Titel:
Umfang des Einsichtsrechts eines ausgeschiedenen Kommanditisten zur Überprüfung des Abfindungsguthabens
Normenketten:
BGB § 242, § 810
HGB § 166
Leitsätze:
1. Ein ausgeschiedener Kommanditist, der die Ermittlung seines Abfindungsguthabens überprüfen möchte, hat nach § 810 BGB einen Anspruch auf Einsicht in alle Jahresabschlüsse der Gesellschaft aus der Zeit seiner Mitgliedschaft, die für die Berechnung maßgeblich sind; das gilt jedoch nicht für das Jahr seines Ausscheidens. (Rn. 61 – 69) (redaktioneller Leitsatz)
2. § 166 HGB schließt ein auf § 810 BGB gestütztes Einsichtsrecht des Kommanditisten nicht aus. (Rn. 70) (redaktioneller Leitsatz)
3. Hat der Kommanditist den Jahresabschlüssen und den darauf basierenden Gewinnverwendungsbeschlüssen zugestimmt, ist eine spätere Einsicht in die Geschäftsunterlagen zur Überprüfung dieser Jahresabschlüsse ausgeschlossen (Anschluss an OLG Hamm BeckRS 1993, 423). (Rn. 71) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Kommanditist, Ausscheiden, Abfindungsguthaben, Überprüfung, Einsichtsrecht, Geschäftsunterlagen, Zeitraum, Jahresabschluss, Gewinnverwendungsbeschluss, Feststellung, Zustimmung
Vorinstanz:
LG München I, Endurteil vom 01.03.2023 – 8 HK O 2572/22
Fundstellen:
NWB 2025, 2780
BeckRS 2025, 20158
LSK 2025, 20158
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 01.03.2023, Az. 8 HK O 2572/22, wie folgt abgeändert:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Einsicht in die Gesellschaftsunterlagen zu gewähren, soweit sie Gesellschafterbeschlüsse seit dem 27.11.2009 enthalten, die einen oder mehrere der folgenden Beschlussgegenstände betreffen: (i) die Feststellung der Jahresabschlüsse der Beklagten 2009, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 und 2020 oder (ii) die Verwendung des Jahresergebnisses der Beklagten für die Jahre 2009, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 und 2020.
Dies gilt nicht für die folgenden Unterlagen, die dem Kläger schon vorliegen:
a) Schreiben der Beklagten vom 28.08.2015 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; berichtigte Jahresabschlüsse 2010, 2011, 2012, 2013; Jahresabschluss 2014; Schriftliche Abstimmung;
b) Stimmabgaben von …, von … und von … „Schriftliches Abstimmungsverfahren … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG betreffend die Jahresabschlüsse 2010, 2011, 2012, 2013, 2014;
c) Schreiben der Beklagten vom 05.10.2015 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; berichtigte Jahresabschlüsse 2010, 2011, 2012 und 2013; Jahresabschluss 2014; Ergebnis der schriftlichen Abstimmung;
d) Schreiben der Beklagten vom 15.03.2016 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; Jahresabschluss 2015; Schriftliche Abstimmung;
e) Schreiben der Beklagten vom 21.04.2016 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; Jahresabschluss 2015; Schriftliche Abstimmung.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die folgenden Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen:
a) Informationen zum Hintergrund und zur Berechnung der auf S. 5/6 der Berechnung des Finanzamts … über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für das Geschäftsjahr 2012 für den Kommanditisten … bezeichneten Position „handelsrechtliche Entnahmen“ in Höhe von 824.537,60 €;
b) Informationen über die im Jahresabschluss zum 31.12.2009 ausgewiesenen „Aufwendungen aus Verlustübernahme“ in Höhe von 534.706,59 €;
c) Informationen darüber, wieso trotz Vorhandenseins eines ausweislich der letzten im elektronischen Bundesanzeiger abrufbaren Bilanz der Beklagten zum 31.12.2019 bestehenden nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Verlustanteils von Kommanditisten in Höhe von
2. 920.323,56 € kein Insolvenzantrag über das Vermögen der Beklagten gestellt wurde.
3. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
3. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen der Kläger ein Drittel, die Beklagte zwei Drittel.
4. Dieses Urteil sowie das in Ziffer 1 bezeichnete Endurteil des Landgerichts München I sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Entscheidungsgründe
1
Die Parteien streiten um Einsichts- und Auskunftsansprüche hinsichtlich eines Kommanditanteils.
2
Die Beklagte ist eine Kommanditgesellschaft. Ihre alleinige Komplementärin ist die … Verwaltungs GmbH (§ 3 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrags des Beklagten laut Anl. K 2; im Folgenden mit GV abgekürzt). Geschäftsführer der Beklagten ist Herr … (§ 8 Abs. 1 GV). Jedenfalls seit dem 27.11.2009 waren Kommanditisten die Herrn …, … und … mit einer in das Handelsregister eingetragenen Kommanditeinlage von jeweils 400.000 € (vgl. den Handelsregisterauszug laut Anl. K 1).
3
Mit Schreiben vom 15.04.2015 laut Anl. K 3 übertrug Herr … seinen Kommanditanteil auf seinen Vater … .
4
Herr … (im Folgenden als Erblasser bezeichnet) verstarb am 23.10.2016. Er wurde vom Land … (im Folgenden als Erbe bezeichnet) beerbt (vgl. Anl. K 9).
5
Mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 10.05.2019, Az …, laut Anl. K 5 wurde wegen Zahlungsunfähigkeit das Insolvenzverfahren über den Nachlass des Erblassers eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
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Mit Schreiben vom 16.07.2019 (Anl. K 9) informierte der Kläger die Komplementärin der Beklagten über den Tod des Erblassers und darüber, dass dieser vom Land … beerbt worden sei. Daraufhin unterrichtete die Beklagte den Kläger mit Schreiben vom 16.09.2019 laut Anl. K 10 u.a. darüber, dass das Kapitalkonto des Erblassers zum 31.12.2017 einen negativen Saldo in Höhe von 386.239,80 € aufgewiesen habe. Im Jahr 2018 habe sich der Stand nur unwesentlich verändert, da die Gesellschaft aktuell ruhe.
7
Mit Schreiben vom 05.08.2020 laut Anl. K 4 teilte die Komplementärin der Beklagten, hierbei vertreten durch Herrn …, dem Kläger mit, dass sie der am 15.04.2015 mit Schreiben des Herrn … laut Anl. K 3 erklärten Übertragung seines Kommanditanteils auf den Erblasser zustimme. Sie gehe davon aus, dass der Erblasser damit ab dem 15.04.2015 Kommanditist der Beklagten gewesen sei. Aufgrund der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mit Beschluss vom 10.05.2019 sei der Erbe aber automatisch aus der Gesellschaft ausgeschieden, ohne dass hierzu eines gesonderten Beschlusses bedurft hätte.
8
In der Zeit vom 08.10.2019 bis zum 02.06.2021 verlangte der Kläger immer wieder von der Beklagten Auskunft und Einsichtnahme in Gesellschaftsunterlagen. Dem Kläger wurde von der Beklagten u.a. mitgeteilt, das Kapitalkonto des Erblassers sei maßgeblich durch Entnahmen in Höhe von 824.537,60 € geprägt. Außerdem habe die Gesellschaft Gegenforderungen gegen den Erblasser in Höhe von 843.800,00 €. Selbst wenn ein Abfindungsanspruch bestehen sollte, wäre dieser aufgrund der bestehenden Gegenansprüche bereits erfüllt. Wegen der Einzelheiten hierzu wird auf das Schreiben des Klägers vom 08.10.2019 laut Anl. K 34 und den als Anlagen K 11 bis K 23 vorgelegten Schriftverkehr Bezug genommen.
9
Die behaupteten Gegenansprüche gegen den Erblasser wurden von der Beklagten nicht zur Insolvenztabelle angemeldet.
10
Im Juli 2021 wurde ein Beschluss über den Ausschluss des „Kommanditanteils … “ aus der Beklagten gefasst und dem Kläger mit Schreiben vom 26.07.2021 laut Anl. B 2 bekanntgegeben.
11
Der Kläger behauptete, es bestünden erhebliche Zweifel, ob die im Nachlass des Erblassers befindliche Kommanditbeteiligung zum maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich wertlos und das Kapitalkonto zu dem für die Abfindung maßgeblichen Zeitpunkt tatsächlich negativ gewesen sei. Die im elektronischen Bundesanzeiger hinterlegten Bilanzen und Jahresabschlüsse der Beklagten, die von 2014 bis einschließlich 2019 nicht durch Vermögenseinlagen gedeckte Fehlbeträge in Höhe von stets weit über zwei Millionen Euro auswiesen, enthielten eine Vielzahl von Lücken, Unstimmigkeiten und Verstöße gegen die Grundsätze ordnungsgemäßer Buchführung und seien im Detail für den Kläger nicht nachvollziehbar. Obgleich die Jahresabschlüsse aufeinander aufbauen sollten, wiesen sie zum Teil für die gleichen Stichtage unterschiedliche Beträge aus. So sei im Jahresabschluss zum 31.12.2013 (Bundesanzeiger) noch kein nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Fehlbetrag ausgewiesen, im Jahresabschluss zum 31.12.2014 (Bundesanzeiger) werde unter der Spalte „Vorjahr“ zum 31.12.2013 jedoch ein nicht durch Vermögenseinlagen gedeckter Fehlbetrag in Höhe von 2.505.183,30 € ausgewiesen. Zugleich habe der Kläger durch eigene Recherchen einen weiteren Jahresabschluss der Beklagten zum 31.12.2013 vorliegen, der einen nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Fehlbetrag in Höhe von 2.433.103,69 € – also einen nochmals anderen Betrag – ausweise.
12
Die Zahlen im veröffentlichten Jahresabschluss zum 31.12.2009 laut Anl. K 6 stimmten nicht überein mit den Zahlen in dem Jahresabschluss zum 31.12.2009, der den Gesellschaftern übermittelt worden sei und dem Kläger vorliege (Anl. K 8).
13
Für die im Jahresabschluss zum 31.12.2009 ausgewiesenen Aufwendungen aus Verlustübernahme (vgl. hierzu Anl. K 29) sei keine Grundlage ersichtlich. Zu wessen Gunsten und auf welcher Rechtsgrundlage diese Verlustübernahme erfolgt sein soll, sei dem Kläger auf Nachfrage nie mitgeteilt worden.
14
Für angeblich im Geschäftsjahr 2012 zugunsten des Erblassers bzw. des Herrn … getätigte Entnahmen in Höhe von 824.537,60 € (vgl. Anl. K 30) lägen keinerlei Nachweise vor.
15
Auch woraus die Beklagte herleite, dass trotz der in den Jahresabschlüssen ausgewiesenen nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Fehlbeträge niemals eine Insolvenzantragspflicht bestanden habe, sei dem Kläger auf Nachfrage nicht mitgeteilt worden.
16
Die bisher zur wirtschaftlichen Situation der Beklagten erteilten Auskünfte seien unvollständig und widersprüchlich und als Berechnungsgrundlage für den Abfindungsanspruch untauglich.
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Der Kläger benötige die angefragten Informationen insbesondere, um die Unregelmäßigkeiten in den Jahresabschlüssen bis 2015 aufdecken, die Entwicklung des Kapitalanteils und damit die Höhe der Abfindung ermitteln zu können. Aus diesem Grund stünden ihm ab Bekanntgabe des Ausschlusses Einsichts- und Auskunftsrechte nach §§ 810, 242 BGB zu.
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Der Kläger beantragte daher:
1. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Einsicht in die Gesellschaftsunterlagen zu gewähren, soweit sie Gesellschafterbeschlüsse seit dem 27.11.2009 enthalten, die einen oder mehrere der folgenden Beschlussgegenstände betreffen: (i) die Feststellung der Jahresabschlüsse der Beklagten oder (ii) die Verwendung des Jahresergebnisses der Beklagten. Dies gilt nicht für die folgenden Unterlagen, die dem Kläger schon vorliegen:
a) Schreiben der Beklagten vom 28.08.2015 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; berichtigte Jahresabschlüsse 2010, 2011, 2012, 2013; Jahresabschluss 2014; Schriftliche Abstimmung;
b) Stimmabgaben von … für …, von … und von … „Schriftliches Abstimmungsverfahren … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG betreffend die Jahresabschlüsse 2010, 2011, 2012, 2013, 2014;
c) Schreiben der Beklagten vom 05.10.2015 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; berichtigte Jahresabschlüsse 2010, 2011, 2012 und 2013; Jahresabschluss 2014; Ergebnis der schriftlichen Abstimmung;
d) Schreiben der Beklagten vom 15.03.2016 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; Jahresabschluss 2015; Schriftliche Abstimmung;
e) Schreiben der Beklagten vom 21.04.2016 (Betreff: … 10. (zehnte) GmbH & Co. KG; Jahresabschluss 2015; Schriftliche Abstimmung.
2. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft über die folgenden Angelegenheiten der Gesellschaft zu erteilen:
a) sofern nicht bereits nach Ziffer 1 Einsicht zu gewähren ist: Beschlussdatum und Beschlussinhalt aller Gesellschafterbeschlüsse bei der Beklagten seit dem 27.11.2009, die einen oder mehrere der folgenden Beschlussgegenstände betreffen: (i) die Feststellung der Jahresabschlüsse der Beklagten oder (ii) die Verwendung des Jahresergebnisses der Beklagten;
b) Informationen zum Hintergrund und zur Berechnung der auf S. 5/6 der Berechnung des Finanzamts … über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen und des verrechenbaren Verlustes nach § 15a Abs. 4 EStG für das Geschäftsjahr 2012 für den Kommanditisten … bezeichneten Position „handelsrechtliche Entnahmen“ in Höhe von 824.537,60 €;
c) Informationen über die im Jahresabschluss zum 31.12.2009 ausgewiesenen „Aufwendungen aus Verlustübernahme“ in Höhe von 534.706,59 €;
d) Informationen darüber, wieso trotz Vorhandenseins eines ausweislich der letzten im elektronischen Bundesanzeiger abrufbaren Bilanz der Beklagten zum 31.12.2019 bestehenden nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Verlustanteils von Kommanditisten in Höhe von 2.920.323,56 € kein Insolvenzantrag über das Vermögen der Beklagten gestellt wurde.
19
Der Beklagte beantragte,
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Die Beklagte erwiderte, dass, um den Wert eines möglichen Auseinandersetzungsguthabens ermitteln zu können, der Kläger wegen der Regelung in § 26 (1) des Gesellschaftsvertrags lediglich die Buchwerte der Gesellschafterkonten des Erblassers kennen müsse. Maßgeblich sei hierfür der Jahresabschluss zum 31.12.2018, denn der Erbe sei schon mit Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens am 10.05.2019 aus der Gesellschaft ausgeschieden. Der Wert zum 31.12.2017 werde sich nach Abschluss einer noch immer laufenden Betriebsprüfung durch das Finanzamt … für den Zeitraum 2013 bis 2017 ergeben. Das Kapitalkonto könne dann unproblematisch auf den 31.12.2018 fortgeschrieben werden.
21
Die Informationsrechte aus §§ 166 HGB und 242 BGB stünden dem Kläger nicht mehr zu, da der Erbe schon vor Rechtshängigkeit der hiesigen Klage aus der Beklagten ausgeschieden sei.
22
Aufgrund von §§ 810, 242 BGB kämen Informationsansprüche allenfalls in Bezug auf Bücher und Papiere aus der Zeit der Zugehörigkeit des Erblassers zur Gesellschaft in Betracht. Keinesfalls könne der Kläger die Beklagte umfassend für einen Zeitraum von über 10 Jahren ausforschen.
23
Im Hinblick auf die verlangte Einsicht und Auskunft betreffend die Zeit vor der Gesellschafterstellung des Erblassers wendet die Beklagte Verwirkung und Verjährung ein.
24
Die Klage wurde der Beklagten am 22.01.2022 zugestellt (vgl. Bl. 38 d.A.).
25
Mit Endurteil vom 01.03.2023, Az. 8 HK O 2572/22, das der Beklagtenvertreterin am 02.03.2023 zugestellt wurde (vgl. Bl. zu 124 d.A.), verurteilte das Landgericht München I die Beklagte antragsgemäß.
26
Zur Begründung seiner Entscheidung führte das Landgericht u.a. aus, dass der Erblasser zum Zeitpunkt seines Todes am 23.10.2016 Kommanditist der Beklagten gewesen sei. Gemäß § 24 GV sei die Gesellschaft mit dem Erben fortgesetzt worden, sodass der streitgegenständliche Kommanditanteil zum Nachlass gehöre und deshalb in die Nachlassinsolvenzmasse gefallen sei. Gemäß § 25 Abs. 2 lit d zweiter Spiegelstrich GV sei der Erbe jedoch nicht schon mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens, sondern gemäß § 25 Abs. 3 GV erst mit der Beschlussfassung über die Ausschließung des Erben und die Bekanntgabe dieses Beschlusses an den Kläger am 26.07.2021 aus der Beklagten ausgeschieden.
27
Der Kläger habe in seiner Eigenschaft als Insolvenzverwalter gemäß § 810 BGB Anspruch auf Einsichtnahme in die Gesellschaftsunterlagen im beantragten Umfang. Zwar sei der Kommanditanteil des Erblassers am 26.07.2021 aus der Beklagten ausgeschieden, jedoch habe nach der Rechtsprechung des BGH auch der ausgeschiedene Kommanditist einen Einsichtsanspruch nach § 810 BGB, wenn ein rechtliches Interesse daran bestehe, was insbesondere dann der Fall sei, wenn die Unterlagen für die Berechnung des Abfindungsguthabens von Bedeutung seien. Diese Voraussetzungen lägen jedenfalls in Bezug auf die ab dem 01.01.2016 bis zum 26.07.2021 gefassten Gesellschafterbeschlüsse vor. Nachdem der Kläger von der Beklagten die Auskunft erhalten habe, dass es kein positives Auseinandersetzungsguthaben gebe, müsse er die Richtigkeit dieser Auskunft überprüfen können, da es an der Richtigkeit der Auskunft nach den vorgetragenen Umständen berechtigte Zweifel gebe.
28
Das Einsichtsrecht des Klägers sei jedoch nicht auf Unterlagen aus der Zeit der Zugehörigkeit des Erblassers zur Beklagten beschränkt. Maßgeblich für den Umfang des Einsichtsrechts sei vielmehr, welche Unterlagen erforderlich seien, um den Umfang des Auseinandersetzungsguthabens zu bestimmen. Da es nach dem Vortrag des Klägers konkrete Anhaltspunkte für zweifelhafte Vorgänge und Unstimmigkeiten bereits ab dem Jahr 2009 gebe, bestehe auch ein Interesse des Klägers an der Einsichtnahme in die Gesellschafterbeschlüsse seit dem 27.11.2009. Dies folge auch aus der Rechtsprechung des BGH, derzufolge das Einsichtsrecht aus § 810 BGB sich auch auf den Zeitraum der Zugehörigkeit eines Rechtsvorgängers des Kommanditisten zur Gesellschaft erstrecke. Der Rechtsvorgänger des Erblassers sei unstreitig bereits am 27.11.2009 Kommanditist gewesen.
29
Der Einsichtsanspruch aus § 810 BGH sei nicht verjährt. Dieser sei ein Hilfsanspruch, der nicht vor dem jeweiligen Hauptanspruch, d.h. im vorliegenden Fall dem Anspruch auf Zahlung des Abfindungsguthabens verjähren könne. Der Anspruch auf Auszahlung des Abfindungsguthabens verjähre jedoch bei einem Ausscheiden des Erblassers zum 26.07.2021 nach den allgemeinen Regelungen der §§ 195, 199 Abs. 1 BGB frühestens mit dem Ablauf des 31.12.2024, aufgrund der in § 26 Abs. 2 GV enthaltenen Gesellschaftsvertrages sogar erst mit Ablauf des Jahres 2025.
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Anhaltspunkte für eine Verwirkung des Einsichtnahmeanspruchs gebe es nicht.
31
Gemäß § 242 BGB vollumfänglich begründet sei auch der geltend gemachte Auskunftsanspruch des Klägers gegen die Beklagte. Der Kläger sei ohne sein Verschulden über die Höhe des Abfindungsguthabens im Ungewissen. Aufgrund der vom Kläger vorgetragenen Unstimmigkeiten bezüglich der Position „handelsrechtliche Entnahmen“ des Erblassers in Höhe von 824.537,60 € für das Geschäftsjahr 2012, den im Jahresabschluss 2009 ausgewiesenen „Aufwendungen aus Verlustübernahme“ und der trotz des nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Verlustanteils der Kommanditisten in Höhe von 2.920.323,56 € unterbliebenen Insolvenzantragstellung sei für den Kläger nicht nachvollziehbar, ob und in welcher Höhe er einen Abfindungsanspruch gegen die Beklagte habe. Die Beklagte könne die verlangten Auskünfte auch unschwer erteilen.
32
Der Auskunftsanspruch sei aus denselben Gründen wie der Anspruch nach § 810 BGB weder verjährt noch verwirkt.
33
Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 ZPO Bezug auf den Tatbestand und die Entscheidungsgründe des landgerichtlichen Urteils Bezug genommen.
34
Die Beklagte verfolgt mit ihrer mit Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 30.03.2023 (Bl. 1/2 d.A.) eingelegten Berufung, eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, die mit Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 28.04.2023 (Bl. 6/15 d.A.), eingegangen beim Oberlandesgericht München am selben Tag, begründet wurde, ihr erstinstanzliches Klageabweisungsziel vollumfänglich weiter.
35
Die Beklagte rügt insbesondere, dass das Landgericht dem Kläger als Insolvenzverwalter quasi ein Super-Einsichtsrecht außerhalb des Anwendungsbereichs des § 810 BGB zugestanden habe. Der Kläger könne allerdings nicht mehr Rechte geltend machen, als jeder beliebige Erbe des Erblassers (vgl. Berufungsbegründung S. 5 Mitte unter Punkt I, Bl. 10 d.A.).
36
Das Landgericht habe außerdem verkannt, dass ein ausgeschiedener Kommanditist bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses nur Anspruch darauf habe, die Bücher und Papiere aus der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft einzusehen. Dies sei unstreitig nur der Zeitraum vom 01.01.2016 bis zum 26.07.2021 (vgl. Berufungsbegründung S. 5 unter Punkt I 1, Bl. 10 d.A.).
37
Soweit das Landgericht das Einsichtsrecht auf den gesamten Zeitraum der Zugehörigkeit des Rechtsvorgängers des Erblassers ausdehne, verlasse es den von der höchstrichterlichen Rechtsprechung gesetzten Rahmen. Demzufolge habe der Kläger gemäß § 810 BGB nur Anspruch auf Einsichtnahme in den Jahresabschluss 2020, da dieser die Grundlage für die Berechnung des Abfindungsguthabens zum 26.07.2021 bilde (vgl. Berufungsbegründung S. 5/6 unter Punkt I 1 a, Bl. 10 f. d.A.).
38
Das Landgericht habe auch den von der Beklagten erhobenen Einwand übergangen, dass es dem Kläger aufgrund der bestandskräftigen Festsetzungen des Finanzamts … für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 an einem rechtlichen Interesse an der Einsichtnahme fehle. Er könne das bestandskräftige Ergebnis einer Betriebsprüfung nicht nachprüfen. Darüber hinaus habe die Beklagte dem Kläger auch für die Jahre 2010 und 2012 die Belege über die Entwicklung des Kapitalkontos zur Verfügung gestellt (vgl. Berufungsbegründung S. 6/7 unter Punkt I 1 b, Bl. 11 f. d.A.).
39
Das Landgericht habe auch verkannt, dass einem ausgeschiedenen Kommanditisten nach § 810 BGB nicht mehr Rechte zustehen könnten als einem aktiven Kommanditisten nach § 166 HGB. Der Erblasser habe den berichtigten Jahresabschlüssen für 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 sowie den jeweiligen Gewinnverwendungsbeschlüssen zugestimmt und könne schon deshalb keine Unterlagen zur Überprüfung dieser Jahresabschlüsse mehr verlangen. Für das Jahr 2015 könne keine Einsicht genommen werden, da der Erblasser trotz einer entsprechenden Einladung an der Abstimmung nicht teilgenommen habe (vgl. Berufungsbegründung S. 7 unter Punkt I 1 c, Bl. 12 d.A.).
40
Bezüglich der Veranlagungszeiträume von 2013 bis 2017 habe sich das Landgericht nicht damit auseinandergesetzt, dass aktuell eine weitere Betriebsprüfung der Beklagten durch das Finanzamt … stattfinde (vgl. Berufungsbegründung S. 8 unter Punkt I 2 a, Bl. 13 d.A.).
41
Bezüglich des zuerkannten Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB habe das Landgericht verkannt, dass der Kläger gar nicht im Ungewissen sei.
42
Die Jahresabschlüsse für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 habe der Erblasser anerkannt, sodass er nicht im Ungewissen gewesen sei könne (vgl. Berufungsbegründung S. 9 unter Punkt II 1 a, Bl. 14 d.A.).
43
Hinsichtlich der Jahre 2010 bis 2012 könne auch schon aufgrund der bestandskräftigen Feststellungen des Finanzamts … keine Ungewissheit bestanden haben (vgl. Berufungsbegründung S. 9 unter Punkt II 1 b, Bl. 14 d.A.).
44
Für den Kläger sei es zur Berechnung seines Abfindungsguthabens irrelevant, warum die Beklagte keinen Insolvenzantrag gestellt habe (vgl. Berufungsbegründung S. 10 unter Punkt II 2, Bl. 15 d.A.).
45
Schließlich habe das Landgericht auch verkannt, dass der Kläger den Anwendungsbereich des § 242 BGB dadurch verlassen habe, dass es dem Kläger nicht nur ein Auskunfts-, sondern ein weitergehendes Informationsrecht zugestanden.
46
Die Beklagte beantragt daher:
Das Urteil des Landgerichts München I vom 01.03.2023, Az. 8 HK O 2572122, wird aufgehoben und die Klage wird abgewiesen.
die Berufung zurückzuweisen.
48
Er führt aus, dass die Berufung unzulässig sei, da die Beschwer der Beklagten unter 600,00 € liege. Es sei nicht überzeugend, dass die Beklagte zur Erteilung der verlangten Informationen fünf Arbeitstage à sechs Stunden benötige und der anwaltliche Beratungsbedarf bei acht Stunden unter Zugrundelegung eines Stundensatzes von 300 € liegen solle.
49
Der Kläger verteidigt das landgerichtliche Urteil in materiell-rechtlicher Hinsicht.
50
Der Senat hat am 06.08.2025 mündlich verhandelt. Auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2025, die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze und den übrigen Akteninhalt wird Bezug genommen.
51
Die zulässige Berufung der Beklagten ist teilweise begründet.
52
I. Die Berufung der Beklagten ist zulässig.
53
1. Die Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.
54
Ob die Angaben der Beklagten zum Beschwerdewert in der Berufungsbegründung bereits hinreichend waren, kann dahinstehen, da sie jedenfalls auch nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist hätten nachgeholt werden können (Seiler in ZPO, 46. Auflage, München 2025, Rdnr. 35 aE zu § 520 ZPO).
55
2. Es ist auch die Erwachsenheitssumme des § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO von 600,00 € erreicht.
56
Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH bemisst sich der gemäß §§ 2, 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzende Beschwerdewert für das Rechtsmittel der zur Einsichts-/Auskunftserteilung verurteilten Person nach ihrem Interesse, die Einsicht/Auskunft nicht erteilen zu müssen. Dabei ist im wesentlichen darauf abzustellen, welchen Aufwand an Zeit und Kosten die Erteilung der Einsicht/Auskunft erfordert (vgl. BGH, Beschluss vom 24.10.2023 – II ZB 3/23, Rdnr. 18).
57
Für die Wertbemessung bei der Erfüllung eines Einsichts-/Auskunftsanspruchs durch die verurteilte Partei selbst sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die Vorschriften des JVEG heranzuziehen. Muss sich die Partei bei der Einsichts-/Auskunftserteilung fremder Hilfe bedienen, ist dagegen auf die Kosten abzustellen, die die Einschaltung der Hilfsperson verursacht (vgl. BGH, Beschluss vom 28.02.2017 – I ZR 46/16 Rdnr. 13 m.w.N.). Eigene Mitarbeiter einer zur Einsicht/Auskunft verurteilten Partei sind indes nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nicht als fremde Hilfspersonen anzusehen. Auch wenn die Partei die geforderte Einsicht/Auskunft nicht selbst erteilen kann, sondern dazu auf die Hilfe sachkundiger Mitarbeiter angewiesen ist, ändert das nichts daran, dass es sich bei den eigenen Mitarbeitern nicht um fremde Hilfspersonen handelt, deren Kosten uneingeschränkt zu berücksichtigen wären. Bei der Bemessung des Werts der Beschwer können die Personalkosten für eigene Mitarbeiter daher nur nach Maßgabe der Stundensätze angesetzt werden, die die Mitarbeiter nach dem JVEG als Zeugen in einem Zivilprozess erhalten würden (BGH, Beschluss vom 11.03.2020 – VII ZR 187/19, Rdnr. 11). Somit ist gemäß § 22 S. 1 JVEG ein Stundensatz in Höhe von höchstens 25 € zugrunde zu legen.
58
In Anbetracht der von der Beklagten in der Berufungsbegründung vorgetragenen Umstände der Aufbewahrung der Unterlagen zusammen mit Unterlagen anderer Gesellschaften und dem damit verbundenen „Heraussuchen“ der Unterlagen ist von einem Zeitaufwand von jedenfalls mindestens 25 Stunden für die Erteilung der Einsicht und der Auskunft auszugehen, sodass die Erwachsenheitssumme von 600,00 € ohne weiteres erreicht ist.
59
II. Hinsichtlich des vom Kläger geltend gemachten Einsichtsrechts ist die Berufung der Beklagten insoweit begründet, als das Landgericht dem Kläger ein Einsichtsrecht auch hinsichtlich von Gesellschafterbeschlüssen zugesprochen hat, die die Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 betreffen. Im Übrigen ist die Berufung hinsichtlich des Einsichtrechts unbegründet.
60
1. Nach der Rechtsprechung des BGH hat ein ausgeschiedener Kommanditist nach § 810 BGB bei Vorliegen eines rechtlichen Interesses Anspruch darauf, die Bücher und Papiere aus der Zeit seiner Zugehörigkeit zur Gesellschaft einzusehen, insbesondere diejenigen, die für die Berechnung seines Abfindungsguthabens von Bedeutung sind. Gleiches gilt, wenn der Gesellschaftsvertrag hinsichtlich der Berechnung des Abfindungsguthabens eine Buchwertklausel enthält und der Gesellschafter sich Gewissheit verschaffen will, ob ein erhebliches Missverhältnis zum wirklichen Wert seiner Beteiligung besteht. In letzterem Fall müssen allerdings konkrete Anhaltspunkte für ein Missverhältnis vorhanden sein. Anderenfalls fehlt es nämlich an dem erforderlichen rechtlichen Interesse an der Einsichtnahme. Dabei können jedoch keine besonders hohen Anforderungen gestellt werden, da es die Geschäftsunterlagen dem ausgeschiedenen Gesellschafter ja gerade erst ermöglichen sollen, genauere Erkenntnisse über die Wertverhältnisse zu gewinnen. Nur wenn nichts auf die Möglichkeit eines erheblichen Auseinanderfallens der Werte hindeutet, wäre das Einsichtsverlangen eine unzulässige Ausforschung (vgl. BGH, Urteil vom 17.04.1989 – II ZR 258/88, Rdnr. 16).
61
a. aa. Demnach hat der Kläger gegen die Beklagte grundsätzlich einen Anspruch nach § 810 BGB auf Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Beklagten, da der Kläger die von der Beklagten vorgenommene Ermittlung des Abfindungsguthabens des Erben überprüfen will.
62
bb. Darüber hinaus besteht der Einsichtsanspruch hinsichtlich der Geschäftsunterlagen aus § 810 BGB aber auch, weil der Kläger die Werthaltigkeit des in den Nachlass gefallenen Kommanditanteils prüfen will, um festzustellen, ob ein Fall des § 26 Abs. 1 S. 3 GV, d.h. ein unzumutbares Missverhältnis zwischen dem auf der Grundlage des Buchwertes der Gesellschafterkonten zu errechnenden Auseinandersetzungsguthabens des Erben und dem tatsächlichen Unternehmenswert, in Betracht kommt und demnach eine Anpassung des Auseinandersetzungsguthabens des Erben durch einen noch zu bestellenden Schiedsgutachter zu erfolgen hat (vgl. Schriftsatz der Klägervertreterin vom 05.05.2022, S. 8 vorletzter Absatz, Bl. 75 d.A.). Dabei handelt es sich auch nicht um eine unzulässige Ausforschung, da es hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür gibt, dass ein erhebliches Missverhältnis zwischen dem sich aus der Abfindungsvereinbarung ergebenden Guthaben und dem tatsächlichen Beteiligungswert gibt. Denn der Kläger hat unwidersprochen vorgetragen, dass die Jahresabschlüsse der Beklagten seit 2010 einen nicht durch Eigenkapital gedeckten Fehlbetrag (zuletzt 2.920.323,56 €) auswiesen und dennoch laut Beklagter keine Insolvenzantragspflicht bestanden habe oder bestehe. Dies könne – was dem Kläger nicht bekannt sei – entweder aus einer positiven Fortführungsprognose und/oder aber aus dem Vorhandensein stiller Reserven folgen (vgl. Schriftsatz der Klägervertreterin vom 05.05.2025, S. 4 Mitte, Bl. 71 d.A.). Aufgrund der demnach bestehenden Möglichkeit des Vorhandenseins stiller Reserven ist es deshalb gerade nicht so, dass „nichts auf die Möglichkeit eines erheblichen Auseinanderfallens der Werte hindeutet“.
63
b. In zeitlicher Hinsicht erstreckt sich nach der Rechtsprechung des BGH das Einsichtsrecht des ausgeschiedenen Gesellschafters grundsätzlich nur auf Geschäftsunterlagen, die sich auf die Zeit vor seinem Ausscheiden beziehen (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1977 – II ZR 208 /75, Rdnr. 21). Nach dieser Rechtsprechung kann der ausgeschiedene Gesellschafter grundsätzlich noch nicht einmal die Vorlage des Jahresabschlusses für das Geschäftsjahr verlangen, in dessen Verlauf er ausschied (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1977 – II ZR 208 /75, Rdnr. 23).
64
Im streitgegenständlichen Fall ging nach dem Tod des Erblassers am 23.10.2016 dessen Gesellschaftsanteil gemäß § 1922 Abs. 1 BGB und § 24 Abs. 1 S. 1 GV auf den Erben über und setzte sich gemäß § 24 Abs. 1 S. 2 GV die Gesellschaft mit dem Erben fort. Wie das Landgericht unter Berücksichtigung von § 25 Abs. 3 S. 1 GV richtig feststellte (LGU S. 9/10 unter Punkt A I 2 der Entscheidungsgründe), schied der Erbe nicht schon mit der Eröffnung des Nachlassinsolvenzverfahrens mit Beschluss des Amtsgerichts … vom 10.05.2019 laut Anl. K 5, sondern erst mit der Mitteilung seines Ausschlusses aus der Beklagten durch die Beklagte an ihn am 26.07.2021 aus. Davon geht nunmehr in der Berufung – anders als noch in erster Instanz – auch die Beklagte aus (vgl. Berufungsbegründung S. 5, drittletzter Absatz, Bl. 10 d.A.). Damit erstreckt sich das Einsichtsrecht aus § 810 BGB grundsätzlich nur auf Geschäftsunterlagen aus der Zeit der Zugehörigkeit des Erben zur Beklagten und damit bis zum 26.07.2021.
65
Entgegen der Ansicht der Beklagten (Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 31.01.2023, S. 2 zweiter Absatz, Bl. 101 d.A.) ist für die Berechnung des Abfindungsguthabens des Erben nach § 26 Abs. 1 S. 2 GV aber nicht nur der Jahresabschluss des Geschäftsjahres, das dem Ausscheiden des Gesellschafters vorausgeht, d.h. 2020, maßgebend. Vielmehr ist in die Berechnung auch das „zeitanteilig auf den Zeitpunkt des Ausscheidens berechnete Ergebnis des laufenden Geschäftsjahres“ miteinzubeziehen, so dass für die Berechnung des Abfindungsguthabens des Erben sehr wohl auch die Geschäftsvorgänge bis 26.07.2021 relevant sind und deshalb grundsätzlich auch ein Einsichtsanspruch nach § 810 BGB in die diesbezüglichen Unterlagen der Beklagten besteht.
66
Der Kläger kann aber nach der oben dargestellten Rechtsprechung des BGH nicht die Vorlage des Jahresabschlusses 2021 (des Ausscheidensjahres) verlangen (BGH, aaO, Rdnr. 23) und schon gleich gar nicht Jahresabschlüsse für spätere Jahre. Besondere Umstände, die nach der Rechtsprechung des BGH eine Einsicht in den Jahresabschluss für das Ausscheidensjahr (2021) oder spätere Jahre begründen könnten (vgl. BGH, Urteil vom 28.04.1977 – II ZR 208 /75, Rdnr. 23), sind nicht ersichtlich. Er kann deshalb auch nicht die von ihm allein beantragte Einsicht in die Gesellschaftsunterlagen erhalten, soweit sie Gesellschafterbeschlüsse enthalten, die den Jahresabschluss für 2020 oder die Verwendung des Jahresabschlusses 2020 betreffen. Einsicht in andere Geschäftsunterlagen der Beklagten für 2020 oder für den Zeitraum bis zum Ausscheiden des Erben im Jahr 2021 hat der Kläger nicht beantragt.
67
c. aa. Der vom Kläger geltend gemachte Einsichtsanspruch aus § 810 BGB bezieht sich in zeitlicher Hinsicht jedenfalls grundsätzlich ohne weiteres auf Geschäftsunterlagen aus der gesamten Zeit der Zugehörigkeit des Erben und des Erblassers als seines Universalrechtsvorgängers zur Gesellschaft (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.1961 – II ZR 102/60, Rdnr. 11). Da der Erblasser – was zwischen den Parteien unstreitig ist – am 15.04.2015 Kommanditist der Beklagten wurde, betrifft dies alle Geschäftsunterlagen seit dem 15.04.2015.
68
bb. Entgegen der Ansicht der Berufung erstreckt sich das Einsichtsrecht des Erben nach § 810 BGB – wie das Landgericht richtig festgestellt hat – aber grundsätzlich auch auf Geschäftsunterlagen aus der Zeit vor dem Beitritt des Erblassers zur Beklagten. Wie bereits oben ausgeführt möchte der Kläger das Abfindungsguthaben des Erben ermitteln bzw. die von der Beklagten vorgenommene Berechnung des Abfindungsguthabens des Erben überprüfen. Da nach § 26 Abs. 1 S. 1 GV das Abfindungsguthaben eines ausgeschiedenen Gesellschafters „der Summe der Buchwerte seiner Gesellschafterkonten entspricht“, muss der Kläger die Kapitalkonten des Erben bzw. Erblassers nachvollziehen können, um die Höhe des Abfindungsguthabens des Erben zu überprüfen. Vor allem in Anbetracht der vom Kläger vorgetragenen, von der Beklagten nicht bestrittenen formalen Mängel der Jahresabschlüsse seit 2009 (vgl. Schriftsatz der Klägervertreter vom 05.05.2022, S. 5 Mitte, Bl. 72 d.A.), ist nicht ausgeschlossen, dass auch die Werte der Kapitalkonten des Erblassers und seines Rechtsvorgängers … seit 2009 falsch fortgeführt wurden. Aus diesem Grund erstreckt die Rechtsprechung bei – wie hier – Vorliegen eines berechtigten Interesses den Einsichtsanspruch nach § 810 BGB auch auf Geschäftsunterlagen aus der Zeit der Mitgliedschaft eines Rechtsvorgängers des Einsichtbegehrenden (vgl. BGH, Urteil vom 23.10.1961 – II ZR 102/60, Rdnr. 11 und OLG Hamm, Urteil vom 21.01.1999 – 27 U 179/98, Rdnr. 48). Aufgrund der insoweit identischen Interessenlage spielt es auch keine Rolle, ob die Rechtsnachfolge desjenigen, der Einsicht nehmen will, auf einer Universalsukzession (wie in den oben in Bezug genommenen Fällen aus der Rechtsprechung des BGH und des OLG Hamm) oder aber – wie hier – auf einer Einzelrechtsnachfolge aufgrund der Übertragung des streitgegenständlichen Kommanditanteils von Herrn … auf den Erblasser beruht.
69
Demnach hat der Kläger dem Grunde nach einen Einsichtsanspruch auch in Geschäftsunterlagen der Beklagten seit 2009.
70
cc. Der dagegen gerichtete Einwand der Berufung, ein ausgeschiedener Gesellschafter könne nicht mehr Rechte haben als ein Kommanditist nach § 166 HGB und das Einsichtsrecht aus § 166 HGB sei auf die Überprüfung des jeweils aktuellen Jahresabschlusses begrenzt (vgl. Berufungsbegründung S. 7, zweiter und fünfter Absatz, Bl. 12 d.A.), verfängt nicht, da schon die Ausgangsthese, ein Kommanditist habe nur die Rechte aus § 166 HGB (wobei offenbleiben kann, welchen Umfang diese Rechte haben), unzutreffend ist. Denn § 166 HGB (neuer und alter Fassung) ist nicht lex specialis zu § 810 BGB und schließt deshalb ein auf § 810 BGB gestütztes Einsichtsrecht des Kommanditisten nicht aus (vgl. Fest in Staudinger, BGB, Stand 31.03.2024, Rdnr. 23 zu § 810 BGB, Gummert in Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, 6. Auflage, München 2024, Rdnr. 20 zu § 166 HGB, Oetker in ders., HGB, 8. Auflage, München 2024, Rdnr. 39 zu § 166 HGB).
71
dd. Der weitere Einwand der Berufung, eine Einsicht in die Geschäftsunterlagen der Beklagten sei insoweit ausgeschlossen, als die Rechtsvorgänger des Erben, d.h. Herr … und der Erblasser, den berichtigten Jahresabschlüsse und den darauf basierenden Gewinnverwendungsbeschlüssen zugestimmt hätten (Berufungsbegründung S. 7, sechster Absatz, Bl. 12 d.A.) greift dagegen durch. Denn mit seiner Zustimmung zu einem Jahresabschluss und dem darauf basierenden Gewinnverwendungsbeschluss erkennt ein Gesellschafter nach der Rechtsprechung den Jahresabschluss und die Gewinnverteilung in dem jeweiligen Jahr an, was zur Folge hat, dass eine spätere Einsicht in die Unterlagen zur Überprüfung des betreffenden Jahresabschlusses ausgeschlossen ist (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18.01.1993 – 8 U 132/92, NJW-RR 1994, 933, 935 unter Punkt 3 c aa). Unstreitig hat der Erblasser (was sich im Übrigen auch aus dem als Anl. K 25 vom Kläger vorgelegten Stimmzettel vom 09.09.2025 ergibt) den berichtigten Jahresabschlüssen und den jeweils darauf basierenden Gewinnverwendungbeschlüssen für die Jahre 2010, 2011, 2012 und 2013 (vgl. Punkte 3 – 6 des Stimmzettels laut Anl. K 25) zugestimmt. Außerdem hat der Erblasser gleichzeitig dem Jahresabschluss für 2014 und dem darauf basierenden Gewinnverwendungsbeschluss zugestimmt (vgl. Punkt 7 des Stimmzettels laut Anl. K 25). Da der streitgegenständliche Einsichtsantrag in die Geschäftsunterlagen der Beklagten ausdrücklich auf Gesellschafterbeschlüsse bezogen ist, die die Feststellung des Jahresabschlusses oder die Verwendung des Jahresergebnisses betreffen, scheidet die beantragte Einsicht aus, soweit die jeweiligen Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse vom Erblasser anerkannt wurden. Dies betrifft die Jahresabschlüsse für 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014.
72
Gründe für eine Beseitigung der Anerkenntnisse (bspw. Anfechtung und/oder Kondizierung der Anerkenntnisse, dazu vergleiche OLG Hamm, aaO) sind nicht ersichtlich.
73
Da demnach die beantragte Einsicht in die Geschäftsunterlagen (u.a.) hinsichtlich der Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse für 2010, 2011 und 2012 ausgeschlossen ist, kommt es auf den von der Berufung erhobenen Einwand, die beantragte Einsicht scheide insoweit schon aufgrund der vom Finanzamt … im Jahr 2016 vorgenommenen Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 und deren mittlerweile bestandskräftigem Ergebnis aus sowie wegen der Übermittlung von Belegen zur Entwicklung des Kapitalkontos des Erblassers bzw. seines Rechtsvorgängers … im Prüfungszeitraum durch die Beklagte (vgl. Berufungsbegründung S. 6 und S. 7 erster Absatz, Bl. 11 f. d.A.) nicht mehr an.
74
ee. Entgegen der Ansicht der Berufung (Berufungsbegründung S. 7, drittletzter Absatz, Bl. 12 d.A.) besteht das beantragte Einsichtsrecht jedoch für 2015. Ein Anerkenntnis des Erblassers bezüglich des Jahresabschlusses und des Gewinnverwendungsbeschlusses für das Jahr 2015 – wie für die vorangegangenen Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 – liegt nicht vor. Vielmehr hat der Erblasser – wie sich aus dem Schreiben der Komplementärin der Beklagten vom 21.04.2016 laut Anl. K 25 ergibt – in dem Umlaufverfahren keine Stimme abgegeben (wobei im Übrigen schon unklar ist, ob sich die Abstimmung im Umlaufverfahren nur auf den Jahresabschluss für 2015 bezieht oder aber auch auf die Gewinnverwendung, da im Schreiben der Komplementärin der Beklagten vom 15.03.2016 laut Anl. K 25, mit dem die Abstimmungsunterlagen übermittelt wurden, nur vom Jahresabschluss und die Entlastung der Geschäftsführung die Rede ist). In einer Stimmenthaltung liegt aber kein Anerkenntnis, sodass daraus auch nicht auf einen Entfall des Einsichtsrechts nach § 810 BGB geschlossen werden kann.
75
ff. Keinen Erfolg hat die Berufung auch mit ihrem Einwand, es sei das Ergebnis der bei der Beklagten erfolgten Betriebsprüfung des Finanzamts … für die Veranlagungszeiträume 2013 bis 2017 abzuwarten, sodass – jedenfalls derzeit – hinsichtlich dieses Zeitraums ein Einsichtsrecht nach § 810 BGB nicht bestehe (vgl. Berufungsbegründung S. 8, Bl. 13 d.A.). Dies könnte nämlich – wenn überhaupt – nur der Fall sein, wenn aufgrund der Betriebsprüfung Festsetzungsbescheide ergangen und diese bestandskräftig wären. Wie die Beklagtenvertreterin auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vom 06.08.2025 jedoch erklärte, sei die Betriebsprüfung zwar mittlerweile abgeschlossen, es lägen aber noch keine Festsetzungsbescheide vor. Ob, nachdem die Satzung der Beklagten in § 21 Abs. 1 S. 1 die Erstellung einer Einheitsbilanz vorsieht (Aufstellung des Jahresabschlusses „unter Beachtung der steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften“), es im Übrigen allein auf die steuerrechtliche Vorgaben ankommt, kann daher an dieser Stelle offenbleiben.
76
gg. Gegen die Feststellungen des Landgerichts, dass die Einsichtsansprüche des Klägers weder verjährt noch verwirkt seien (LGU S. 12 und 13 unter Punkten A II 3 und 4), hat die Berufung keine Einwände erhoben. Unabhängig davon sind diese landgerichtlichen Ausführungen auch zutreffend.
77
Nach alledem besteht das beantragte Einsichtsrecht aus § 810 BGB nur hinsichtlich von Gesellschafterbeschlüssen, die Jahresabschlüsse oder Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 2009, 2015, 2016, 2017, 2018, 2019 und 2020 betreffen.
78
2. Ein weitergehendes Einsichtsrecht ergibt sich auch nicht aus anderen Vorschriften, insbesondere nicht aus § 166 HGB, auf den sich ein ausgeschiedener Gesellschafter wie im streitgegenständlichen Fall der Erblasser und der Erbe als sein Rechtsnachfolger nicht berufen kann, und auch nicht aus dem gegenüber § 810 BGB ohnehin nur subsidiär greifenden § 242 BGB.
79
III. Die Berufung der Beklagten ist, soweit das Landgericht dem Kläger Auskunftsansprüche nach Treu und Glauben aus § 242 BGB zugesprochen hat, nur hinsichtlich des Klageantrags zu 2.1 begründet. Ansonsten ist sie unbegründet.
80
Nach § 242 BGB besteht ein Auskunftsanspruch wenn die zwischen den Parteien bestehende Rechtsverbindung es mit sich bringt, dass der Berechtigte in entschuldbarer Weise über das Bestehen und den Umfang seines Rechts im Ungewissen ist und der Verpflichtete die zur Beseitigung der Ungewissheit erforderliche Auskunft unschwer geben kann (vgl. Grüneberg in ders., BGB, 84. Auflage, München 2025, Rdnr. 6 zu § 260 BGB m.N. aus der höchstrichterlichen Rechtsprechung).
81
Dies bedeutet für die einzelnen Klageanträge Folgendes:
82
Soweit bereits Einsicht in die Unterlagen der Beklagten zu gewähren ist (dazu vgl. oben unter II) bedarf es keiner Auskunft mehr, da sich der Kläger die damit erstrebten Kenntnisse bereits durch die ihm von der Beklagten zu gewährende Einsicht verschaffen kann. Insoweit hat der Kläger seinen Auskunftsantrag auch nur unter der Bedingung der Verneinung eines Einsichtsanspruchs gestellt.
83
Diese Bedingung ist nur bezüglich der Jahre 2010, 2011, 2012, 2013, 2014, 2021 und späterer Jahre eingetreten, da – wie oben unter II ausgeführt – insoweit ein Einsichtsrecht nicht besteht.
84
a. Soweit dem Kläger die Einsicht in Gesellschafterbeschlüsse wegen der vom Erblasser erklärten Zustimmung zu Jahresabschlüssen und Gewinnverwendungsbeschlüssen zu versagen war (dies betrifft Beschlüsse bezüglich der Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014), besteht kein Auskunftsanspruch. Denn die Anerkenntniswirkung der Zustimmung des Erblassers zu diesen Jahresabschlüssen und Gewinnverwendungsbeschlüssen verhindert nicht nur Einsichtsansprüche, sondern auch Auskunftsansprüche, die zur Überprüfung der Richtigkeit der Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse geltend gemacht werden.
85
b. Soweit ein Einsichtsanspruch des Klägers hinsichtlich der Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse für das Jahr 2021 und späterer Jahre verneint wurde, hat der Kläger ebenfalls keinen Auskunftsanspruch. Denn diese Zeiträume liegen nach dem Ausscheiden des Erblassers bzw. des Erben als seines Rechtsnachfolgers aus der Beklagten.
86
Entgegen der Ansicht der Berufung hat das Landgericht dagegen den Klageantrag zu 2.2 (Hintergrund der Berechnung der Position „handelsrechtliche Entnahme“ in Höhe von 824.537,60 € durch das Finanzamt … auf S. 5 des Bescheidauszugs laut Anl. K 19) zu Recht zugesprochen.
87
a. Der Erbe war entgegen der Ansicht der Berufung (vgl. Berufungsbegründung S. 9 Mitte) nicht durch seine Zustimmung zu den Jahresabschlüssen für die Jahre 2010 bis 2014 und den diesbezüglichen Gewinnverwendungsbeschlüssen an der Geltendmachung der Auskunft gehindert. Denn das darin liegende Anerkenntnis des Erblassers (vgl. oben unter II 1 c ee) führt nur dazu, dass der Erbe als sein Rechtsnachfolger eine auf die Geschäftsjahre 2010 bis 2014 bezogene Auskunft zur Überprüfung der Jahresabschlüsse nicht mehr verlangen kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18.01.1993 – 8 U 132/92, NJW-RR 1994, 933, 935). Die mit Klageantrag zu 2.2 verlangte Auskunft bezieht sich jedoch nicht auf die durch die Gesellschafter der Beklagten beschlossenen Jahresabschlüsse und Gewinnverwendungsbeschlüsse, sondern auf Festsetzungen des Finanzamts … auf der Basis einer im Jahr 2016 durchgeführten Betriebsprüfung bei der Beklagten. Dass diese Festsetzungen des Finanzamts … vom Erblasser nicht mehr überprüft werden sollten, lässt sich dem in der Zustimmung zu den Jahresabschlüssen liegenden Anerkenntnis des Erblassers nicht entnehmen. Eine solche Annahme scheidet im Übrigen schon deswegen aus, weil die Betriebsprüfung im Jahr 2016 stattfand, der Erblasser die Zustimmung zu den Jahresabschlüssen 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 aber bereits mit Schreiben vom 09.09.2015 laut Anl. K 25 erteilt hatte.
88
b. Mit der Bestandskraft der vom Finanzamt … in der Folge der Betriebsprüfung für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 erlassenen Steuerbescheide, lässt sich der Auskunftsanspruch laut Klageantrag zu 2.2 auch nicht verneinen. Denn der Gesellschaftsvertrag der Beklagten sieht in § 21 Abs. 1 S. 1 die Erstellung einer Einheitsbilanz vor (Aufstellung des Jahresabschlusses „unter Beachtung der steuer- und handelsrechtlichen Vorschriften“), sodass Abweichungen von den steuerlichen Festsetzungen des Finanzamts nicht von vorneherein ausgeschlossen sind.
89
c. Soweit die Berufung schließlich bemängelt, dass das Landgericht dem Kläger einen Anspruch auf „Informationen“ und nicht nur Auskunft zuspreche (Berufungsbegründung S. 10 Mitte, Bl. 15 d.A.), ist dies nicht nachvollziehbar. Die beiden Begriffe sind synonym verwendet, was sich schon aus dem Wortlaut der Antragstellung ergibt; „Beklagte wird verurteilt, dem Kläger Auskunft (…) zu erteilen: (…) Informationen zu (…)“.
90
Ohne Erfolg bleiben auch die Einwände der Berufung zu der vom Landgericht zugesprochenen Auskunft über die im Jahresabschluss ausgewiesenen „Aufwendungen aus Verlustübernahme“ in Höhe von 534.706,59 €.
91
a. Eine Zustimmung des Erblassers zum Jahresabschluss 2009 ist von der Beklagten nicht vorgetragen, sodass der Auskunftsanspruch auch nicht wegen eines etwaigen Anerkenntnisses in Wegfall kommen würde.
92
b. Auf die Feststellungen des Finanzamts … kommt es schon deshalb nicht an, weil der Jahresabschluss 2009 nicht im Prüfungszeitraum (Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012) lag.
93
c. Zur behaupteten Ausdehnung des Auskunftsanspruchs auf „Informationen“ gilt das oben unter 2 c Ausgeführte.
94
Ohne Erfolg bleiben auch die Angriffe der Berufung gegen die Zuerkennung des Klageantrags zu 2.4.
95
a. Hinsichtlich dieses Auskunftsanspruchs aus § 242 BGB darüber, wieso trotz Vorhandenseins eines nicht durch Vermögenseinlagen gedeckten Verlustanteils der Kommanditisten in Höhe von 2.920.323, 56 € kein Insolvenzantrag über das Vermögen der Beklagten gestellt wurde (Klageantrag zu 2.4), wendet die Berufung zunächst ein (vgl. Berufungsbegründung S. 10 oben, Bl. 15 d.A.), dass der Kläger diese Information zur Berechnung seines Abfindungsguthabens nicht benötige. Dies ist jedoch – wie oben unter II 1 a dargelegt – im Hinblick auf die Möglichkeit des Unterbleibens eines Insolvenzantrags aufgrund des Vorhandenseins stiller Reserven und einer dann möglicherweise notwendigen Anpassung des Abfindungsguthabens des Erben nach § 26 Abs. 1 S. 3 GV unzutreffend.
96
b. Auch der Auskunftsanspruch laut Klageantrag zu 2.4 scheidet entgegen der Ansicht der Berufung (Berufungsbegründung S. 9 Mitte, Bl. 14 d.A.) nicht wegen der Zustimmung des Erblassers zu den Jahresabschlüssen der Beklagten für die Jahre 2010, 2011, 2012, 2013 und 2014 und den darauf basierenden Gewinnverwendungsbeschlüssen aus. Denn wie bereits oben dargelegt führt das darin liegende Anerkenntnis des Erblassers nur dazu, dass der Erbe als sein Rechtsnachfolger eine auf die Geschäftsjahre 2010 bis 2014 bezogene Auskunft zur Überprüfung der Jahresabschlüsse nicht mehr verlangen kann (vgl. OLG Hamm, Urteil vom 18.01.1993 – 8 U 132/92, NJW-RR 1994, 933, 935). Darum geht es aber bei der verlangten Auskunft zu den Gründen für ein Unterbleiben eines Insolvenzantrags gerade nicht. Denn die Auskunft zielt darauf ab zu erfahren, aus welchen Gründen das Vertretungsorgan der Beklagten keinen Insolvenzantrag stellte. Dies ergibt sich jedoch nicht aus den Jahresabschlüssen. Insbesondere lässt sich weder aus der Bilanz allein noch aus der Gewinn- und Verlustrechnung entnehmen, ob stille Reserven vorhanden sind, die gegebenenfalls eine Insolvenzantragsstellung entbehrlich machen.
97
c. Was sich für die Frage der unterbliebenen Insolvenzantragstellung – insbesondere bezüglich etwaiger stiller Reserven – aus den Feststellungen des Finanzamts … laut Anl. K 19 und dem diesbezüglichen Vortrag der Beklagten im Schriftsatz der Beklagtenvertreterin vom 17.02.2022 (dort S. 2, Bl. 54 d.A.) entnehmen lassen soll, erschließt sich nicht. Aus dem vorgelegten Bescheidauszug, aus dem weder die Erlassbehörde, das Bescheiddatum, die Steuerart, der Steuerschuldner noch der Tenor ersichtlich sind, ergibt sich nichts zum streitgegenständlich maßgeblich interessierenden Vorhandensein stiller Reserven noch zu etwaigen Insolvenzgründen. Auch die Berufung erläutert nicht, was sich aus dem Bescheidauszug und dem Vortrag zur Betriebsprüfung des Finanzamts … für die Veranlagungszeiträume 2010 bis 2012 ergeben soll (vgl. Berufungsbegründung S. 9 unten, Bl. 14 d.A.).
98
d. Zur behaupteten Ausdehnung des Auskunftsanspruchs auf „Informationen“ gilt das oben unter 2 c Ausgeführte.
99
I. Der Ausspruch zu den Kosten folgt aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1 ZPO und entspricht dem jeweiligen Obsiegen und Unterliegen der Parteien.
100
II. Die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 713 ZPO.
101
III. Die Revision gegen dieses Urteil war nicht zuzulassen, da ein Revisionsgrund nicht vorliegt.