Titel:
zu Beschluss 25-15
Normenketten:
GWB § 160 Abs. 1 S. 1
GWB § 167 Abs. 2
VGV § 30
Leitsätze:
1. Angesichts der Regelung in Art. 1 Abs. 4 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG, wonach die Mitgliedstaaten lediglich verlangen können, dass die Person, die ein Nachprüfungsverfahren anzustrengen beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber über den behaupteten Verstoß und die beabsichtigte Nachprüfung unterrichtet, ist es sehr fraglich, ob eine Rüge, die eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung enthält, überhaupt wegen fehlender Substantiierung unbeachtlich sein kann.
2. Bringt ein Beteiligter unter Missachtung seiner Verfahrensförderungspflicht neuen, nicht nachgelassenen Vortrag erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung vor und ist den weiteren Beteiligten eine Erwiderung hierauf ohne erhebliche Verzögerung des Nachprüfungsverfahrens nicht möglich, so muss ein solches Vorbingen bei der Entscheidung der Vergabekammer regelmäßig unberücksichtigt.
3. Lose – auch gleichartige Teil-(Mengen-) Lose sind grundsätzlich gesondert zu werten. Auch die transparente Ankündigung einer losübergreifenden Wertung in den Vergabeunterlagen erlaubt es dem öffentlichen Auftraggeber nicht, einem Unternehmen in einem Los den Zuschlag zu erteilen, auf das es kein Angebot abgegeben hat.
Schlagworte:
zu Beschluss 25-15, Nachprüfungsverfahren, mündliche Verhandlung, Losaufteilung
Fundstellen:
LSK 2025, 20236
ZfBR 2025, 627
BeckRS 2025, 20236
Tenor
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin und der Beigeladenen zu 1) bis 3).
3. Für das Verfahren wird eine Gebühr in Höhe von …,00 EUR festgesetzt. Auslagen sind nicht angefallen.
4. Die Hinzuziehung eines Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene zu 2) war notwendig.
Gründe
1
Mit Auftragsbekanntmachung vom22.11.2024, veröffentlicht im Supplement zum Amtsblatt der Europäischen Union am … unter Nr. …-2024, schrieb die Antragsgegnerin einen Dienstleistungsauftrag über „Beseitigung und Behandlung von Siedlungsabfällen – Verwertung Bioabfälle“ im Wege eines offenen Verfahrens aufgeteilt in 13 Lose aus. Einziges Zuschlagskriterium war gemäß Ziffer 5.1.10. der Bekanntmachung der Preis. Unter den allgemeinen Informationen in Ziffer 5.1.6. der Bekanntmachung fand sich unter anderem folgende Festlegung:
„[…] Zusätzliche Informationen: Es gilt eine Loslimitierung von maximal 2 Losen je Bieter oder Bietergemeinschaft für die Lose 3-8 (=Losgruppe A). Näheres siehe Leistungsbeschreibung vom 18.11.2024. BITTE BEACHTEN : Aus systembedingten Gründen wurde die Höchstzahl der Lose, für die ein Bieter einen Zuschlag erhalten kann, mit der Zahl „7“ angegeben. Eine genauere Aufgliederung ist im Feld „Höchstzahl Los(e)“ systembedingt nicht möglich. Deshalb ist folgende Erklärung zu beachten: Für die Losgruppe A (Lose 3-8) kann einem Bieter/einer Bietergemeinschaft maximal ein Zuschlag für zwei Angebote und für die Losgruppe B (Lose 9-13) maximal ein Zuschlag für drei Angebote erteilt werden. Unabhängig von der Loslimitierung bei den Losgruppen A und B kann ein Bieter oder eine Bietergemeinschaft zudem Angebote zu den Losen 1a und 2 a bzw. 1b und 2b abgeben. Einem Bieter/Einer Bietergemeinschaft kann damit ein Zuschlag für insgesamt höchstens „7“ Lose erteilt werden.“
2
In Bezug auf die technische und berufliche Leistungsfähigkeit enthielt Ziffer 5.1.9. der Bekanntmachung unter anderem folgende Festlegung:
Art: Technische und berufliche Leistungsfähigkeit
Beschreibung: 1. Referenzen Der Bewerber/Bieter muss als Referenz mindestens 2 zufriedenstellend erbrachte vergleichbare Leistungen (abhängig vom Angebot, Anzahl/Menge Lose) vorweisen. Leistungen für den A… müssen als Referenz angegeben werden, da ansonsten keine Berücksichtigung erfolgt. Als vergleichbare Leistung gilt in vorliegendem Fall eine Transport- und Verwertungsleistung für Bioabfälle mit einer Qualität und Beschaffenheit entsprechend Nr. 2 der Leistungsbeschreibung. Referenzen dürfen nachfolgend nur angegeben werden, wenn sie nicht älter als drei Jahre sind und die Leistung bereits vollständig abgeschlossen wurde oder bei einer Vertragslaufzeit von über einem Jahr, mindestens ein Leistungszeitraum von einem Jahr bereits abgeschlossen wurde. […]
3. Eigenerklärung zu behördlichen Genehmigungen, Transportbehältnissen, Fahrzeugen und Kapazitäten. Eigenerklärung zum Vorliegen der für den Betrieb der Behandlungsanlage erforderlichen behördlichen Genehmigungen. Sofern der Übergabeort nicht die vom Bieter betriebenen Anlage ist, hat der Bewerber/Bieter zudem einen genehmigten Übergabestandort anzugeben und in der Eigenerklärung das Vorhandensein aller erforderlichen Genehmigungen und die Verfügbarkeit dieses Standortes verbindlich zusagen. Erklärung, dass für den gesamten Auftragszeitraum (=Vertragszeitraum einschließlich des im Nachgang erforderlichen Behandlungs- und Verwertungszeitraumes) -die erforderlichen behördlichen Genehmigungen für die Behandlungsanlage, in welcher der vom Abfallwirtschaftsbetrieb M… übernommene Biomüll behandelt wird, erteilt sind. […] -bei Zuschlag für alle Lose, die ich/ wir angeboten habe(n), die erforderlichen Behandlungskapazitäten vorhanden sind, die behördlich genehmigte Anlagenkapazität nicht überschritten wird und die Verwertung sichergestellt ist.
Falls der Auftraggeberin Anhaltspunkte vorliegen, dass die o.g. Erklärung (teilweise) unzutreffend sein könnte, sind entsprechende Nachweise auf Anforderung vorzulegen. 4. Darlegung des angewendeten Kompostierungs-/ Vergärungsverfahrens und des entsprechenden Vermarktungskonzeptes (insbesondere Darlegung der Vermarktungsmengen und der Vermarktungswege – Abnehmer und Einsatz- /Aufbringungsorte) entsprechend den Vorgaben der BioAbfV bzw. entsprechend gleichwertiger Vorgaben von Stellen aus anderen EU-Staaten (in deutscher Sprache). 5. Nachweis Beförderungserlaubnis: Für die Leistung der Beförderung von nicht gefährlichen Abfällen ist gemäß der Anzeige- und Erlaubnisverordnung (AbfAEV) die Vorlage der Anzeige als erforderlicher Nachweis hinreichend. 7. Nachweis einer Mitgliedschaft in einer anerkannten Gütegemeinschaft, nach deren Bestimmungen eine verbindliche und kontinuierliche Gütesicherung gem. §§ 3 und 4 der Bioabfallverordnung (BioAbfV) nachgewiesen wird. Die Mitgliedschaft muss über den gesamten Vertragszeitraum bestehen. 6. Aktuelles Überwachungszertifikat als Entsorgungsfachbetrieb – mit Anlagen – gemäß § 56 Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG) für das Lagern, Behandeln, Verwerten und ggf. das Befördern von getrennt erfassten Bioabfällen mit den Abfallschlüsseln 20 03 01 „gemischte Siedlungsabfälle“, oder gleichwertiger Nachweis (auch über ein Qualitätsmanagementsystem), dass die Anforderungen der Entsorgungsfachbetriebe-Verordnung vom 10.09.1996 (EfbV) erfüllt sind. 7. Nachweis der laufenden Gütesicherung für mindestens ein Kompost- oder Gärprodukt. Dazu sind das Jahreszeugnis 2024 und sobald vorhanden das Jahreszeugnis 2025 sowie das letzte (monatliche) Prüfzeugnis aus 2024 vorzulegen. Aus der Kennzeichnung muss der Bioabfallbehandler bzw. Gemischhersteller eindeutig hervorgehen oder gleichwertige Nachweise aus anderen EU-Staaten in deutscher Sprache gem. §§ 3 und 4 der Bioabfallverordnung (BioAbfV). Das jeweils aktuelle Prüfzeugnis ist jährlich unaufgefordert an den A… zu senden. 8.. […] Für Leistungen, die von einem Unterauftragnehmer erbracht werden, sind die entsprechenden Nachweise des Unterauftragnehmers vorzulegen“
3
Ausweislich der Angabe in Ziffer 5.1.11. der Bekanntmachung standen die Auftragsunterlagen unter der dort genannten Internetadresse zum Abruf zur Verfügung. Bestandteil der Vergabeunterlagen war unter anderem die Aufforderung zur Abgabe eines Angebots. Hierin fanden sich auszugsweise folgende Festlegungen:
2. Lose 3 bis 8 und optionale Lose 9 bis 13:
Für Angebote zu den gleichartigen und gleichgroßen Losen innerhalb der Losgruppen A und B gelten: Alle form- und fristgerecht eingegangenen Angebote geeigneter Bieter werden anhand der Angebotspreise je Los, unabhängig davon, bei welcher Losnummer innerhalb der Losgruppen (reine Mengenlose von jeweils ca. 3.000 t/a und ca. 1.000 t/a) sie eingetragen wurden, in eine preisliche Rangfolge gebracht. Anschließend werden die Lose, entsprechend ihrer preislichen Rangfolge innerhalb der Losgruppe, der Reihe nach an die jeweiligen Bieter verteilt. Dabei ist nur der Angebotspreis ausschlaggebend. Der Zuschlag erfolgt somit nicht unbedingt auf die Losnummer(n), für die das Angebot abgegeben wurde, sondern entsprechend der Anzahl der gewonnenen Lose auf irgendwelche Losnummern innerhalb der Losgruppe. Befinden sich mehrere Bieter auf demselben Rang für das letzte zu vergebende Los innerhalb einer Losgruppe, entscheidet das Losverfahren unter dem 4-Augen-Prinzip über den Zuschlag. Kommt innerhalb der Losgruppe A oder B eine Loslimitierung (vgl. auch Hinweise 4.5) zu tragen, d.h., sollte nach Durchführung der Angebotswertung rein rechnerisch ein Bieter bzw. eine Bietergemeinschaft mehr als zwei Lose innerhalb der Losgruppe A oder mehr als drei Lose innerhalb der Losgruppe B erhalten, so werden diejenigen „überzähligen“ Lose innerhalb der jeweiligem Losgruppe dem in der Auswertungsliste nachfolgenden Bieter gemäß der obenstehenden preislichen Rangverteilung zugeschlagen.“
4
Weiterer Bestandteil der Vergabeunterlagen war ein Fragebogen zur Eignungsprüfung. Dieser enthielt unter anderem folgende Festlegungen:
„- A 1.1.2.2.1.3 Auftragsgegenstand (Ist Ausschlusskriterium) Bitte beschreiben Sie möglichst detailliert den Auftragsgegenstand der Referenz.
- A 1.1.2.2.1.5 Auftragswert (Ist Ausschlusskriterium) Bitte geben Sie den Auftragswert (netto) der Referenz in Euro an.“
5
Sowohl Antragstellerin als auch die Beigeladenen zu 1), zu 2) und zu 3) reichten innerhalb der auf den21.01.2025, 10:00 Uhr, festgesetzten Angebotsfrist ein Angebot ein.
6
Mit Schreiben vom 13.02.2025 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zu 3) auf, unterschriebene Verpflichtungserklärungen und einen Nachweis der Beförderungserlaubnis mit Inhalt gemäß dem Ausschlusskriterium A 1.1.2.2.6 für zwei Unterauftragnehmer nachzureichen. Außerdem wurde die Beigeladene zu 3) um folgende Preisaufklärung gebeten:
„Sie haben für die Lose 1 und 2 sowie 5-13 Preise zu einem Betrag von je 0,00 Euro abgegeben. Bitte bestätigen Sie in Form einer Eigenerklärung, dass mit der Angabe von jeweils 0,00 Euro als Losbetrag gemeint war, kein Angebot für die die Lose 1,2, sowie 5-13 abzugeben.“
7
Diesem kam die Beigeladene zu 3) fristgerecht nach. Hinsichtlich der 0,00 Euro-Losbeträge erklärte sie:
„Die angegebenen Losbeträge von 0,00 Euro für die Lose 1,2 und 5-13 sind als kein Angebot zu werten.“
8
Mit Schreiben vom 14.02.2025 forderte die Antragsgegnerin die Beigeladene zu 1) auf, das Jahreszeugnis von 2025 nachzureichen. Weiterhin forderte sie die Beigeladenen zu 1) auf, den Auftragswert für die Referenz 1 sowie den genauen Auftragsgegenstand anzugeben. Es sei unklar, worauf sich die genannte Auftragsmenge beziehe. Zudem wurde um Preisaufklärung wegen eines ungewöhnlich niedrigen Angebots gebeten.
9
Dieser Aufforderung kam die Beigeladene zu 1) fristgerecht nach. Zum Auftragswert der Referenz 1 erklärte sie, dass hierzu ein Auftragsvolumen nicht veröffentlicht worden sei und auch viel mehr als die reine Verwertungsleistung umfassen würde. Eine Angabe der damaligen oder der heutigen Preise könne nicht gefordert werden und wäre auch vertragsrechtlich gegenüber Dritten nicht offenzulegen; die Preise würden im Übrigen jährlichen Anpassungen unterliegen.
10
Ebenfalls mit Schreiben vom 14.02.2025 wurde die Beigeladene zu 2) aufgefordert, gültige Überwachungszertifikate gem. Kriterium A 1.1.2.2.5 des Fragebogens zur Eignungsprüfung für zwei ihrer benannten Unterauftragnehmer vorzulegen. Das von einem dieser Unterauftragnehmer vorgelegte Zertifikat sei bereits zum 02.11.2023 abgelaufen. Bei einem weiteren Unterauftragnehmer fehle die Vorlage eines gültigen Überwachungszertifikates gem. Kriterium A 1.1.2.2.5 des Fragebogens zur Eignungsprüfung. Ebenso fehle gem. Kriterium A 1.1.2.2.8 als Nachweis der laufenden Gütesicherung das letzte (monatliche) Prüfzeugnis aus 2024. Zudem bat die Antragsgegnerin um Nachreichung des Jahreszeugnis 2025, sobald dieses vorhanden sei. Die Beigeladene zu 2) reichte die geforderten Unterlagen fristgerecht nach. Mit Schreiben vom 18.02.2025 forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin auf, die in einem gesonderten Schreiben aufgeführten Unterlagen nachzureichen. Diesem kam die Antragstellerin fristgerecht nach. Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 05.03.2025 setzte die Antragsgegnerin die Antragstellerin u.a. davon in Kenntnis, dass kein Zuschlag auf die zu den Losen 3-8 abgegebenen Angebote erteilt werden könne, da wirtschaftlichere Angebote vorliegen würden. Die Angebote der Antragstellerin würden in der preislichen Rangfolge die Plätze ab Rang 12 belegen. Zudem teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass beabsichtigt sei, frühestens am 17.03.2025 den Zuschlag in Los 3 auf das Angebot der Beigeladenen zu 1), in den Losen 5 und 8 auf das Angebot der Beigeladenen zu 2) und in Los 6 auf das Angebot der Beigeladenen zu 3) zu erteilen.
11
Mit Schreiben vom 11.03.2025 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin als vergaberechtswidrig. Die zum Zuschlag vorgesehenen Unternehmen würden nicht über hinreichend umfangreiche genehmigte freie Verwertungskapazitäten verfügen. Die zum Zuschlag vorgesehenen Unternehmen hätten mangels Eignung ausgeschlossen werden müssen. Die Anforderung „Eigenerklärung zum Vorliegen der für den Betrieb der Behandlungsanlage erforderlichen behördlichen Genehmigungen“ in Ziffer 5.1.9. der Bekanntmachung führe dazu, dass die Genehmigungen jeweils zum Ende der Angebotsfrist bestanden und vorgelegen haben müssten. Weiter sei die Prüfung und Wertung unter Einbeziehung der von der Antragsgegnerin einzuholenden behördlichen Auskünfte zu wiederholen. Die zum Zuschlag vorgesehenen Unternehmen sollten aufgefordert werden mitzuteilen, ob die erforderlichen genehmigten freien Kapazitäten tatsächlich bestehen würden. Zudem sei nicht nachvollziehbar, wie die der Antragstellerin mitgeteilte Platzierung zu verstehen sei.
12
Mit Schreiben vom 13.03.2025 antwortete die Antragsgegnerinder Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Die behördlich genehmigten freien Kapazitäten müssten lediglich für den Auftragszeitraum vorliegen. Außerdem erläuterte die Antragsgegnerin wie die preisliche Rangfolge zustande gekommen sei. Rangplatzierung 12 bedeute nicht, dass 11 Unternehmen geboten hätten, sondern gehe von den einzelnen losweisen Angeboten aus.
13
Mit Schreiben vom 13.03.2025 beanstandete die Antragstellerin die Vergabeentscheidung der Antragsgegnerin erneut als vergaberechtswidrig. Die Antragsgegnerin solle in den Losen 3, 5, 6, 7 und 8 die behördlichen Genehmigungen anfordern und die betreffenden Unternehmen zur Abgabe einer Versicherung an Eides statt auffordern, dass die Kapazitäten bestehen. Die zum Zuschlag vorgesehenen Unternehmen könnten die Leistungen nicht erbringen, da sie jedenfalls zum Leistungsbeginn und auch danach nicht über die erforderlichen freien Kapazitäten verfügen würden. Weiter sei die Vorgehensweise bei der preislichen Prüfung nicht nachvollziehbar und erscheine vergaberechtlich intransparent und unzulässig. Fraglich sei, wie die Antragstellerin mit ihren Angeboten auf Rang 12 in dem einzelnen Los liegen könne, wenn nur 5 oder 6 Angebote in dem betreffenden Los abgegeben worden seien.
14
Mit Schreiben vom 13.03.2025 antwortete die Antragsgegnerinder Antragstellerin, dass ihren Rügen nicht abgeholfen werde. Es bestehe kein Anlass, behördliche Genehmigungen nachzufordern. Es seien Eigenerklärungen verlangt worden, was vergaberechtlich zulässig und gängige Praxis sei. Weiter forderte die Antragsgegnerin die Antragstellerin dazu auf, ihre Anhaltspunkte bzw. Beweise dafür offenzulegen, dass die Unternehmen der Lose 3, 5, 6, 7 und 8 nicht über die erforderlichen behördlich genehmigten Kapazitäten verfügten. Im Übrigen verwies die Antragsgegnerin darauf, dass die Angebotswertung transparent und das Angebot der Antragstellerin in der Losgruppe A unwirtschaftlich sei.
15
Mit Schreiben vom 13.03.2025 antwortete die Antragstellerin der Antragsgegnerin, dass sie ihre Rüge vollumfänglich aufrechterhalte. In zwei weiteren Schreiben vom 14.03.2025 legte die Antragstellerin den Sachverhalt beispielhaft für die Lose 5 und 8 sowie 3 dar, wobei sie auf die genehmigten Kapazitäten der Beigeladenen zu 2) und zu 3) sowie deren jeweilige aktuelle Auftragslage einging. Daneben legte die Antragstellerin dar, dass sie belastbare Informationen dazu habe, dass die Beigeladene zu 2) und verschiedene Subunternehmer gegenüber dem Landratsamt M… in großem Ausmaß falsche Angaben in Lieferscheinen in Bezug auf Bioabfälle gemacht hätten.
16
Nachdem den Rügen der Antragstellerin nicht abgeholfen wurde, stellte diese mit Schreiben vom 14.03.2025 einen Nachprüfungsantrag gem. § 160 Abs. 1 GWB.
17
Die Antragstellerin wiederholt und vertieft den Vortrag aus ihren Rügeschreiben. Die Angebote der Beigeladenen zu 1), zu 2) und zu 3) hätten mangels Erfüllung der Eignungsanforderungen und mangels eines ordnungsgemäßen Angebots, aus dem sich die vertragsmäßige Erbringung der zu vergebenden Leistungen erkennen lasse, ausgeschlossen werden müssen. Die Beigeladenen zu 1), zu 2) und zu 3) verfügten in Bezug auf die ausgeschriebenen Bioabfälle nicht über die erforderlichen genehmigten Verwertungskapazitäten. Darüber hinaus hätte ein Ausschluss gem. § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c) GWB wegen Falschangaben erfolgen müssen.
18
Die Antragstellerinbeantragt
1. in den Losen 3 sowie 5 bis 8 ein Nachprüfungsverfahren einzuleiten; außer 7
2. der Antragsgegnerin zu untersagen, den Zuschlag in den Losen 3 sowie 5 bis 8 an die in der Vorabinformation genannten Unternehmen zu erteilen; außer 7
3. die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Prüfung und Wertung der Angebote nach den Maßgaben der Vergabekammer zu wiederholen;
4. die Vergabeakten beizuziehen und der Antragstellerin gern. § 165 GWB Akteneinsicht zu gewähren;
5. der Antragsgegnerin die Kosten des Nachprüfungsverfahrens einschließlich der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung erforderlichen Kosten der Antragstellerin aufzuerlegen;
6. die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gern. § 182 Abs. 4 GWB für notwendig zu erklären.
19
Die Antragsgegnerin beantragt
1. Der Nachprüfungsantrag wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Einsichtnahme in die Vergabeakte wird versagt, soweit dies nach § 165 Abs. 2 GWB aus wichtigen Gründen geboten ist.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Nachprüfverfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Antragsgegnerin.
20
Zur Begründung trägt die Antragsgegnerin vor, dass sie die Kapazitäten der anbietenden Unternehmen im Rahmen von Eigenerklärungen abgefragt habe. Dies sei gemäß § 48 Abs. 2 Satz 1 VgV zulässig und üblich. Die abgegebenen Eigenerklärungen würden keinen objektiv begründeten, konkreten Zweifel an deren Richtigkeit zulassen. Die Antragstellerin beziehe sich bei der Beigeladenen zu 1) (Los 3) auf veraltete Zahlen aus Dezember 2023. Die Beigeladene zu 1) habe in ihren Angebotsunterlagen andere und aktuelle Angaben mit Stand Dezember 2024 genannt, die keinen Zweifel an der behördlich genehmigten Kapazität ergeben hätten. Auch bezüglich der Beigeladenen zu 2) (Los 5 und 8) wies die Antragsgegnerin die Vorwürfe der Antragstellerin hinsichtlich der fehlenden Kapazitäten zurück. Die Beigeladene zu 2) habe in ihrem Angebot nicht die von der Antragstellerin vermuteten, sondern andere Unterauftragnehmer für die Verwertung genannt. Es bestünden daher keine objektiv begründeten, konkreten Zweifel an der Eignung der behördlich genehmigten Kapazitäten der Beigeladenen zu 2). Hinsichtlich der Beigeladenen zu 3) (Los 6) habe die Antragstellerin keinerlei Angaben gemacht, warum diese nicht die erforderlichen behördlichen Kapazitäten zur Verfügung haben sollte. Die Antragstellerin verweise in ihrer E-Mail vom 13.03.2025 lediglich auf öffentlich zugängliche Register und auf die Möglichkeit, die Firma in ted.eu zu überprüfen. Dies sei kein konkreter Hinweis bzw. substantiierter Sachvortrag, der begründete konkrete Zweifel an der Eignung zulasse. Vielmehr gehe aus dem Angebot der Beigeladenen zu 3) vom 20.01.2025 hervor, dass sie über sehr hohe Kapazitäten an ihren Standorten verfüge.
21
Bezüglich der Frage, wie es dazu komme, dass die Antragstellerin mit ihren Angeboten auf Platz 12 der preislichen Rangfolge liege, verwies die Antragsgegnerin auf das Informationsschreiben vom 05.03.2025 sowie auf die zwei Schreiben jeweils vom 13.03.2025. Weiter trägt sie hinsichtlich des Ausschlusses nach § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c) GWB vor, dass § 124 GWB fakultative Ausschlussgründe enthalte, dessen Anwendung im Ermessen des Auftraggebers stehe.
22
Mit Beiladungsbeschluss vom 20.03.2025 wurden die Beigeladenen zu 1), zu 2) und zu 3) beigeladen.
23
Die Beigeladene zu 2) beantragt
1. Der Nachprüfungsantrag wird, soweit er sich gegen die für die Beigeladene zu 2) zur Bezuschlagung vorgesehenen Lose 5 und 8 richtet, zurückgewiesen.
2. Der Antrag auf Akteneinsicht wird, soweit er die Angebote der Beigeladenen zu 2) in den Losen 5 und 8 betrifft, zurückgewiesen.
3. Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens, einschließlich der zweckentsprechenden Rechtsverfolgungskosten der Beigeladenen zu 2).
4. Es wird festgestellt, dass die Hinzuziehung der Verfahrensbevollmächtigten durch die Beigeladene zu 2) zur zweckdienlichen Rechtsverfolgung notwendig war.
24
Die Beigeladenen zu 1) und zu 3) stellen keine Anträge.
25
Mit Schriftsatz vom 03.04.2025 teilt die Beigeladene zu 1) mit, dass es sich bei den in den Rüge- und Nachprüfungsschreiben enthaltenen Behauptungen um unsubstantiierte Mutmaßungen handle, die aus allgemein zugänglichen, aber großenteils falschen oder nicht aktuellen Informationen abgeleitet worden seien. Die Ausschreibung verlange eine allgemeine Erklärung der Einhaltung der Genehmigung und der verfügbaren Kapazitäten und ausdrücklich keine detaillierte Aufstellung von Mengen und Lieferanten. Es sei damit ausschreibungskonform, wenn ein Anbieter die Anforderungen in der Ausschreibung – auch ohne explizite Aufstellung – bestätigt. Für die Erfüllung des Auftrags seien gemäß den Ausschreibungsunterlagen auch Unterauftragnehmer nicht ausgeschlossen, soweit diese angezeigt und vom Auftraggeber bestätigt seien. Damit könne auf Mehrmengen, Kapazitätsgrenzen oder Anlagenstillstände reagiert werden. Es obliege jeder Anlage, ihre genehmigten Kapazitäten nicht zu überschreiten. Bioabfall-Behandlungsanlagen seien jährlich berichtspflichtig gegenüber der zuständigen Behörde, insbesondere was die verarbeiteten Mengen im Vergleich zur genehmigten Menge betrifft. Es sei daher gar nicht zu besorgen, dass ein Anbieter hier eine Überschreitung plane oder in Kauf nehme. Die Beigeladene zu 1) unterliege zudem als lE-Anlage einem deutlich anspruchsvolleren Überwachungsprogramm durch die zuständigen Behörden. Die Beigeladene zu 1) verarbeite die kommunalen Bioabfälle nur in der Biogasanlage, das Kompostwerk und dessen Kapazitäten spielten daher keine Rolle. Die von der Antragstellerin angegeben Zahlen entsprächen auch deshalb nicht den Tatsachen, weil hier Bioabfälle und Grünabfälle vermischt würden.
26
Zudem trägt die Beigeladene zu 1) zu den genehmigten Kapazitäten und der derzeitigen Auslastung ihrer Anlagen vor. Sie habe sich auch deshalb auf das streitgegenständliche Los beworben, um eine schwache Auslastung für die nächsten zwei Jahre abzusichern.
27
Mit Schriftsatz vom 07.04.2025 trägt der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) vor, dass der Nachprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen sei. Die Antragstellerin sei nicht antragsbefugt nach § 160 Abs. 2 GWB und sei auch ihrer Rügeobliegenheit aus § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB nicht in hinreichender Form nachgekommen. Es fehle an einer ausreichenden Substantiierung. Hilfsweise sei der Nachprüfungsantrag als unbegründet zurückzuweisen, da die Antragstellerin nicht habe darlegen können, in drittschützenden Bieterrechten aus § 97 Abs. 6 GWB hinsichtlich der beabsichtigten Bezuschlagung der Beigeladenen zu 2) in den Losen 5 und 8 konkret verletzt zu sein. Sie habe lediglich pauschal vorgetragen, dass die Beigeladene zu 2) nicht über die erforderlichen freien Kapazitäten verfüge. Weiter würden weder unvollständige Angebotsunterlagen nach § 57 Abs. 1 Nr. 2, 4 in Verbindung mit § 53 Abs. 7 VgV noch eine mangelnde Eignung nach § 122 GWB in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VgV vorliegen. Die Antragsgegnerin sei nicht verpflichtet gewesen, die Angebote der Beigeladenen zu 2) mangels Eignung nach § 122 GWB in Verbindung mit § 42 Abs. 1 VgV vom Verfahren auszuschließen. Die Antragsgegnerin dürfe sich auch auf abgegebene Eignungserklärungen verlassen. Die Antragstellerin habe keine Anhaltspunkte für eine Nachprüfung vorgetragen. Dies gelte auch für den pauschalen Vortrag hinsichtlich des Einsatzes möglicher Subunternehmer. Die Beigeladene zu 2) verweise hierfür auf die Antragserwiderung der Antragsgegnerin, in der klargestellt worden sei, dass sie drei andere Unterauftragnehmer zur Verwertung benannt habe, als dies seitens der Antragstellerin gemutmaßt worden sei. Soweit ein Ausschlussgrund wegen falscher Angaben im Vergabeverfahren gemäß § 124 Abs. 1 Nr. 9 lit. c) GWB geltend gemacht werde, werde schon gar nicht konkret vorgetragen, welche Falschangaben angegriffen werden.
28
Mit Schriftsatz vom 07.04.2025 teilt die Beigeladene zu 3) mit, dass die Behauptungen bezüglich der nicht ausreichenden Kapazitäten falsch seien. Es bestünden in den genehmigten Anlagen ausreichende Kapazitäten zur Annahme der Bioabfallmengen der Antragsgegnerin. Dies sei mit einem Auszug der gemeldeten Abfallbilanz aus dem Jahr 2024 belegbar.
29
Mit Beschluss vom 11.04.2025 legte die Vergabekammer den Umfang der Akteneinsicht für die Antragstellerin fest.
30
Mit Schriftsatz vom 04.05.2025 teilte die Antragstellerin auf die erteilte Akteneinsicht bzgl. Los 3 mit, dass die Prüfung der übermittelten Teile der Vergabeakte bestätige, dass der Nachprüfungsantrag zulässig und begründet sei. Der Antragsgegnerin seien bei der Prüfung und Wertung der Angebote schwerwiegende Fehler unterlaufen, welche zu einer vergaberechtswidrigen Prüfung und Wertung der Angebote geführt hätten. Insbesondere seien keine hinreichenden genehmigten Verwertungskapazitäten der Beigeladenen zu 1) gegeben. Weiter habe die Antragsgegnerin im Nachhinein auf einen Eignungsnachweis, nämlich das Jahreszeugnis 2024, der als Ausschlusskriterium vorgegeben gewesen sei, verzichtet, wenn die Bieter das Jahreszeugnis 2025 vorgelegt hätten. Sie habe damit die Eignungsanforderungen nachträglich vergaberechtlich unzulässig geändert bzw. abgesenkt.
31
Die Beigeladene zu 1) habe nicht die geforderte Anzahl an Referenzen über vergleichbare Leistungen vorgelegt. Insbesondere seien die geforderten Referenzinhalte unzulässig nachgefordert worden. Die Referenz 2 enthalte nicht den geforderten Auftragswert und die Referenzen würden auch im Übrigen nicht die gestellten Anforderungen erfüllen. Zudem habe die Beigeladene zu 1) für ihre Nachunternehmer bzgl. des Transports keine hinreichenden Zertifikate vorgelegt.
32
Mit weiterem Schriftsatz vom 04.05.2025 legte die Antragstellerin dar, dass die Prüfung der übermittelten Teile der Vergabeakte bestätige, dass der Nachprüfungsantrag auch bzgl. Los 5 und 8 zulässig und begründet sei, da der Antragsgegnerin bei der Prüfung und Wertung der Angebote schwerwiegende Fehler unterlaufen seien Insbesondere seien keine hinreichenden genehmigten Verwertungskapazitäten der Beigeladenen zu 2) gegeben. Auch sei keine Kontaktaufnahme mit dem Landkreis M… und dementsprechend keine Berücksichtigung der geltend gemachten Vertragsverstöße bei der Wertung erfolgt.
33
Die Antragsgegnerin habe auch hier im Nachhinein auf das Jahreszeugnis 2024 als Eignungsnachweis verzichtet, wenn die Bieter das Jahreszeugnis 2025 vorgelegt hätten. Sie habe damit die Eignungsanforderungen nachträglich vergaberechtlich unzulässig geändert bzw. abgesenkt. Zudem habe die Beigeladene zu 2) nicht die geforderte Anzahl an Referenzen über vergleichbare Leistungen sowie für den Transport keine hinreichenden Zertifikate vorgelegt. Die Antragsgegnerin habe zudem gegenüber der Beigeladenen zu 2) mehrere Nachforderungen durchgeführt. Es habe den Anschein, dass das Angebot der Beigeladenen zu 2) lückenhaft gewesen sei und im Zuge der Nachforderung ein mehr oder weniger neues Angebot eingereicht werden durfte. Dies verstoße gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
34
Mit weiterem Schriftsatz vom 04.05.2025 legte die Antragstellerin dar, dass die Prüfung der übermittelten Teile der Vergabeakte bestätige, dass der Nachprüfungsantrag auch bzgl. Los 6 zulässig und begründet sei, da der Antragsgegnerin bei der Prüfung und Wertung der Angebote schwerwiegende Fehler unterlaufen seien. Insbesondere seien keine hinreichenden genehmigten Verwertungskapazitäten der Beigeladenen zu 3) gegeben. Auch hier habe die Antragsgegnerin im Nachhinein auf das Jahreszeugnis 2024 als Eignungsnachweis verzichtet, wenn die Bieter das Jahreszeugnis 2025 vorgelegt hätten. Sie habe damit die Eignungsanforderungen nachträglich vergaberechtlich unzulässig geändert bzw. abgesenkt. Zudem habe die Beigeladene zu 3) für ihre Nachunternehmer bzgl. des Transports keine hinreichenden Zertifikate vorgelegt sowie unzulässigerweise einen Angebotspreis von 0,00 EUR angeboten. Die Antragsgegnerin habe diesen Punkt unzulässig aufgeklärt bzw. im Zuge der Aufklärung eine unzulässige Nachverhandlung zugelassen.
35
In der mündlichen Verhandlung vom 06.05.2025 wurde die Sach- und Rechtslage erörtert. Die Verfahrensbeteiligten hatten Gelegenheit zum Vortrag und zur Stellungnahme. Auf Nachfrage der Vergabekammer erklärte die Antragsgegnerin, dass die Zuschläge für die nicht streitgegenständlichen Lose 4 und 7 in der Losgruppe A bereits erteilt seien. Die Antragsgegnerin legte eine bisher der Vergabekammer nicht überlassene Telefonnotiz vom 08.04.2025 hinsichtlich der Vorwürfe vor, dass die Beigeladene zu 2) gegenüber dem Landratsamt M… in großem Ausmaß falsche Angaben in Lieferscheinen in Bezug auf Bioabfälle gemacht habe. In dieser habe eine zuständige Mitarbeiterin des Landratsamts M… die Vorwürfe der Antragstellerin nicht bestätigt.
36
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.05.2025 nahm die Antragsgegnerin zum Vorbringen in der mündlichen Verhandlung und zu den Schriftsätzen der Antragstellerin vom 04.05.2025 Stellung. In der Bekanntmachung sei die Vergleichbarkeit einer Referenzleistung definiert worden. Zwar werde hierin zum Ausdruck gebracht, dass für die Vergleichbarkeit auch der Umfang eine Rolle spielt und von der Beigeladenen zu 1) sei der Auftragswert zu Referenz 1 nicht angegeben worden. Der fehlende Auftragswert sei jedoch durch die Angabe einer Menge kompensiert worden. Hierdurch sei es der Antragsgegnerin möglich gewesen, die Vergleichbarkeit festzustellen. Die Referenz 2 beziehe sich auf eine Leistung für die Antragsgegnerin; hier sei der Auftragswert bekannt. Aus den Angebotsunterlagen sei ersichtlich, dass in beiden Referenzen sowohl Transport- als auch Verwertungsleistung enthalten seien. Es sei dabei unerheblich, ob sich die Beigeladene zu 1) bei der Referenzleistung eines Unterauftragnehmers bedient habe. Die Beigeladene zu 1) habe für ihren Transport-Nachunternehmer hinreichende Zertifikate vorgelegt. Dieser sei für den Transport aller Abfallarten zertifiziert.
37
Hinsichtlich der Beigeladenen zu 2) sei für die Antragsgegnerin anhand der Eigenerklärung im Fragebogen zur Eignungsprüfung in Verbindung mit den vorgelegten Unterlagen ersichtlich, dass diese die erforderlichen Verwertungskapazitäten über die genannten Unterauftragnehmer abdecken könne. Für die genannten Unterauftragnehmer seien bereits mit dem Angebot die erforderlichen Verpflichtungserklärungen vorgelegt worden. Die erforderlichen Eignungsnachweise für die Unterauftragnehmer seien teilweise ebenfalls mit dem Angebot und teilweise auf Nachforderung vorgelegt worden. Hieraus habe sich die Eignung der Unterauftragnehmer zweifelsfrei ergeben. Die Antragsgegnerin habe die fehlenden Jahreszeugnisse für das Jahr 2024 mit einem Schreiben vom 07.05.2025 nachgefordert und die Beigeladenen zu 2) habe sie bereits form- und fristgemäß nachgereicht. Aus den Angebotsunterlagen ergebe sich, dass die Beigeladene zu 2) Referenzen sowohl mit Transport- als auch Verwertungsleistung vorgelegt habe. Dabei sei unerheblich, ob sich die Firma bei der Referenzleistung eines Unterauftragnehmers bedient habe. Für die Beigeladene zu 2) liege ein EfB-Zertifikat für das Befördern aller Abfallarten vor.
38
In Bezug auf die Beigeladene zu 3) trug die Antragsgegnerin vor, dass in den Vergabeunterlagen festgehalten sei, dass der Zuschlag nicht unbedingt auf die Losnummern erteilt werde, für die das Angebot abgegeben wurde, sondern der Zuschlag entsprechend der Anzahl der gewonnenen Lose auf irgendwelche Lose innerhalb der Losgruppe erfolge. Dies bedeute, dass der Zuschlag auch auf eine Losnummer erteilt werden könne, für die kein Angebot abgegeben worden sei. Hintergrund für diese Vorgehensweise sei, dass Bieter einerseits entsprechend ihrer Kapazitäten erfahrungsgemäß für eine unterschiedliche Anzahl an Losen bieten, andererseits aber bedingt durch das e-Vergabesystem das Angebot sich auf eine oder mehrere bestimmte Losnummern beziehen müsse. Daher sei es notwendig, dass die Bieter bei der Angebotsabgabe den Eintrag bei bestimmten Losnummern vornehmen müssen und die endgültige Verteilung der Losnummern entsprechend der preislichen Rangfolge von der Antragsgegnerin vorgenommen werde. Eine bloße Angabe der Anzahl an gleichwertigen Lose, für die ein Angebot abgegeben wird, sei systembedingt nicht möglich. Die Beigeladene zu 3) habe bei bestimmten Losnummern die Angabe „0.00“ eingetragen. Sie habe auf Nachfrage der Antragsgegnerin bestätigt, dass sie zu diesen Losnummern kein Angebot abgeben wollte. Dies sei identisch mit der Nichtangabe eines Lospreises (Losnummer ohne Eintrag). Hierzu sei in der Leistungsbeschreibung geregelt, dass auf ein solches Los dennoch ein Zuschlag erteilt werden könne, wenn sich dies aus der preislichen Rangfolge so ergebe. Dies sei von der Beigeladenen zu 3) auch so verstanden worden.
39
Eine Nachforderung von Referenzinhalten sei bei der Beigeladenen zu 3) nicht erfolgt, da die Referenzinhalte vollständig vorgelegen hätten. Aus den Angebotsunterlagen ergebe sich, dass die Beigeladene zu 3) Referenzen sowohl mit Transport- als auch Verwertungsleistung vorgelegt habe. Dabei sei es unerheblich, ob sich die Firma bei der Referenzleistung eines Unterauftragnehmers bedient habe. Es lägen zu den genannten Nachunternehmern Transportgenehmigungen vor, die ihre Inhaber ohne Einschränkung zum Einsammeln und Befördern von Abfällen im Bundesgebiet berechtigten.
40
Mit nachgelassenem Schreiben vom 13.05.2025 bekräftigte die Beigeladene zu 3), dass sie bewusst ausschließlich für die Lose 3 und Los 4 ein Angebot abgegeben habe. Ihr Angebotspreis für Los 3 sei im Rahmen der Wertungslogik auf das Los 6 „umverteilt“ worden. Dies sei laut der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots ausdrücklich Teil des Verfahrens.
41
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 13.05.2025 wies die Beigeladene zu 1) darauf hin, dass der Auftragswert für eine Referenz nicht in der Bekanntmachung gefordert worden sei, sondern erstmalig im Fragebogen der Eignungsprüfung aufgetaucht sei. Insofern sei dieses Kriterium im Fragebogen eine unzulässige Verschärfung. Der Wert eines Auftrages sei nicht alleine durch den „Auftragswert“ aus der damaligen Vergabe zu beziffern, sondern ergebe sich auch aus der Vertragsmenge. Hinsichtlich der Nichtangabe des Auftragswerts der Referenz habe die Beigeladene zu 1) die Angabe zum Auftragswert nicht vergessen, sondern in ihrem Angebot darauf hingewiesen, dass dieser Wert nicht veröffentlich worden sei und in der Nachforderung darauf ergänzend hingewiesen, dass dieser Auftragswert aufgrund der Eigenart des Vertrags nicht ermittelbar sei. Daher könne der Beigeladenen zu 1) auch keine Täuschung oder Vorenthaltung unterstellt werden. Ungeachtet dessen sei nicht eindeutig, wie der Auftragswert zu ermitteln sei. Aus Sicht der Beigeladenen zu 1) seien alle angegeben Informationen zu den Referenzen, inkl. der Menge und Laufzeit für die Referenz 1 ausreichend zur Bewertung der Leistungsfähigkeit. Das Kriterium „Auftragswert“ habe keinen zusätzlichen Informationsgehalt für die Antragsgegnerin, so dass die Einführung des Kriteriums im Fragebogen zur Eignungsprüfung eine unzulässige Verschärfung und letztlich formal auch kein zwingender Ausschlussgrund wäre. Aus Sicht der Beigeladenen zu 1) sei es rechtlich fraglich, wenn nicht unzulässig, dass ein öffentlicher Auftraggeber eine Preisinformation eines gleichartigen Auftrags einer anderen Kommune vom Bieter fordert, der seinerseits verpflichtet ist, darüber Stillschweigen zu wahren.
42
Mit nachgelassenem Schriftsatz vom 14.05.2025 trug der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) vor, dass der Antragstellerin angesichts der in einigen Losen der Losgruppe A bereits erteilten Zuschläge die Antragsbefugnis fehle. Es bestehe auch keine Möglichkeit einer „zweiten Chance“, um für die Voraussetzung der Antragsbefugnis nach § 160 Abs. 2 GWB einen drohenden Schaden zu begründen. Ferner führte der Bevollmächtigte der Beigeladenen zu 2) aus, dass die Beigeladene zu 2) im betreffenden Fragebogen zur Eignungsprüfung eine Eignungsleihe verneint habe. Sie arbeite mit Tochterunternehmen hinsichtlich der Verwertungsleistung zusammen und führe die Transportleistung selbst aus. Die Antragsgegnerin habe entsprechende Genehmigungsunterlagen mit EfBV-Zertifikat im Rahmen der Angebotsabgabe erhalten. Die Beigeladene zu 2) sei in der Lage, die Tätigkeiten ausweislich der im Zertifikat ausgewiesenen Abfallschlüssel nach der Abfallverzeichnisverordnung selbständig auszuführen. Neben den eigenen Leistungen und der Darstellung der eigenen Entsorgungsanlage bestehe kein Zweifel an der Einbringung der genannten Nachunternehmer, die zudem auch noch die entsprechenden Kapazitäten von 9.000 Jahrestonnen verpflichtend zugesichert hätten.
43
Die Jahreszeugnisse 2025 seien zwischenzeitlich am 07.05.2025 von der Antragsgegnerin nach § 56 Abs. 2 VgV auf der Vergabeplattform nachgefordert worden. Sie seien am 09.05.2025 der Antragsgegnerin zugegangen.
44
Mit Schriftsätzen vom 14.05.2025 nahm die Antragstellerin abschließend Stellung. Das Vergabeverfahren sei angesichts der Anzahl und des Gewichts der vorgefallenen Fehler und Verstöße gegen Vergaberecht insgesamt unheilbar vergaberechtswidrig und dürfe nicht fortgeführt werden, sondern müsse zurückversetzt oder aufgehoben werden. Die Regelung zur losübergreifenden Prüfung und Wertung der Angebote sei vergaberechtswidrig und zivilrechtlich systemwidrig. Die Vorgehensweise, ein Gesamtverfahren zur Vergabe eines in einzelne Teile aufgeteilten Gesamtauftrags nach dem Preis durchzuführen, widerspreche der verfahrensrechtlichen Trennung der einzelnen Lose, was aber gerade Kennzeichen für die Losvergabe sei. Es habe sich zudem gezeigt, dass sämtliche in der mündlichen Verhandlung anwesenden Bieter weder die Regelung als solche noch ihre Umsetzung durch die Antragsgegnerin im Zuge der Prüfung und Wertung der Angebote hinreichend verstanden hätten. Auch der Bevollmächtigte der Antragstellerin und die Antragstellerin selbst habe die Regelung und die Umsetzung der losübergreifenden Wertung als solche und vor allem in ihren Details erst im Zuge der mündlichen Verhandlung verstanden.
45
Die Antragstellerin sei gemäß § 160 Abs. 2 GWB antragsbefugt. Die der Antragsgegnerin unterlaufenen Prüfungs- und Wertungsfehler seien überdurchschnittlich zahlreich und tiefgehend. Sie erfassten aller Wahrscheinlichkeit sämtliche abgegebenen Angebote. Mangels umfassender Akteneinsicht entziehe sich dies aber der Kenntnis der Antragstellerin. Im Zuge der von der Antragsgegnerin nach den Maßgaben der Vergabekammer zu wiederholenden Prüfung und Wertung der Angebote bestehe eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass das Angebot der Antragstellerin entsprechend nachrücken und einen Zuschlag erhalten könne. Die Wiederholung der Prüfung und Wertung der Angebote könne jedoch keinen rechtmäßigen Zustand mehr herstellen. Vielmehr bestünden die Vergaberechtsverstöße in Form der unklaren, widersprüchlichen und rechtswidrigen Ausgestaltung des Vergabeverfahrens insbesondere in Hinblick auf die losübergreifende Wertung der Angebote fort. Die Antragstellerin habe auch für den Fall, dass keines ihrer Angebote nachrücken sollte, aufgrund der erforderlichen Rückversetzung bzw. Aufhebung des Vergabeverfahrens eine „zweite Zuschlagschance“.
46
Die Beigeladene zu 1) habe die Anforderung einer einheitlichen Referenz über Transport- und Verwertungsleistungen ganz offensichtlich nicht erfüllt. Sie habe keine eigenen Lkw für den Transport von Bioabfällen und führe deshalb selbst keine Transportleistungen durch. Entsprechend habe sie für den Transport einen Nachunternehmer angegeben bzw. angeben müssen. Die Anforderung sei dahingehend zu verstehen, dass eine Referenz jeweils sowohl Transport- als auch Verwertungsleistungen umfassen müsse. Es sei insofern vergaberechtlich nicht zulässig, die Transportleistungen und die Verwertungsleistungen jeweils durch zwei eigenständige Referenzen abzudecken bzw. nachzuweisen. Die Transport- und Verwertungsleistungen müssten auf der Grundlage eines einheitlichen Auftrags erbracht worden sein. Bei den vorgelegten Referenzen handle es sich nicht um eigene Leistungen der Beigeladenen zu 1), sondern überwiegend um Leistungen der in Bezug genommenen Unterauftragnehmer. Eine Referenzleistung könne nur die eigene Leistung sein. Sämtliche von der Beigeladenen zu 1) vorgelegten Referenzen erfüllten nicht die gestellten Anforderungen und seien damit nicht geeignet, so dass alle Angebote der Beigeladenen zu 1) mangels Eignung auszuschließen seien.
47
Zudem sei die Referenz 1 der Beigeladenen zu 1) nicht vollständig, weil der Auftragsgegenstand nicht angegeben worden sei. Diese Angabe sei nach Ziffer A 1.1.2.2.1.3 des Fragebogens zur Eignungsprüfung ein Ausschlusskriterium. Die Antragsgegnerin habe die Angabe des Auftragsgegenstands wirksam gefordert, die Beigeladene zu 1) diesen aber nicht angegeben, so dass die Referenz 1 nicht als geeignete Referenz angesehen werden dürfe. Die Antragsgegnerin habe die Angabe des Auftragsgegenstands in der Referenz 1 unzulässig nachgefordert. Bei der Angabe des Auftragsgegenstands handle es sich nicht um eine formale Angabe, sondern um eine für die Prüfung der Referenz wesentliche inhaltliche Angabe. Ein inhaltlicher Mangel der Referenzen stelle kein physisches Fehlen von Unterlagen dar, daher sei die Nachforderung unzulässig gewesen.
48
Auch die Referenz 2 der Beigeladenen zu 1) sei nicht vollständig, weil sie nicht den geforderten Auftragswert enthalte. Die Angabe des Auftragswerts sei nach Ziffer A 1.1.2.2.1.5 des Fragebogens zur Eignungsprüfung explizit gefordert und zudem als Ausschlusskriterium gekennzeichnet. Die Beigeladene zu 1) müsse die Anforderung gegen sich gelten lassen, weil Zweifel an der Richtigkeit der Vergabeunterlagen durch Fragen aufzuklären und ggf. zu rügen seien. Die Beigeladene zu 1) sei ein in öffentlichen Auftragsvergaben erfahrenes Unternehmen. Ihre Verantwortlichen wüssten, dass man geforderte Angaben nicht einfach verweigern dürfe, sondern ggf. mit dem Ausschluss rechnen müsse. Die Beigeladene zu 1) hätte zumindest fragen müssen, wie mit dem Auftragswert umzugehen sei, wenn sie ihn auf Grund privatrechtlicher Vereinbarungen nicht angeben dürfe. Hinzu komme, dass Ziffer 5.1.9. der EU-Bekanntmachung für die Vergleichbarkeit einer Referenzleistung ausdrücklich auch auf die Menge der Verwertung und damit indirekt auch auf den Auftragswert abstelle. Auch aus der Vorgabe „vergleichbare Leistung“ folge selbstverständlich, dass der Auftragswert anzugeben sei. Es komme nicht darauf an, dass die Vergleichbarkeit in Hinblick auf die Qualität und Beschaffenheit weitergehend definiert worden sei.
49
Die Beigeladene zu 2) habe nicht die geforderte Anzahl an Referenzen über vergleichbare Leistungen vorgelegt. Die Antragstellerin gehe davon aus, dass die Beigeladene zu 2) keine Referenzen vorgelegt habe, die in ein und demselben Auftrag vergleichbare Transport- und Verwertungsleistungen umfassen. Grund für diese Annahme sei, dass die Beigeladene zu 2) die Transportleistungen von zwei Nachunternehmen erbringen lassen wolle. Dies deute darauf hin, dass sie dies in der Vergangenheit auch so gehandhabt habe und entsprechend nur Referenzen über Verwertungsleistungen habe. Bei den vorgelegten Referenzen handle es sich damit nicht um eigene Leistungen der Beigeladene zu 2), sondern überwiegend um Leistungen der in Bezug genommenen Unterauftragnehmer. Eine Referenzleistung könne aber nur die eigene Leistung sein.
50
Die Angebote der Beigeladenen zu 2) seien zudem in Bezug auf die Eignungsleihe unheilbar widersprüchlich und deshalb auszuschließen. Die Beigeladene zu 2) habe für die Verwertung drei Nachunternehmer benannt und die entsprechenden Verpflichtungserklärungen vorgelegt, im Fragebogen zur Eignungsprüfung eine Eignungsleihe jedoch verneint. Angebote, die widersprüchliche Angaben zu einer bestimmten Thematik enthielten, seien nicht wertbar und auszuschließen. Sie seien weder einer Auslegung noch einer den Widerspruch bereinigenden Aufklärung zugänglich. Jegliche Auslegung oder Aufklärung, die eine klare und eindeutige Widersprüchlichkeit zugunsten einer Wertbarkeit auflöse, sei als unzulässige Nachverhandlung zu beurteilen. Die Beigeladene zu 2) hätte es im Zuge der Leistungserbringung jederzeit nach ihrer Willkür in der Hand, sich auf die Eigenerbringung oder die Erbringung der Leistungen durch Nachunternehmer zu berufen.
51
Die Angebote der Beigeladenen zu 2) seien ferner wegen des abgelaufenen Überwachungszertifikats eines Nachunternehmers auszuschließen, weil es nicht nachgefordert werden dürfe. Ein abgelaufenes Überwachungszertifikat sei wie eine inhaltlich unzureichende Referenz zu behandeln. Eine inhaltlich unzureichende Referenz beziehe sich auf einen in der Vergangenheit liegenden Tatbestand, der nicht mehr geändert werden könne bzw. feststehe. Gleichfalls dürfe eine Referenz, die bestimmte geforderte Angaben nicht enthalte, nicht nachgefordert werden.
52
Die Referenzen der Beigeladenen zu 3) erfüllten nicht die gestellten Anforderungen, da die Referenz aus Transport- und Verwertungsleistungen bestehen müsse. Die Referenz 2 sei unvollständig, weil der Auftragsgegenstand nicht klar und eindeutig genannt worden sei. Die Antragsgegnerin habe unzulässig im Zuge der Aufklärung bzw. Nachforderung zugelassen, dass die Beigeladene zu 3) geforderte Referenzinhalte ergänzt. Bei Angaben zum Auftragsgegenstand handle es sich nicht um formale Angaben, sondern um wesentliche Angaben. Der Auftragsgegenstand solle es dem öffentlichen Auftraggeber ermöglichen zu prüfen, ob die von einem Bieter erbrachten Leistungen vergleichbar mit den Leistungen sind, die er zu vergeben hat. Die von der Beigeladenen zu 3) vorgelegte Referenz 2 sei jedenfalls nicht vollständig und dürfe nicht als geeignete Referenz beurteilt werden. Die von der Antragsgegnerin vorgenommene telefonische Aufklärung bzw. indirekte Nachforderung sei vergaberechtswidrig. Da die Beigeladene zu 3) sich in den von ihr vorgelegten Referenzen eines Unterauftragnehmers für die Erbringung der Transportleistungen bedient habe, handle es sich bei den vorgelegten Referenzen nicht um ihre eigenen Leistungen, sondern überwiegend um Leistungen der in Bezug genommenen Unterauftragnehmer. Eine Referenzleistung könne aber nur die eigene Leistung sein.
53
Der Zuschlag auf Los 6 an die Beigeladene zu 3) sei rechtlich unmöglich, jedenfalls aber unzulässig. Die Beigeladene zu 3) habe auf das Aufklärungsschreiben der Antragsgegnerin vom 13.02.2025 erklärt, dass die angegebenen Losbeträge von 0,00 Euro für die Lose 1 und 2 und 5 bis 13 als kein Angebot zu werten seien. Die preislichen Angaben der Beigeladenen zu 3) zu den Losen 1 und 2 sowie 5 bis 13 seien als unzulässige Änderung der Vergabeunterlagen zu beurteilen und müssten zwingend zum Ausschluss der betreffenden Angebote führen. Der Preis von 0,00 EUR sei kein vergaberechtlich zulässiger und auch hier nicht geforderter Preis. Die Beigeladene zu 3) habe durch die Eintragung von 0,00 EUR auch gar keinen Preis nennen, sondern zum Ausdruck bringen wollen, dass sie für diese Lose kein Angebot abgibt. Das Angebot sei damit rechtlich nicht existent. Daran könne auch eine losübergreifende Wertung der Angebote nichts ändern. Es könne kein Zuschlag auf eine Losnummer erteilt werden, für die kein Angebot abgegeben wurde. Es sei zivilrechtlich-dogmatisch systemwidrig, dass sich bekanntgemachte Verfahrensvorgaben des Auftraggebers gegen den erklärten Willen einer Rechtsperson durchsetzen können. Sämtliche Angebote der Beigeladenen zu 3), in denen sie 0,00 EUR als Preis angegeben hat, seien damit auszuschließen.
54
Die Beteiligten wurden durch den Austausch der jeweiligen Schriftsätze informiert. Auf die ausgetauschten Schriftsätze, das Protokoll der mündlichen Verhandlung, die Verfahrensakte der Vergabekammer sowie auf die Vergabeakten, soweit sie der Vergabekammer vorgelegt wurden, wird ergänzend Bezug genommen.
55
Die Vergabekammer Südbayern ist für die Überprüfung des streitgegenständlichen Vergabeverfahrens zuständig.
56
Die sachliche und örtliche Zuständigkeit der Vergabekammer Südbayern ergibt sich aus §§ 155, 156 Abs. 1, 158 Abs. 2 GWB i. V. m. §§ 1 und 2 BayNpV.
57
Gegenstand der Vergabe ist ein Dienstleistungsauftrag i. S. d. § 103 Abs. 4GWB. Die Antragsgegnerinist Auftraggeber gemäß §§ 98, 99 Nr. 1 GWB. Der geschätzte Gesamtauftragswert überschreitet den gemäß § 106 GWB maßgeblichen Schwellenwert.
58
Eine Ausnahmebestimmung der §§ 107 – 109 GWB liegt nicht vor.
59
1. Der Nachprüfungsantrag ist zulässig, soweit das Antragsbegehren auf einen Ausschluss der Angebote der Beigeladenen zu 1) bis 3) gerichtet ist.
60
1.1 Gemäß § 160 Abs. 2 GWB ist ein Unternehmen antragsbefugt, wenn es sein Interesse am Auftrag, eine Verletzung in seinen Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB und zumindest einen drohenden Schaden darlegt.
61
Die Antragstellerinhat ihr Interesse am Auftrag durch die Abgabe eines Angebots nachgewiesen. Es ist nicht erkennbar, dass sie mit diesem Nachprüfungsantrag einen anderen Zweck verfolgt, als den, den strittigen Auftrag zu erhalten. Die Antragstellerinhat eine Verletzung in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB insbesondere durch den angekündigten Zuschlag auf die Angebote der Beigeladenen zu 1), 2) und 3) geltend gemacht. Diese hätten nach dem Vortrag der Antragstellerin keine ausreichenden freien genehmigten Kapazitäten zur Durchführung des Auftrags und erfüllten nicht die Voraussetzungen an die Eignung. Zudem hätten sie nicht alle geforderten Unterlagen vorgelegt. Bei der Beigeladenen zu 1) seien unzulässige Nachforderungen von Unterlagen erfolgt. Bei der Beigeladenen zu 2) seien die Ausschlussgründe des § 124 Abs. 1 Nr. 7 und 8 GWB nicht geprüft worden. Die Beigeladene zu 3) habe unzulässig einen Angebotspreis von 0,00 EUR angeboten. Die Antragsgegnerin habe diesen Punkt unzulässig aufgeklärt bzw. im Zuge der Aufklärung eine unzulässige Nachverhandlung zugelassen.
62
Die Antragsbefugnis der Antragstellerin entfällt auch nicht deshalb, weil die Antragstellerin nach Erteilung des Zuschlags in den nicht streitgegenständlichen Losen 4 und 7 der Losgruppe A in den streitgegenständlichen Losen 3, 5, 6 und 8 nach der Verteilungsregelung in Ziffer 6 der Aufforderung zur Angebotsabgabe auch dann nicht zum Zuschlag käme, wenn die Angebote der Beigeladenen zu 1) bis 3) auszuschließen wären. Zwar wären nach den Angebotssummen in diesem Fall noch weitere Bieter vor der Antragstellerin platziert. Die Antragsbefugnis würde allerdings nur dann entfallen, wenn die preislich vorrangigen Angebote auch zuschlagsfähig wären. Die Antragsgegnerin hat die Angebote dieser Bieter aber bislang nur teilweise hinsichtlich der Eignung geprüft und keine Dokumentation hinterlassen, dass sie die Angebote dieser Bieter annehmen würde (vgl. EuGH, Urteil vom 05.09.2019 – Rs. C-333/18). In einer solchen Situation müsste die Antragstellerin zur Begründung ihrer Antragsbefugnis zwar grundsätzlich schlüssig Vergabeverstöße behaupten, die sich auf die Rangfolge der Angebote in der Weise auswirken können, dass ihr Angebot auf eine aussichtsreiche Rangstelle vorrückt, oder die es gebieten, das Vergabeverfahren – bei Fortbestehen der Beschaffungsabsicht – noch weitergehend zurückzuversetzen (BayObLG, Beschluss vom 20.01.2023 – Verg 14/22; Horn/Hofmann in Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 2022, GWB § 160 Rn. 39). Dazu war die Antragstellerin hier allerdings nicht in der Lage, da sie die Namen der weiteren vorrangig platzierten Bieter nicht kennt. In einem solchen Fall ist der Antragstellerin zur Gewährleistung von effektivem Rechtsschutz eine Antragsbefugnis zuzugestehen, auch wenn ihre Aussichten, den Auftrag zu erhalten, selbst im Falle des Ausschlusses der Angebote der Beigeladenen zu 1) bis 3) gering sind.
63
1.2 Der Zulässigkeit des Nachprüfungsantrags steht auch keine Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 S. 1 Nr. 1GWB entgegen, soweit die Antragstellerin den Ausschluss der Angebote der Beigeladenen zu 1) bis 3) begehrt.
64
Die Antragstellerin hat von den Personen der Beigeladenen erstmals mit dem ersten Informationsschreiben nach § 134 GWB am 05.03.2025 Kenntnis erlangt und hat bereits mit Rüge vom 11.03.2025 geltend gemacht, dass die Beigeladenen nicht über hinreichend umfangreiche genehmigte freie Verwertungskapazitäten verfügten und ihre Angebote mangels Eignung ausgeschlossen werden müssten. Die Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB ist mit dieser Rüge und den beiden Ergänzungen vom 13.03.2025 und 14.03.2025 offensichtlich eingehalten.
65
Die Rügen der Antragstellerin hinsichtlich des Ausschlusses der Angebote der Beigeladenen sind auch nicht wegen fehlender Substantiierung unbeachtlich. Angesichts der Regelung in Art. 1 Abs. 4 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG in der Fassung der RL 2007/66/EG, wonach die Mitgliedstaaten lediglich verlangen können, dass die Person, die ein Nachprüfungsverfahren anzustrengen beabsichtigt, den öffentlichen Auftraggeber über den behaupteten Verstoß und die beabsichtigte Nachprüfung unterrichtet, ist es sehr fraglich, ob eine Rüge, die eine konkrete vergaberechtliche Beanstandung enthält, überhaupt wegen fehlender Substantiierung unbeachtlich sein kann. Jedenfalls ist an die Substantiierung von Rügen ein großzügiger Maßstab anzulegen (OLG Dresden, Beschluss vom 06.02.2002 – WVerg 4/02; OLG München, Beschluss vom 07.08.2007 – Verg 8/07; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 – Verg 58/10). Da ein Bieter naturgemäß nur begrenzten Einblick in den Ablauf des Vergabeverfahrens hat, darf er im Vergabenachprüfungsverfahren behaupten, was er auf der Grundlage seines – oft nur beschränkten – Informationsstands redlicherweise für wahrscheinlich oder möglich halten darf, etwa wenn es um Vergabeverstöße geht, die sich ausschließlich in der Sphäre der Vergabestelle abspielen oder das Angebot eines Mitbewerbers betreffen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 13.04.2011 – Verg 58/10; OLG Frankfurt, Beschluss vom 09.07.2010 – 11 Verg 5/10; OLG Dresden, Beschluss vom 06.06.2002 – WVerg 4/02). Inwieweit eine Rüge zu substantiieren ist, hängt einerseits von den Erkenntnismöglichkeiten des Bieters ab und andererseits davon, ob die Rüge den öffentlichen Auftraggeber in die Lage versetzt, sein Handeln zu überprüfen und einen etwaigen Vergaberechtsverstoß zeitnah zu korrigieren. Je weniger Einblick der Bieter in die entsprechenden Vorgänge hat, desto eher darf er Vermutungen über mögliche Vergabeverstöße aufstellen, denen der Auftraggeber anhand seiner deutlich weiteren Erkenntnismöglichkeiten dann regelmäßig auch unschwer nachgehen kann. Es wäre keinesfalls mit dem Recht auf effektiven Rechtsschutz nach Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 1 der Rechtsmittelrichtlinie 89/665/EWG in der Fassung der RL 2007/66/EG zu vereinbaren, wenn Bieter durch überzogene Anforderungen an die Substantiierung von Rügen weitgehend an der Stellung von Nachprüfungsanträgen in Bezug auf mögliche Rechtsverstöße gehindert wären, die sich überwiegend oder ganz ihrer Erkenntnismöglichkeit entziehen, weil sie sich in der Sphäre des Auftraggebers oder konkurrierender Bieter abspielen. Jedenfalls mit der Konkretisierung ihrer Rüge vom 14.03.2025, die immer noch innerhalb der Frist nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 GWB bei der Antragsgegnerin eingegangen ist, hat die Antragstellerin ihre Rüge ausreichend substantiiert und ist auf konkrete, nach ihrer Ansicht nicht bestehende Kapazitäten an bestimmten Standorten eingegangen. Dass ihre Angaben sich im Verfahren als unrichtig bzw. irrelevant herausgestellt haben, ist den beschränkten Erkenntnismöglichkeiten der Antragstellerin geschuldet, spielt für die Zulässigkeit ihres Nachprüfungsantrags aber keine Rolle, sondern ist eine Frage der Begründetheit.
66
Gleichermaßen rechtzeitig erhoben ist die Rüge der Antragstellerin, dass die Vorgehensweise der Antragsgegnerin bei der preislichen Prüfung des Angebots der Antragstellerin nicht nachvollziehbar sei und vergaberechtlich intransparent und unzulässig erscheine.
67
1.3 Soweit die Antragstellerin erstmals im – insoweit nicht nachgelassenen – Schriftsatz vom 14.05.2025 geltend macht, dass das Vergabeverfahren in Bezug auf die Regelung zur losübergreifenden Prüfung und Wertung der Angebote vergaberechtswidrig und zivilrechtlich systemwidrig sei und deshalb zurückversetzt oder aufgehoben werden müsste, ist diese bislang im Verfahren überhaupt nicht vorgebrachte Rüge nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB präkludiert. Dass die Regelung zur losübergreifenden Wertung in Ziffer 6 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots vergaberechtswidrig sein könnte, war für einen verständigen Bieter erkennbar. Die Antragstellerin hätte die Regelung zur losübergreifenden Wertung daher bis zum Zeitpunkt der Angebotsabgabe gegenüber der Antragsgegnerin rügen müssen.
68
Erkennbar i.S.v. § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB ist ein Vergaberechtsverstoß, wenn die zugrundeliegenden Tatsachen von einem durchschnittlichen Bieter als Verstoß gegen Bestimmungen des Vergabeverfahrens erkannt werden können (OLG München, Beschluss vom 13.03.2017 – Verg 15/16). Die Erkennbarkeit des Verstoßes gegen eine Vergabevorschrift setzt einerseits die Erkennbarkeit der maßgeblichen Tatsachen, andererseits die Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes voraus (BayObLG, Beschluss vom 11.12.2024 – Verg 7/24 e). Dabei muss der Verstoß so deutlich zutage treten, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss; übersteigerte tatsächliche oder rechtliche Anforderungen dürfen diesbezüglich an den Bieter nicht gestellt werden (BayObLG, Beschluss vom 6. September 2023 – Verg 5/22 m. w. N.). Bei der Beurteilung ist auf den objektiven Maßstab eines durchschnittlich fachkundigen Bieters abzustellen, der die übliche Sorgfalt anwendet (BayObLG, Beschluss vom 11.12.2024 – Verg 7/24 e). Eine Rügepräklusion wird daher in der Regel nur bei auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhenden und ins Auge fallenden Rechtsverstößen in Betracht kommen.
69
In tatsächlicher Hinsicht war für einen verständigen Bieter bei einer Befassung mit der Regelung zur losübergreifenden Wertung in Ziffer 6 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots erkennbar, dass dieses Vorgehen der Antragsgegnerin dazu führen kann, dass Unternehmen in Losen beauftragt werden könnten, auf die sie überhaupt keine Angebote abgegeben haben. Ebenso war für einen verständigen Bieter in tatsächlicher Hinsicht erkennbar, dass Angebote, die in den Losen, auf die sie abgegeben wurden, preislich lediglich nachrangig gereiht waren, in anderen Losen der Losgruppe A zum Zuschlag kommen könnten. Dass solche Regelungen Verstöße gegen das Vergaberecht begründen können, war für verständige Bieter auch ohne vertiefte Rechtskenntnisse erkennbar. Es kann vorausgesetzt werden, dass verständige Bieter, die sich regelmäßig an EUweiten Vergabeverfahren zu Entsorgungsleistungen beteiligen, wissen, dass Lose grundsätzlich gesondert zu bewerten sind, auch weil sich dies aus dem Gesetzestext aus einem Gegenschluss zu § 30 Abs. 3 VgV ergibt. Weiterhin ist davon auszugehen, dass bei dem von der streitgegenständlichen Ausschreibung angesprochenen Bieterkreis in der Laiensphäre das Wissen darüber präsent ist, dass der Zuschlag nur auf ein Angebot erteilt werden kann, das für ein entsprechendes Los abgegeben wurde. Im Übrigen ergibt sich direkt aus § 127 Abs. 1 GWB, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist und nicht auf nachrangige Angebote. Jedem verständigen Bieter musste daher bewusst sein, dass sich die Methode der losübergreifenden Zuschlagserteilung für ihn im Wettbewerb auch nachteilig auswirken konnte, da beispielsweise Angebote von konkurrierenden Bieter, die auf bestimmte Lose überhaupt nicht abgegeben wurden oder dort nachrangig waren, in anderen Losen die Bieterreihenfolge beeinflussen konnten.
70
Es spricht zudem viel dafür, dass der erstmals nach der mündlichen Verhandlung im Schriftsatz vom 14.05.2025 vorgebrachte Vortrag, dass das Vergabeverfahren in Bezug auf die Regelung zur losübergreifenden Prüfung und Wertung der Angebote vergaberechtswidrig und zivilrechtlich systemwidrig sei und deshalb zurückversetzt oder aufgehoben werden müsste, nach § 167 Abs. 2 GWB bei der Entscheidung der Vergabekammer unbeachtet bleiben muss. Die Vergabekammer hatte der Antragstellerin in der mündlichen Verhandlung ausschließlich Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 14.05.2025 – 12:00 Uhr zu dem ihr in der mündlichen Verhandlung neu offenbarten Sachverhalt gegeben. Zu diesem neu offenbarten Sachverhalt gehörte zwar die Tatsache, dass die Beigeladene zu 3) erklärt hat, dass sie für die Lose 5-13 kein Angebot abgegeben habe. Nicht zum neu offenbarten Sachverhalt gehörte hingegen die Regelung zur losübergreifenden Wertung in Ziffer 6 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots, die der Antragstellerin als Teil der Vergabeunterlagen seit langem bekannt sein musste. Dennoch hat die seit der ersten Rüge anwaltlich vertretene Antragstellerin die Regelung zur losübergreifenden Wertung weder in ihren Rügen noch im Nachprüfungsverfahren thematisiert. Erst im – insoweit nicht nachgelassenen – Schriftsatz vom 14.05.2025 hat sie unter Einführung eines völlig neuen Rechtsschutzziels, nämlich der Zurückversetzung oder Aufhebung des Vergabeverfahrens, die sie bisher nicht begehrt hatte, die Problematik aufgegriffen. Trägt ein Beteiligter unter Missachtung seiner Verfahrensförderungspflicht derart spät zur Sache vor, dass den Beteiligten bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung, aufgrund derer die Entscheidung der Vergabekammer ergeht, eine Erwiderung unter zumutbaren Bedingungen nicht möglich ist, so muss ein solches Vorbingen bei der Entscheidung der Vergabekammer unberücksichtigt bleiben (Ohlerich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß § 167 GWB Rn. 35; OLG Düsseldorf; Beschluss vom 28.06.2006 – Verg 18/06). Dies gilt erst recht, wenn neuer, nicht nachgelassener Vortrag eines Beteiligten erst nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung erfolgt (OLG Frankfurt, Beschluss vom 13.12.2011 – 11 Verg 8/11). Da sich mit dem neuen Vorbringen der Antragstellerin ihr Rechtsschutzziel vom angestrebten Ausschluss der Angebote der Beigeladenen zu 1) bis 3) zur vorher nicht angestrebten Zurückversetzung bzw. Aufhebung des Vergabeverfahrens änderte, spielt es insoweit auch keine Rolle, dass der verspätete Vortrag überwiegend Rechtsvortrag war. Ohne die Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung oder zumindest die Einräumung einer Erwiderungsmöglichkeit für die weiteren Beteiligten, was beides zu einer erheblichen Verzögerung des bereits überlangen Nachprüfungsverfahrens geführt hätte, hätte die Vergabekammer dieses neue Vorbringen jedenfalls nicht zu deren Ungunsten berücksichtigen dürfen.
71
2. Der Nachprüfungsantrag ist – soweit er zulässig bzw. soweit über ihn zu entscheiden ist -unbegründet.
72
2.1 Das Angebot der Beigeladenen zu 1) muss hinsichtlich des Leistungsversprechens von der Antragsgegnerin nicht weiter aufgeklärt werden und ist auch nicht wegen der verweigerten Angabe des Auftragswerts der Referenz 1 zwingend auszuschließen.
73
2.1.1 Soweit die Antragstellerin gerügt hatte, dass das Leistungsversprechen der Beigeladenen zu 1) unplausibel sei, weil sie nicht über ausreichende genehmigte Verwertungskapazitäten verfüge, ist die Antragsgegnerin vor Zuschlagserteilung nicht zu einer weiteren Überprüfung verpflichtet.
74
Die Antragsgegnerin hatte von den Bietern in Ziffer 5.1.9. der Auftragsbekanntmachung sowie in Ziffer A 1.1.2.2.3 des Fragebogens zur Eignungsprüfung unter anderem eine Eigenerklärung zu behördlichen Genehmigungen, Transportbehältnissen, Fahrzeugen und Kapazitäten sowie zum Vorliegen der für den Betrieb der Behandlungsanlage erforderlichen behördlichen Genehmigungen gefordert. Der Bieter musste erklären, dass bei Zuschlag für alle Lose, für die er angeboten hat, die erforderlichen Behandlungskapazitäten vorhanden sind, die behördlich genehmigte Anlagenkapazität nicht überschritten wird und die Verwertung sichergestellt ist.
75
Diese Eigenerklärung hat die Beigeladene zu 1) abgegeben und die Antragstellerin hat es nicht durch substantiierten Sachvortrag vermocht, die Richtigkeit dieser Eigenerklärung zu erschüttern. Zumindest nach den ergänzenden Erläuterungen zur Anlagenkapazität in der Stellungnahme der Beigeladenen zu 1) vom 03.04.2025 und im nachgelassenen Schriftsatz vom 13.05.2025 durfte die Antragsgegnerin auf die Angaben der Beigeladenen zu 1) vertrauen. Ein öffentlicher Auftraggeber ist nicht verpflichtet, im Vergabeverfahren zu überprüfen, ob die Bieter ihre mit dem Angebot verbindlich eingegangenen vertraglichen Verpflichtungen auch einhalten werden. Er darf sich vielmehr grundsätzlich auch ohne Überprüfung auf die Leistungsversprechen der Bieter verlassen (BayObLG, Beschluss vom 29.05.2024 – Verg 16/23; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15.01.2020 – Verg 20/19).
76
2.1.2 Das Angebot der Beigeladenen zu 1) war auch nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV zwingend von der Wertung auszuschließen, weil die Beigeladene zu 1) auf die Nachforderung der Antragsgegnerin vom 14.02.2025 den Auftragswert der von ihr eingereichten Referenz 1 nicht angegeben und diese Angabe sogar explizit verweigert hat. Denn die Angabe des Auftragswerts einer Referenz war nicht wirksam gefordert.
77
Nach § 122 Abs. 4 Satz 2 GWB sind die Eignungskriterien und nach § 48 Abs. 1 VgV die hierzu erforderlichen Unterlagen in der Auftragsbekanntmachung anzugeben. In Ziffer 5.1.9. der Auftragsbekanntmachung ist zwar die Angabe zweier vergleichbarer Referenzen gefordert, die bestimmte Anforderungen hinsichtlich des Alters und des Auftragsgegenstands erfüllen müssen. Die Angabe des Auftragswerts wird dort allerdings nicht gefordert. Diese Forderung findet sich, gekennzeichnet als Ausschlusskriterium, lediglich in Ziffer A 1.1.2.2.1.5 des Fragebogens zur Eignungsprüfung.
78
Die Forderung nach der Angabe des Auftragswerts ist zumindest aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls hier keine zulässige Konkretisierung des in der Bekanntmachung genannten Eignungskriteriums „vergleichbare Referenzen“. Dies liegt maßgeblich daran, dass die Antragsgegnerin die Vergleichbarkeit in Ziffer 5.1.9. der Auftragsbekanntmachung definiert hat als Transport- und Verwertungsleistung für Bioabfälle mit einer Qualität und Beschaffenheit entsprechend Nr. 2 der Leistungsbeschreibung. Für die Vergleichbarkeit nach dieser Definition ist der Auftragswert der Referenzleistung somit nicht von Bedeutung. Selbst wenn man trotz der Definition der Antragsgegnerin eine mengenmäßige Komponente für die Beurteilung der Vergleichbarkeit für erforderlich halte würde, wäre diese mit der unter Ziffer A 1.1.2.2.1.3 des Fragebogens zur Eignungsprüfung geforderten Darstellung des Auftragsgegenstands, die die Beigeladene zu 1) geliefert hat, ausreichend abgebildet. Damit stellt sich die Forderung nach der Angabe eines Referenz-Auftragswerts als unzulässige Verschärfung der bekanntgemachten Eignungskriterien bzw. der zu ihrem Nachweis einzureichenden Unterlagen dar und ist nicht wirksam gefordert. Das Angebot der Beigeladenen zu 1) ist daher trotz der Verweigerung der Angabe des Auftragswerts der Referenz 1 nicht nach § 57 Abs. 1 Nr. 2 VgV auszuschließen.
79
2.1.3 Das Angebot der Beigeladenen zu 1) war auch nicht wegen der Vorlage unzureichender Referenzen nach § 57 Abs. 1 VgV auszuschließen. Die Antragstellerin hat allerdings zu Recht darauf hingewiesen, dass die Antragsgegnerin in Ziffer 5.1.9. der Auftragsbekanntmachung die Angabe von zwei vergleichbaren Referenzen gefordert hat, die sowohl Transport- als auch Verwertungsleistungen umfassen.
80
Die Beigeladene zu 1) hat in ihrem Angebot Referenzaufträge benannt, die sowohl Transport- als auch Verwertungsleistungen umfassen. Dies steht nach der Angebotsaufklärung der Antragsgegnerin fest. Anders als die Antragstellerin meint, kann die Beigeladene zu 1) als Referenzen auch solche Aufträge benennen, bei denen sie Hauptauftragnehmerin war und sich hinsichtlich der Transportleistungen eines Unterauftragnehmers bedient hat. Die Forderung der Antragsgegnerin nach vergleichbaren Referenzen, die sowohl Transport- als auch Verwertungsleistungen umfassen, bedeutet nicht, dass die Beigeladene zu 1) generell nur solche Aufträge als Referenzen benennen dürfte, bei denen sie in eigener Person sowohl die Transport- als auch die Verwertungsleistungen erbracht hat. Dies lässt sich auch nicht aus den von der Antragstellerin zitierten Entscheidungen (VK Westfalen, Beschluss vom 12.09.2024 – VK 2-23/24 und VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 25.08.2021 – 1 VK 42/21) ableiten, die jeweils andere Fallgestaltungen behandeln. Vielmehr kann auch bei einem Referenzauftrag, bei dem ein Teil der Leistung von einem Unterauftragnehmer erbracht wurde, ein gesicherter Schluss auf die Leistungsfähigkeit des Unternehmens in Bezug auf den konkreten ausgeschriebenen Auftrag möglich sein.
81
So liegt der Fall auch hier. Die Beigeladene zu 1) hat mit ihren Referenzaufträgen nachgewiesen, dass sie eine vergleichbare Leistung erfolgreich unter Einbindung eines Unterauftragnehmers für den Transport erbringen kann. Dies ist im vorliegenden Fall für die Beurteilung der Leistungsfähigkeit der Beigeladenen zu 1) ausreichend, da sie auch den streitgegenständlichen Auftrag unter Einbeziehung eines Unterauftragnehmers für den Transport der Bioabfälle ausführen will. Sie hat sich in ihrem Angebot auch ausdrücklich hinsichtlich der Transportleistungen auf eine Eignungsleihe dieses Unterauftragnehmers berufen und die entsprechenden Verpflichtungserklärungen vorgelegt. Ein Ausschluss des Angebots der Beigeladenen zu 1) kommt daher nicht in Betracht.
82
2.2 Auch das Angebot der Beigeladenen zu 2) muss hinsichtlich des Leistungsversprechens von der Antragsgegnerin nicht weiter aufgeklärt werden und es ist weder wegen der widersprüchlichen Angaben zur Eignungsleihe noch wegen der Vorlage eines abgelaufenen Überwachungszertifikats für einen Nachunternehmer zwingend auszuschließen.
83
2.2.1 Soweit die Antragstellerin gerügt hat, dass das Leistungsversprechen der Beigeladenen zu 2) unplausibel sei, weil sie nicht über ausreichende genehmigte Verwertungskapazitäten verfüge und diese Rüge mit ihrer E-Mail vom 14.03.2025 noch weiter untermauert hat, ist die Antragsgegnerin vor Zuschlagserteilung nicht zu einer weiteren Überprüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen zu 2) verpflichtet. Die in der E-Mail der Antragstellerin vom 14.03.2025 genannten Bedenken hinsichtlich der Verwertungskapazitäten der Beigeladenen zu 2) erfordern keine weitere Überprüfung ihres Leistungsversprechens. Dies folgt schon daraus, weil die von der Antragstellerin geäußerten Vermutungen hinsichtlich der an der Verwertung beteiligten Unterauftragnehmer der Beigeladenen zu 2) unzutreffend waren und die Beigeladene zu 2) in ihrem Angebot ganz andere Unterauftragnehmer für die Verwertung benannt hat. Zudem hat sich die Beigeladene zu 2) in den Verpflichtungserklärungen ihrer insgesamt drei Unterauftragnehmer von diesen zusichern lassen, dass diese jeweils eine Menge an Biomüll, die einem Los entspricht, zur Verwertung übernehmen. Vor diesem Hintergrund durfte die Antragsgegnerin ohne weitere Überprüfung auf die Angaben der Beigeladenen zu 2) zur Leistungserbringung vertrauen.
84
2.2.2 Das Angebot der Beigeladenen zu 2) ist auch nicht nach § 57 Abs. 1 VgV mangels Eignung auszuschließen, obwohl die Beigeladene im Fragebogen zur Eignungsprüfung unter Ziffer I 1.1.1.6 erklärt hat, sie nehme keine Eignungsleihe in Anspruch. Diese Aussage steht allerdings im Widerspruch zur Eigenerklärung zu Genehmigungen, Übergabeort, Transportbehältnissen, Fahrzeugen und Kapazitäten in Ziffer A 1.1.2.2.3 des Fragebogens zur Eignungsprüfung bzw. der hierzu eingereichten separaten Datei, in der sich die Beigeladene zu 2) auf die Verwertungskapazitäten ihrer Unterauftragnehmer beruft. Damit konnte die Beigeladene zu 2) die geforderte Eigenerklärung hinsichtlich der Entsorgungskapazitäten nur dann wahrheitsgemäß abgeben, wenn sie insoweit tatsächlich die Eignungsleihe ihrer Unterauftragnehmer in Anspruch nimmt.
85
In sich widersprüchliche Angebote dürfen ohne vorherige Aufklärung des Angebotsinhalts weder bezuschlagt noch ausgeschlossen werden. Der öffentliche Auftraggeber hat in einer solchen Situation den betreffenden Bieter zu einer Aufklärung über den Inhalt des Angebots aufzufordern und ihm Gelegenheit zu geben, die Widersprüchlichkeit nachvollziehbar auszuräumen (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 21.10.2015 – Verg 35/15). Dabei darf das Angebot allerdings nur soweit aufgeklärt werden, dass klar wird, welche der beiden Verständnismöglichkeiten des in sich widersprüchlichen Angebots vom Bieter gemeint war. Eine Aufklärung über die Eignung – wie im vorliegenden Fall – ist in § 15 Abs. 5 VgV auch ausdrücklich vorgesehen.
86
Die Antragsgegnerin hat eine solche Angebotsaufklärung vor der Entscheidung über den Zuschlag nicht durchgeführt, sondern sich mit den eingereichten Verpflichtungserklärungen zufriedengegeben und dem Widerspruch zu der Angabe im Fragebogen zur Eignungsprüfung keine Beachtung geschenkt. Gleichwohl ist von der Vergabekammer im vorliegenden Fall keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Durchführung einer solchen Angebotsaufklärung vor Zuschlagserteilung auszusprechen, da sich aus der Auslegung der eingereichten Angebotsunterlagen und den Erklärungen der Beigeladenen zu 2) im Nachprüfungsverfahren, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, hinreichend klar ergibt, dass ihr Angebot eine Eignungsleihe hinsichtlich der Eigenerklärung ausreichender Verwertungskapazitäten enthält. Ein solches Verständnis des Angebots der Beigeladenen stellt auch keine unzulässige nachträgliche Änderung des Angebotsinhalts dar, weil dieses Verständnis als eine Auslegungsmöglichkeit des in Bezug auf die Eignungsleihe in sich widersprüchlichen Angebots bereits im Angebot angelegt war. Klares Indiz für eine Inanspruchnahme der Eignungsleihe hinsichtlich ihrer Unterauftragnehmer ist, dass die Beigeladene zu 2) für diese die geforderten Verpflichtungserklärungen vorgelegt hat, wobei es ihr nicht zum Nachteil gereichen kann, dass die Antragsgegnerin hinsichtlich der Verpflichtungserklärungen keine unterschiedlichen Vorlagen für einfache Unterauftragnehmer und für eignungsverleihende Unternehmen vorgesehen hat. Diese Verpflichtungserklärungen enthalten ausdrückliche Bezugnahmen auf die zur Verfügung gestellten Entsorgungskapazitäten (s.o. 2.2.1). Weiterhin spricht für die Inanspruchnahme von Eignungsleihe, dass die Beigeladene zu 2) für alle Unterauftragnehmer die geforderten Eignungsnachweise wie Anlagen- und Betriebsbeschreibungen, Genehmigungsunterlagen, Efb-Zertifikate, Jahreszeugnisse etc. vorgelegt hat. Dies war so zwar ohne Differenzierung für alle Unterauftragnehmer in Ziffer 5.1.9. der Bekanntmachung vorgesehen. Die VgV sieht hingegen nach § 47 Abs. 2 VgV eine Eignungsprüfung nur für eignungsverleihende Unternehmen vor, nicht aber für bloße Unterauftragnehmer, bei denen gem. § 36 Abs. 5 VgV lediglich das Nichtvorliegen von Ausschlussgründen zu prüfen ist. Bei einer vergaberechtskonformen Auslegung spricht somit die Vorlage der entsprechenden Eignungsnachweise für die Inanspruchnahme einer Eignungsleihe. Da im Angebot der Beigeladenen zu 2) vorgesehen ist, dass die Unterauftragnehmer die Verwertungsleistungen erbringen, wären auch die Voraussetzungen von § 47 Abs. 1 Nr. 3 VgV erfüllt, sollte diese Regelung auf die Eigenerklärung zu den Verwertungskapazitäten überhaupt einschlägig sein.
87
2.2.3 Das Angebot der Beigeladenen zu 2) ist auch nicht deshalb auszuschließen, weil sie für einen ihrer Unterauftragnehmer mit ihrem Angebot ein abgelaufenes Überwachungszertifikat als Entsorgungsfachbetrieb gem. § 56 KrWG für das Lagern, Behandeln und Verwerten von getrennt erfassten Bioabfällen vorgelegt hat.
88
Die Vorlage eines solchen aktuellen Zertifikats war in Ziffer 5.1.9 der Auftragsbekanntmachung sowie in Ziffer A 1.1.2.2.5 des Fragebogens zur Eignungsprüfung zumindest für Unterauftragnehmer gefordert, die die entsprechenden Leistungen erbringen. Es ist allerdings nicht zu beanstanden, dass die Antragsgegnerin von der Beigeladenen zu 2) mit Nachricht vom 14.02.2025 ein gültiges Zertifikat anstatt des bereits im Jahr 2023 abgelaufenen einegereichten Zertifikats nachgefordert hat. Die Nachforderung eines gültigen Zertifikats anstelle eines eingereichten abgelaufenen Zertifikats ist nach der Rechtsprechung nicht als unzulässige Nachbesserung einer vorgelegten, aber inhaltlich nicht den Anforderungen des Auftragsgegners entsprechenden Unterlage anzusehen.
89
Um beurteilen zu können, ob die Antragsgegnerin gem. § 56 Abs. 2 VgV rechtmäßig nachgefordert hat, muss zwischen „fehlenden“, „unvollständigen“ und „fehlerhaften“ Unterlagen unterschieden werden. Eine Unterlage „fehlt“, wenn sie körperlich nicht vorgelegt worden ist. Aber auch Unterlagen, die in rein formaler Hinsicht nicht den Vorgaben des öffentlichen Auftraggebers entsprechen, zählen zu den „fehlenden“ Unterlagen (vgl. Dittmann in Kulartz/Kus/Max/Portz/Pries, VgV, 2017, Rn. 30 zu § 56 VgV; Horn in Müller-Wrede, VgV/UVgO, 2017, Rn. 40, 41 zu § 56 VgV m.w.N.). Als Beispiele für formale Fehler werden in der Kommentarliteratur das Fehlen einer Beglaubigung oder die Gültigkeitsdauer genannt. In diesen Fallkonstellationen wird das vorgelegte, formal falsche bzw. untaugliche Dokument als „aliud“ betrachtet und gilt nicht als der geforderte (fehlerhafte) Beleg (OLG München, Beschluss vom 27.07.2018 – Verg 2/18).
90
Vorliegend hat die Antragsgegnerin ausdrücklich ein aktuelles Überwachungszertifikat gem. § 56 KrWG gefordert, so dass ein seit dem Jahr 2023 abgelaufenes Zertifikat formal nicht den Anforderungen entsprach. Das Manko des Dokuments bezieht sich rein auf das Datum, quasi auf dessen Gültigkeitsdauer. Das zunächst eingereichte Zertifikat hat den rein formalen, sofort ohne inhaltliche Prüfung erkennbaren Mangel, dass es „nicht aktuell“ ist. Solche, in rein formaler Hinsicht abweichende Dokumente sind praktisch als Nullum zu sehen mit der Folge, dass der Beleg im Rechtssinne fehlt und damit auch nachgefordert werden kann (OLG München a.a.O.; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17.03.2011 – Verg 56/10). Selbst wenn man dies anders sehen würde und von der Unzulässigkeit einer Nachforderung ausginge, hätte die Vorlage des abgelaufenen Zertifikats nicht zur der Rechtsfolge geführt, dass das Angebot der Beigeladenen zu 2) zwingend auszuschließen gewesen wäre. In diesem Fall wäre die Eignung eines von drei eignungsverleihenden Unterauftragnehmers nicht nachgewiesen. Die Antragsgegnerin hätte daraufhin prüfen müssen, ob sie – wofür Einiges spricht – die Eignung der Beigeladenen zu 2) auch nur unter Einbeziehung der beiden anderen eignungsverleihenden Unterauftragnehmer bejahen könnte. Nur in dem Fall, dass sie dies nicht könnte, hätte die Antragsgegnerin die Beigeladene zu 2) vor einem Ausschluss zunächst gem. § 47 Abs. 2 Satz 3 VgV auffordern müssen, den entsprechenden Unterauftragnehmer zu ersetzen.
91
2.2.4 Einer weiteren Prüfung der Ausschlussgründe des § 124 Abs. 1 Nr. 7 und 8 GWB bedarf es nicht. Die von der Antragstellerin behaupteten Schlechtleistungen bzw. unrichtigen Angaben haben sich bereits bei einer ersten kursorischen Überprüfung durch die Antragsgegnerin nicht verifizieren lassen. Zu weiteren Prüfungsbemühungen hinsichtlich der genannten Ausschlussgründe ist die Antragsgegnerin nicht verpflichtet.
92
2.3 Die Antragstellerin ist auch nicht dadurch in ihren Rechten nach § 97 Abs. 6 GWB verletzt, dass die Antragsgegnerin beabsichtigt, im Los 6 die Beigeladene zu 3) zu beauftragen.
93
2.3.1 Da die Antragstellerin die Regelung zur losübergreifenden Wertung in Ziffer 6 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots aufgrund der eingetretenen Rügepräklusion nach § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB nicht mehr angreifen kann (s.o. 1.3), kann sie durch die Anwendung dieser Regelung nicht in ihren Rechten verletzt sein. Dies gilt auch für die – aufgrund der Regelung in Ziffer 6 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots mögliche – Beauftragung eines Unternehmens, das in dem betreffenden Los möglicherweise überhaupt kein Angebot abgegeben hat.
94
Die Antragsgegnerin hat zwar anders als der Auftraggeber im einem ähnlich gelagerten, vom EuGH entschiedenen Fall einer losübergreifenden Wertung (vgl. EuGH, Urteil vom 13.06.2025 – Rs. C-737/22) nicht sichergestellt, dass die Bieter für alle gleichartigen Mengenlose der Losgruppe A auch Angebote abgegeben haben. Zudem hat die Beigeladene zu 3) im Rahmen der Angebotsaufklärung der Antragsgegnerin vom 13.02.2025 mitgeteilt, in den Losen 5 bis 13 kein Angebot abgegeben zu haben. Sie hat aber in der mündlichen Verhandlung dargelegt, dass sie trotz ihrer Erklärung, für die Lose 5 bis 13 kein Angebot für 0,00 € abgegeben zu haben, selbstverständlich davon ausgegangen sei, dass sie weiterhin an der Verteilung der Lose in der Losgruppe A teilnehmen könne. Sie hat damit jedenfalls zu verstehen gegeben, dass eine Zuteilung der Lose nach der Regelung zur losübergreifenden Wertung in ihrem Sinne ist. Die Antragsgegnerin kann damit ungeachtet der sich aufdrängenden zivilrechtlichen Fragen des Vertragsschlusses der Beigeladenen zu 3) jedenfalls den Zuschlag auf Basis der Regelungen zur losübergreifenden Wertung erteilen. Ähnlich wie bei der Bezuschlagung eines Angebots, dessen Bindefrist abgelaufen ist, wäre hierin bei Fehlen eines bestehenden Angebots ein Antrag der Antragsgegnerin auf Abschluss eines Vertrags für das Los 6 zu den von der Beigeladenen zu 3) für das Los 3 gebotenen Preisen zu sehen. Dieses könnte die Beigeladene zu 3) dann annehmen oder ablehnen, was aber jedenfalls nicht zu einer Rechtsverletzung der Antragstellerin führt.
95
Im Übrigen hätte die Antragstellerin im Los 6 auch dann nicht das wirtschaftlichste Angebot abgegeben, wenn unter Außerachtlassung der Regelung zur losübergreifenden Wertung in Ziffer 6 der Aufforderung zur Abgabe eines Angebots nur die Angebote der Bieter berücksichtigt würden, die zweifelsfrei und ausdrücklich ein Angebot auf dieses Los abgegeben haben.
96
2.3.2 Die Antragsgegnerin ist vor Zuschlagserteilung auch nicht zu einer weiteren Überprüfung des Leistungsversprechens der Beigeladenen zu 3) verpflichtet.
97
Die Beigeladene zu 3) hat die Eigenerklärung zu den behördlichen Genehmigungen, Transportbehältnissen, Fahrzeugen und Kapazitäten sowie zum Vorliegen der für den Betrieb der Behandlungsanlage erforderlichen behördlichen Genehmigungen abgegeben und die Antragstellerin hat es nicht durch substantiierten Sachvortrag vermocht, die Richtigkeit dieser Eigenerklärung zu erschüttern. Zumindest nach den ergänzenden Erläuterungen der Beigeladenen zu 3) zur Anlagenkapazität in ihrer Stellungnahme vom 07.04.2025 und dem nachgelassenen Schriftsatz vom 13.05.2025 durfte die Antragsgegnerin auf die Angaben der Beigeladenen zu 3) vertrauen.
98
3. Die Kosten des Verfahrens vor der Vergabekammer hat gemäß § 182 Abs. 3 S. 1 GWB derjenige zu tragen, der im Verfahren vor der Vergabekammer unterlegen ist. Dies ist vorliegenddie Antragstellerin.
99
Die Gebührenfestsetzung beruht auf § 182 Abs. 2 GWB. Diese Vorschrift bestimmt einen Gebührenrahmen zwischen 2.500 Euro und 50.000 Euro, der aus Gründen der Billigkeit auf ein Zehntel der Gebühr ermäßigt und, wenn der Aufwand oder die wirtschaftliche Bedeutung außergewöhnlich hoch sind, bis zu einem Betrag vom 100.000 Euro erhöht werden kann.
100
Die Höhe der Gebühr richtet sich nach dem personellen und sachlichen Aufwand der Vergabekammer unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen Bedeutung des Gegenstands des Nachprüfungsverfahrens.
101
Von der Antragstellerinwurde bei Einleitung des Verfahrens ein Kostenvorschuss in Höhe von 2.500 Euro erhoben. Dieser Kostenvorschuss wird nach Bestandskraftverrechnet, soweit er bis dahin von der Antragstellerin geleistet wurde.
102
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen der Antragsgegnerin beruht auf § 182 Abs. 4 S. 1 GWB.
103
Auch wenn die Beigeladenen zu 1) und 3) keine Anträge gestellt haben, muss die Vergabekammer von Amts wegen über die Aufwendungen der Beigeladenen entscheiden.
104
Die Entscheidung über die Tragung der zur zweckentsprechenden Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beigeladenen beruht auf § 182 Abs. 4 S. 3, S. 2 GWB. Danach sind Aufwendungen der Beigeladenen nur erstattungsfähig, wenn die Vergabekammer sie als billig erachtet. Dabei setzt die Erstattungsfähigkeit jedenfalls voraus, dass die Beigeladenen sich mit demselben Rechtsschutzziel wie der obsiegende Verfahrensbeteiligte aktiv am Nachprüfungsverfahren beteiligt haben (OLG Brandenburg, Beschluss vom 09.02.2010, Az.: Verg W 10/09). Dafür muss eine den Beitritt eines Streithelfers vergleichbare Unterstützungshandlung erkennbar sein, an Hand derer festzustellen ist, welches (Rechtsschutz-) Ziel ein Beigeladener in der Sache verfolgt (OLG Celle, Beschluss vom 27.08.2008, Az.: 13 Verg 2/08). Ist eine solche nicht ersichtlich, handelt es sich bei den entstandenen Aufwendungen des Beigeladenen nicht um solche zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung (VK Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.02.2010, Az.: 1 VK 76/10).
105
Die Beigeladenen zu 1) bis 3) haben sich durch schriftsätzlichen und mündlichen Vortrag und die anwaltlich vertretene Beigeladene zu 2) auch durch die Stellung von Anträgen aktiv am Verfahren beteiligt. Hierdurch haben sie das gegenständliche Verfahren wesentlich gefördert und ein Kostenrisiko auf sich genommen (vgl. OLG Düsseldorf, Beschluss vom 23.06.2014, VII-Verg 12/03).
106
Die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters der Beigeladenen zu 2) wird als notwendig i.S.v. § 182 Abs. 4 S. 1, S. 2 und 4 GWB i. V. m. Art. 80 Abs. 2 S. 3, Abs. 3 S. 2 BayVwVfG angesehen. Denn eine umfassende Rechtskenntnis und damit eine zweckentsprechende Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung kann im Rahmen des Nachprüfungsverfahrens nach dem GWB von der Beigeladenen zu 2) nicht erwartet werden. Zur Durchsetzung seiner Rechte war die Beigeladene zu 2) hier aufgrund der komplexen Rechtsmaterie auf anwaltliche Vertretung angewiesen. Für Bieter ist im Vergabenachprüfungsverfahren die Zuziehung eines anwaltlichen Vertreters regelmäßig erforderlich, da die Einhaltung des Vergaberechts nicht in ihrem Aufgabenbereich liegt und sie deshalb – anders als öffentliche Auftraggeber – hierfür auch kein geschultes Personal vorhalten müssen (vgl. OLG Naumburg, Beschluss vom 29.01.2021 – 7 Verg 4/20). Im vorliegenden Verfahren waren zudem komplexe Rechtsfragen zu beantworten, z.B. inwieweit das Leistungsversprechen von Bietern zu überprüfen ist, Fragen des Aufklärens und Nachforderns und die bislang weitgehend ungeklärte Thematik, ob und unter welchen Voraussetzungen eine losübergreifende Wertung außerhalb der in § 30 VgV genannten Fälle zulässig sein kann.