Inhalt

FG München, Beschluss v. 26.06.2025 – 14 K 2182/23
Titel:

Verwendung von Treibstoff zu Testzwecken

Normenketten:
EnergieStG für 2021 § 25, § 47 Abs. 1 Nr. 3
RL 2003/96/EG Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 1
Leitsatz:
Der EuGH hat zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der RL 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (RL 92/81/EWG) entschieden (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 29. April 2004 – C-240/01, ECLI:EU:C:2004:251), dass eine Verwendung zum Verheizen immer dann vorliegt, wenn Energieerzeugnisse verbrannt werden und die so erzeugte thermische Energie zum Heizen genutzt wird, und zwar unabhängig vom Zweck des Heizens, der auch die Umwandlung oder Vernichtung des Stoffes umfassen kann, auf den die thermische Energie bei einem chemischen und industriellen Prozess übertragen wird,  (Rn. 22). (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Verwendung „als Heizstoff“ bei Erzeugung von Messdaten, Heizstoff, Vorlagefrage, Propanverbrennung, Aussetzung, Verbrennungswärme, Realbedingung, Energieerzeugnis, Harmonisierung, Verwendung, Testzweck, Verbrauchssteuer
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20147

Tenor

1. Der Gerichtshof der Europäischen Union wird gemäß Artikel 267 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union um eine Vorabentscheidung zu folgender Frage ersucht:
Ist der Begriff der Verwendung „als Heizstoff“ im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 1. Anstr. der RL 2003/96/EG des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EU L 283/51) dahingehend auszulegen, dass er Propan erfasst, das beim Test eines Brenners unter Realbedingungen verbrannt wird, um Messdaten zu erzeugen, und die entstandene Verbrennungswärme nachfolgend nicht genutzt wird?
2. Das Verfahren wird bis zur Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union über die Vorabentscheidungsfrage ausgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Klägerin, eine GmbH & Co. KG, ist ein Unternehmen der Energietechnologie. Im Rahmen dessen betreibt sie an einem Standort Prüfstände für Brenner von Gasturbinen. Dazu führt die Klägerin Verbrennungstests („Combustion Testing“) in einem Druckbehälter (Test Rig) unter Realbedingungen durch. Mangels Nachschaltung einer Turbine wird die erzeugte Energie (Wärme) nicht in eine drehende Bewegung umgesetzt. Im Streitjahr 2021 verbrauchte sie dabei insgesamt 51.509,279 kg Propangas. Dieses hatte sie versteuert bezogen.
2
Im Rahmen des Verbrennungstests werden vor dem Verbrennungsprozess die Versuchsluft und das streitgegenständliche Propan erwärmt. Hierfür wird nicht streitgegenständliches Erdgas verbrannt.
3
Die vorgewärmte Luft und das vorgewärmte (gasförmige) Propan werden dann zusammen mit vorgewärmtem Erdgas verbrannt. Es finden verschiedene Testszenarien für verschiedene Gasturbinentypen bei unterschiedlichen Temperaturen statt. Je nach Testszenario werden verschiedene Daten erhoben (z.B. Massenströme: Gas/Luft, Druck, Temperatur, Gaskompositionsmessungen, Schwingungsmessungen, Spannungsmessungen). Es finden zudem optische Messungen statt. Die Messungen dienen dazu, um daraus Schlussfolgerungen für die Optimierung der Verbrennungssysteme zu ziehen. Die testrelevante Datenerhebung erfolgt dabei ausschließlich am Brenner selbst und nicht in dem Druckbehälter. Es finden auch Messungen am Druckbehälter statt. Diese sind nicht testrelevant und werden aus Sicherheitsgründen durchgeführt.
4
In den Testszenarien der Klägerin besteht der Hauptzweck der Simulation in der Volumenexpansion/Expansionseigenschaft (Druck) des eingesetzten Gases. Insgesamt wird angestrebt, eine hohe Effizienz bei möglichst niedriger Emission sowie stabiler Flamme zu erreichen. Eine hohe Temperatur bedeutet dabei im Echtbetrieb einen hohen Wirkungsgrad der Turbine. Die Messung der Temperatur im Test ist zudem zur Sicherung der Materialbeständigkeit erforderlich. Messergebnisse in den Bereichen Druck, Emission und Schwingungsverhalten der Flamme sind für die Testszenarien ebenso gleichwertig testrelevante Aussagewerte. Tests werden mit unterschiedlichen Prototypen und unterschiedlichen „Fahrweisen“, d.h. der Verteilung der Brennstoffmassenströme auf die verschiedenen Düsen, die in der Geometrie des jeweiligen Brenners vorgesehen sind, durchgeführt. Ohne echtbetriebsähnliche thermische Bedingungen würde die Klägerin nicht an aussagefähige Messwerte gelangen.
5
Die bei der Verbrennung des streitgegenständlichen Propangases entstehenden Abgase werden ohne Nutzung der entstandenen Verbrennungswärme direkt in die Umgebung abgelassen.
6
Der Beklagte (das Hauptzollamt) lehnte den Antrag der Klägerin auf Entlastung des im Testcenter eingesetzten Propans nach § 47 Abs. 1 Nr. 3 des Energiesteuergesetzes (EnergieStG) mit Bescheid vom 26. Juli 2023 ab, da ohne das Zünden des Propans zur Erzeugung von Wärme (und Druck) die Tests nicht möglich seien und das Propangas somit als Heizstoff verwendet worden sei. Den dagegen gerichteten Einspruch wies das Hauptzollamt mit Einspruchsentscheidung vom 11. Oktober 2023 als unbegründet zurück.
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Die Klägerin trägt mit ihrer Klage vor, die in der Testumgebung durch den Verbrennungsvorgang erzeugte Wärme falle zwar zwangsläufig an, werde tatsächlich aber nicht genutzt und sei auch nicht gewollt. Die erzeugte Wärme sei ein Abfallprodukt. Es läge kein Verbrennen zur Erzeugung von Wärme und damit kein Verheizen vor, denn es fehle an der Verwendung der erwärmten Umluft und somit der gewollten Ausnützung des Heizwertes. Nach der Rechtsprechung sei eine Verwendung als Heizstoff zwar unabhängig vom Zweck der Nutzung der thermischen Energie. Eine Verwendung als Heizstoff setze aber zwingend voraus, dass die Erzeugung der thermischen Energie bezweckt sei. Die mit der Verbrennung des Propangases verbundene Wärmeerzeugung erfülle im Rahmen der Tests keinen eigenen Zweck. Hauptzweck sei die Erzeugung von Testdaten bei der Testung der Brenner. Das Ziel der Tests sei nicht die Erzeugung oder Nutzung der Wärme. Im vorliegenden Fall entstehe durch das Verbrennen kein neuer Wärmeträger bzw. werde dieser nicht als Heizmittel eingesetzt, denn die durch die Verbrennung des Propangases erhitzte Luft werde in die Abluftschornsteine abgelassen.
8
Das Hauptzollamt trägt vor, die Verwendung des Propangases im Testcenter zur Durchführung von Brennertests stelle ein nicht steuerbegünstigtes Verheizen dar. Die Tests könnten nur dann zu verwertbaren Messdaten führen, wenn sie in definierten, den Echtbetrieb thermisch simulierenden Bedingungen stattfinden. Die Klägerin nutze die bei der Verbrennung des Gases entstehende Wärmeenergie damit bewusst und gewollt aus, um ihr wirtschaftliches Ziel, die Erlangung aussagefähiger Ergebnisse bei der Prüfung der Materialsowie der Verbrennungs- und Abgasqualität zu erreichen. Dies sei der Zweck der Verbrennung und stelle die Nutzung der durch die Brenner erzeugten Wärme dar. Zweck des Verbrennens sei die Erlangung der Echtbetriebstemperatur, um die Tests durchführen zu können. Auf eine nachfolgende, weitere Nutzung der heißen Abgase sei nicht abzustellen.
II.
9
1. Für die Entscheidung über die Vorlagefrage ist folgende Bestimmung des deutschen Energiesteuergesetzes vom 15. Juli 2006 (Bundesgesetzblatt Teil I, 2006 Seite 1534; 2008 Seite 660, 1007), das zuletzt durch Artikel 3 des Gesetzes vom 27. März 2024 (Bundesgesetzblatt Teil I, 2024 Nr. 107) geändert worden ist, von Bedeutung:
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§ 1a EnergieStG Sonstige Begriffsbestimmungen Im Sinn dieses Gesetzes ist oder sind:
15. Flüssiggase: Waren der Unterpositionen 2711 12 bis 2711 19 der Kombinierten Nomenklatur;
11
§ 4 EnergieStG Anwendungsbereich
Die folgenden Energieerzeugnisse unterliegen dem Steueraussetzungsverfahren (§ 5):
4. Waren der Position 2711 der Kombinierten Nomenklatur mit Ausnahme der Unterpositionen 2711 11, 2711 21 und 2711 29 der Kombinierten Nomenklatur, …
12
§ 25 EnergieStG Steuerbefreiung für Verwendungen zu anderen Zwecken
(1) 1Energieerzeugnisse im Sinn des § 4 dürfen steuerfrei verwendet werden zu anderen Zwecken als
1.
zur Verwendung als Kraft- oder Heizstoff,
2.
13
§ 47 EnergieStG Steuerentlastung bei Aufnahme in Betriebe und bei steuerfreien Zwecken
(1) Eine Steuerentlastung wird auf Antrag gewährt
3. für nachweislich versteuerte Schweröle, Erdgase, Flüssiggase und gasförmige Kohlenwasserstoffe sowie ihnen nach § 2 Absatz 4 und 4a gleichgestellte Energieerzeugnisse, die zu den in § 25 genannten Zwecken verwendet worden sind, …
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2. Nach Auffassung des Senats kommt es für die Entscheidung des Streitfalls auf Vorschriften der RL 2003/96/EG (RL 2003/96/EG) des Rates vom 27. Oktober 2003 zur Restrukturierung der gemeinschaftlichen Rahmenvorschriften zur Besteuerung von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom (ABl. EU L 283/51) an. Bei der Auslegung dieser Richtlinie bestehen Zweifel, die für den Streitfall entscheidungserheblich sind:
15
Art. 2 RL 2003/96/EG bestimmt:
(1) Als Energieerzeugnisse im Sinne dieser Richtlinie gelten die Erzeugnisse:
16
b) der KN-Codes 2701, 2702 und 2704 bis 2715;
(4) Diese Richtlinie gilt nicht für:
b) für folgende Verwendungen von Energieerzeugnissen und elektrischem Strom:
- für Energieerzeugnisse, die für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werden;
III.
17
Der Senat setzt das Klageverfahren aus (§ 74 der Finanzgerichtsordnung) und legt dem Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) gemäß Artikel 267 Unterabsatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union die im Tenor formulierte Frage zur Vorabentscheidung vor.
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Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt davon ab, ob „für andere Zwecke als als Heizstoff verwendet“ im Sinne des Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 1. Anstr. RL 2003/96/EG dergestalt auszulegen ist, dass eine Verwendung „als Heizstoff“ auch die Verwendung zur Erzeugung einer Testumgebung zur Erlangung von Messdaten umfasst.
19
Anspruchsgrundlage für das Begehren der Klägerin ist § 47 EnergieStG. Fraglich ist insofern lediglich, ob das streitgegenständliche Propan (mit der KN 2711 12 und damit ein Energieerzeugnis nach § 1a Satz 1 Nr. 15 und § 4 Nr. 4 EnergieStG) zu den in § 25 EnergieStG genannten Zwecken verwendet worden ist. In Betracht kommt die Verwendung zu anderen Zwecken als zur Verwendung als Kraft- oder Heizstoff (§ 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG). Wenn die streitgegenständliche Verwendung des Propans nicht als Verwendung „als Heizstoff“ im Sinne der RL 2003/96/EG erfasst ist, liegt auch keine Verwendung als Heizstoff im Sinne des entsprechend auszulegenden § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG vor und die Klägerin hätte einen Erstattungsanspruch.
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Der Begriff Verwendung „als Heizstoff“ im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EnergieStG geht zurück auf Art. 2 Abs. 4 Buchst. b 1. Anstr. RL 2003/96/EG. Darin ist geregelt, dass die RL 2003/96/EG nicht für Energieerzeugnisse gilt, die für andere Zwecke als als Heiz- oder Kraftstoff verwendet werden.
21
Der Begriff der Verwendung „als Heizstoff“ wird in der RL 2003/96/EG nicht definiert. Auch ein Vergleich mit anderen Sprachfassungen (vgl. z.B. „as heating fuels“, „de combustible“, „combustible para calefacción“, „come combustibile per riscaldamento“, „verwarmingsbrandstof“ oder „brændsel til opvarmning“) führt nicht weiter. Allerdings ist der Begriff autonom unionsrechtlich auszulegen. Denn nach der Rechtsprechung des EuGH soll es nicht den Mitgliedstaaten überlassen werden, die Verwendungen zu definieren, die nicht der RL 2003/96/EG unterfallen. Eine solche Möglichkeit berge nämlich die Gefahr voneinander abweichender Definitionen, was die einheitliche Bestimmung des Steuertatbestands durch diesen Artikel beeinträchtigte (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 29. April 2004 – C-240/01, ECLI:EU:C:2004:251, Rn. 45).
22
Der EuGH hat zu Art. 2 Abs. 2 Satz 1 der RL 92/81/EWG des Rates vom 19. Oktober 1992 zur Harmonisierung der Struktur der Verbrauchsteuern auf Mineralöle (RL 92/81/EWG) entschieden (EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 29. April 2004 – C-240/01, ECLI:EU:C:2004:251), dass eine Verwendung zum Verheizen immer dann vorliegt, wenn Energieerzeugnisse verbrannt werden und die so erzeugte thermische Energie zum Heizen genutzt wird, und zwar unabhängig vom Zweck des Heizens, der auch die Umwandlung oder Vernichtung des Stoffes umfassen kann, auf den die thermische Energie bei einem chemischen und industriellen Prozess übertragen wird. Insofern wurde der Auffassung widersprochen, dass unter Verheizen das Verbrennen von Energieerzeugnissen zur Erzeugung von Wärme zu verstehen sei, die ganz oder teilweise auf einen anderen Stoff übertragen wird, dem die Eigenschaft eines neuen Energie- oder Wärmeträgers zukommen muss und der neue Wärmeträger als Heizmittel eingesetzt werden muss (vgl. EuGH-Urteil Kommission/Deutschland vom 29. April 2004 – C-240/01, ECLI:EU:C:2004:251, Rn. 48). Wie der Bundesfinanzhof geht auch der vorlegende Senat davon aus, dass die Rechtsprechung des EuGH zur Auslegung von Art. 2 Abs. 2 RL 92/81/EWG weiterhin Geltung beanspruchen kann (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 28. Oktober 2008 – VII R 6/08, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs – BFHE – 223, 280, Rn. 12).
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Nach dieser Rechtsprechung setzt eine Verwendung „als Heizstoff“ die Übertragung von thermischer Energie auf einen anderen Stoff voraus. Zweifelhaft ist aber, ob eine Verwendung zu Testzwecken ausreicht.
24
Im Streitfall findet nur im geringfügigen Umfang eine Übertragung der durch die Verbrennung des Propans freigesetzten thermischen Energie auf das jeweilige Temperaturmessgerät statt, so dass eine Temperaturmessung stattfinden kann. Im Übrigen wird die thermische Energie auf das in der Testkammer befindliche Gasgemisch übertragen. Auch dies trägt zu realen Testbedingungen bei, die für die Messungen erforderlich sind. Nachfolgend wird die Wärme der Abgase aber nicht weiter genutzt. Hauptzweck des Verbrennungsvorgangs ist die Generierung einer Vielzahl von Messdaten, die sich nicht auf das Wärmeverhalten der eingesetzten Materialien beschränken.
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Obwohl somit nach Auffassung des Senats eine Wärmeübertragung zu Messzwecken vorliegt und nach der Rechtsprechung des EuGH die Zwecke des Heizens insgesamt unerheblich dafür sind, ob eine Verwendung als Heizstoff vorliegt, hat der Senat Zweifel, ob die Nutzung zu den im Streitfall vorliegenden Zwecken vom Begriff der Verwendung „als Heizstoff“ im Sinne der RL 2003/96/EG erfasst wird, da es sich lediglich um das Generieren von Messdaten und keine Ausnutzung des Propans als Energiequelle im herkömmlichen Sinne handelt.