISIG)“ auftritt, handelt es sich um eine Vereinigung, die sich terroristisch betätigt. Diese Einschätzung entspricht der die allgemeine Auffassung der internationalen Staatengemeinschaft wiedergebenden Resolution 2734 (2024) des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen vom 10. Juni 2024, in welcher erneut unter Hinweis auf entsprechende Vorgängerresolutionen die terroristischen Handlungen der ISIL verurteilt und die Staatengemeinschaft zu Gegenmaßnahmen aufgerufen wurden. Es besteht keinerlei Anlass dazu, an dieser allgemeingültigen Beurteilung der Aktivitäten der Vereinigung „Islamischer Staat“ zu zweifeln (vgl. auch VG München, B.v. 14.12.2016 – M 12 S 16.5400 – juris Rn. 41; U.v. 26.1.2017 – M 12 K 16.5397 – juris Rn. 65; VG Hamburg, U.v. 20.12.2017 – 2 K 2745/16 – juris Rn. 28).
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bb. Die Aktivitäten des Klägers auf Facebook rechtfertigen die Schlussfolgerung, dass dieser eine terroristische Vereinigung, namentlich den IS, unterstützt hat und damit die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet hat.
51
Der Begriff der „Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland“ i.S.d. Vorschrift ist enger zu verstehen als der Begriff der öffentlichen Sicherheit i.S.d. allgemeinen Polizeirechts. Die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland umfasst die innere und äußere Sicherheit und schützt nach innen den Bestand und die Funktionstüchtigkeit des Staates und seiner Einrichtungen. Das schließt den Schutz vor Einwirkungen durch Gewalt und Drohungen mit Gewalt auf die Wahrnehmung staatlicher Funktionen ein (vgl. Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, Stand 1.4.2025, § 54 AufenthG Rn. 91; VG Berlin, U.v. 23.8.2023 – VG 24 K 7/23 – juris Rn. 49).
52
Eine vom Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG erfasste Gefährdung der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland kann nicht nur von terroristischen bzw. den Terrorismus unterstützenden Vereinigungen, sondern auch von Einzelpersonen ausgehen, die nicht als Mitglieder oder Unterstützer in eine derartige Vereinigung eingebunden sind oder in einer entsprechenden Beziehung zu einer solchen stehen. Erfasst sind grundsätzlich auch Zwischenstufen lose verkoppelter Netzwerke, (virtueller oder realer) Kommunikationszusammenhänge oder „Szeneeinbindungen“, die auf die Realitätswahrnehmung einwirken und geeignet sind, die Bereitschaft zu terroristischen Aktivitäten im Einzelfall zu wecken oder zu fördern (vgl. VG Berlin, U.v. 23.8.2023 – VG 24 K 7/23 – juris Rn. 50; zur sog. Sympathiewerbung in sozialen Netzwerken vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Aufl. 2025, § 54 AufenthG Rn. 52; VG München, B.v. 14.12.2016 – M 12 S 16.5400 – juris; VG Hamburg, U.v. 20.12.2017 – 2 K 2745/16 – juris). Als sicherheitsgefährdende Unterstützungshandlung ist jede Tätigkeit anzusehen, die sich in irgendeiner Weise positiv auf die Aktionsmöglichkeiten der Vereinigung auswirkt, die den internationalen Terrorismus unterstützt. Dazu zählt jedes Tätigwerden, das die innere Organisation und den Zusammenhalt der Vereinigung fördert, ihren Fortbestand oder die Verwirklichung ihrer auf die Unterstützung terroristischer Bestrebungen gerichteten Ziele fördert und damit ihre potenzielle Gefährlichkeit festigt und ihr Gefährdungspotenzial stärkt. Eine von der Person ausgehende konkrete und gegenwärtige Gefahr ist nicht erforderlich. Maßgeblich ist, inwieweit das festgestellte Verhalten des Einzelnen zu den (latenten) Gefahren (der Vorfeldunterstützung) des Terrorismus nicht nur ganz unwesentlich oder geringfügig beiträgt und deshalb selbst potenziell als gefährlich erscheint. Unerheblich ist, ob der Ausländer selbst Mitglied der Vereinigung ist oder sie unterstützt, ohne selbst Mitglied zu sein. Auch die bloße Teilnahme an Demonstrationen oder anderen Veranstaltungen kann eine Unterstützung darstellen, wenn sie geeignet ist, eine positive Außenwirkung im Hinblick auf die durch § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG missbilligten Ziele zu entfalten. Der Unterstützungsbegriff ist dabei unabhängig von der strafrechtlichen Auslegung des § 129a StGB zu bestimmen und umfasst auch die Sympathiewerbung für terroristische Aktivitäten Dritter (vgl. VG Hamburg, U.v. 20.12.2017 – 2 K 2745/16 – juris Rn. 29). § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterscheidet nicht zwischen dem Unterstützen und Werben und beinhaltet keine Beschränkung der Werbung auf ein gezieltes Werben um Mitglieder und Unterstützer (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2011 – 1 C 13/10 – juris Rn. 20 f.). Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es dabei nicht an, ebenso wenig auf die subjektive Vorwerfbarkeit der Unterstützungshandlungen (vgl. BVerwG, U.v. 15.3.2005 – 1 C 26/03 – juris Rn. 25 m.w.N.). Ob allein die Äußerung einer Sympathie für eine terroristische Vereinigung im privaten Kreis diese Anforderungen erfüllen würde, kann dahinstehen. Jedenfalls genügt eine Meinungskundgabe oder sonstige Aktivität, die geeignet ist, eine für die terroristische Organisation vorteilhafte Außenwirkung zu erzielen (so BVerwG, U.v. 15.3.2005 – 1 C 26/03- juris zur Teilnahme an einer Demonstration für einen verbotenen Verein). Diese weite Auslegung des Unterstützerbegriffs ist auch aufgrund der unions- und völkerrechtlich begründeten Zwecksetzung des Gesetzes geboten, um dem Terrorismus schon im Vorfeld die logistische Basis zu entziehen. Im Hinblick auf den Schutz der Meinungsfreiheit und das Gebot der Verhältnismäßigkeit staatlicher Eingriffe in die grundrechtlich geschützte Betätigungsfreiheit des Einzelnen erfüllen allerdings solche Handlungen den Tatbestand der individuellen Unterstützung nicht, die erkennbar nur auf einzelne, mit terroristischen Zielen und Mitteln nicht im Zusammenhang stehende – etwa humanitäre oder politische – Ziele der Vereinigung gerichtet sind (vgl. zum gesamten Vorstehenden BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3.16 – juris Rn. 31 ff.; U.v. 30.7.2013 – 1 C 9.12 – juris Rn. 15, U.v. 15.3.2005 – 1 C 26.03 – juris Rn. 25; Hailbronner in Hailbronner, Ausländerrecht, Stand 1.3.2025, § 54 AufenthG Rn. 57 f. m.w.N.).
53
Insbesondere die Verbreitung von gewaltverherrlichenden Einträgen über soziale Medien wie Facebook, die den IS, dessen Ideologie, den bewaffneten Jihad, Selbstmordanschläge und den Märtyrertod verteidigen bzw. glorifizieren, kann eine Unterstützungshandlung im oben genannten Sinne darstellen (vgl. VG Hamburg, U.v. 20.12.2017 – 2 K 2745/16 – juris Rn. 30 m.V.a. VG München, U.v. 26.1.2017 – M 12 K 16.5397 – juris Rn. 68; VG Augsburg, U.v. 21.4.2015 – Au 1 K 14.1546 – juris Rn. 46). Denn hierbei handelt es sich um eine Sympathiebekundung mit großer Außenwirkung, insbesondere dann, wenn eine erhebliche Zahl von Facebook-Nutzern die Beiträge zur Kenntnis nimmt. Wer radikales Gedankengut über soziale Medien verbreitet, auch wenn er selbst nicht aktiv zur Gewalt aufruft, betätigt sich als Teil der Propagandamaschinerie der verfassungsfeindlichen und extremistischen Bestrebungen. Die Möglichkeit der Organisation mit terroristischen Bestrebungen, weitere Mitglieder und Sympathisanten zu gewinnen bzw. Kämpfer anzuwerben, erhöht sich hierdurch. Unerheblich ist hierbei, ob jemand fremde Beiträge, die eine terroristische Vereinigung unterstützen, verbreitet oder ob er dies in Gestalt eigener Beiträge tut. Denn auch „geteilte“ Beiträge Dritter, die über das eigene Profil verbreitet werden, stellen eine Sympathiebekundung mit großer Außenwirkung dar (vgl. VG Hamburg, U.v. 20.12.2017 – 2 K 2745/16 – juris Rn. 34, ebenso B.v. 22.2.2016 – 19 E 6426/15 – juris Rn. 22, für Einträge, die mit einem „Like“ versehen wurden). Das Unterbinden der Sympathiewerbung für eine terroristische Vereinigung entspricht vor diesem Hintergrund einem Grundinteresse der Gesellschaft, da dadurch dem internationalen Terrorismus bereits im Vorfeld die logistische Basis entzogen werden kann. Die Anwesenheit von Sympathisanten und radikalisierten Anhängern einer terroristischen Vereinigung ruft eine nur schwer berechenbare Gefährdungslage und angesichts der Anschlagsgefahr die Notwendigkeit von ersichtlichen Überwachungsmaßnahmen hervor (vgl. VG Augsburg, U.v. 21.4.2015 – Au 1 K 14.1546 – juris Rn. 46).
54
Nach diesen Maßstäben sind die vom Kläger auf seinem Facebook-Profil vorgenommenen Veröffentlichungen, Kommentierungen und „Gefällt Mir“-Markierungen als Vorfeldunterstützung in Form der Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen – namentlich den IS – in sozialen Netzwerken zu werten. Die Beklagte ist mit streitgegenständlichem Bescheid vom 3. März 2021 beruhend auf der Auswertung des mit dem Kläger durchgeführten Sicherheitsgesprächs vom 11. September 2019 sowie der in der Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 25. November 2019 dokumentierten, mit Quellenangaben versehenen und ausgewerteten Veröffentlichungen des Klägers auf Facebook (Facebook-Posts) zu Recht von Tatsachen ausgegangen, die die Schlussfolgerung rechtfertigen, dass der Kläger den IS und dessen Ideologie i.S.v. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG unterstützt hat. Insofern wird zur Vermeidung von Wiederholungen zunächst Bezug genommen auf die diesbezüglichen Gründe des angefochtenen Bescheids der Beklagten vom 3. März 2021 (§ 117 Abs. 5 VwGO analog) sowie auf die in den Gerichts- und Behördenakten enthaltenen Auswertungen durch das BayLfV, deren in die deutsche Sprache übersetzte Inhalte unbestritten sind.
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Die im Bescheid vom 3. März 2021 bzw. in der Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 25. November 2019 dokumentierten, für jedermann zugänglichen Veröffentlichungen des Klägers auf Facebook zeichnen, verstärkt durch den vom Kläger gewonnenen Eindruck im Sicherheitsgespräch am 11. September 2019, das Bild eines IS-Sympathisanten, welcher die Plattform der sozialen Medien nutzt, um sein salafistisch-jihadistisches Gedankengut zu teilen und weiterzuverbreiten. Die Auszüge aus dem Facebook-Account des Klägers weisen dabei eine Vielzahl an Einträgen auf, die den IS, dessen Ideologie, den bewaffneten Jihad und den Märtyrertod verteidigen bzw. glorifizieren und damit eine Identifizierung des Klägers mit den Zielen des IS und deren Durchsetzung mit terroristischen Mitteln belegen. Zudem hat der Kläger entsprechende Einträge anderer Nutzer mit „Gefällt mir“ markiert, geteilt und kommentiert und damit die extremistische Einstellung anderer bestätigt und zu deren Verbreitung beigetragen.
56
So kommentierte der Kläger das von einem anderen Nutzer eingestellte Video mit der Überschrift „Al-Baghdadi… isoliert, er lebt in seiner sicheren Blase und fürchtet sich vor den Leuten, die ihm am nächsten sind“ unter anderem mit „(…) O Allah, verhilf den Löwen des Tauhids überall zum Sieg! Amen, O Herr der Welten!“. Tauhid bedeutet hierbei, sich zum Glauben an die Einheit Gottes zu bekennen. Ähnliches geht aus dem vom Kläger am 10. August 2019 geposteten Bittgebet hervor, welches unter anderem lautet „(…) Mein Gott, verhilf in diesen Tagen unseren Brüdern, den Löwen des Tauhids zum Sieg, festige ihren Stand und gib ihnen Stärke gegen alle Völker des Unglaubens, des Verrats und des Lakaientums.“ Aus der Wortwahl „Löwen des Tauhids“ lässt sich schließen, dass der Kläger das Bittgebet für muslimische Kämpfer postet. Am 7. August 2019 postete der Kläger ein Video mit einem jihadistischen Nashid (islamischer Gesang), der den sinngemäßen Titel „Die Löwen der Ehre warten an den Toren unserer Macht“ trägt. In dem Video werden verschiedene Zeichnungen von mittelalterlichen Kämpfern gezeigt, was wiederum den Schluss auf die Befürwortung des bewaffneten Jihad durch den Kläger zulässt. In diese Richtung interpretiert das Gericht auch das am 30. Juni 2019 gepostete Bild eines Löwenkopfes mit der Überschrift „Und zu töten ist besser als ein Leben in Erniedrigung“. Das Gericht schließt sich diesbezüglich den Ausführungen der Beklagten an, dass der Löwe als Sinnbild für den tapferen Kämpfer steht und in der islamistischen Symbolik Glaubenskämpfer (Mujahidin) repräsentiert, die bereit sind, für ihren Glauben zu sterben (vgl. auch Ministerium des Innern und für Sport Rheinland-Pfalz, Islamismus erkennen, https://mdi.rlp.de/fileadmin/03/Themen/Verfassungsschutz/Dokumente/Broschuere_Islamismus_erkennen.pdf, aufgerufen am 17.6.2025). Zwar mag sich die Unterstützung des IS aus vorgenannten Internetaktivitäten des Klägers eher suggestiv ergeben. Es darf jedoch nach Auffassung der Kammer nicht verkannt werden, dass gerade auch die subtile Glorifizierung des bewaffneten Kampfes eine der speziellen Gefahren der Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen in sozialen Netzwerken darstellt. Dies gilt umso mehr vor dem Hintergrund, dass hierdurch eine Vielzahl von Personen – aufgrund des ungefilterten öffentlichen Zugriffs insbesondere auch Kinder und Jugendliche – erreicht und in deren Wahrnehmung gezielt beeinflusst werden kann. Dabei ist zu betonen, dass die Medienarbeit gleichsam als Grundpfeiler des IS gesehen werden kann, durch welche dieser seine einstige Größe erst erreichen konnte. Denn die mediale und digitale Verbreitung erlaubt es dem IS, jihadistische Botschaften für Zielgruppen weltweit, ohne große Zeitverzögerung und ohne finanziellen Aufwand, zugänglich zu machen (vgl. Dick in Zeitschrift für Semiotik, Band 39 Heft 3-4, 2017, S. 55 ff.; vgl. auch ausführlich VG Hamburg, U.v. 20.12.2017 – 2 K 2745/16 – juris Rn. 30 ff. m.w.N.).
57
Unabhängig hiervon finden sich weitere Posts des Klägers, aus welchen seine jihadistisch-salafistische Geisteshaltung und Unterstützung des IS sowie des bewaffneten Kampfes eindeutiger hervorgehen. So postete der Kläger am 5. April 2019 unter anderem: „Märtyrer von Al-Baghuz, Allah ist eure Leistung zuzuschreiben, Allah möge euch euren Lohn geben und Allah möge Zungen unfähig machen, sich eures Lobes zu enthalten! Allah möge euch als Märtyrer annehmen! Amen, O Herr der Welten“. Al-Baghuz ist eine Stadt im Osten Syriens, die im März 2019 als letzte Bastion des IS fiel. Aus einem Post vom 22. März 2019 geht hervor „O Allah, an diesem guten gesegneten Tage, O Allah, verleihe unseren Brüdern, den monotheistischen Mujahidin, den Löwen des Tauhids und des Jihads an jedem Ort den Sieg! Amen, O Herr der Welten!“. Mujahidin ist dabei eine Bezeichnung für diejenigen, die im Jihad sind (vgl. Dick in Zeitschrift für Semiotik, Band 39 Heft 3-4, 2017, S. 55 ff.). Des Weiteren markierte der Kläger ein Bild eines Kindes mit einer Mütze im Military-Look, auf der das Logo des IS zu sehen ist – ein weißer Schriftzug „Es gibt keinen Gott außer Allah“ auf schwarzem Grund – und darunter ein weißer Kreis mit den Worten „Allah, Gesandter, Muhammad“ in schwarzer Schrift mit „Gefällt mir“. Durch das „Liken“ und Teilen hat sich der Kläger die Botschaft des Bildes zu eigen gemacht. Es wird daher davon ausgegangen, dass der Kläger es befürwortet, dass ein Kind dem IS angehört. Da es sich um eine jihadistische Organisation handelt, die auch Kindersoldaten einsetzt (vgl. Kuntz, Kinder als IS-Kämpfer, vom 16.7.2016, https://www.spiegel.de/spiegel/islamischer-staat-so-bildet-der-is-kindersoldaten-aus-a-1103340.html, aufgerufen am 17.6.2025; Collet, Der IS setzt in großem Umfang auf den Einsatz von Kindersoldaten, vom 30.11.2016, https://www.humanium.org/de/is-kindersoldaten/, aufgerufen am 17.6.2025), kann nicht ausgeschlossen werden, dass der Kläger damit auch den bewaffneten Kampf von Kindern für den IS befürwortet.
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In der Gesamtschau teilt das Gericht die Auffassung der Beklagten, dass der Kläger nicht nur dem politischen Salafismus zuzurechnen ist, sondern eine salafistisch-jihadistische Einstellung verinnerlicht hat und über die ihm zur Verfügung stehenden Kommunikationsmittel zumindest Sympathiewerbung für den IS betrieben hat. Bei der vom Kläger betriebenen Sympathiewerbung ist davon auszugehen, dass sich diese positiv auf die Aktionsmöglichkeiten des IS ausgewirkt hat, indem der Kläger der allgemeinen Verurteilung von dessen Gräueltaten das Bild eines gerechtfertigten und notwendigen Kampfes entgegengesetzte und sich damit als Teil von dessen Propagandamaschinerie betätigte. Dies genügt für das Vorliegen einer Unterstützungshandlung nach § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG. Maßgeblich ist allein, dass die potentielle Gefährlichkeit der terroristischen Vereinigung gefestigt und ihr Gefährdungspotential gestärkt wird. Auf einen beweis- oder messbaren Nutzen für die Verwirklichung der missbilligten Ziele kommt es wie oben erörtert nicht an. Es ist daher nicht entscheidend, wie oft ein Beitrag des Klägers gelikt oder geteilt wurde, zumal die tatsächliche Außenwirkung, etwa durch bloßes Betrachten der für jedermann einsehbaren Einträge auf dem Facebook-Account, nicht abschätzbar ist und daher in keinem Fall als völlig untergeordnet bezeichnet werden kann (vgl. auch VG München, U.v. 26.1.2017 – M 12 K 16.5397 – juris Rn. 69). Der Kläger handelte zwar als Einzelperson, stand jedoch über seine Abonnenten bzw. Follower und über die Personen, die er seinerseits abonniert hatte, in netzwerkartigen Kommunikationszusammenhängen. Selbst wenn der Kläger keine eigenen Videos, Bilder und Texte gepostet, sondern bereits vorhandenes Bildmaterial erneut auf seinem Profil (re-) gepostet hätte, würde dies die latenten Gefahren der Vorfeldunterstützung des Terrorismus nicht in Frage zu stellen vermögen. Vielmehr verdeutlicht es, wie schnell sich mediale Präsenz potenzieren kann und jeder Einzelne mit seinem Re-Posten zum Entstehen eines Schneeballeffekts beiträgt (vgl. VG Berlin, U.v. 23.8.2023 – VG 24 K 7/23 – juris Rn. 57).
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cc. Die vorstehend beschriebenen Unterstützungshandlungen sind dem Kläger auch subjektiv zurechenbar.
60
Der Tatbestand des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG setzt in subjektiver Hinsicht voraus, dass für den Ausländer die – eine Unterstützung der Vereinigung, ihrer Bestrebungen oder ihrer Tätigkeit bezweckende – Zielrichtung seines Handelns erkennbar und ihm deshalb zurechenbar ist. Auf eine darüberhinausgehende innere Einstellung kommt es nicht an (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris, Rn. 31 m.w.N.). Es war für den aus Syrien stammenden und des Arabischen mächtigen Kläger ohne weiteres erkennbar, dass es sich beim IS um eine Vereinigung handelt, die den bewaffneten Jihad und den Terrorismus unterstützt. Insbesondere geht aus der Sicherheitsbefragung des Klägers hervor, dass er die Organisation „IS“ kennt, da er diese als eine der Organisationen benannte, die um das Jahr 2012 im Zeitraum seiner Flucht aus Syrien die Gegend kontrollierte. Er verwendete hier den Begriff „Daesh“, was eine alternative Bezeichnung des IS ist. Selbst wenn man unterstellt, dass der Kläger von den terroristischen Aktivitäten des IS keine positive Kenntnis hatte, so wäre es dem zum Zeitpunkt der Veröffentlichung 36-jährigen Kläger anlässlich der Veröffentlichung der Texte sowie des Bildmaterials unschwer möglich gewesen, dies mithilfe des Internets, mit dessen Nutzung er offenkundig vertraut war, herauszufinden. Jedenfalls war die terroristische Betätigung des IS für den Kläger erkennbar.
61
dd. Der Kläger hat nicht erkennbar und glaubhaft von seinen sicherheitsgefährdenden Handlungen Abstand genommen (§ 54 Abs. 1 Nr. 2 Halbs. 2 a.E. AufenthG).
62
Liegt ein Unterstützen i.S.d. § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG vor, ist von einer Gefährdung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung beziehungsweise der Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland auszugehen, es sei denn der Ausländer nimmt erkennbar und glaubhaft von seinem sicherheitsgefährdenden Handeln Abstand, wie die gesetzliche Legaldefinition („…Hiervon ist auszugehen …“) deutlich macht. Insoweit hebt sich die Regelung von den übrigen Ausweisungsinteressen ab, bei denen die Gefahr in jedem Einzelfall aus dem – dem jeweiligen Ausweisungsinteresse zugrundeliegenden – Verhalten des Ausländers konkret abzuleiten ist und unterscheidet sich auch von der Vorgängervorschrift des § 54 Nr. 5 AufenthG a. F. Die spezifischen Gefahren des Terrorismus, zu deren Bekämpfung sich die internationale Staatengemeinschaft und dabei auch die Bundesrepublik in Bezug auf internationale, grenzüberschreitende Gefahren völkerrechtlich verpflichtet hat, rechtfertigen die gesetzliche Festlegung, auch soweit davon terroristische Vereinigungen erfasst werden, die in der Bundesrepublik selbst keine terroristischen Gewalttaten verüben (vgl. VGH BW, U.v. 13.1.2016 – 11 S 889/15 – juris Rn. 121).
63
Entscheidend ist, ob im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt von dem Ausländer eine gegenwärtige Gefährlichkeit ausgeht. Allein der Umstand, dass die Unterstützungshandlungen schon mehrere Jahre zurückliegen, genügt nicht, um das in der Person des Ausländers zutage getretene Gefahrenpotential als nicht mehr gegeben anzusehen. Sowohl ein Abstandnehmen als auch ein Distanzieren setzen voraus, dass äußerlich feststellbare Umstände vorliegen, die es wahrscheinlich erscheinen lassen, dass der Ausländer seine innere Einstellung verändert hat und aufgrund dessen künftig von ihm keine Gefahr für die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland mehr ausgeht. Das Erfordernis der Veränderung der inneren Einstellung bedingt es, dass der Ausländer in jedem Fall einräumen muss oder zumindest nicht bestreiten darf, in der Vergangenheit durch sein Handeln die freiheitliche demokratische Grundordnung oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet zu haben (vgl. BVerwG, B.v. 25.4.2018 – 1 B 11.18 – juris Rn. 12; BayVGH, B.v. 17.6.2022 – 19 CS 19.1114 – juris Rn. 41; U.v. 8.1.2020 – 10 B 18.2485 – juris Rn. 41). Die Darlegungslast für das Abstandsnehmen trägt der Ausländer (vgl. Bauer in Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 15. Aufl. 2025, § 54 AufenthG Rn. 65).
64
An diesen Maßstäben gemessen liegen die Voraussetzungen für ein erkennbares und glaubhaftes Abstandnehmen nicht vor. Es wurden vom Kläger weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung äußerlich feststellbare Umstände vorgetragen, die den Schluss zulassen, er habe seine innere Einstellung geändert. Der Kläger hat sich zu keinem Zeitpunkt ernsthaft mit den beweisbaren Unterstützungshandlungen auseinandergesetzt. Vielmehr spielte er seine Handlungen herunter bzw. stritt diese ab. So teilte der Kläger mit E-Mail vom 24. November 2020 mit, dass das, was er in den sozialen Medien geschrieben habe, nur allgemeine Religionstipps und Rat gewesen sei, den alle muslimischen Menschen in den sozialen Medien veröffentlichten. Damit bestreitet der Kläger bereits den offensichtlichen Bedeutungsinhalt der Veröffentlichungen. Entgegen der Ausführungen des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vom 27. Mai 2025 hat der Kläger sich auch nicht schon im Rahmen des Sicherheitsgesprächs von einer Unterstützung des IS distanziert. Denn auch hier fehlte dem Kläger die für ein Abstandnehmen erforderliche Einsicht in die Tragweite seiner Unterstützungshandlungen. Den Vortrag des Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung, dass das Liken des Klägers bezüglich des Kindes mit der IS-Mütze unkontrolliert erfolgt sei, weil er zu dieser Zeit viel im Netz unterwegs gewesen sei, hält das Gericht aufgrund des gesamten Internetauftritts des Facebook-Profils des Klägers für unglaubhaft. Ein durchgreifender Gesinnungswandel oder eine glaubhafte Distanzierung des Klägers von der Vereinigung Islamischer Staat sind damit nicht ersichtlich.
65
b. Die Ausweisungsverfügung genügt jedoch nicht den besonderen Voraussetzungen, die an die Ausweisung eines Ausländers, dem die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wurde, zu stellen sind.
66
Gemäß § 53 Abs. 3a AufenthG (in der ab 31. Dezember 2022 geltenden Fassung) darf ein Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG oder eines subsidiär Schutzberechtigten i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG genießt, nur bei Vorliegen zwingender Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung ausgewiesen werden. Entsprechend den europarechtlichen Vorgaben ist eine Ausweisung in diesem Zusammenhang zudem nur aus spezialpräventiven, nicht aber aus generalpräventiven Gründen möglich (vgl. Fleuß in Kluth/Heusch, BeckOK Ausländerrecht, § 53 AufenthG Rn. 123; Katzer in Decker/Bader/Kothe, BeckOK Migrations- und Integrationsrecht, Stand: 1.7.2024, § 53 AufenthG Rn. 93).
67
aa. Der Kläger erfüllt die Voraussetzungen für den erhöhten Ausweisungsschutz, da er gemäß Bescheid des Bundesamts vom 10. Dezember 2015 die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings i.S.v. § 3 Abs. 1 AsylG besitzt. Mit Schreiben vom 21. Januar 2021 teilte das Bundesamt der Beklagten mit, dass die Überprüfung der asylrechtlichen Begünstigung nach § 73 AsylG bzw. des subsidiären Schutzes nach § 73b AsylG bzw. der Abschiebungsverbote nach § 73c AsylG ergeben habe, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Begünstigung nicht vorlägen. Das zunächst eingeleitete Aufhebungsverfahren wurde formlos eingestellt.
68
bb. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung, die allein eine Ausweisung des als Flüchtling anerkannten Klägers rechtfertigen würden, sind nicht ersichtlich.
69
Der Begriff der „zwingenden Gründe“ in § 53 Abs. 3a AufenthG ist europarechtlich determiniert. Nach Art. 24 Abs. 1 der RL 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (Anerkennungsrichtlinie) stellen die Mitgliedstaaten so bald wie möglich nach Zuerkennung des internationalen Schutzes und unbeschadet des Art. 21 Abs. 3 Personen, denen der Flüchtlingsstatus zuerkannt worden ist, einen Aufenthaltstitel aus, der mindestens drei Jahre gültig und verlängerbar sein muss, es sei denn, dass zwingende Gründe der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung dem entgegenstehen.
70
Der Begriff der „zwingenden Gründe“ ist zunächst in ein Verhältnis zu setzen mit dem Begriff der „stichhaltigen Gründe“ in Art. 21 der RL 2011/95/EU, der den Schutz vor Zurückweisung regelt. Nach Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der RL 2011/95/EU kann ein Mitgliedstaat einen Flüchtling unter anderem dann zurückweisen, wenn es stichhaltige Gründe für die Annahme gibt, dass er eine Gefahr für die Sicherheit des Mitgliedsstaates darstellt, in dem er sich aufhält. Die Kammer geht mit dem EuGH und dem Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass der Begriff der „zwingenden Gründe“ eine weitere Bedeutung hat als der Begriff der „stichhaltigen Gründe“. Das bedeutet, dass bestimmte Umstände, die nicht den Schweregrad aufweisen, um eine Zurückweisung i.S.v. Art. 21 Abs. 2 Buchst. a der RL 2011/95/EU verfügen zu können, den Mitgliedstaat gleichwohl dazu berechtigen können, auf der Grundlage von Art. 24 Abs. 1 oder 2 der RL 2011/95/EU dem betroffenen Flüchtling seinen Aufenthaltstitel zu entziehen (vgl. EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 75; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 50).
71
Bei der Bestimmung des Bedeutungsgehalts der „zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung“ hat der EuGH zunächst Bezug auf seine Rechtsprechung zu den Begriffen der „öffentlichen Sicherheit“ und der „öffentlichen Ordnung“ in Art. 27 und 28 der Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG genommen (EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 77 ff.). Danach umfasst der Begriff „öffentliche Sicherheit“ i.S.v. Art. 28 Abs. 3 der RL 2004/38/EG sowohl die innere als auch die äußere Sicherheit eines Mitgliedstaats. Die öffentliche Sicherheit kann danach berührt sein, wenn das Funktionieren staatlicher Einrichtungen und seiner wichtigen öffentlichen Dienste beeinträchtigt wird oder eine Gefahr für das Überleben der Bevölkerung oder einer erheblichen Störung der auswärtigen Beziehungen oder des friedlichen Zusammenlebens der Völker besteht oder militärische Interessen beeinträchtigt werden (vgl. EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 78; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 51). Dabei deutet der Begriff der „zwingenden Gründe“ auf einen besonders hohen Schweregrad der Beeinträchtigung hin (vgl. EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 78). Auch die Begehung von Straftaten wie die in Art. 83 Abs. 1 UAbs. 2 AEUV bezeichneten Delikte können als besonders schwere Beeinträchtigung eines grundlegenden gesellschaftlichen Interesses anzusehen sein, die Ruhe und die physische Sicherheit der Bevölkerung unmittelbar bedrohen und damit dem Begriff der zwingenden Gründe der öffentlichen Sicherheit unterfallen, sofern die Art und Weise der Begehung dieser Straftaten besonders schwerwiegende Merkmale aufweist (vgl. EuGH, U.v. 22.5.2012 – C-348/09 – juris Rn. 28; VG Würzburg, U.v. 22.1.2024 – W 7 K 22.201 – juris Rn. 28). Den Begriff der „öffentlichen Ordnung“ hat der EuGH für die Unionsbürgerrichtlinie 2004/38/EG dahin ausgelegt, dass außer der sozialen Störung, die jeder Gesetzesverstoß darstellt, eine tatsächliche, gegenwärtige und hinreichend erhebliche Gefahr vorliegen muss, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt (vgl. EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 79). Hierunter sind Fälle mittlerer und schwerer Kriminalität zu subsumieren (vgl. VG Würzburg, U.v. 22.1.2024 – W 7 K 22.201 – juris Rn. 29 m.V.a. BT-Drs. 20/3717, S. 42). Zugleich betont er, dass es den Mitgliedstaaten freisteht, nach ihren nationalen Bedürfnissen, die je nach Mitgliedstaat und Zeitpunkt unterschiedlich sein können, zu bestimmen, was die öffentliche Ordnung und Sicherheit erfordern (vgl. EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 77).
72
Für den Fall der Unterstützung des Terrorismus hat der EuGH zudem auf den 28. Erwägungsgrund der RL 2004/83/EG, heute 37. Erwägungsgrund der RL 2011/95/EU hingewiesen, wonach der Begriff der „öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ auch für die Fälle gilt, in denen ein Drittstaatsangehöriger einer Vereinigung angehört, die den internationalen Terrorismus unterstützt, oder er eine derartige Vereinigung unterstützt. Dabei muss das nationale Gericht in einem ersten Schritt prüfen, ob die Handlungen der fraglichen Organisation die öffentliche Sicherheit oder Ordnung bedrohen. Wird eine vom Flüchtling unterstützte Vereinigung in der Liste im Anhang des Gemeinsamen Standpunkts 2001/931/GASP des Rates vom 27. Dezember 2001 über die Anwendung besonderer Maßnahmen zur Bekämpfung des Terrorismus (ABl. L 344 S. 93) geführt, ist dies ein deutlicher Anhaltspunkt dafür, dass sie entweder eine terroristische Organisation ist oder im Verdacht steht, eine solche Organisation zu sein (vgl EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 83; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 52). Allein der Umstand, dass ein Flüchtling eine solche Organisation unterstützt hat, darf jedoch nicht automatisch zur Aufhebung seines Aufenthaltstitels führen. Es ist daher in einem zweiten Schritt einzelfallbezogen die Rolle zu prüfen, die der Ausländer im Rahmen seiner Unterstützung der fraglichen Organisation tatsächlich gespielt hat, ob er selbst terroristische Handlungen vorgenommen hat, ob und in welchem Maße er an der Planung, an Entscheidungen oder an der Anleitung anderer Personen zur Begehung solcher Handlungen beteiligt war und ob und in welchem Umfang er solche Handlungen finanziert oder anderen Personen die Mittel zu ihrer Begehung verschafft hat (vgl. EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 90; BVerwG, U.v. 25.7.2017 – 1 C 12.16 – juris Rn. 26). In diesem Zusammenhang muss auch der Schweregrad der Gefahr beurteilt werden, die von den Handlungen des Ausländers für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Es muss geprüft werden, ob dem Ausländer eine individuelle Verantwortung bei der Durchführung von Aktionen der terroristischen Organisation zugerechnet werden kann (vgl. EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 92).
73
Ausgehend von diesen Grundsätzen kommt die Kammer zu dem Ergebnis, dass es sich bei der Vereinigung IS – wie im Rahmen der Prüfung von § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG bereits erörtert – zwar um eine terroristische Vereinigung handelt. Der Schweregrad der vom Kläger ausgehenden Gefahr ist hier allerdings nicht ausreichend hoch, um „zwingende Gründe“ i.S.v. § 53 Abs. 3a AufenthG anzunehmen. „Terroristische Handlungen“ i.S.v. Art. 1 Abs. 3 Gemeinsamer Standpunkt 2001/931/GASP Buchst. a) bis k) hat der Kläger eindeutig nicht begangen. Der Kläger hat nach Aktenlage selbst keine der unter den Buchstaben a) bis h) gelisteten Handlungen begangen und auch nicht damit gedroht. Er hat auch keine terroristische Vereinigung angeführt. Auch die unter Buchstabe k) näher definierte Beteiligung an den Aktivitäten einer terroristischen Vereinigung liegt hier nicht vor. Der Kläger hat zwar durch die Veröffentlichung von Posts für terroristische Vereinigungen geworben und damit einen Beitrag dazu geleistet, diese hoffähig zu machen. Eine konkrete Beteiligung an Aktivitäten der Organisation – etwa durch Bereitstellung von Informationen oder durch die Finanzierung ihrer Aktivitäten – ist jedoch weder vorgetragen noch ersichtlich.
74
Zwar hält das Bundesverwaltungsgericht es unter Berufung auf den EuGH für die Annahme von zwingenden Gründen der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung nicht zwingend für erforderlich, dass der Ausländer selbst eine terroristische Handlung i.S.d. Gemeinsamen Standpunkts des Rates begangen hat. Die Aufzählung des EuGH sei insoweit nur beispielhaft. Sie mache aber zugleich deutlich, dass der Ausländer für die Annahme von zwingenden Gründen jedenfalls eine gewichtige Rolle im Rahmen seiner Unterstützung der terroristischen Organisation gespielt haben muss (vgl. BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 53). Dementsprechend hat das Bundesverwaltungsgericht das Vorliegen zwingender Gründe in einem Fall bejaht, in dem der dortige Kläger über einen Zeitraum von über zwölf Jahren in hervorgehobener Position in zwei Vereinigungen mitwirkte, deren Akteure auf zahlreichen Veranstaltungen offen für die PKK warben, für diese Spenden sammelten und deren Kurs vorbehaltlos befürworteten.
75
Der hiesige Fall ist jedoch völlig anders gelagert. Der Kläger leistete durch seine Sympathiewerbung in sozialen Netzwerken zwar wie oben dargelegt eine Vorfeldunterstützung für terroristische Vereinigungen, namentlich den IS. Seine einige Jahre zurückliegenden Unterstützungshandlungen, die im Wesentlichen in einigen wenigen Posts auf Facebook zu sehen sind, übersteigen die Erheblichkeitsschwelle jedoch nur knapp (vgl. auch VG Berlin, U.v. 23.8.2023 – VG 24 K 7/23 – juris; VG Gelsenkirchen, B.v. 27.6.2023 – 8 L 212/23 – juris). Hieran ändern nach Auffassung der Kammer auch die mit Erkenntnismitteilung des BayLfV vom 14. Dezember 2021 vorgelegten Youtube-Videos nichts. Nach Auffassung des Gerichts ist diesen in mehrerlei Hinsicht kein Beweiswert zuzumessen. Zum einen war das erste Video betreffend die Ausbildung im Umgang mit und der Anwendung von Antipanzer- und Antipersonenminen für das Gericht nicht mehr aufrufbar. Unabhängig davon lässt sich – wie auch das BayLfV selbst einräumte – nicht zweifelsfrei feststellen, dass es sich bei der in den Videos zu erkennenden Person tatsächlich um den Kläger handelt. Der Kläger bestreitet seine Mitwirkung im vorgelegten Video- und Bildmaterial. Nach Auffassung der Kammer ist eine gewisse Ähnlichkeit zwischen der in den Videos zu erkennenden Person und dem Kläger durch die angestellten Lichtbildvergleiche zwar nicht zu verneinen. Eine eindeutige Personenidentität ist zur Überzeugung des Gerichts jedoch nicht feststellbar. Hinzukommt, dass – auch wenn die unterstellte Teilnahme des Klägers an einer Schulung zur Nutzung von Antipanzer- und Antipersonenminen befremdlich bzw. gar bedrohlich wirken mag – sich hieraus nicht zwangsläufig die Unterstützung einer (bestimmten) terroristischen Vereinigung herleiten lässt. Dies stellt sich lediglich als eine von mehreren möglichen Interpretationen dar. Gleiches gilt für das zweite und dritte Video, in welchen sich nach Ansicht der Beklagten mehrere Kampfgruppen zu einer gemeinsamen „revolutionären Kraft“ bzw. Armee zusammengeschlossen hätten. Es ist nach Auffassung der Kammer schon nicht zweifelsfrei feststellbar, um welche Gruppierungen es sich jeweils genau handelt, ob diese eine terroristische Vereinigung darstellen und welche Einzelperson der Menschenmenge überhaupt welcher der unterschiedlichen Gruppierungen zugehörig sein soll. Auch nach Einschätzung des BayLfV könne kein direktes Bekenntnis zu einer terroristischen Vereinigung getroffen werden. Motive und Beweggründe der Gruppierungen sowie die Frage, zu welcher der Gruppierungen der vermeintlich zu erkennende Kläger gehören und worin sodann eine Unterstützungshandlung des Klägers zu einer terroristischen Vereinigung, die eine Ausweisung aus zwingenden Gründen der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Ordnung rechtfertigen würde, zu sehen sein soll, bleiben für das Gericht unklar.
76
2. Die Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots und dessen Befristung in Ziffer II des Bescheids vom 3. März 2021 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten, da sich die ihnen zugrundeliegende Ausweisungsentscheidung als rechtswidrig erweist und aufgehoben wird, vgl. § 11 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 und 3 AufenthG.
77
3. Die Ablehnung der Erteilung der begehrten Aufenthaltserlaubnis (Ziffer III des Bescheids vom 3.3.2021) erweist sich als rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis.
78
Es liegen die Voraussetzungen für die Verlängerung der – am 10. Januar 2019 abgelaufenen – Aufenthaltserlaubnis aus humanitären Gründen nach § 25 Abs. 2 Satz 1 AufenthG vor. Demnach ist einem Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen, wenn das Bundesamt die Flüchtlingseigenschaft i.S.d. § 3 Abs. 1 AsylG oder subsidiären Schutz i.S.d. § 4 Abs. 1 AsylG zuerkannt hat.
79
a. Die besonderen Erteilungsvoraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger ist nach aktuellem Stand als Flüchtling anerkannt. Insbesondere teilte das Bundesamt mit Schreiben vom 21. Januar 2021 mit, dass die Überprüfung der asylrechtlichen Begünstigung nach § 73 AsylG bzw. des subsidiären Schutzes nach § 73b AsylG bzw. der Abschiebungsverbote nach § 73c AsylG ergeben habe, dass die Voraussetzungen für einen Widerruf oder eine Rücknahme der Begünstigung nicht vorlägen. Das zunächst eingeleitete Aufhebungsverfahren wurde formlos eingestellt.
80
b. Der Erteilung steht auch nicht § 25 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 2 AufenthG entgegen. Danach wird die Aufenthaltserlaubnis nicht erteilt, wenn der als Flüchtling anerkannte Ausländer unter den Voraussetzungen des § 53 Abs. 3a AufenthG ausgewiesen worden ist. Zwingende Gründe der nationalen Sicherheit und Ordnung liegen wie soeben erörtert gerade nicht vor.
81
c. Der Erteilung steht auch nicht § 5 Abs. 4 AufenthG entgegen. Danach ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen, wenn ein Ausweisungsinteresse i.S.v. § 54 Abs. 1 Nr. 2 oder 4 besteht oder eine Abschiebungsanordnung nach § 58a erlassen wurde.
82
aa. Die Vorschrift des § 5 Abs. 4 AufenthG ist grundsätzlich neben der Vorschrift des § 25 Abs. 1 Satz 2 AufenthG anwendbar, da die letztgenannte Vorschrift im Verhältnis zur erstgenannten Vorschrift nicht lex specialis ist (vgl. hierzu ausführlich und mit zahlreichen Nachweisen BVerwG, U.v. 22.5.2012 – 1 C 8/11 – juris Rn. 14-18).
83
bb. Die Voraussetzungen des § 5 Abs. 4 AufenthG sind dem Wortlaut nach erfüllt, da der Kläger das besonders schwerwiegende Ausweisungsinteresse des § 54 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG verwirklicht hat (s. oben).
84
cc. Der Anwendungsvorrang des Unionsrechts gebietet jedoch eine Einschränkung der Anwendung des § 5 Abs. 4 AufenthG auf Fälle, in denen zwingende Gründe der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung vorliegen (vgl. BVerwG, U.v. 22.5.2012, 1 C 8/11 – juris 1. Leitsatz und Rn. 19 ff.). Das Bundesverwaltungsgericht hat in dem zitierten Urteil entschieden, dass der Anwendungsvorrang des Unionsrechts mit Blick auf die in der Qualifikationsrichtlinie enthaltene erhöhte Gefahrenschwelle bei anerkannten Flüchtlingen (sowie subsidiär Schutzberechtigten) eine Einschränkung dieses Versagungsgrundes auf Fälle gebietet, in denen der Betroffene aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit (und Ordnung) der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist (BVerwG, U.v. 22.5.2012, 1 C 8/11 – juris Rn. 23). Die Kammer schließt sich dieser Rechtsprechung an und modifiziert sie – unter Berücksichtigung der zwischenzeitlich ergangenen EuGH-Rechtsprechung aus dem Jahr 2015 – lediglich dahingehend, dass es anstelle der „schwerwiegenden Gründe“ auf die „zwingenden Gründe“ aus Art. 24 Abs. 1 und Abs. 2 der RL 2011/95/EU abstellt (vgl. hierzu EuGH, U.v. 24.6.2015 – C-373/13 – juris Rn. 75; BVerwG, U.v. 22.2.2017 – 1 C 3/16 – juris Rn. 50).
85
Zwingende Gründe i.S.d. Art. 24 Abs. 1 der RL 2011/95/EU liegen hier – wie oben ausführlich dargelegt – nicht vor.
86
4. Die in Ziffern IV, V und VI des streitgegenständlichen Bescheids vom 3. März 2021 getroffenen Nebenentscheidungen (Aufenthaltsbeschränkung nach § 56 Abs. 2 AufenthG, Meldepflicht nach § 56 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, Kommunikationsmittelnutzungsverbot nach § 56 Abs. 4 Satz 1 AufenthG) sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten. Da diese jeweils eine Ausweisung voraussetzen, erweisen sie sich infolge der Rechtswidrigkeit und Aufhebung der Ausweisungsverfügung ebenfalls als rechtswidrig.
87
5. Nachdem die in Ziffern IV (Aufenthaltsbeschränkung), V (Meldepflicht) und VI (Kommunikationsmittelverbot) getroffenen Verfügungen rechtswidrig sind und durch das Gericht aufgehoben werden, sind auch die diesbezüglichen Zwangsgeldandrohungen gemäß Ziffer VIII und IX des Bescheids vom 3. März 2021 rechtswidrig und aufzuheben.
88
6. Die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung (Ziffer XI und XII des Ergänzungsbescheids vom 27.10.2023 in der geänderten Fassung vom 27.5.2025) erweisen sich in der Folge ebenfalls als rechtswidrig, da die Ausweisung rechtswidrig ist und der Kläger einen Anspruch auf Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis hat (s. oben) und somit nicht gemäß § 50 Abs. 1 AufenthG vollziehbar ausreisepflichtig ist.
89
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.