Titel:
Nichtigkeit der Abtretung eines Kommanditanteils wegen Kollusion bei Doppelvertretung
Normenkette:
BGB § 138 Abs. 1, § 166, § 181
Leitsätze:
1. Ein Rechtsgeschäft, das ein Vertreter im bewussten Zusammenwirken mit dem anderen Vertragsteil unter missbräuchlicher Verwendung seiner Vertretungsmacht zum Nachteil des Vertretenen abschließt, verstößt gegen die guten Sitten und ist nach § 138 BGB nichtig. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
2. Auch ein von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter und auch ansonsten grundsätzlich zur Vornahme des betroffenen Rechtsgeschäfts ermächtigter Vertreter ist nicht berechtigt, das Vermögen des Vertretenen (hier Kommanditanteil) zu verschleudern. (Rn. 45 – 47) (redaktioneller Leitsatz)
3. Erfolgt eine Veräußerung im Wege der Doppelvertretung, muss sich der Vertragspartner des Vertretenen die Kenntnis des Vertreters vom Missbrauch der Vertretungsmacht zurechnen lassen. (Rn. 48) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommanditanteil, Veräußerung, Nichtigkeit, Kollusion, Doppelvertretung, Missbrauch der Vertretungsmacht, Nachteil, erhebliches Missverhältnis, Wert der Beteiligung, Kaufpreis, Wissenszurechnung
Vorinstanzen:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 18.01.2023 – 12 HK O 2600/19
LG München I, Endurteil vom 15.12.2022 – 12 HK O 2600/19
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20160
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 15.12.2022, Az. 12 HK O 2600/19, wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Dieses Urteil und das in Ziffer 1. genannte Urteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Die Beklagte kann eine vorläufige Vollstreckung der Ziffer 2 des Urteils des Landgerichts München I vom 15.12.2022, Az. 12 HK O 2600/19, gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 50.000 € abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Eine Kostenvollstreckung der Klägerin kann die Beklagte durch Leisten von Sicherheit in Höhe von 110% des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin zuvor Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten über eine Kommanditistenstellung bei der P… II GmbH & Co. KG, … (AG …, HR-A … B) mit einer Kapitaleinlage in Höhe von nominal 250.000 € und einer Hafteinlage in Höhe von 10 €.
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Die Klägerin ist eine private Vermögensverwaltungsgesellschaft und investiert in Venture Capital Beteiligungen. Die Klägerin wurde als A… E… Partners GmbH & Co. KGaA gegründet und erhielt ihre aktuelle Rechtsform und Firma durch formwechselnde Umwandlung mit Wirkung vom 12.12.2018. Alleiniger Gesellschafter der Klägerin ist Herr R… Dieser war zuvor mit einer Beteiligung am Aktienkapital in Höhe von ca. 98% Mehrheitsaktionär der A… E… Partners GmbH & Co. KGaA. Einzige Komplementärin der KGaA war die AS… GmbH. Herr S… war vertretungsberechtigter und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiter Geschäftsführer und Alleingesellschafter der AS… GmbH. Herr S… oder Personen aus dessen Umfeld hielten zugleich die restlichen ca. 2% Aktien der KGaA. Derzeit sind weder die AS… GmbH noch Herr S… an der Klägerin beteiligt.
3
Die Satzung der A… E… Partners GmbH & Co. KGaA (Anlage K2) lautet auszugsweise wie folgt:
(1) Die Geschäftsführung obliegt der Komplementärin nach Maßgabe der nachfolgenden Absätze.
(2) Die Befugnis zur Geschäftsführung erstreckt sich auf alle Handlungen, die der gewöhnliche Betrieb des Handelsgewerbes der Gesellschaft mit sich bringt. Das umfasst insbesondere:
- Die Vorbereitung des Erwerbs und die Veräußerung von Beteiligungen. Dazu gehört insbesondere die Suche nach Zielunternehmen, die für ein Investment der Gesellschaft unter Berücksichtigung ihrer Beteiligungsgrundsätze geeignet sind sowie nach Käufern für eine spätere Veräußerung der Beteiligungen.
- Die Untersuchung von Zielunternehmen auf ihre Investitionsgeeignetheit (Due Diligence). Soweit erforderlich, kann die Komplementärin auch Dritte mit der Durchführung der Due Diligence beauftragen.
- Die Vorbereitung und Durchführung der Verhandlungen der Gesellschaft mit den Zielunternehmen und den Verkäufern und/oder Käufern. Soweit erforderlich, kann die Komplementärin auch Dritte mit den Verhandlungen auf Kosten der Gesellschaft beauftragen.
- Die Entscheidung über eine Investition der Gesellschaft in ein Zielunternehmen und über eine Veräußerung von gehaltenen Beteiligungen.
- Die Verwaltung der Kapitalbeteiligungen und die Betreuung der Portfoliounternehmen sowie die Beauftragung von externen Dienstleistern und Subunternehmern.
- Die Abwicklung des gesamten übrigen Geschäftsverkehrs sowie aller laufenden Verwaltungsangelegenheiten der Gesellschaft.
- Die Information der Kommanditaktionäre sowie die Vorbereitung von Hauptversammlungen.
(3) Außergewöhnliche Geschäfte bedürfen der Zustimmung des Aufsichtsrates.
(4) Das Widerspruchsrecht der Kommanditaktionäre bei außergewöhnlichen Geschäften nach § 164 Satz 1, 2. Halbsatz HGB ist ausgeschlossen.“
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Im Jahr 2012 erwarb die Klägerin zum Preis von 250.000 € eine Kommanditbeteiligung an der P… N… II GmbH & Co. KG (P… N…) mit einem Nominalwert in Höhe von 250.000 € und einer Hafteinlage in Höhe von 10 €. Der Beteiligungserwerb wurde am 27.05.2012 im Handelsregister der Point Nine eingetragen.
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Am 15.12.2016 schlossen die Klägerin und die Beklagte in jeweils getrennten Urkunden einen Kaufvertrag über den Kommanditanteil der Klägerin an der P… N…, einen Übertragungsvertrag (Transfer-Agreement) hinsichtlich dieser Kommanditbeteiligung (beide Verträge Anlage K21) und einen Vertrag über den Verkauf von 11.099 nennwertlosen Stammaktien an der L… AG mit einem rechnerischen Anteil am Grundkapital von 1,00 € je Aktie durch die Beklagte an die Klägerin (Anlage K24). Bei Abschluss dieser Vereinbarungen wurden jeweils sowohl die Klägerin als auch die Beklagte durch Herrn S… vertreten, der die Vertragsurkunden jeweils sowohl für die Klägerin als auch für die Beklagte unterzeichnete.
6
Der von der Beklagten zu zahlende Kaufpreis für die Kommanditbeteiligung betrug nach Punkt 4 des Kaufvertrages über die Kommanditbeteiligung (Anlage K21) 125.000 €. Punkt 5 des Kaufvertrages über die Kommanditbeteiligung (Anlage K21) lautet:
„5. Die Parteien verpflichten sich, möglichst zeitnah, jedoch nicht vor Erhalt des Kaufpreises gemäß Ziffer 4 durch die Verkäuferin, einen dinglichen Übertragungsvertrag (Transfer Agreement) über die Abtretung des Kommanditanteils gemäß Anlage zu diesem Vertrag zu unterzeichnen. Dieser Vertrag legt auch den Übertragungsstichtag fest.“
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Der Vertrag über den Kauf der Aktien (Anlage K24) lautet auszugsweise wie folgt:
„ § 2 Übertragung der Aktien, Gewinnbezugsrecht
(1) Unter der aufschiebenden Bedingung der vollständigen Kaufpreiszahlung gemäß § 3 Abs. (1) an den Verkäufer überträgt der Verkäufer die gemäß § 1 an den Käufer verkauften Aktien bzw. tritt diese an den Käufer ab. Der Käufer nimmt die Abtretung hiermit an.
(1) Der Kaufpreis beträgt € 1,00 für jede gemäß § 1 an den Käufer verkaufte Aktie, somit insgesamt € 11.099,00. Der Kaufpreis ist innerhalb von 5 (fünf) Bankarbeitstagen spesenfrei auf ein vom Verkäufer dem Käufer zu benennendes Bankkonto des Verkäufers zur Zahlung fällig.
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Der Wechsel der Kommanditistin wurde nachfolgend zum Handelsregister der P… N… angemeldet und eingetragen.
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Über den Wert der Kommanditbeteiligung hatte Herr S… in einem Bericht an den Aufsichtsrat der Klägerin vom 31.08.2016 unter der Überschrift „Entwicklung der Portfoliounternehmen“ ausgeführt: „P… N… II: Wertansatz mehr als verdoppelt“ (Anlage K17).
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Auf eine Anfrage des Gesellschafters der Klägerin vom 03.03.2017 an Frau Z…, eine Mitarbeiterin der P… N…, zu dem Fair Value der übertragenen Anteile antwortete diese: „Wir haben keine direkte Bewertung der Anteile. Der gross multiple der beiden Fonds stellt sich wie unten dargestellt da: (…) PNC II – ca. 2,5 / net ca. 2. Da die Multiples größtenteils unrealisiert sind, kann man nicht direkt auf den FV schließen, denn diese [sic.] ist am Ende der Betrag, den jemand bereit ist für die Anteile zu zahlen und somit die Chance an den Gewinnen zu partizipieren sobald diese realisiert werden können. Es besteht allerdings weiterhin auch ein Risiko, dass diese Werte nicht realisiert werden können und nur kleinere Gewinne oder theoretisch sogar gar keine realisiert werden können.“ (Anlage K18).
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In dem Quarterly Report zu Q4/2016 hatte PNC unter der Überschrift „Performance metrics“ den „net multiple (after costs, after carry)“ zum 31.12.2016 mit 1,93 angegeben (Anlage K 19).
12
In einer E-Mail vom 8. Oktober 2016 bekundete Herr W… für die S… V…, eine Investmentgesellschaft mit Sitz in den USA, Interesse, die Beteiligung der Klägerin an der P… N… „at cost“ (zum Nominalwert) zu erwerben und bot hierüber Verhandlungen an (Anlage K20).
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Im Sommer 2016 beauftragte Herr S… als Vorstand der L… AG die X… und Kollegen, Steuerberatungsgesellschaft, Rechtsanwaltsgesellschaft mbH mit einer gutachterlichen Stellungnahme über die Ermittlung des Unternehmenswertes der L… AG auf den Stichtag 01.01.2017. Dieses Gutachten führt unter „H. Zusammenfassung der Ergebnisse und abschließende Feststellungen“ (Anlage B12, dort S. 44) aus:
„Entsprechend dem uns erteilten Auftrag – Bewertung im Rahmen der Einbringung von Aktien in eine Schweizer Holding AG – haben wir in der Funktion eines neutralen Gutachters den objektivierten Unternehmenswert der Gesellschaft als Zukunftswert zum Bewertungsstichtag 01.01.2017 mit auftragsgemäßen Modifikationen ermittelt. Es wurde als Methode die mittelbare Typisierung gewählt.
Der objektivierte Unternehmenswert wurde dabei mit Hilfe des DCF-Verfahrens (Zukunftswert=Übertragbare Ertragskraft) ermittelt, wobei ein nicht betriebsnotwendiges Vermögen nicht vorhanden war. Einen Liquidationswert/Substanzwert haben wir auftragsgemäß nicht ermittelt. Eine Plausibilisierung des Unternehmenswerts wurde vereinfacht durchgeführt.
Die den Planungen der Gesellschaft und unseren Bewertungen zugrunde liegenden Prämissen haben wir in diesem Gutachten dargelegt und begründet. Auftragsgemäß wurde die Planung des Unternehmens ab 2017 zugrunde gelegt. Nach dem Ergebnis unserer Untersuchungen ergibt sich für die Bewertungseinheit zum maßgeblichen Bewertungsstichtag ein Unternehmenswert von gerundet
Der Zukunftswert war vorliegend allein maßgeblich. Zum Zeitpunkt der Auslieferung dieses Gutachtens ändert sich der ermittelte Wert aufgrund der Rundungen nicht (Abzinsung von 109 Tagen mit dem Basiszinssatz).“
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In dem gleichen Gutachten wird anfangs unter „A. Auftrag und Auftragsdurchführung, I. Auftrag und Haftung“ (Anlage B 12, dort S. 5 f.) ausgeführt:
„(…) Wir wurden im Herbst 2016 darüber informiert, dass Aktien der Gesellschaft in eine Schweizer Holding eingebracht werden sollen und hierfür eine Bewertung der Gesellschaft notwendig ist.
Nicht Gegenstand des Gutachtens ist die Ermittlung eines Unternehmenswerts für Zwecke einer Veräußerung der Aktien oder die Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts, der aus Vergangenheitsergebnissen plausibilisiert ist. Es ist vielmehr eine Wertindikation auf Basis der Angaben zu erstellen.
Auftragsgemäß sollen folgende Besonderheiten/Vereinfachungen im Rahmen des Unternehmenswerts berücksichtigt werden:
- Es soll kein Liquidations- und/oder Substanzwert ermittelt werden bzw. nur statisch aus der Bilanz zum Stichtag abgeleitet werden.
- Es soll eine Bewertung auf den 01.01.2017 durchgeführt werden, weshalb Vereinfachungen und Annahmen notwendig sind; (…)
- Es soll die vom Unternehmen zur Verfügung gestellte Planungsrechnung verwendet werden. Diese sollen nicht geprüft werden, sondern auftragsgemäß zu verwenden [sic.]. Soweit sinnvoll sollen pauschale Abschläge ermittelt werden.“
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Zu der der Ermittlung des Unternehmenswertes in dem Gutachten zugrunde liegenden Planung der Gesellschaft wird unter Punkt D. „Ermittlung des Unternehmenswertes“ des Gutachtens das Folgende ausgeführt (Anlage B12, dort S. 36 f.):
Die Planungsrechnungen wurden ausdrücklich und auftragsgemäß nicht aus der Vergangenheit abgeleitet.
II. Besonderheiten der Bewertung
Unter dem Abschnitt Besonderheiten der Bewertung werden die wesentlichen Modellannahmen sowie die Plausibilisierung der Planungsrechnung erläutert, wobei auftragsgemäß die Angaben der Gesellschaft verwendet werden.
Ausgangssituation per 30.6.2016:
- Assets under Management: € 10 Mio.
- Durchschnittliche Kosten i.H.v. ca. € 12.200.- pro Monat, basierend auf der BWA zum 30.04.2016.
Annahmen zur Geschäftsentwicklung
- Bestandskunden per 30.4.2016 laufen konstant weiter.
- Der erste Vorstand verzichtet weiterhin auf Gehalt.
- Im September 2016 legt ein Bestandskunde weitere € 10 Mio. an, im Januar 2017 stockt der Kunde um weitere € 20 Mio. auf.
- Im November 2016 legt ein Neukunde € 30 Mio. an.
- Im Februar 2017 wird ein Mitarbeiter für das Portfoliomanagement und ggfs. ein zweiter Geschäftsleiter eingestellt.
- Im Februar 2017 legt voraussichtlich ein Neukunde € 10 Mio. an, im April 2017 legt ein weiterer Kunde € 60 Mio an.
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Die Klägerin übertrug ihre Aktien an der L… AG im August 2018 an Herrn S… zu einem Preis von 0,03 € je Aktie.
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Die AS… KGaA gewährte Herrn R… am 23.06.2015 ein Darlehen in Höhe von € 500.000 mit einer Laufzeit bis 30.09.2016 (Anlage B6). Dieses Darlehen wurde bei Fälligkeit nicht zurückgezahlt. Eine Tilgung erfolgte erst in Teilzahlungen ab 21.02.2017. Der Kontostand der AS… KGaA betrug zum 31.12.2016 -71.206,51 €.
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In erster Instanz trug die Klägerin vor, Herr S… habe bei der Veräußerung der Kommanditanteile bewusst zum Nachteil der Klägerin gehandelt. Es habe sich bei der Veräußerung um ein außergewöhnliches Geschäft gehandelt, für das nach der Satzung die Zustimmung des Aufsichtsrats erforderlich gewesen sei. Zwischen dem Wert der veräußerten Kommanditbeteiligung und dem erhaltenen Kaufpreis bestehe ein grobes Missverhältnis. Das Geschäft sei als wucherähnliches Geschäft nichtig, die Nichtigkeit erfasse auch die Abtretung. Ergänzend führte die Klägerin aus, die zeitgleich erworbenen Aktien der L… AG könnten in die Gegenleistung für die Abtretung der Kommanditbeteiligung nicht einbezogen werden, da es sich um getrennte Verträge handle. Jedenfalls sei der Wert der Aktien keinesfalls höher als der für die Aktien gezahlte Kaufpreis gewesen, die Klägerin habe durch den Erwerb der Aktien keinen Vorteil gehabt.
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Die Klägerin beantragte in erster Instanz zuletzt:
1. Es wird festgestellt, dass die Klägerin weiterhin Kommanditistin an der P… II GmbH & Co. KG, …, AG …, HR-A … B, mit einer Kapitaleinlage von nominal 250.000 € (in Worten: Euro zweihundertfünfzigtausend) und einer im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage von Euro 10,00 (in Worten: Euro zehn) ist und dass sie diesen Kommanditanteil nicht auf die Beklagte übertragen hat.
2. Die Beklagte wird verurteilt, der Löschung ihrer Rechtsnachfolge in den vorbezeichneten Kommanditanteil und der Berichtigung, dass die Klägerin die Inhaberin ist, im zuständigen Handelsregister des AG … zu HR-A … B zuzustimmen und die Änderung im Handelsregister zu bewilligen.
20
Die Beklagte beantragte,
21
Die Beklagte führte hierzu in erster Instanz aus, der Verkauf der Kommanditanteile sei durch die Satzung der Klägerin gedeckt gewesen. Es habe sich nicht um ein außergewöhnliches Geschäft gehandelt. Der Verkauf der Kommanditbeteiligung sei zum Marktwert erfolgt. Hierbei sei in die Gegenleistung der Vorteil aus dem Erwerb der Aktien der L… AG einzubeziehen. Entsprechend dem Gutachten von X… (Anlage B12) habe der Wert der L… Aktien zwischen 121.423,06 € und 173.477,37 € betragen. Der Verkauf der Kommanditbeteiligung sei erforderlich gewesen, um eine drohende Zahlungsunfähigkeit der Klägerin abzuwenden. Da Herr R… das an ihn ausgereichte, zu diesem Zeitpunkt fällige Darlehen nicht zurückgezahlt habe, habe keine Liquidität mehr bestanden.
22
Das Landgericht München I hat mit Beweisbeschluss vom 01.08.2019 (Blatt 76 der Akte) durch Einholen eines Sachverständigengutachtens Beweis über den Wert der veräußerten Kommanditbeteiligung zum Veräußerungszeitpunkt am 15.12.2016 erhoben. Der Sachverständige wurde durch das Landgericht in dem Termin zur mündlichen Verhandlung vom 14.01.2021 mündlich angehört (Blatt 92 der Akte). Für Einzelheiten der Beweisaufnahme durch das Landgericht wird auf den Inhalt des schriftlichen Sachverständigengutachtens vom 28.11.2019 und auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung des Landgerichts München I vom 14.01.2021 verwiesen.
23
Durch Endurteil vom 15.12.2022 stellte das Landgericht München I antragsgemäß fest, dass die Klägerin weiterhin Kommanditistin an der P… II GmbH Co KG, …, AG …, HR-A … B, mit einer Kapitaleinlage von nominal 250.000 € (in Worten: Euro zweihundertfünfzigtausend) und einer im Handelsregister eingetragenen Hafteinlage von Euro 10,00 (in Worten: Euro zehn) ist und dass sie diesen Kommanditanteil nicht auf die Beklagte übertragen hat. Darüber hinaus hat das Landgericht München I die Beklagte antragsgemäß verurteilt, der Löschung ihrer Rechtsnachfolge in den Kommanditanteil und der Berichtigung der Kommanditistenstellung im Handelsregister zuzustimmen und die Änderungen im Handelsregister zu bewilligen.
24
Zur Begründung führt das Landgericht aus, nach den überzeugenden Darlegungen des Sachverständigen sei davon auszugehen, dass der Wert der Kommanditbeteiligung im Zeitpunkt der Veräußerung zwischen 464.000 € und 483.000 € betragen habe. Auch wenn dieser Wert unter dem klägerseits behaupteten Wert von 500.000 € liege, stelle der Verkauf zu einem Preis von 125.000 € ein besonders auffälliges Missverhältnis dar. In die Relation zwischen Wert der Kommanditbeteiligung und für deren Verkauf erzielten Kaufpreis sei ein möglicher Vorteil aus dem Verkauf der L… Aktien nicht einzubeziehen. Es handle sich um getrennte Verträge. Soweit die Klägerin in der Klageschrift selbst davon ausgegangen sei, beide Rechtsgeschäfte stünden in einem inhaltlichen Zusammenhang, stelle dies kein Geständnis von Tatsachen, sondern eine – für das Gericht nicht bindende – Auslegung der Verträge durch die Klägerin dar. Da Herr S… unter Missbrauch seiner Vollmacht auf beiden Seiten gehandelt habe, liege eine verwerfliche Gesinnung des Handelnden vor. Die daraus folgende Nichtigkeit des Verpflichtungsgeschäfts erfasse auch das Verfügungsgeschäft, denn die Unsittlichkeit liege gerade im Vollzug der Leistung.
25
Für weitere Einzelheiten werden gemäß § 540 ZPO die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils in Bezug genommen.
26
Mit ihrer am 12.01.2023 erhobenen und am 28.03.2023 begründeten Berufung verfolgt die Beklagte ihr erstinstanzliches Ziel einer vollständigen Klageabweisung weiter.
27
Die Beklagte führt hierzu aus, die Grundsätze des wucherähnlichen Geschäfts seien auf Venture Capital Fonds, die eine Risikoanlage darstellten und bei denen die Bestimmung eines Wertes besondere Schwierigkeiten aufweise, nicht anwendbar. Ein Missverhältnis könne allein nach Marktpreisen festgestellt werden und bei der Berechnung des Gegenwertes sei der Vorteil aus dem Erwerb der L… Aktien, deren Wert nach dem Gutachten von X… zu ermitteln sei, einzubeziehen. Ein Missbrauch der Vollmacht liege nicht vor, der Verkauf sei wegen der angespannten Liquiditätslage erforderlich gewesen und eine verwerfliche Gesinnung sei nicht dargelegt. Zudem werde das Verfügungsgeschäft nicht von der Nichtigkeit erfasst.
28
Die Beklagte beantragt,
Das Urteil des Landgerichts abzuändern und die Klage abzuweisen.
29
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
30
Die Klägerin verteidigt das Urteil des Landgerichts.
31
Der Senat hat am 09.04.2025 mündlich verhandelt. Für weitere Einzelheiten wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 09.04.2025 und auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze verwiesen.
32
Die zulässige Berufung ist nicht begründet, denn das Landgericht ist im Ergebnis zutreffend davon ausgegangen, dass die Abtretung der Kommanditbeteiligung an der P… N… durch die Klägerin an die Beklagte unwirksam ist.
33
I. Die form und fristgerecht erhobene Berufung ist auch im Übrigen zulässig.
34
II. Die Berufung ist aber nicht begründet. Das Landgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass die Abtretung des Kommanditanteils durch die Klägerin an die Beklagte nichtig ist, wobei die Nichtigkeit hier bereits aus dem kollusiven Handeln der Beklagten und des Vertreters der Klägerin folgt. Es waren daher die von der Klägerin begehrte Feststellung zu treffen und die Beklagte war zu verurteilen, der Berichtigung des Handelsregisters zuzustimmen. Im Einzelnen:
35
1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verstößt ein Rechtsgeschäft, welches ein Vertreter im bewussten Zusammenwirken mit dem anderen Vertragsteil unter missbräuchlicher Verwendung seiner Vertretungsmacht zum Nachteil des Vertretenen (kollusiv) abschließt, gegen die guten Sitten und ist nach § 138 BGB nichtig, s. BGH, Urteil vom 26. März 2025 – VIII ZR 152/23, juris Rn. 19; BGH, Urteil vom 17. Mai 1988 – VI ZR 233/87, juris Rn. 9 f.; Urteil vom 5. November 2003 – VIII ZR 218/01, juris Rn. 12; Urteil vom 9. Mai 2014 – V ZR 305/12, juris Rn. 17; Urteil vom 14. Juni 2016 – XI ZR 74/14, juris Rn. 22; Urteil vom 11. Mai 2017 – IX ZR 238/15, juris Rn. 20; Urteil vom 9. Januar 2024 – II ZR 220/22, juris Rn. 35.
36
2. Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt.
37
a. Die Veräußerung des Kommandtianteils an der P… N… durch die Klägerin an die Beklagte erfolgte objektiv zum Nachteil der Klägerin.
38
aa. Das hierzu sachverständig beratene Landgericht hat festgestellt, dass der Wert des Kommanditanteils zum Übertragungsstichtag zwischen 464.000 € und 483.000 € betrug. Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der hierzu erfolgten Beweiserhebung und Beweiswürdigung des Landgerichts hat die Berufung nicht aufgezeigt und sind auch nicht sonst ersichtlich. Die tatsächlichen Feststellungen des Landgerichts sind daher nach § 529 ZPO auch von dem Berufungsgericht zu Grunde zu legen. Der Sachverständige hat insbesondere berücksichtigt, dass die P… N… als Venture-Capital Gesellschaft in Unternehmen investiert, die sich in frühen Phasen der Unternehmensentwicklung befinden. Dass für solche Unternehmen – wie von der Beklagten in der Berufung geltend gemacht – ein Missverhältnis zwischen Wert und Veräußerungspreis allein nach Marktpreisen festzustellen wäre und für die Bewertung der Quaterly Report zum 30.09.2016 und nicht derjenige zum 31.12.2016 heranzuziehen wäre, überzeugt nicht. Der Sachverständige hat die Bewertung anhand des IDW Standards „Grundsätze zur Durchführung von Unternehmensbewertungen (IDW S1, 2008)“ durchgeführt und hierbei die Besonderheiten bei der Bewertung von Venture-Capital-Gesellschaften berücksichtigt, s. S. 10 des schriftlichen Gutachtens vom 28.11.2019. Es begegnet aus Sicht des Senats auch keinen Bedenken, dass der Sachverständige hierbei den Quaterly Report zum 31.12.2016 und nicht denjenigen zum 30.09.2016 herangezogen hat. Der Quarterly Report berichtet vierteljährlich über die Entwicklung des Fonds in den vergangenen drei Monaten. Veräußerungstag war der 15.12.2016, sodass der Wert der Kommanditbeteiligung zu diesem Tag zu bestimmen war. Der Zeitabstand zwischen dem 31.12.2016 und dem Stichtag beträgt lediglich 16 Tage, während der Zeitabstand zwischen dem 30.09.2016 und dem Stichtag 2 Monate und 15 Tage beträgt und damit fünfmal so lange ist, wie der Zeitabstand zum 31.12.2016. Vorbehaltlich besonderer Entwicklungen, die hier nicht ersichtlich sind, ist daher davon auszugehen, dass ein Report zum 31.12.2016 die Verhältnisse zum 15.12.2016 sehr viel besser wiedergibt als ein Report zum 30.09.2016.
39
bb. Der erhebliche Nachteil, den die Klägerin durch das von ihrem Vertreter vorgenommene Rechtsgeschäft erlitten hat, wird auch nicht durch den zeitgleich vorgenommenen Kauf von Aktien der L… AG kompensiert.
40
(1) Zum einen handelt es sich bei beiden Geschäften um getrennte Verträge, die auch rechtlich in keiner Weise verknüpft wurden. Nach den vertraglichen Regelungen wäre insbesondere jedes der Geschäfte auch dann zu erfüllen gewesen, wenn das andere Geschäft scheitert. Hinzu kommt, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen Wert der Kommanditbeteiligung und Gegenleistung auch dann vorläge, wenn man den Aktienkauf einbezieht. Die Klägerin hat die Aktien im Dezember 2016 zu einem Preis von 1 € pro Aktie erworben und im August 2018 zu einem Preis von 0,03 € je Aktie verkauft. Ein aus dem Aktienkauf realisierter Vorteil ist nicht ersichtlich.
41
(2) Soweit die Beklagte unter Berufung auf das Gutachten der X… vom August 2016 (Anlage B12) vorträgt, die Aktien der L… AG seien im Dezember 2016 mindestens 10,94 € pro Aktie wert gewesen, überzeugt dies den Senat nicht. Das Gutachten der X… sollte ausdrücklich keinen objektivierten, aus Vergangenheitsergebnissen plausibilisierten Unternehmenswert ermitteln. Auch ein Unternehmenswert zum Zwecke der Veräußerung von Aktien wurde durch dieses Gutachten ausdrücklich nicht ermittelt und eine Verwendung der Gutachterlichen Stellungnahme zu anderen Zwecken als der Einbringung der Aktien in eine Holdinggesellschaft (also auch die von der Beklagten nun bemühte Verwendung zur Darlegung eines Wertes der Aktien im Dezember 2016) wurde von den Erstellern des Gutachtens ausdrücklich untersagt, s. Anlage B 12, dort S. 6, dritter Absatz von unten.
42
Eine Ableitung des Wertes der Aktien im Dezember 2016 aus der Stellungnahme der X… vom August 2016 kann zudem auch inhaltlich nicht überzeugen. Insoweit ist aus Sicht des Senats insbesondere beachtlich, dass das Gutachten ausdrücklich auf der Basis von Planungsvorgaben der L… AG erstellt wurde und diese Planungsvorgaben selbst auftragsgemäß durch die Gutachter nicht geprüft wurden. Betrachtet man die von der L… AG vorgegebenen und dem Gutachten auftragsgemäß ungeprüft zu Grunde gelegten Planungsvorgaben, so ist festzuhalten, dass die L… AG im Zeitpunkt der Erstellung des Gutachtens lediglich 10 Mio. € verwaltete, für die Ermittlung des Unternehmenswertes zum 31.12.2016 aber ein Zuwachs der verwalteten Gelder bis Dezember 2016 um 40 Mio. € und ein weiterer Zuwachs der verwalteten Gelder bis April 2017 um weitere 90 Mio. € zugrunde gelegt wurde. Dass es zu einer Erhöhung der verwalteten Kundengelder kam, ist nicht ersichtlich. Gegenstand der Stellungnahme der X… zu dem Unternehmenswert war damit weder die im August 2016, noch die im Dezember 2016 real existierende L… AG, sondern eine nach Maßgabe der verwalteten Kundengelder vierzehn (!) mal so große, fiktive Gesellschaft, die nach den in die Zukunft gerichteten, letztlich gegriffenen „Planungsvorgaben“ der L… AG bis April 2017 hätte entstehen sollen, aber nie entstanden ist. Für die Ableitung des realen Unternehmenswertes der im Dezember 2016 real existierenden L… AG ist das Gutachten der X… daher schon im Ausgangspunkt gänzlich ungeeignet.
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(3) Lediglich ergänzend ist daher darauf hinzuweisen, dass auch die Beklagte selbst auf der Basis des (untauglichen, s. oben unter (2)) X…-Gutachtens nur von einem Vorteil der Klägerin durch den Aktienkauf in Höhe von mindestens 109.202,56 € und höchstens 143.574,44 € ausgeht (Wertspanne des Aktienpakets nach Vortrag der Beklagten, Schriftsatz 22.05.2019, dort S. 14 = Bl. 46 d.A., abzüglich des Kaufpreises in Höhe von 11.099 €). Selbst bei einem Vorteil aus dem Kauf des Aktienpakets in Höhe von 143.574,44 € wäre die Summe aus Kaufpreis und Vorteil aus Aktiengeschäft aber lediglich 268.574,44 € und betrüge damit nur 57,88% des unteren Wertes der von dem Gerichtssachverständigen für den Kommanditanteil ermittelten Wertspanne.
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cc. Das erhebliche Missverhältnis zwischen dem Wert des Kommanditanteils und dem hierfür erhaltenen Kaufpreis kann entgegen der Ansicht der Beklagten auch nicht mit der Liquiditätskrise der Klägerin zum Jahresende 2016 erklärt werden. So trägt die Beklagte selbst keine Kontenkündigung, sondern nur eine drohende Kontenkündigung vor, die indes tatsächlich nicht eintrat, obschon der zu deren Abwendung nach dem Beklagtenvortrag erforderliche Kaufpreis für den Kommanditanteil bei der Klägerin nicht (wie nach dem Vertrag geschuldet) noch im Dezember 2016, sondern erst Mitte Januar 2017 einging. Auch ist nicht ersichtlich, dass das an Herrn R… ausgereichte Darlehen uneinbringlich gewesen wäre oder dass Herr S… als Geschäftsführer der Klägerin schon im Dezember ernsthafte Versuche unternommen hätte, dieses Geld notfalls gerichtlich einzufordern. Die Angabe der Beklagten, eine (vermeintliche) Uneinbringlichkeit des Darlehens sei Herrn S… erst durch einen behaupteten Eklat auf der Weihnachtsfeier 2016 offenbar geworden (Schriftsatz der Beklagten vom 22.05.2019, dort S. 13, dritter Absatz von unten = Bl. 45 d.A.) kann eine Notveräußerung der Kommanditbeteiligung der Klägerin nicht erklären, denn diese Weihnachtsfeier soll nach dem Beklagtenvortrag am 16.12.2016 stattgefunden haben, während der Verkaufs- und der Übertragungsvertrag der Kommanditbeteiligung (Anlage K21) auf den 15.12.2016 datieren, also einen Tag zuvor geschlossen wurden.
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b. Mit der für die Klägerin objektiv nachteiligen Veräußerung des Kommanditanteils der Klägerin an der P… N… missachtete Herr S… als Vertreter der Klägerin die im Innenverhältnis bestehenden Schranken seiner Vollmacht. Zwar war Herr S… von den Beschränkungen des § 181 BGB befreit. Auch ist im Ausgangspunkt nicht zu verkennen, dass nach der Satzung der Klägerin der Verkauf von Beteiligungen zu den „gewöhnlichen Geschäftsvorgängen“ zählen sollte und damit keiner Zustimmung des Aufsichtsrats bedurfte.
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Eine im Innenverhältnis beachtliche Beschränkung der Vertretungsmacht folgt vorliegend aber bereits aus dem erheblichen Missverhältnis zwischen Kaufpreis und Wert der verkauften Beteiligung. Als Geschäftsführer der einzigen Komplementärin der KGaA war Herr S… zur Wahrung der Vermögensinteressen der Klägerin verpflichtet. Dies schließt es zwar nicht aus, Geschäfte zu tätigen, die sich im Nachhinein als verlustreich erweisen. Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass Herrn S… im Zeitpunkt der Veräußerung des Kommanditanteils das Missverhältnis zwischen Wert und Kaufpreis bewusst war. Dem die Klägerin vertretenden Herrn S… war der Quarterly Report der P… N… bekannt. Er selbst hatte kurz vor dem Verkauf dem (damaligen) Aufsichtsrat der Klägerin eine nahezu Verdoppelung des Werts der Beteiligung mitgeteilt und Herr S… war auch bei der Email-Korrespondenz, mit der die S… V… eine Bereitschaft zum Kauf des Kommanditanteils zum Nominalwert signalisierte, in „cc“. Hinzu kommt, dass keinerlei Bemühungen des Herrn S…, den Kommanditanteil (oder andere Vermögenswerte) an Dritte zu verkaufen, ersichtlich sind, sondern der Verkauf durch Doppelvertretung an ein anderes, ebenfalls von Herrn S… betreutes Vermögensverwaltungsvehikel erfolgte und dieser mit dem Verkauf jedenfalls mittelbar einen (vermeintlichen) Vorteil erzielte.
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Eine bewusste Verschleuderung von Vermögenswerten zum eigenen (mittelbaren) Vorteil verletzt die Vermögensbetreuungspflicht des Organwalters und stellt damit zugleich eine Verletzung der im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen der Vertretungsmacht dar. Jedenfalls aber handelte es sich bei der hier streitgegenständlichen Veräußerung aufgrund der oben dargelegten Besonderheiten um ein außergewöhnliches Geschäft, sodass die Vertretung im Innenverhältnis an eine vorherige Zustimmung des Aufsichtsrats gebunden war. Der Senat ist daher davon überzeugt, dass Herr S… unter bewusster Überschreitung der im Innenverhältnis bestehenden Beschränkungen seiner Vertretungsmacht ein – wie ihm ebenfalls bekannt war – für die Klägerin nachteiliges Rechtsgeschäft vornahm.
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c. Der Vertreter der Klägerin und die Beklagte handelten hierbei kollusiv. Zwar führt es grundsätzlich zu einer rechtsgeschäftlichen Bindung des Vertretenen, wenn der Vertreter im Außenverhältnis im Rahmen seiner Vertretungsmacht handelt und das Risiko einer missbräuchlichen Verwendung der Vertretungsmacht hat grundsätzlich der Vertretene zu tragen. Die Missachtung von Regeln und Weisungen, die sich aus dem Innenverhältnis des Vertreters zum Vertretenen ergeben, wirkt sich erst dann im Außenverhältnis aus, wenn die Grenzen des rechtlich Tragbaren überschritten werden (BGH, Urteil vom 29. Oktober 2020 – IX ZR 212/19, juris Rn. 9). Das Vertrauen des Geschäftsgegners in den Bestand des Geschäfts ist aber dann nicht schutzwürdig, wenn er weiß oder wenn es sich ihm geradezu aufdrängen muss, dass der Vertreter seine Vertretungsmacht missbraucht. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Vertreter und Geschäftsgegner bewusst zum Nachteil des Vertretenen zusammenwirken oder wenn der Missbrauch der Vertretungsmacht dem Geschäftsgegner bekannt ist oder wegen Evidenz des Missbrauchs hätte bekannt sein müssen (BGH, Beschluss vom 10. April 2006 – II ZR 337/05, juris Rn. 2; Urteil vom 9. Januar 2019 – II ZR 364/18, juris Rn. 40). Da indes die Veräußerung des Kommanditanteils vorliegend im Wege der Doppelvertretung durch Herrn S… erfolgte, muss sich die Beklagte dessen Kenntnis nach § 166 BGB ohne weiteres zurechnen lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, ist ein Vertrag nichtig, wenn ein von den Voraussetzungen des § 181 BGB befreiter Bevollmächtigter seine Vollmacht missbraucht, um mit sich als Geschäftsgegner ein Geschäft zum Nachteil des Vertretenen abzuschließen (BGH, Urteil vom 25. Februar 2002 – II ZR 374/00, ZIP 2002, 753; Urteil vom 13. September 2011 – VI ZR 229/09, juris Rn. 9, Urteil vom 28.01.2014 – II ZR 372/12, juris Rn. 10). Nichts anderes gilt, wenn der Vertreter den Vertrag nicht mit sich selbst, sondern im Wege der Doppelvertretung mit einer weiteren, ebenfalls von ihm vertretenen Person abschließt, BGH Urteil vom 28.10.2017 – I ZR 6/16, juris Rn. 24; Senat, Urteil vom 28.09.2022 – 7 U 3238/20, juris Rn. 31.
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3. Im Fall kollusiven Zusammenwirkens ist von der Unwirksamkeitsfolge auch das dingliche Geschäft erfasst, denn die im Innenverhältnis bestehenden Grenzen der Vertretungsmacht gilt auch insoweit. Ob infolge der Kollusion das Vertretergeschäft (hier die Abtretung des Kommanditanteils) ohne weiteres entsprechend § 138 Abs. 1 BGB nichtig, oder analog § 177 BGB schwebend unwirksam ist (so Senat, Urteil vom 28.09.2022 – 7 U 3238/20, juris Rn. 31) kann dahin stehen, denn jedenfalls ist die Erhebung der auf Feststellung der Nichtigkeit gerichteten Klage zugleich die Verweigerung einer Genehmigung im Sinne von § 177 BGB.
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Das Urteil des Landgerichts München I erweist sich daher im Ergebnis als zutreffend und die Berufung war zurückzuweisen.
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III. Die Kostenentscheidung folgt § 97 Abs. 1 ZPO, der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
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Die Revision war nicht zuzulassen, da Zulassungsgründe im Sinne des § 543 Abs. 2 ZPO nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Voraussetzung und Wirkung kollusiven Handelns sind – auch im Fall der Doppelvertretung – durch die Rechtsprechung des BGH geklärt. Zu würdigen waren die Umstände des Einzelfalls.