Titel:
Übertragung der elterlichen Sorge, Sorgerechtsentscheidungen, Zustellungsvollmacht, Kostenentscheidung, Beschwerdeberechtigte, Beschwerdefrist, Einseitiger Widerruf, Gemeinsames Sorgerecht, Elektronischer Rechtsverkehr, Vorläufiger Rechtsschutz, Widerrechtlichkeitsbescheinigung, Haager Übereinkommen, Aufgabe zur Post, Beschwerdeeinlegung, Gewöhnlicher Aufenthalt, Verfahrensbeteiligte, Verfahrenswert, Wert des Beschwerdegegenstandes, Kindeswohlgefährdung, gewöhnlicher Aufenthaltsort
Schlagworte:
Kindesentführung, Rückführungsanordnung, Kindeswohlgefährdung, Aufenthaltsbestimmung, Sorgerechtsstreit, Anhörung von Kindern, Kriegsgebiet
Rechtsmittelinstanz:
OLG München, Beschluss vom 18.06.2025 – 12 UF 539/25 e
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20268
Tenor
1. Der Antrag auf Rückführung der Kinder V… K…, geb. … 2013, und M… K…, geb. … 2015, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
3. Der Verfahrenswert wird auf 4.000,- € festgesetzt.
Gründe
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I. Antragsteller und Antragsgegnerin haben am … in …/Ukraine geheiratet. Als gemeinsame Kinder wurde am … 2013 in …/Ukraine der Sohn V … … und am … 2015 in …/Ukraine die Tochter M… geboren. Bis zum … 2024 haben die Beteiligten zusammen mit den Kin dern in … Ukraine gewohnt.
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Nach Art. 151, 153 und 160 des Familiengesetzbuches der Ukraine steht beiden Eltern auch bei Trennung das gemeinsame Sorgerecht zu.
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1. Am 01.04.2024 schlossen die Beteiligten nachfolgende, notariell beglaubigte Vereinbarung, die für die hier im Raum stehenden Fragen im Wesentlichen folgende Inhalte hat:
Wir, die unten unterzeichneten Eltern, Herr K… V… und Frau K… L…, sind bei gesundem Verstand und klarem Gedächtnis, im vollen Bewusstsein der Bedeutung unserer Handlungen und ohne jeglichen äußeren Zwang, in Übereinstimmung mit unserem eigenen Willen, erteilen hiermit unsere Genehmigung sowohl auf die vorübergehenden Ausreisen in die Türkei, nach Ägypten, in die Vereinigten Arabischen Emirate, nach Bulgarien, nach Georgien, in die Republik Moldau, nach Montenegro, nach Kanada, in die Vereinigten Staaten, nach Japan, nach China, in das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland und in die Mitgliedsstaaten des Schengener Abkommens und der Europäischen Union, einschließlich nach Italien, nach Portugal, nach Zypern, nach Irland, in die Slowakei, nach Ungarn, nach Rumänien, nach Polen, nach Tschechien, nach Lettland, nach Litauen, nach Estland, nach Kroatien, nach Griechenland, nach Deutschland, nach Österreich und in die anderen Länder Europas, als auch auf den vorübergehenden Aufenthalt in diesen Ländern während der Auslandsreisen im Zeitraum vom 01.04.2024 (ersten April zweitausendvierundzwanzig) bis 01.04.2029 (ersten April zweitausendneunundzwanzig) unserer minderjährigen Kinder: K… V…, geboren am … 2013 und K… M…, geboren am … 2015, die Staatsangehörige der Ukraine sind.
Die Reisen ins Ausland von K… V… und K … M… werden in Begleitung eines der Elternteile gemeinsam oder getrennt voneinander durchgeführt, und jeder von uns übernimmt separat bei den Reisen die Verantwortung für das Leben und die Gesundheit von K… V … und K… M…, löst alle Fragen, die während ihrer Auslandsreisen auftreten können, und garantiert ihre Rückkehr in die Ukraine nach Ablauf der uns bekannten Aufenthaltsdauer im Ausland, der wir zustimmen.
Wir teilen hiermit mit, dass es keine Gründe gibt, die gemäß Artikel 6 des Gesetzes der Ukraine „Über die Ordnung für die Ausreise aus der Ukraine und die Einreise in die Ukraine von Bürgern der Ukraine“ das Recht unserer Kinder auf Reisen ins Ausland einschränken würden. Wir garantieren auch die Deckung aller Kosten (einschließlich Transport, Unterkunft, Verpflegung, medizinische Versorgung, sonstige Kosten) im Zusammenhang mit diesen Reisen.
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2. Am 01.09.2024 reiste die Antragsgegnerin zusammen mit den beiden Kindern aus dem Gebiet der Ukraine über Polen nach Deutschland aus.
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In Deutschland nahm sie zunächst Wohnsitz mit den Kindern in ….
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Am 19.02.2025 meldete sie sich und die Kinder unter der Anschrift …
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Beide Anschriften teilte die Antragsgegnerin dem Antragsteller nicht mit.
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3. Unter dem Datum vom 30.08.2024 ging beim Antragsteller im September 2024 ein Schreiben der Antragsgegnerin mit folgendem Inhalt ein:
Ich wollte einen einfühlsameren Brief schreiben, aber nach all den negativen Erlebnissen, die ich mit dir hatte, klappt das nicht so.
Obwohl wir viel zusammen erlebt haben, sowohl schwierige als auch positive Momente. Dies ist bereits Geschichte….
Ich möchte dir noch einmal mitteilen, dass unser gemeinsames Leben seit langem absolut unmöglich ist, weil wir völlig unterschiedliche Ansichten über das Leben und die wichtigsten Punkte der Familienwerte und viele andere Faktoren haben, die wir viele Male mündlich und schriftlich diskutiert haben.
Leider können wir zu keiner Einigung kommen. Ich möchte dir mitteilen, dass ich bei Gericht eine Scheidungsklage gegen dich eingereicht habe.
Da du diese Angelegenheit nicht ohne ein Gericht klären wolltest. Um meine und deine Ruhe und vor allem die Ruhe unserer Kinder zu bewahren, bitte ich dich, diesem Prozess keine Steine in den Weg zu legen. Angesichts deines bisherigen Verhaltens bezweifle ich zutiefst, dass dieser Prozess friedlich verlaufen wird.
Ich bitte dich alle Ereignisse zu analysieren, die stattgefunden haben und weiterhin stattfinden (Überwachung meiner Person rund um die Uhr durch eine von dir beauftragte Person, Überwachung unseres Hauses mit den Kindern durch Videoüberwachung rund um die Uhr, gegen die ich mich wegen deiner unfairen Haltung mir und unseren Kindern gegenüber gewehrt habe und immer noch wehre, finanzielle Verhältnisse (du hast dir auf unehrliche Weise alle finanziellen Mittel unserer Familie angeeignet, die während des gemeinsamen Lebens als Familie erworben wurden) habe ich mich entschlossen, mit den jüngeren Kindern vorübergehend den Wohnort zu wechseln, um sie vor deiner Reaktion auf diese Vorfälle und den psychischen und. emotionalen Druck auf mich und unsere Kinder, den wir kaum ertragen können, zu schützen.
Aufgrund deiner möglicherweise unangemessenen Reaktion auf die Lösung dieser problematischen Angelegenheit, die bereits dringend einer Lösung bedarf, möchte ich dich nicht über unseren Standort informieren, damit du nicht fortfährst und nicht die tatsächliche Möglichkeit hast, mich und mein persönliches Leben weiterhin illegal zu überwachen und nicht die tatsächliche Möglichkeit hast, mich, meine Kinder, meine Verwandten und alle Menschen, mit denen ich kommuniziere, psychologisch und emotional unter Druck zu setzen!
Ich habe dich mehrmals darum gebeten und sogar die Polizei um Schutz gebeten, deren Strafverfahren nach deinem Anruf rechtswidrig eingestellt wurde!!!
Ich bitte dich aufrichtig, deine Meinung zu ändern und aufzuhören!
Ich bitte dich, die Frage der Scheidung, des Aufenthalts der Kinder bei mir, deines uneingeschränkten elterlichen Umgangs mit ihnen, unserer angemessenen finanziellen Unterstützung mit gemeinsam verdienten Mitteln friedlich zu lösen. Ich bitte um Ruhe für uns beide und die Kinder.
P.S. Kinder brauchen einen Vater und eine ruhige Mutter für eine gesunde Entwicklung. Bitte, ich bitte um eine friedliche Regelung aller Fragen für eine schnelle Rückkehr zu einem ruhigen Leben.
(gezeichnete Unterschrift)
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4. Im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes wandte sich der Antragsteller am 26.11.2024 an das Gericht … in Zakarpattia Oblast.
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Dieses erließ unter der Verfahrensnummer … und der Geschäftsnummer … am 28.11.2024 folgendes Urteil:
Der Klageschrift von K… V… auf vorläufigen Rechtsschutz in einer Zivilsache von Herrn K… V … gegen Frau K… L… dritte Verfahrensbeteiligte: Kinderamt der Dorfverwaltung von … Vollzugskomitee der Dorfverwaltung von … in Bezug auf die Bestimmung des Wohnsitzes der Kinder teilweise stattzugeben.
Ergreifung von Maßnahmen zur Sicherung einer Forderung in einer Zivilsache von K… V… gegen K… L …, dritte Verfahrensbeteiligte: Kinderamt der Dorfverwaltung von … Vollzugskomitee der Dorfverwaltung von … zur Bestimmung des Wohnsitzes von Kindern, wie folgt:
- der Frau K… L…, geboren am … (individuelle St.ID-Nummer: …), jegliche Handlungen zu verbieten, die darauf abzielen, K… V … (individuelle St.ID-Nummer: …) in der Kommunikation und der Erziehung seines kleinen Sohnes K… V …, geboren am … 2013, und seiner minderjährigen Tochter, K… M…, geboren am ….2015, zu hindern, Zeit mit seinen Kindern zu verbringen, auch in Abwesenheit von K… L… (individuelle St.ID Nummer: …);
- eine ungehinderte Kommunikation zwischen K… V … (individuelle St.ID-Nummer: …) per Telefon … mit seinem minderjährigen Sohn, K …, geboren am … 2013, und seiner minderjährigen Tochter, K… M…, geboren am … 2015, per Telefon und/oder Internettelefonieprogrammen (Viber, Telegram, WhatsApp) in Form von Audio und/oder Videokonferenzen für bis zu einer Stunde täglich zu sichern, wobei die Art und Weise und die Möglichkeiten der Kinder berücksichtigt werden;
- systematische persönliche Besuche, persönliche Kommunikation sowie Erholung für K… V… (individuelle St.ID-Nummer: …) mit seinem minderjährigen Sohn, K … V…, geboren am … 2013 und seiner minderjährigen Tochter, K… M…, geboren am ….2015, an öffentlichen Orten (öffentliche Plätze wie z.B. Parks, Parkanlagen, Plätze, Cafes, Vergnügungsstätten usw.) seiner Wahl, ohne die Anwesenheit von K… L…, geboren am … (individuelle St.ID-Nummer: …), in einem Umkreis von 40 Kilometern um den Wohnort, (Aufenthalt oder Standort) von K… L…, geboren am …, und den Kindern (in jedem Land ohne Einschränkungen), von 12:00 Uhr. bis 18:00 Uhr jeden Samstag und Sonntag eines jeden Monats zu bestimmen;
- Frau K… L…, geboren am … (individuelle St.ID-Nummer: …) zu verpflichten, Herrn K … V… (individuelle St.IDNummer: …) (per E-Mail: … oder per SMS an die Telefonnummer …) innerhalb von 5 Tagen nach der Verkündung des entsprechenden Urteils über den vorläufigen Rechtsschutz über die Handynummern, die Wohnanschrift und den Aufenthaltsort des minderjährigen Sohnes, K… V… geboren am ….2013, und der minderjährigen Tochter, K… M… geboren am … 2015 zu informieren,
- Frau K … L… (individuelle St.ID-Nummer: …) zu verpflichten, Herrn K … V… (individuelle St.ID-Nummer: …) schriftlich (per E-Mail: … oder per SMS an …) über jede Änderung des Wohn- oder Aufenthaltsortes des minderjährigen Sohnes K… geboren am … 2013, und der minderjährigen Tochter K… M… geboren am … 2015, unter Angabe des genauen Wohn- und Aufenthaltsorts sowie der geänderten Telefonnummern innerhalb von drei Tagen ab dem Datum der jeweiligen Änderung zu informieren. (…)“
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5. Hiergegen legte die Antragsgegnerin Berufung beim Berufungsgericht von Zakarpattia Oblast ein, das unter der Geschäftsnummer … folgendes, hier auszugsweise wiedergegebene Urteil vom 04.02.2025 erließ:
dem Berufungsantrag von K… L…, vertreten durch die Rechtsanwältin …, teilweise stattzugeben.
Das Urteil des Gerichts für … in Zakarpattia Oblast vom 28. November 2024 in dem Teil bezüglich der Anforderung, systematische persönliche Besuche, persönliche Kommunikation sowie Erholung für K… V… (individuelle St.ID-Nummer:,…) mit seinem minderjährigen Sohn, K… V … geboren am … 2013 und seiner minderjährigen Tochter, K … M…. geboren am … 2015, an öffentlichen Orten (öffentliche Plätze wie z.B., aber nicht ausschließlich, Parks, Parkanlagen, Plätze, Cafés, Vergnügungsstätten usw.) seiner Wahl, ohne die Anwesenheit von K… L… geboren am … (individuelle St.ID-Nummer: …), in einem Umkreis von 40 Kilometern um den Wohnort (Aufenthalt oder Standort) von K… L…, geboren am … und den Kindern (in jedem Land ohne Zu 10 Einschränkungen), von 12:00 Uhr. bis 18:00 Uhr jeden Samstag und Sonntag eines jeden Monats aufzuheben und die Stattgabe einer solchen Forderung abzulehnen. Im übrigen Teil bleibt das Gerichtsurteil unverändert bestehen.“
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6. Am 18.10.2024 gab der Antragsteller folgende Erklärung in Hinblick auf die vorgenannte Vereinbarung der Eheleute vom 01.04.2024 ab:
„An die zuständigen Behörden der Grenz- und Zollkontrolle
An alle, die es betrifft innerhalb und außerhalb der Ukraine Staatsbürger der Ukraine K… V…, geb. am … Inlandspass der Ukraine Serie VO Nr. …, ausgestellt am … durch die Verwaltungsabteilung für … des Ministeriums für Innere Angelegenheiten der Ukraine in Zakarpattia Oblast Wohnsitzanmeldung: Ukraine, Zakarpattia Oblast, …, Dorf ….
Ich, der unten unterzeichnete Vater, Herr K… V …, bin bei gesundem Verstand und klarem Gedächtnis, bin mir der Bedeutung meines Handelns bewusst und ziehe hiermit ohne jeglichen äußeren Zwang und in Übereinstimmung mit meinem eigenen Willen meine Genehmigung für die vorübergehenden Ausreisen ins Ausland meiner minderjährigen Kinder K… V…, geboren am … 2013 und K… M… geboren am … 2015, die Staatsbürger der Ukraine sind, zurück.
Die Genehmigung wurde an meine Ehefrau K… L …, geboren am … erteilt und die Echtheit der Unterschrift wurde von der Privatnotarin des Notariatskreises für … Frau … unter den Eintragungsnummern … am 01.04.2024 beglaubigt.
Die Genehmigung wird hiermit widerrufen, da Frau K… L… gegen die Bedingungen der von mir erteilten Genehmigung verstoßen hat, und zwar am 31.08.2024 hat sie K… V… und K… M … ohne mein Wissen auf wie lange und wohin ins Ausland ausgeführt, und hat mir dabei die Kommunikation mit den Kindern verweigert.
Ich erteile mit dieser Erklärung keine Genehmigung für die vorübergehenden Ausreisen ins Ausland meiner minderjährigen Kinder: K … V… geboren am … 2013 und K … M… geboren am … 2015 in Begleitung ihrer Mutter K… L… geboren am … Ich nehme auf mich die Verpflichtung Frau K… L … über den Widerruf der Erklärung auf Genehmigung der Auslandsreisen meiner minderjährigen Kinder zu informieren. Am achtzehnten Oktober zweitausendvierundzwanzig Unterschrift: (gezeichnete Unterschrift) K … V….“
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7. Das auf Grund einer Anzeige des Antragstellers gegen die Antragsgegnerin eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen der Entziehung Minderjähriger gemäß § 235 StGB wurde durch die Staatsanwaltschaft … unter dem Aktenzeichen … Js …/24 mit Verfügung vom 03.01.2025 nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt, da eine Strafbarkeit wegen Kindesentziehung nicht besteht.
Der Antragsteller begehrt den Erlass einer Rückführungs-/Herausgabeanordnung nach dem HKÜ.
1. die Zurückhaltung der Kinder sei widerrechtlich.
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Der Aufenthalt der Kinder im Ausland sei auf der Basis der Vereinbarung vom 01.04.2024 nur als vorübergehende Urlaubsreise gedacht gewesen.
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Die Antragsgegnerin habe den Kontakt der Kinder zum Antragsteller unterbunden, indem sie ein hierfür vorgesehenes Handy ausgeschaltet habe. Ebenso habe sie sich mit den Kindern in Deutschland vor ihm verborgen gehalten. Ukrainische Gerichtsentscheidungen, die sie zur Kontaktaufnahme und Bekanntgabe des Aufenthaltsortes verpflichten, ignoriere die Antragsgegnerin.
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Die letzte ihm durch behördliche Nachforschungen ukrainischer Behörden bekannt gewordene Adresse der Kinder sei ….
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Dorthin habe er sich zusammen mit dem Großvater mütterlicherseits am 22.10.2024 begeben, dort aber niemanden angetroffen. Auch eine Nachfrage bei den ortsansässigen Nachbarn hätte zu keinem Ergebnis über den Verbleib geführt.
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Deshalb habe er sich entschlossen, bei der Polizeiinspektion … Strafanzeige gegen die Antragsgegnerin zu stellen.
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2. Er bestreitet, dass es sich bei der ganzen Ukraine um ein Kriegsgebiet handle.
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Dies ergebe u.a. aus der Stellungnahme der Militärverwaltung für … vom 07.02.2025:
Die … bleibt nach wie vor eine der sichersten in der Ukraine. Dies wird durch die folgenden Faktoren bestätigt: 1) Geographische Lage: gebirgige Landschaft, Entfernung vom Territorium des Aggressors, keine unmittelbare Nähe zur Linie der Feindseligkeiten sowie Nachbarschaft mit den EU-Ländern: Polen, Slowakei, Ungarn und Rumänien; 2) Sicherer Schutz der Region: hohe Bereitschaft und Bewachung der Streitkräfte der Ukraine, insbesondere der Luftverteidigungseinheiten. Seit der Einführung des Kriegsrechts in der Ukraine wurden auf dem Gebiet der territorialen Gemeinde … und der Stadt … in Zakarpattia Oblast keine Fälle von herabfallenden Bruchstücken der Luftobjekte registriert. Dementsprechend gab es auch keine Schäden an der Infrastruktur oder Gefahren für das Leben und die Gesundheit der Einwohner. Dank der erwähnten Faktoren und der effektiven Arbeit der Regierungsbehörden kann der Bildungsprozess in der Region trotz der schwierigen militärischen Umstände wie üblich fortgesetzt werden. Sicherheit und Bildung bleiben unsere Prioritäten. (…)“
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Weiterhin legte der Antragsteller eine Erklärung der Diözese M … vom 28.03.2025 zur örtlichen Situation vor:
„… Wir, die Vertreter der Diözese M… der römisch-katholischen Kirche möchten Ihnen mit diesem Schreiben aktuelle Informationen über die Lage in Zakarpattia Oblast und, insbeson – dere im … zur Verfügung stellen. Als Religionsgemeinschaft können wir nicht abseits stehen, wenn falsche oder unvollständige Informationen zu Fehlentscheidungen führen können. Die Zakarpattia Oblast befindet sich in beträchtlicher Entfernung von den Gebieten, in denen die Feindseligkeiten stattfinden, und bleibt eine der sichersten Regionen der Ukraine. Um die Entfernung besser zu verstehen, kann man sie mit der Entfernung zwischen Wien und Mailand vergleichen. Diese Entfernung ist einer der Hauptgründe, warum sich viele Unternehmen und Familien auf der Suche nach Sicherheit und Stabilität für eine Umsiedlung nach Zakarpattia entschieden haben. Seit Beginn des Krieges gab es im … keine Bedrohungen oder Beschädigungen. Unsere Kirche steht in ständigem Kontakt mit den Einwohnern und verfügt über zuverlässige Informationen über ihr tägliches Leben. Die Menschen führen ein normales Leben, versorgt mit Lebensmitteln, Versorgungsleistungen und allem, was sie brauchen. Die soziale Infrastruktur, darunter Schulen, Krankenhäuser und andere Einrichtungen, funktionieren wie üblich und schaffen eine stabile und verlässliche Atmosphäre. Darüber hinaus haben internationale Delegationen, einschließlich Vertreter religiöser Gemeinschaften, unsere Region mehrfach besucht und ihre Sicherheit sowie ihre normale Funktionsweise bestätigt. Auch Länder wie Ungarn, Polen und Rumänien haben Zakarpattia als geeignet für das Leben anerkannt. Wir halten es für unsere Pflicht, diese Informationen mitzuteilen, da der Informationsraum oft Verallgemeinerungen über die Situation in der Ukraine enthält, die nicht die tatsächliche Lage in den sicheren Regionen widerspiegeln. Wir hoffen, dass unsere Informationen zu einer ausgewogenen Entscheidung beitragen werden, die im besten Interesse der Kinder liegt und ihr Wohlergehen und eine glückliche Kindheit gewährleistet. Mit Hochachtung; und Gebet, …“
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Ebenso legte der Antragsteller eine Erklärung der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche vom 26.03.2025 vor:
„… Wir, die Vertreter der Diözese M… der Ukrainisch-Orthodoxen Kirche (UOK), schreiben Ihnen mit einem aufrichtigen Glauben an die Gerechtigkeit und dem Wunsch, die Wahrheit über die Situation in der Region Zakarpattia, insbesondere im …, zu berichten. Wir verstehen, dass die Sicherheit und das Wohlergehen der Kinder äußerst wichtig sind, und deshalb möchten wir Ihnen versichern, dass die Lage in unserer Region stabil und sicher ist. Unserer Kirche ist es ein aufrichtiges Anliegen, über die Situation in der Region zu informieren, denn in den Nachrichten werden die Regionen der Ukraine in Bezug auf Stabilität und Sicherheit oft nicht getrennt. Das ist falsch und irreführend, denn Zakarpattia Oblast befindet sich in beträchtlicher Entfernung, von potenziellen Gefahren.
1. … in Zakarpattia Oblast befindet sich derzeit in einem ruhigen Umfeld von Frieden und Harmonie. Die Region ist nicht nur von Feindseligkeiten verschont geblieben, sondern gilt auch als eine der sichersten Gegenden der Ukraine. Diese Stabilität, die seit Beginn des Krieges bis heute anhält, hat zur Verlagerung zahlreicher Unternehmen und zur Umsiedlung einer großen Zahl von Bewohnern aus anderen Regionen geführt. Insbesondere Länder wie Ungarn, die Slowakei und die Tschechische Republik haben Zakarpattia offiziell als eine sichere Region zum Leben und Investieren anerkannt. Darüber hinaus haben zahlreiche internationale Delegationen, darunter Vertreter kirchlicher Organisationen, unsere Region besucht und ihre Stabilität und Eignung für ein friedliches Leben bestätigt.
2. Die Gemeindemitglieder unserer Kirche leben wie die Mehrheit der Bewohner der Region ein normales Alltagsleben, haben Zugang zu allen notwendigen Ressourcen – Nahrung, Wasser, Strom und andere Grundbedürfnisse. Die Menschen leben voller Hoffnung, blicken in die Zukunft und bauen ihr Leben in einer friedlichen und freundlichen Atmosphäre weiter auf.
3. Schulen und andere Bildungseinrichtungen funktionieren wie üblich und gewährleisten das Recht der Kinder auf Bildung und Stabilität in ihrer Entwicklung. Die Gesundheitseinrichtungen funktionieren ordnungsgemäß, bieten alle notwendigen Dienstleistungen und sorgen für die Gesundheit der Einwohner
4. Unsere Priester stehen täglich in Kontakt mit Gemeindemitgliedern und anderen Bürgern. Wir sehen ein Lächeln auf den Gesichtern der Menschen und hören Worte der Dankbarkeit für den Frieden und die Ruhe in unserer Region. Die Menschen glauben an eine bessere Zukunft, arbeiten, ziehen Kinder groß und streben nach einem harmonischen Leben.
Wir hoffen, dass die Informationen Ihnen helfen, eine objektive und gerechte Entscheidung für das Wohl der Familie und das Glück Ihrer Kinder zu treffen. Mit besten Wünschen und herzlichen Gebeten,…“
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Schließlich wurde noch ein Schreiben der Griechisch-Katholischen Diözese M… vom 26.03.2025 vorgelegt:
„… Die Verwaltung der griechisch-katholischen Diözese M … stellt dem Gericht auf Anwaltsanfrage objektive und wah – re Informationen über den tatsächlichen Stand der Sicherheitslage in der Region Zakarpattia, insbesondere im …, zur Verfügung. Als Kirche, die durch juristische Personen, ihre religiösen Organisationen und Pfarrgemeinden in allen Siedlungen der ukrainischen Region Zakarpattia vertreten und eng mit dem Leben der Menschen vor Ort verbunden ist, fühlen wir uns dafür verantwortlich, Missverständnisse über die Sicherheitslage in unserer Region aufzuklären. Seit Beginn des umfassenden Krieges bleibt die Gegend des … in Zakatpattia Oblast eine der stabilsten und sichersten in der Ukraine. Es ist weit vom Kriegsgebiet entfernt und liegt geografisch nahe an den Grenzen der Europäischen Union. Diese Tatsache macht sie faktisch zum tiefen westlichen Hinterland des Staates. Die Entfernung zum aktiven Kampfgebiet ist vergleichbar mit der Entfernung zwischen Bratislawa und Neapel.
In dieser Zeit sind viele Familien aus gefährlicheren Regionen in diese Gegend umgesiedelt. Zudem haben Dutzende ukrainische Unternehmen und Betriebe ihren Standort hierher verlegt. Dies bestätigt das hohe Vertrauen in die Sicherheitstage in Zakarpattia. Darüber hinaus unterstützen Länder wie Ungarn, die Slowakei und Tschechien offiziell den Aufenthalt von vorübergehend vertriebenen Personen in dieser Region und erkennen sie als geeignet für ein friedliches Leben an. Die täglichen Aktivitäten in unserer Kirche bezeugen, dass die Gemeinde ein vollwertiges Leben führt. Alle notwendigen Dienste funktionieren reibungslos: Schulen, Kindergärten, Krankenhäuser, öffentliche Versorgungseinrichtungen. Die Menschen arbeiten, die Kinder gehen zur Schule, Gottesdienste werden abgehalten, Festtage werden gefeiert – all das sind Zeichen einer gesunden, friedlichen Gesellschaft.
In dieser Zeit besuchten zahlreiche Delegationen aus dem Ausland darunter Kirchenführer aus verschiedenen Ländern, die Zakarpattia Oblast und überzeugten sich persönlich von der Stabilität, Sicherheit und Offenheit unserer Gemeinden.
Wir schreiben ihnen in der Hoffnung, dass diese Fakten für eine ausgewogene rund gerechte Entscheidung in dem Gerichtsverfahren im Interesse von K… V… beitragen werden. Mögen das Wohlergehen und der Schutz der Kinder an erster Stelle stehen und die Wahrheit Ihr Leitfaden bei der Prüfung dieses Falls sein. …“
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Mit Schriftsatz vom 08.04.2025 wurde eine Stellungnahme der staatlichen Militärverwaltung der Region … vom 02.04.2025 vorgelegt:
„… Seit Beginn der Verhängung des Kriegsrechts in der Ukraine gab es keine Feindseligkeiten auf dem Gebiet des Dorfes … in Zakarpattia Oblast. Auf dem Gebiet des Dorfes …, wurde keine Beschießung durch die russische Armee oder ihrer anderen militärische Verbände dokumentiert. Das Gebiet des Dorfes …, wurde nicht von der russischen Armee oder ihre: militärische Formationen besetzt. Die Zerstörung von zivilen Objekten oder sonstiger Infrastruktur auf dem Gebiet des Dorfes …, durch den von der Russischen Föderation geführten Angriffskrieg gegen die Ukraine wurde nicht dokumentiert. Auf denn Gebiet des Dorfes … gab es keine unerlaubten Einsätze von unbemannten Luftfahrzeugen (Kampf- oder Aufklärungsdrohnen). Auf dem Gebiet des Dorfes …, wurden keine Fälle von Verminung und damit verbundenen Explosionen registriert. Auf dem Gebiet des Dorfes … wurden keine Einschränkungen für die Bevölkerung in Form einer Ausgehsperrstunde verhängt.
Zum 31.03.2025 haben die Abteilung für sozialen Schutz der Militärverwaltung für … die Vollzugsorgane der Gemeindeverwaltungen und die Mitarbeiter der Zentren für Erbringung der öffentlichen Dienstleistungen für … in Zakarpattia Oblast die Informationen über 3. P. (darunter 9240 Kinder) in die einheitliche Informationsdatenbank für Binnenvertriebene eingegeben, die in den … und die Stadt … in Zakarpattia Oblast, umgezogen sind und den Status von Binnenvertriebenen haben.
Nach Angaben des Informationssuchsystems der einheitlichen Informationsdatenbank für Binnenvertriebene sind 477 Binnenvertriebene in der territorialen Gemeinde … in Zakarpattia Oblast registriert, darunter 67 Binnenvertriebene im Dorf … darunter 22 Kinder.
Gemäß dem vom Ministerkabinett der Ukraine am 22.09.2016 Nr. 646 genehmigten Verfahren für die Erstellung, Pflege und den Zugang zu den Informationen der einheitlichen Informationsdatenbank für Binnenvertriebene ist das Ministerium für Sozialpolitik der Ukraine zuständig.
Aufgrund ihrer geografischen Lage, der Unterstützung durch die Behörden, der niedrigen Kriminalitätsrate in der Region und der relativen Sicherheit während des Krieges ist die Region Zakarpattia zu einer sicheren Hinterlandregion geworden – eine neue Heimat für viele Unternehmen, die gezwungen waren, ihren Standort aus dem aktiven Kriegsgebiet zu verlagern. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums der Ukraine zogen 14 Prozent aller verlagerten Unternehmen im Rahmen des staatlichen Unternehmensverlagerungsprogramms in die Region Zakarpattia. Die Region Zakarpatta ist nach der Region Lwiw die zweitgrößte Region, was die Zahl der aus den Kriegsgebieten verlagerten Unternehmen betrifft.
Zurzeit gibt es in der Region 295 verlagerte Unternehmen in verschiedenen Eigentumsformen. Im … befinden sich 16,2 % aller verlagerten Unternehmen in der Region.
Die Vorschulen und Schulen im … und im Dorf … arbeiten in gewohnter Weise. Notarztstationen, Krankenhäuser und andere medizinische Einrichtungen im … und im Dorf … arbeiten in gewohnter Weise.
Auf dem Gebiet der territorialen Gemeinde des Dorfes … gibt es keine Unternehmen im Bereich der zentralen Wasserversorgung, der zentralen Abwasserentsorgung und der Wärmeversorgung…“
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In Hinblick auf die Stromversorgung wurde die Stellungnahme der „Privaten Aktiengesellschaft Z…“ vom 31.03.2025 vorgelegt:
„… In der Weise gewährleistet PAG Z… als Netzbetreiber die Stromverteilung in der Region Zakarpattia, einschließlich des …
Wir möchten darauf hinweisen, dass PAG Z … ab dem 24.02.2022 bis zum. Zeitpunkt der Prüfung der obenerwähnten Anwaltsanfrage unter Berücksichtigung der Bedingungen und Umstände einer umfassenden militärischen Invasion hochwertige, zuverlässige und effiziente Stromverteilungsdienstleistungen für die Verbraucher erbringt, einschließlich der Stromversorgung der Bevölkerung von Zakarpattia Oblast, darunter im ….
Aufgrund des Mangels an Stromerzeugungskapazitäten und der Zerstörung der ukrainischen Stromerzeugungsanlagen durch massive Artillerie- und Raketenangriffe der Russischen Föderation Ende 2022/Anfang 2023 und im Frühsommer 2024 mussten gelegentlich Stabilisierungsabschaltungen vom Stromnetz vorgenommen werden, um das Gleichgewicht von Stromerzeugung und – verbrauch zu gewährleisten.
In anderen Zeitspannen gab es im Allgemeinen jedoch keine Stabilisierungsausfälle im … und der Region Zakarpattia und mit Stand zum 28.03.2025 wird die Stromversorgung; ununterbrochen sichergestellt….“
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Die Antragsgegnerin beantragt den Rückführungsantrag zurückzuweisen.
28
Sie trägt vor, dass die Verbringung bzw. der Verbleib der Kinder in Deutschland nicht widerrechtlich sei.
29
Auch der Antragsteller habe gewollt, dass sich wegen des Krieges in der Ukraine die Kinder eine Zeit außerhalb des Landes aufhalten sollten. Deshalb sei die gemeinsame Erklärung vom 01.04.2024 entstanden, so dass die Antragsgegnerin bis zum 01.04.2029 mit den Kindern die Ukraine legal verlassen habe können.
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Im Gegensatz zur jetzt vorgetragenen Behauptung des Antragstellers, sei diese Vereinbarung eben nicht für einen bloßen Urlaubsaufenthalt gedacht gewesen. Dass es sich hierbei um nur jeweils kurze einzelne Urlaubsreisen und nicht um einen längeren zusammenhängenden Aufenthalt handeln könnte, könne der Vereinbarung gerade nicht entnommen werden.
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Diese Vereinbarung habe auch nicht wirksam einseitig durch den Antragsteller widerrufen werden können, auch wenn die Antragsgegnerin nicht mehr an der gemeinsamen Ehe festhalten wolle.
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Hinsichtlich des weiteren Vorbringens wird verwiesen auf die gewechselten Schriftsätze sowie die gerichtlichen Hinweise mit Verfügung vom 20.03.2025, das Protokoll zu der Anhörung der Kinder und der unmittelbar anschließenden Verhandlung vom 25.04.2025.
33
1. Mit Schriftsatz vom 27.03.2025 stellte der Antragsteller unter Berufung auf § 38 Abs. 2 IntFamRVG zum Umgangsrecht folgenden Antrag:
„(…) im Wege der einstweiligen Anordnung, der Dringlichkeit wegen ohne vorherige mündliche Verhandlung, hilfsweise nach mündlicher Verhandlung wie folgt zu beschließen:
1. Der Antragsteller ist berechtigt, mit den Kindern V… K …, geb. … 2013, und M… K… geb. … 2015, regelmäßig zum Wochenende am Samstag in der Zeit von 14:00 Uhr bis 15:00 Uhr beginnend mit dem 1. September im Monat April 2025, also dem 05.04.2025, im Wege der Videoschaltung / Skype einstweilen bis zur gerichtlichen Entscheidung zur Rückführung der Kinder U. zu praktizieren und des Weiteren am Terminstage zur Erörterung des Antrags des Kindesvaters persönlichen Umgang mit den Kindern für die Dauer von zumindest 5 Std. zu praktizieren.
2. Hierzu wird die Antragsgegnerin verpflichtet, die technischen Voraussetzungen auf Seiten der Kinder zu schaffen.“
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Bereits im Rahmen der ursprünglichen Antragstellung mit Schriftsatz vom 19.03.2025 ließ der Antragsteller vortragen, dass ihm die derzeitige Anschrift der Antragsgegnerin und der Kinder nicht bekannt sei. Dies wurde im Schriftsatz vom 27.03.2025 betreffend den Umgangsantrag wiederholt, in dem von einem „Verbergen“ der Antragsgegnerin gesprochen wurde.
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Eine Zustellung des HKÜ-Antrags und damit auch eine Terminierung der Anhörung der Kinder i.S.v. § 155 Abs. 2 Sz. 2 FamFG in Bezug auf den gestellten Umgangsantrag war erst möglich, als sich die Rechtsanwältin … aus … mit Schriftsatz vom 27.03.2025 für die Antragsgegnerin mit Zustellungsvollmacht bestellte und um Akteneinsicht bat.
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Nach Anhörung der Kinder auch zur Frage des Umgangs im Termin vom 25.04.2025 wurde das Umgangsverfahren abgetrennt. Die Beteiligten schlossen im Termin einen Vergleich, mit dem dem Antragsteller über WhatsApp über die Mobilnummer … eine Kontaktaufnahme jeweils an Samstagen von 14:00 bis 15:00 Uhr, beginnend mit dem 26.04.2025, zu den Kindern ermöglich wird. Gleichzeitig hat sich die Antragsgegnerin verpflichtet, die Erreichbarkeit der Kinder in diesem Zeitraum über die genannte Rufnummer zu ermöglichen.
37
Dieser Vergleich wurde gerichtlich im Termin gebilligt.
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2. Beim Amtsgericht … stellte die Antragsgegnerin am 22.10.2024 einen Antrag auf Übertragung der elterlichen Sorge für die beiden Kinder. Am 21.03.2025 erging durch das Amtsgericht München an das dort unter dem Aktenzeichen … F…/24 geführte Verfahren ein Hinweis nach Art. 16 HKÜ.
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3. Dem Bundesamt für Justiz wurde gemäß § 38 Abs. 4 Sz. 1 IntFam-RVG der Rückführungsantrag übermittelt. Ein Antrag auf Beteiligung am Verfahren gemäß § 38 Abs. 4 Sz. 2 IntFamRVG wurde nicht gestellt.
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4. Die mit Beschluss vom 27.03.2025 gerichtlich bestellte Verfahrensbeiständin, die durch das Amtsgericht … zuvor bereits als Verfahrensbeiständin mit Beschluss vom 09.01.2025 für das dortige Verfahren bestellt wurde, hat mit Schreiben vom 18.02.2025 gegenüber dem Amtsgericht … zur familiären Situation und ihre Kontaktaufnahme zu den Kindern berichtet.
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In der Verhandlung vom 25.04.2025 hat sie sich wie folgt geäußert:
„Ich habe die Kinder zwei Mal kennengelernt. Ich habe versucht, eine gute Beziehung zu ihnen aufzubauen. Wir haben uns zunächst über alltägliche Dinge unterhalten. Als Verfahrensbeiständin ist es meine Aufgabe, auf eine Einigung hinzuwirken. Deshalb habe ich viele Varianten gesucht, wie sie ihren Vater geschützt treffen könnten. In Abstimmung mit dem Jugendamt haben wir nach einer Variante gesucht, bei der ich dabei sein könnte, weil sie mich auch kennen.
Auch heute habe ich versucht auf sie dementsprechend einzuwirken, weil der Vater heute auch da wäre. Als ich sie getroffen habe, habe ich sie immer einzeln befragt und mit ihnen gearbeitet. Aber ich hatte keinen Erfolg. Ich habe auch alles versucht, wie z.B. einen Facetime-Anruf. Das hätte ich gut mit meiner Praxis organisieren können, aber auch damit hatte ich keinen Erfolg, weil offensichtlich die Angst besteht, dass es nicht um sie selbst geht, sondern um Fragen nach der Mutter. Diesen Eindruck haben sie aus früheren Telefonaten gewonnen. Davor hatten sie auch Angst. Dann bin ich dazu übergegangen, dass ich versucht habe, dass die Kinder eine Postkarte zumindest schreiben. Darin hat aber nur die Mutter eingewilligt, nicht aber die Kinder. Ich habe dann angeregt, dass die Mutter es noch einmal allein mit den Kindern versucht, sie davon zu überzeugen; aber auch damit hatte ich keinen Erfolg. Ich glaube, dass die Kinder sehr ernst zu nehmen sind. Ich habe sie heute zu dritten Mal erlebt. Ihre Aussagen sind eigentlich immer die gleichen, mit kleinen Abweichungen. Berufsbedingt komme ich mit vielen Kindern zusammen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie manipuliert wurden. Aus meiner fachlichen Sicht sind die Kinder dafür aber vorliegend zu alt und zu stabil.
Meine fachliche Einschätzung ist deshalb:
Sollten die Kinder gegen ihren Willen in die Ukraine zurückgeführt werden, dann werden sie den Kontakt zu ihrem Vater nicht mehr zulassen.
Meine Erfahrung sagt mir, dass sich die Kinder eher von dem Elternteil abwenden, der Zwang ausübt. Ich sehe deshalb eine Kindes – wohlgefährdung schon allein aus dem Grund, ohne dass ich das Thema Krieg je mit einbezogen habe.“
42
5. Das Jugendamt des Landkreises … hat sich mit Schreiben vom 08.04.2025 zur Familiensituation geäußert und eine Stellungnahme dahingehend abgegeben, dass:
„… die Familie ist dem Amt für Familie und Jugend seit November 2024 bekannt. Das Gespräch mit der Kindesmutter fand im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens … F…/24 bzgl. des Sorgerechts am 20. November 2024 statt. Dem Kindesvater wurden mehrere Termine für ein Gespräch angeboten, die jedoch nicht wahrgenommen wurden. Im Anschluss an dieses Gespräch wurden Gespräche mit den betroffenen Kindern geführt, die folgende Ergebnisse lieferten:
Das Gespräch mit den Kindern fand am 27. November 2024 statt. Zu diesem Zeitpunkt waren die Kinder erst seit wenigen Monaten in Deutschland. Beide Kinder äußerten, dass sie sich in Deutschland wohlfühlen und es hier besser finden als in der Ukraine, da sie hier nicht „unter Zwang“ stehen würden. Die Kinder berichteten, dass sie sich in Deutschland sicher und gut aufgehoben fühlen, da sie nicht mehr vom Kindesvater kontrolliert oder ausgefragt werden würden.
Zum Zeitpunkt des Gesprächs haben die Kinder noch wenige Freunde in der Schule, besuchen jedoch regelmäßig den Unterricht. Es war festzustellen, dass die Kinder emotional-belastende Situationen reflektieren. Beide Kinder wurden in der Ukraine psychotherapeutisch betreut, was von der Kindesmutter organisiert und begleitet wurde, als Hintergrund für diese Intervention war nach Angabe der Mutter ein konflikthaftes häusliches Umfeld (Kinder als Zeuge häuslicher Gewalt zwischen den Eltern). Beide Kinder pflegen eine enge und stabile Bindung zu ihrer Mutter, was zur psychischen Sicherheit und Stabilität beiträgt. Die Beziehung zum Kindesvater wurde von den Kindern negativ beschrieben. Sie äußerten, dass die Beziehung zum Vater sehr problematisch erlebt würde, da das Auftreten des Vaters sehr dominant und kontrollierend sei. Zudem hätten die Kinder zeitweise darunter zu leiden, dass der Vater gegenüber der Mutter gewalttätig sei. Diese Äußerungen lassen den Schluss zu, dass eine belastete Beziehung und Bindung zum Kindesvater als wahrscheinlich anzunehmen ist. Es ist davon auszugehen, dass sich die Kinder in ihrer Heimat in einer krisenhaften familiären Situation befunden haben, welche dem Kindeswohl nicht dienlich gewesen sein dürfte und eventuell eine akute Kindeswohlgefährdung dargestellt haben könnte. Eine solche familiäre Situation stellt für die Eltern eine große Herausforderung dar und führt regelhaft zu Eingriffen in die elterliche Sorge.
Der Krieg in der Ukraine lässt darauf schließen, dass das Land sich in einer Ausnahmesituation befindet. Die Sicherheitslage im Land ist aktuell kritisch, inwieweit auch die Region Zakarpattia Oblast in Kriegshandlungen einbezogen werden könnte bzw. unter Kriegshandlungen auch aktuell schon leidet, kann unsererseits kaum eingeschätzt und prognostiziert werden. Es muss eine Kindeswohlgefährdung bei Rückführung der Kinder angenommen werden.
Zusammenfassend wird festgestellt, dass aus Sicht des Amtes für Familie und Jugend, … eine Herausgabe der Kinder an den Kindesvater nicht befürwortet wird.“
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In der Verhandlung vom 25.04.2025 hat sich die Vertreterin des Jugendamts wie folgt geäußert:
„… Die Gespräche hat meine Kollegin … die russisch spricht, mit den Kindern und mit der Mutter geführt. Der Vater war auch eingeladen, ist aber dann doch nicht gekommen. Es fanden zunächst 3 Gespräche im Herbst statt. Eines davon mit der Kindsmutter, die anderen dann mit den beiden Kindern. Das 4. Gespräch fand jetzt im März statt. Dies wurde mit der Kindsmutter geführt. Mit den Kindern wurde ca. jeweils 1 Stunde gesprochen. Die Gespräche fanden im November statt. Dort gingen die Kinder bereits in die Schule, hatten aber noch nicht so viele Freunde und waren noch nicht so eingebunden. Meine Kollegin gewann den Eindruck, dass die Kinder durch die familiäre Situation zuhause sehr belastet seien. Sie sollen sowohl physische wie auch psychische Gewalt zwischen den Eltern miterlebt haben. Auch bei uns wurde davon gesprochen, dass sich die Kinder und die Mutter überwacht fühlten durch den Vater. Beide Kinder wollten den Vater nicht sehen und nicht mit ihm sprechen. Lediglich die Tochter M… war noch etwas hin- und hergerissen und konnte sich zum damaligen Zeitpunkt Telefonate mit dem Vater vorstellen. Beide Kinder äußerten jedoch, dass sie Angst um die Mutter hätten und selber Angst vor dem Vater hätten. V… hat noch angegeben, dass er es sich wünsche, dass der Krieg in der Ukraine enden würde.
Insgesamt schließt sich das Jugendamt den Ausführungen der Verfahrensbeiständin an.“
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6. Die Kinder haben sich in ihrer Anhörung am 25.04.2025 wie folgt geäußert:
„… Auf Frage antworten beiden Kinder:
Wir sprechen ein bisschen Deutsch.
Wir sind jetzt ca. 8 Monate da.
Ich gehe in die Grundschule.
Ich gehe in die Mittelschule hier.
Es läuft, sehr gut in der Schule. Wir haben dort auch Freunde.
Ich habe in der Ukraine nur noch zu meinem älteren, 19jährigen Bruder Kontakt. Sonstige Freunde habe ich nicht mehr.
Ich habe schon noch Freunde in der Ukraine. Ich kann diese Freunde sowohl anrufen, als auch mit ihnen über den Computer schreiben. Es kann sein, dass ich sie ein paar Mal in der Woche kontaktiere. Ich habe noch eine, für mich wichtigste Freundin. Diese ist aber auch aus der Ukraine ausgereist. Sie ist, soweit ich weiß, in der Slowakei. Ich weiß nicht, warum sie ausgereist ist.
V… warum sie aus der Ukraine ausgereist sind:
Wie soll ich das beantworten, es gibt dort einen Krieg.
Wir hatten in der Schule oft Luftalarm. Wir mussten dann in einen Luftschutzbunker gehen.
V… Zweitens hat unser Vater eine Überwachung von uns und unserer Mutter angeordnet. Wir wurden ständig überwacht. Das konnte man nicht länger dulden.
Wir haben den Krieg auch so mitbekommen, dass zuhause häufiger der Strom abgeschaltet wurde.
Nicht täglich, aber sehr häufig.
Wir haben auch Fernsehen geschaut. Dort haben wir erfahren, dass eine russische Rakete in … eingeschlagen ist.
Ich habe das auch im Internet gesehen.
Wir wollen nicht zurück in die Ukraine. Wegen des Krieges und wegen des Vaters wollen wir nicht zurück.
Diese Aussage von V… bestätigt M …
Es waren dort, wo wir wohnen auch viele Geflüchtete.
Viele wollen zwar die Ukraine verlassen, können es aber nicht.
Auf Frage der Verfahrensbeiständin, ob sie ihrem Vater heute begegnen wollen und ihn sehen wollen:
Beide geben an, dass sie ihn heute nicht sehen wollen.“
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7. Der am 10.04.2025 durch die Antragsgegnerin gestellte Antrag auf Gewährung von Verfahrenskostenhilfe wurde in der Verhandlung am 25.04.2025 zu Protokoll zurückgenommen.
46
Der Rückführungsantrag ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.
I. Internationale und örtliche Zuständigkeit und Anwendbarkeit des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980
47
Das Haager Übereinkommen vom 25.10.1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung gilt in der Bundesrepublik Deutschland seit dem 01.12.1990 im Rang eines Bundesgesetzes (Art. 59 Abs. 2 Sz. 1 GG) und ist im Verhältnis zur Ukraine seit 01.01.2008 anwendbar.
48
Die Kinder halten sich derzeit in … und damit im Bezirk des OLG Münchens auf, so dass das Amtsgericht München örtlich nach §§ 11 und 12 IntFamRVG für eine Entscheidung über die Rückführung zuständig ist.
49
Die Kinder sind am … 2013 und … 2015 in der Ukraine geboren und unterfallen damit der Anwendbarkeit des Haager Übereinkommens vom 25.10.1980 (Art. 4 HKÜ).
II. Widerrechtlichkeit des Verbringens
50
Die Antragsgegnerin hat durch die Verbringung der Kinder am 01.09.2024 aus der Ukraine nach Deutschland widerrechtlich i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. a) HKÜ gehandelt.
51
1. Für die Beurteilung der Reichweite des konkreten Sorgerechts kommt es auf die Auslegung der Regelung des Herkunftsstaates an (MüKo, 9. Aufl. 2024, R. 8 zu Art. 3 HKÜ). Der deutschen Terminologie des Sorgerechts kommt hier lediglich ergänzend über das IPR, den Ordre public, Bedeutung zu, was im Vorliegenden aber nicht der Fall ist.
52
2. Die beiden Beteiligten sind derzeit miteinander verheiratet. Nach Art. 151, 153 und 160 des Familiengesetzbuches der Ukraine steht den beiden Eltern das gemeinsame Sorgerecht für die ehelichen Kinder auch für den Fall der Trennung zu.
53
Eine gegenteilige Sorgerechtsentscheidung wurde weder vorgelegt, noch ist sie in dem beim Amtsgericht … Az: … F…/24, anhängigen Verfahren auf Übertragung des Sorgerechts auf die Antragsgegnerin ergangen.
54
3. Ausschlaggebend ist für die Beurteilung der Widerrechtlichkeit i.S.v. Art. 3 Abs. 1 lit. a) HKÜ, ob die Antragsgegnerin bei der Ausreise aus der Ukraine und ihr nachfolgendes Verhalten das Mitsorgerecht des Antragstellers verletzt hat.
55
Soweit sich die Antragsgegnerin hierbei darauf beruft, dass sie auf der Grundlage der gemeinsamen Vereinbarung vom 01.04.2024 mit den Kindern ausreisen durfte und sich mit den Kindern bis zum 01.04.2029 berechtigt außerhalb des Staatsgebiets der Ukraine aufhalten kann, trifft dies vorliegend nicht zu.
56
Der bisherige gewöhnliche Aufenthalt der Kinder war und ist derzeit auch weiterhin im Herkunftsstaat Ukraine.
57
Denn der Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts im HKÜ orientiert sich zwar am tatsächlichen Mittelpunkt der Lebensführung und setzt eine gewisse Dauer und Regelmäßigkeit für eine soziale Integration der Kinder voraus.
58
Insoweit hat zwar die Anhörung der Kinder am 25.04.2025 durch das Gericht ergeben, dass sie hier die Grund- bzw. Mittelschule besuchen, beginnen etwas die deutsche Sprache zu verstehen und nach ihren Angaben hier auch schon Freunde gefunden haben.
59
Bei gemeinsamem Sorgerecht ist hier aber auch die Intention beider Eltern zu erforschen, in dem neuen Staat eine auf Dauer angelegte Niederlassung zu begründen.
60
Im Gegensatz zu dem der Entscheidung des OLG Karlsruhe vom 12.06.2008, Gz: 2 UF 43/08, zu Grunde liegenden Sachverhalts, bei dem eine dauerhafte Übersiedlung der Kinder aus Kanada in die Bundesrepublik zunächst zugestimmt wurde und somit von Anfang an zwischen den Sorgerechtsinhabern geplant war, berechtigt die im vorliegenden Fall geschlossene Vereinbarung der beiden Beteiligten vom 01.04.2024 nicht zu einer auf Dauer angelegten Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthaltsortes.
61
Denn bereits aus dem Wortlaut der Vereinbarung selbst ergibt sich aus zwei Punkten eindeutig der Sinn und Zweck sowie die Reichweite der Urkunde:
a) Die Vereinbarung spricht nur von einer „vorübergehenden Ausreise“
b) die Vereinbarung trifft eine Regelung zur Beendigung dieser Ausreise, indem sie das Enddatum 01.04.2029 anführt.
62
Insoweit kann auch dahinstehen, ob es sich vorliegend um bloße Urlaubsreisen oder um einen längeren zusammenhängenden Aufenthalt im Ausland wegen der anhaltenden Kriegssituation handelt.
63
Die Vereinbarung ist nicht darauf ausgelegt, einen neuen gewöhnlichen dauerhaften Aufenthalt der Kinder im Ausland zu begründen (so der vorgenannte Kanada-Fall), sondern zielt auf die spätere Wiederherstellung des ursprünglichen Zustandes im Herkunftsstaat.
64
Auch der Brief der Antragsgegnerin mit Datum vom 30.08.2024 an den Antragsteller zeigt, dass die Antragsgegnerin selbst nicht von der Begründung eines dauerhaften Aufenthalts in Deutschland ausgeht:
„… habe ich mich entschlossen, mit den jüngeren Kindern
vorübergehend den Wohnort zu wechseln,…“
65
4. Weiterhin sieht die Vereinbarung vom 01.04.2024 vor, dass sich die beiden Beteiligten einvernehmlich um die Belange der Kinder während des Auslandsaufenthalts kümmern. Dies lässt sich insbesondere der Formulierung
„Die Reisen ins Ausland von K… V … und K… werden in Begleitung eines der Elternteile gemeinsam oder getrennt voneinander durchgeführt, und jeder von uns übernimmt separat bei den Reisen die Verantwortung für das Leben und die Gesundheit von K… V… und K… M…, löst alle Fragen, die während ihrer Auslandsreisen auftreten können, und garantiert ihre Rückkehr in die Ukraine nach Ablauf der uns bekannten Aufenthaltsdauer im Ausland, der wir zustimmen.“
66
Eine solches „gemeinsam“ ist dem Antragsteller aber schon dadurch verwehrt, wenn er überhaupt nicht über den Aufenthaltsort seiner Kinder durch die Antragsgegnerin informiert wird und so sein Besuchsrecht unmöglich macht (vgl. OLG Köln, Ent. v. 29.10.2009, Gz: 21 UF 158/09).
67
Gesteigert wird dies noch dadurch, dass die Antragsgegnerin vielmehr Maßnahmen getroffen hat, um ihre Erreichbarkeit und die Erreichbarkeit der Kinder entweder ganz oder teilweise zu verhindern. Hierzu zählt das im Schriftsatz des Antragstellervertreter vom 22.04.2025 unbestrittene Ausschalten eines Mobiltelefons und die Verschleierung der Adresse.
68
Zu letzterem Punkt ist festzustellen, dass das Gericht selbst erst durch eine in Auftrag gegebene polizeiliche Nachschau den definitiven tatsächlichen Aufenthaltsort der Antragsgegnerin und der Kinder durch Mitteilung der Polizeiinspektion Ingolstadt vom 20.04.2025 erfahren hat.
69
Wie sich auch aus dem auf den 30.08.2024 datierten Brief der Antragsgegnerin an den Antragsteller ergibt, hat sie von Anfang an vorgehabt, den Wohnsitz von sich und den Kindern geheim zu halten und einen Scheidungsantrag zu stellen. Damit wird offenbar, dass die Antragsgegnerin schon vor der Ausreise entschlossen war, die Kinder dauerhaft dem Antragsteller zu entziehen:
„… möchte ich dich nicht über unseren Standort informieren, damit du nicht fortfährst und nicht die tatsächliche Möglichkeit hast, mich und mein persönliches Leben weiterhin illegal zu überwachen und nicht die tatsächliche Möglichkeit hast, mich, meine Kinder, meine Verwandten und alle Menschen, mit denen ich kommuniziere, psychologisch und emotional unter Druck zu setzen! …“
70
Daher liegt bereits in dem Verlassen des Staatsgebiets der Ukraine eine Verletzung des Mitsorgerechts des Antragstellers und damit der Tatbestand einer Entführung mit der Intention vor, für eine zukünftige Sorgerechtsentscheidung erst einmal Fakten zu schaffen.
71
Die konsequente Verfolgung dieses Vorhabens der Antragsgegnerin kommt auch in dem Antrag vom 22.10.2024 an das Amtsgericht … Gz: … F…/24, zum Ausdruck, ihr das Sorgerecht für die Kinder zu übertragen.
72
Ob dieser Plan der Antragsgegnerin auch beinhaltet, zu einem unbestimmten späteren Zeitpunkt an einen anderen Ort der Ukraine mit den Kindern zurückzukehren, um dort dann einen dauerhaften Aufenthaltsort ohne den Antragsteller zu begründen, kann dahinstehen.
73
Insoweit kann der Antragsteller auch nicht auf ein fehlendes Rechtschutzbedürfnis verwiesen werden, weil er zunächst eine mögliche Rückkehr der Kinder bis spätestens 01.04.2029 abzuwarten hätte.
74
Mithin kommt es auch nicht auf die Frage an, ob der später durch den Antragsteller am 18.10.2024 erklärte einseitige Widerruf der Vereinbarung vom 01.04.2024 notwendig und wirksam war und deshalb erst ab diesem Zeitpunkt von einem unberechtigten Zurückhalten der Kinder auszugehen ist.
75
Jedenfalls wäre der Widerruf nach der hiesigen Rechtsauffassung nicht ausgeschlossen, weil die ursprüngliche Vereinbarung im Gegensatz zu der bereits erwähnten Entscheidung des OLG Karlsruhe, welches einen einseitigen Widerruf ausschließt, nicht auf eine dauerhafte Verlagerung des gewöhnlichen Aufenthalts angelegt ist.
76
5. Die Widerrechtlichkeit des Handelns der Antragsgegnerin wird auch in den vorgenannten Entscheidungen des Gerichts für … und die Stadt … in Zakarpattia Oblast vom 28.11.2024 und des Berufungsgerichts von Zakarpattia Oblast 04.02.2025 inzident bescheinigt.
77
Auch wenn sich die Feststellung der Unrechtmäßigkeit des Handelns der Antragsgegnerin, nämlich die Verschleierung des Aufenthaltsortes und die Unterbindung der Kommunikation nicht ausdrücklich auf den Wortlaut des Art. 3 HKÜ bezieht, sind hierin dennoch eine einer Widerrechtlichkeitsbescheinigung i.S.v. Art. 15 HKÜ vergleichbaren Feststellungen zu sehen.
78
Diese entfalten grundsätzlich für das deutsche Gericht, also das Gericht des Zufluchtsstaates, Bindungswirkung, sofern nicht besondere Umstände des Inhalts oder der Vorlage Zweifel an der Richtigkeit nahelegen. Solche durchgreifenden Bedenken liegen aber hier nicht vor.
79
Allerdings hat diese Widerrechtlichkeitsbescheinigung keine Sperrwirkung für die Ablehnungsgründe nach Art. 13 HKÜ (vgl. MüKo, 9. Aufl. 2024, Rn. 2 zu Art. 15 HKÜ).
III. Rückführung, Art. 12 HKÜ
80
Der Antrag des Antragstellers ging beim Amtsgericht München elektronisch am 19.03.2025 ein. Die Jahresfrist aus Art. 12 HKÜ, § 14 IntFam-RVG i.V.m. § 16 Abs. 2 FamFG, § 222 ZPO, §§ 187, 188 BGB ist damit nicht überschritten, so dass es auf eine Frage des „Einlebens“ oder der Neubegründung eines gewöhnlichen Aufenthalts in Deutschland (entsprechend Brüssel IIb-VO Art. 7) vorliegend nicht ankommt. Denn eine Rückführungsanordnung scheidet nicht deshalb aus, weil ein Kind im Zufluchtsstaat einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt bereits begründet hat. Dies würde der Zielsetzung des HKÜ, nämlich Kindesentführungen durch eine restriktive Anwendung abzuschrecken, zuwiderlaufen.
IV. Ablehnung der Rückführung, Art. 13 HKÜ
81
Die Anordnung der Rückführung der widerrechtlich zurückgehaltenen Kinder ist vorliegend aber abzulehnen, weil davon auszugehen ist, dass die Rückführung der Kinder mit einer schwerwiegenden Gefahr eines körperlichen oder/und seelischen Schadens verbunden ist (Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ).
82
Beweispflichtig für die eng auszulegenden Voraussetzungen des Art. 13 HKÜ (so schon OLG München, Ent. v. 29.12.1993, Gz: 2 UF 1392/93) wäre grundsätzlich nach dem insoweit eindeutigen Wortlaut („nachweist“) die Antragsgegnerin.
83
Diese hat sich jedoch lediglich in der Verhandlung vom 25.04.2025 erstmals dazu geäußert, dass über das frühere gemeinsame Wohngebiet der Beteiligten Waffen und Munition aus dem Ausland in die Ukraine verbracht würden und dass es ausweislich eines Presseartikels deshalb auch dort zu Raketeneinschlägen gekommen sein solle.
84
Ein Ausschlussgrund nach Art. 13 Abs. 1 lit. a) HKÜ, d.h. eine Nichtausübung des Sorgerechts oder eine Zustimmung – auch nicht in der Vereinbarung vom 01.04.2024 zu sehen, dazu siehe oben – oder nachträgliche Genehmigung durch den Antragsteller liegt nicht vor.
85
Soweit es vorliegend um die Frage einer Kindeswohlgefährdung durch Rückführung in einen Staat handelt, in dem es seit dem 24.02.2022 zu einer kriegerischen Auseinandersetzung kommt, kann sich das Gericht nicht auf die Beweislast aus Art. 13 HKÜ zurückziehen. Vielmehr hat es sich als Ausfluss aus Art. 8 EMRK im Rahmen der zeitlichen Möglichkeiten des Art. 11 HKÜ eine eigene Überzeugung zu bilden.
86
In seiner Entscheidung vom 23.04.2024, Gz: 1 BvR 1595/23, geht das BVerfG als Regelfall für die Beurteilung einer Kindeswohlgefährdung i.S.v. Art. 13 HKÜ durch Rückführung davon aus, dass das gesamte Staatsgebiet der Ukraine als Kriegsgebiet anzusehen ist. Dies deckt sich auch mit der Form der Rückführungsanordnung, die auf die Rückführung in einen Herkunftsstaat und nicht in ein konkretes Gebiet dieses Staats abzielt.
87
Deshalb ist der Antrag Ziff. 1 des Antragstellers im Schriftsatz vom 19.03.2025 richtigerweise so formuliert:
die Antragsgegnerin ist verpflichtet, die Kinder V… K … geb. … 13 und M… K…, geb. … 2015 innerhalb einer angemessenen Frist von 2-4 Wochen in die Ukraine zurückzuführen; (…)“
88
Soll ausnahmsweise von diesem Regelfall – der hier aber nicht beantragt wurde – abgewichen werden, bedarf es nach der vorgenannten Entscheidung des BVerfGs einer besonderen Abwägung.
89
1. Im Gegensatz zur Entscheidung des OLG Köln vom 17.07.2023, Gz: 21 UF 100/23, ist wie in den Entscheidungen des Thüringer OLG vom 04.04.2023, Gz: 1 UF 54/23, und des OLG Stuttgart vom 13.10.2022, Gz: 17 UF 186/22, davon auszugehen, dass das gesamte Staatsgebiet der Ukraine als Kriegsgebiet anzusehen ist.
90
Als allgemein zugängliche Quelle i.S.v. § 291 ZPO kann hier auf die Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes (Stand: 24.04.2025) und entsprechende Veröffentlichungen der deutschen Nachrichtenpresse (vgl. Mediatheken ntv, Welt, Tageschhau usw.) abgestellt werden:
91
Die aktuelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für die Ukraine lautet:
Vor Reisen in die Ukraine wird gewarnt. Deutsche Staatsangehörige sind dringend aufgefordert, das Land zu verlassen.
In der Ukraine finden Kampfhandlungen, Raketen- und Luftangriffe statt.
Der Luftraum ist geschlossen. Ein- und Ausreisen ist nur auf dem Landweg möglich. In Kyjiw und anderen Orten werden bei Bedarf – auch kurzfristig – Ausgangssperren verhängt.
Die deutsche Botschaft hat den Dienstbetrieb in Kyjiw in eingeschränkter Form wiederaufgenommen. Derzeit wahrgenommene konsularische Aufgaben können der Rubrik Visa und Konsularservice der deutschen Vertretungen in der Ukraine entnommen werden. Das Generalkonsulat in Donezk (mit Sitz in Dnipro) ist weiterhin geschlossen.
Männlichen ukrainischen Staatsbürgern im Alter von 18 bis 60 Jahren ist seit der Generalmobilmachung die Ausreise aus der Ukraine verboten. Weitere Staatsangehörigkeiten der Betreffenden werden von den ukrainischen Behörden in diesem Zusammenhang nicht berücksichtigt.“
92
Trotz der durch Russland erklärten „Waffenruhe zu Ostern“ waren der deutschen und internationalen Presse in der jüngsten Vergangenheit beispielhaft folgende russische Angriffe auf die Zivilbevölkerung zu entnehmen:
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04.04.2025 Angriff in Krywyi mit 9 getöteten Kindern
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13.04.2025 IAAEO stellt Beschädigungen des Schutzmantels am Atomkraftwerk Tschernobyl fest,
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13.04.2025 Raketenangriff auf Sumy mit 30 zivilen Toten
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16.04.2025 Angriff in Dnipro mit drei zivilen Toten, darunter 1 Kind
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20.04.2025 Angriff in Cherson trotz angekündigter Waffenruhe Russlands
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22.04.2025 Angriff auf einen Bus in Marhanez mit 9 zivilen Toten
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23.04.2025 Angriff auf Kiew mit 9 zivilen Toten
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Jegliche internationalen Bemühungen, durch Verhandlungen einen wirklichen Waffenstillstand und eine Friedenslösung herbeizuführen sind bislang gescheitert. Vielmehr hat das Verhalten Russlands in der jüngeren und jüngsten Vergangenheit, wie der Presse zu entnehmen ist, gezeigt, dass es auch zu nicht vorhersehbaren und nachvollziehbaren Luftangriffen auf die ukrainische Zivilbevölkerung an Orten kommt, die nicht im Frontgebiet liegen. Die unberechenbare russische Angriffstaktik beschränkt sich damit nicht auf die unmittelbar besetzten und angrenzenden Gebiete, sondern zielt offensichtlich auch auf eine Schwächung der Infrastruktur des gesamten Landes.
94
Als Ziele der „militärischen Spezialoperation“ Russlands werden genannt:
Eroberung der Ukraine, um
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eine Pufferzone zwischen Nato und Russland zu schaffen;
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eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato zu verhindern;
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das westliche Bündnis vom Asowschen Meer fernzuhalten;
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den Zugang zum Schwarzen Meer über die Krim abzusichern.
(vgl. Berliner Morgenpost, 16.04.2025, „Ukraine-Krieg: Rätsel Putin – Was er will, wo er haltmacht“)
95
2. In ihrer Anhörung vom 25.04.2025 gaben die Kinder selbst an, dass es an ihrem Wohnort in der Ukraine:
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immer wieder zu Stromausfällen kam,
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der Schulbetrieb durch Luftalarme täglich/oft unterbrochen wurde und sie jeweils einen Bunker aufsuchen mussten,
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dass sie selbst von Raketeneinschlägen in ihrer näheren Umgebung erfahren haben
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dass es viele Flüchtige in ihrer Umgebung gab
und
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dass sie auch wegen des Krieges nicht in die Ukraine zurückkehren wollen.
96
a) Die Angaben zu einem Raketeneinschlag, den die Kinder mitbekommen haben sollen, stehen zunächst im Widerspruch zu den Angaben in der Stellungnahme der örtlichen Militärverwaltung vom 07.02.2025:
„… Seit der Einführung des Kriegsrechts in der Ukraine wurden auf dem Gebiet der territorialen Gemeinde … und der Stadt … in Zakarpattia Oblast keine Fälle von herabfallenden Bruchstücken der Luftobjekte registriert …“
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Anzumerken ist zunächst zur zeitlichen Eingrenzung, dass das Kriegsrecht in der Ukraine am 24.02.2022 durch den Präsidenten ausgerufen wurde (vgl. Spiegel-online: „Raketenbeschuss und Bodentruppen, Putin greift die Ukraine an“ vom 24.02.2022).
98
Der Antragsteller selbst hat in der Verhandlung vom 25.04.2025 in Übereinstimmung mit den Angaben der Antragsgegnerin erklärt, dass im Jahr 2022 in diesem Gebiet ein Raketeneinschlag erfolgt ist und damit die Angaben der Kinder bestätigt. Zweifel am Gehalt der Stellungnahme der Militärverwaltung vom 07.02.2025 erscheinen insoweit durchaus angebracht, die jegliche „… herabfallende Bruchstücke…“ seit „… Einführung des Kriegsrechts…“ leugnet.
99
b) Die Angaben zu den Stromausfällen lassen sich auch mit den Angaben der oben genannten Stellungnahme des örtlichen Stromversorgers vom 31.03.2025 zur Deckung bringen: Nicht nur dass hier Ausfälle in der Vergangenheit auf Grund der Kriegshandlungen eingeräumt werden, deutet die Formulierung „… im Allgemeinen…“ darauf hin, dass es durchaus trotz bester Bemühungen doch zu Ausfällen gekommen ist und ggf. wieder kommen kann.
100
c) Auch die Wahrnehmungen der Kinder zu den Binnenvertriebenen stimmen überein mit der Stellungnahme der Militärverwaltung vom 08.04.2025, die (siehe oben) zum Stand 31.03.2025 hier ... und im örtlichen Einzugsbereich 477 Vertriebene registriert haben will.
101
Dies lässt sich insoweit mit den vom Emergency Response Coordination Center (ERCC) der Euopäischen Kommission zum Stichtag 01.06.2022 veröffentlichen Flüchtlingszahlen aus der Ukraine in Einklang bringen. Danach sollen zu diesem Zeitpunkt bereits allein über Transkarpatien nach Ungarn insgesamt 678.481 Menschen geflüchtet sein (ERCC DG ECHO Daily Map 01/06/2022).
102
Obwohl diese beiden vorgenannten Stellungnahmen eindeutig ein Bild zeichnen, das auf auch kriegsbedingte Auswirkungen im Bereich des Wohnsitzes der Kinder hindeutet, stehen dazu die Erklärungen der Kirchen (siehe oben) in auffälligem Widerspruch. Denn abgesehen von dem Umstand, dass hier jeweils fast deckungsgleiche Formulierungen bei der Beschreibung der angeblich sicheren Lage benutzt werden, ist die Rede von geregeltem Schulbetrieb und stabiler (Elektrizitäts-) Versorgung. Dieser auffällige Gleichklang der Aussagen legt eine Vermutung nahe, die vorliegend aufgrund der bereits anderweitig vorliegenden und dargestellten Informationen hier nicht näher beleuchtet werden braucht, steht aber im deutlichen Widerspruch zu den Ausfällen der Stromversorgung, die in der Erklärung des örtlichen Stromversorgers zumindest zugestanden werden. Auch ist ein „geregelter Schulbetrieb“ kaum in Einklang zu bringen mit den übereinstimmenden Angaben beider Kinder, dass es bis zu ihrer Ausreise ständig zu Luftalarmen kam und die Notwendigkeit bestand, sich mit den Schülern in einem Bunker in Sicherheit zu bringen.
103
3. Auch der Aufenthaltstitel der Kinder basiert auf einem Flüchtlingsstatus nach § 24 Abs. 1 AufenthG und damit auf der Richtlinie 2001/55/EG, wie sich der Befristung des Aufenthaltstitels beim Kind V… auf den 04.03.2026 als derzeit gesetzlich vorgesehenem Maximalzeitpunkt entnehmen lässt (§ 2 Abs. 1 UkraineAufenthFGV).
104
Die UkraineAufenthFGV trifft keine Unterschiede nach einzelnen Gebieten in der Ukraine, sondern sieht das gesamte Gebiet des Staates als gefährdet an.
105
4. Sowohl das Jugendamt wie auch die Verfahrensbeiständin sprechen sich aus Gründen des Kindeswohls gegen eine Rückführung der Kinder in die Ukraine aus.
106
Es kann vorliegend hier auf Grund der Problematik mit der kriegerischen Auseinandersetzung im Herkunftsstaat dahinstehen, inwieweit die Weigerung beider Kinder, zum Antragsteller zurückzukehren, neben der in der Anhörung artikulierten Kriegsangst auch auf das Verhalten des Antragstellers gegenüber den Kindern selbst oder Beobachtungen der Kinder beim Verhalten gegenüber der Antragsgegnerin beruhen.
107
Zur Überzeugung des Gerichts besteht vorliegend deshalb keine ausreichende Grundlage bei der Beurteilung einer möglichen Kindeswohlgefährdung durch Rückführung i.S.v. Art. 13 Abs. 1 lit. b) HKÜ in Einklang mit den Vorgaben des BVerfGs (BVerfG, a.a.O.), davon abzuweichen, dass die gesamte Ukraine als Kriegsgebiet anzusehen ist.
108
Daher kann hier nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass die Kinder bei einer Rückführung an ihren letzten Wohnsitz in der Ukraine sowohl einen schwerwiegenden körperlicher oder/und schwerwiegenden seelischer Schaden, der über das Normalmaß der Beeinträchtigungen, die mit einer Rückführung oder der allgemeinen Lebensgefahr verbundenen sind, weit hinausgehen, durch das Erleben von Kriegshandlungen oder Kriegsfolgen erleiden könnten.
109
Solange ein Krieg im Herkunftsland nicht beendet ist, hat eine Rückführung zu unterbleiben (vgl. auch OLG Stuttgart, Ent. v. 13.01.2009, Gz: 17 UF 234/08).
110
Beide Kinder haben sich i.S.v. Art. 13 Abs. 2 HKÜ einer Rückführung widersetzt, weshalb auch aus diesem Grund ihre Rückführung abzulehnen ist.
111
Zwar ist einem Kind im Rahmen des HKÜ nicht von vornherein zuzubilligen, dass es über seinen Wohnort selbst entscheiden kann (vgl. EGMR, Ent. v. 22.07.2014, Nr. 3592/08, NLMR 2014, 306). Vielmehr hat hierüber das Gericht nach seinem Ermessen zu entscheiden.
112
Sowohl dem zwölfjährigen V… wie aber auch schon der neunjährigen M … sind die notwendige Reife für ein wirksames Widersetzen zuzubilligen.
113
Beide Kinder haben im Rahmen ihrer Anhörung durch das Gericht am 25.04.2025 klar, nachvollziehbar und in sich widerspruchsfrei von ihren Kriegserlebnissen an ihrem Wohnsitz in der Ukraine berichtet und als Schluss daraus angegeben, wegen des Krieges nicht in die Ukraine zurückkehren zu wollen.
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Beide Kinder haben sofort und ohne jegliche kindliche Verspieltheit die Fragen des Gerichts und der Verfahrensbeiständin gezielt, konzentriert und erschöpfend beantwortet ohne abzuschweifen. Auch mit der für sie ungewohnten Situation einer gerichtlichen Anhörung durch eine zuvor völlig unbekannte Person kamen sie ohne jegliche Berührungsängste zurecht und artikulierten feste Standpunkte.
115
Von einem solchen Widerstand gegen eine Rückführung wird auch in den vorgenannten Ausführungen der Verfahrensbeiständin berichtet. Diese gab insbesondere an, dass sie mehrere Versuche unternommen hat, die Kinder zu einer Kontaktaufnahme zu bewegen. Selbst die Antragsgegnerin soll sich zu entsprechenden Maßnahmen bereit erklärt haben, jedoch seien alle Versuche immer an den Kindern gescheitert. Das Jugendamt hat sich in der Verhandlung vom 25.04.2025 den Einschätzungen der Verfahrensbeiständin angeschlossen.
116
Der Erholung entsprechender zusätzlicher Gutachten über die Reife steht Art. 11 Abs. 1 HKÜ entgegen (vgl. NK-BGB/Erb-Klünemann Rn. 46).
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 20 Absatz 2, § 43 IntFamRVG, § 81 Absatz 1 Satz 1 FamFG, Art. 26 HKÜ.
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Die Festsetzung des Verfahrenswerts folgt aus § 45 Abs. 1 Nr. 4 FamGKG.