Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 08.08.2025 – 101 VA 62/25
Titel:

Hinterlegungsstelle, Vollstreckbare Ausfertigung, Antrag auf gerichtliche Entscheidung, Auseinandersetzungsplan, Vollstreckbarkeit, Hinterlegungsverfahren, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Bewilligungserklärung, Herausgabeanordnung, Willenserklärungen, Erbengemeinschaft, Nachweis der Empfangsberechtigung, Notarurkunde, Formelle Rechtskraft, Bestätigungsbeschluss, vollstreckbare Urkunden, Beschwerdebescheid, Aufhebung eines Verwaltungsaktes, Hinterlegter Betrag, notarielle Urkunden

Leitsätze:
1. Zur Darlegung der Antragsbefugnis genügt die konkrete Bezugnahme auf den mit dem Antrag auf gerichtliche Entscheidung angefochtenen Justizverwaltungsakt, wenn sich aus dessen Inhalt ohne Weiteres ergibt, dass und in welchem subjektiven Recht der Antragsteller im Fall der Rechtswidrigkeit verletzt wäre. 
2. Die vollstreckbare Ausfertigung einer Notarurkunde über die Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft, die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit in Teilungssachen errichtet worden ist, kann Grundlage für die Auszahlung eines hinterlegten Geldbetrags oder eines Teils davon sein, wenn neben den schuldrechtlichen Regelungen über die Auseinandersetzung die Bewilligungserklärungen der am Hinterlegungsverfahren Beteiligten beurkundet sind.   
3. Wird die Herausgabebewilligung eines am Hinterlegungsverfahren Beteiligten gesetzlich fingiert, ist eine ausdrückliche Bewilligungserklärung dieses Beteiligten nicht mehr erforderlich. 
Schlagworte:
Erbengemeinschaft, Nachlassauseinandersetzung, Hinterlegungsverfahren, Herausgabebewilligung, Notarurkunde, Empfangsberechtigung, Rechtskraft
Vorinstanzen:
AG Rosenheim vom -- – 56 HL 133/21
AG Rosenheim vom -- – 56 HL 59/23
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20130

Tenor

I. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung wird als unbegründet zurückgewiesen.
II. Der Geschäftswert wird auf … € festgesetzt.
III. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt die Aufhebung zweier Auszahlungsanordnungen, die von der Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Rosenheim in den Hinterlegungssachen 56 HL 133/21 und 56 HL 59/23 am 15. Januar 2025 erlassen und mit Beschwerdebescheiden des Amtsgerichts Rosenheim vom 9. April 2025 bestätigt worden sind.
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Im Verfahren 56 HL 133/21 ordnete die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Rosenheim am 21. Dezember 2021 auf Antrag des Amtsgerichts Rosenheim – Vollstreckungsgericht – die Hinterlegung eines Geldbetrags in Höhe von … € an. Im Verfahren 56 HL 59/23 ordnete dieselbe Hinterlegungsstelle am 7. September 2023 auf Antrag des Amtsgerichts Rosenheim – Vollstreckungsgericht – die Hinterlegung eines Geldbetrags in Höhe von … € an.
3
In beiden Hinterlegungsverfahren wurden die Antragstellerin und S. St. (jun.) als mögliche Empfänger der Hinterlegungssumme benannt. Die möglichen Empfänger waren nach verschiedenen Erbgängen und einer Erbanteilsübertragung Mitglieder einer nicht auseinandergesetzten Erbengemeinschaft. Bei den hinterlegten Beträgen handelt es sich jeweils um den Übererlös aus Versteigerungsverfahren (801 K 37/18 und 801 K 19/22), der an die Mitglieder der Erbengemeinschaft als bisherige Eigentümer der versteigerten Grundstücke mangels Einigung über die Auseinandersetzung nicht ausgezahlt werden konnte.
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Mit Anwaltsschriftsatz vom 13. Dezember 2024 beantragte S. St. jun. die Auszahlung eines Betrags in Höhe von YYY € aus der Hinterlegungssumme im Verfahren 56 HL 133/21 und eines Betrags in Höhe von YYY € aus der Hinterlegungssumme im Verfahren 56 HL 59/23. Zum Nachweis seiner Empfangsberechtigung legte er die ihm am 12. Dezember 2024 erteilte vollstreckbare Ausfertigung der unter UVZNr. ...1/2024 erstellten Urkunde der Notarin V. S. im Original vor.
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In dem unter UVZNr. ...1/2024 geführten Vorgang beurkundete die Notarin S. die Auseinandersetzung des Nachlasses gemäß den Erklärungen der Erschienenen in der vor ihr am 11. September 2024 durchgeführten Verhandlung über den
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Auseinandersetzungsplan. Erschienen waren S. St. jun., der als Miterbe am Nachlass berechtigt war, und S. St. sen., der als Gläubiger titulierter Kostenforderungen eine Berechtigung am Nachlass aufgrund eines Pfändungs- und Überweisungsbeschlusses des Amtsgerichts Dresden geltend machte, mit dem der Miterbenanteil der Antragstellerin einschließlich des Rechts auf Nachlassauseinandersetzung zu seinen Gunsten wegen einer Forderung von ZZZ € zuzüglich Zinsen aus ZZZ € gepfändet und zur Einziehung überwiesen worden war. Nicht erschienen war die Miterbin E. F., die Antragstellerin im vorliegenden Verfahren. Gemäß dem einleitenden Teil der Urkunde kündigte die Notarin nach Feststellung der Präsenz an, um Erteilung der öffentlichen Nachgenehmigung zu ersuchen. Gemäß Ziffer III.2. belehrte die Notarin darüber, dass die Auseinandersetzung ohne die Zustimmung nicht erschienener Beteiligter nicht wirksam sei. In der Eigenurkunde vom 12. Dezember 2024, die in Ablichtung zum Bestandteil der gehefteten, mit Schnur und Siegel verbundenen notariellen Vollstreckungsurkunde gemacht ist, stellte die Notarin unter Bezugnahme auf eine beigefügte Auskunft des Amtsgerichts Rosenheim – Abteilung für Nachlasssachen – fest, dass der beurkundete Auseinandersetzungsplan vom 11. September 2024 wirksam geworden sei.
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Ziffer II. der Notarurkunde regelt die Auseinandersetzung unter den am Nachlass berechtigten Personen. Gemäß Ziffer II.3. erhält S. St. jun. einen Hälfteanteil an dem unter dem Zeichen 56 HL 133/21 hinterlegten Betrag abzüglich eines Betrags in Höhe von 4.675,72 €, der vorab aus dem Hälfteanteil des S. St. jun. an die Antragstellerin zur Ausgleichung auszukehren sei. Er erhält außerdem einen Hälfteanteil an dem unter dem Zeichen 56 HL 42/23 (neu hinterlegt unter dem Zeichen 56 HL 59/23) hinterlegten Betrag. S. St. sen. erhält sodann aus der unter dem Zeichen 56 HL 133/21 hinterlegten Summe einen Betrag in Höhe von ZZZ € zzgl. Tageszinsen von … € ab dem 13. September 2023. E. F. erhält den Betrag in Höhe von 4.675,72 € sowie den nach Herausgabe an S. St. jun. und S. St. sen. verbleibenden Restbetrag aus der unter dem Zeichen 56 HL 133/21 hinterlegten Summe und die Hälfte des unter dem Zeichen 56 HL 42/23 (neu 56 HL 59/23) hinterlegten Betrags. Gemäß Ziffer II.4. der Urkunde beantragen und bewilligen S. St. jun., S. St. sen. und die hiesige Antragstellerin gegenüber dem Amtsgericht Rosenheim die Auszahlung der unter den oben genannten Zeichen hinterlegten Geldbeträge.
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Mit Bescheiden vom 15. Januar 2025 ordnete die Hinterlegungsstelle des Amtsgerichts Rosenheim antragsgemäß die Herausgabe eines Betrags in Höhe von YYY € aus der im Verfahren 56 HL 133/21 hinterlegten Geldsumme und eines Betrags in Höhe von YYY € aus der im Verfahren 56 HL 59/23 hinterlegten Geldsumme an S. St. jun. an. Zur Begründung wurde unter Bezugnahme auf Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG ausgeführt, die Herausgabebewilligung liege vor.
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Gegen die Bescheide vom 15. Januar 2025 legte die Antragstellerin mit Schreiben vom 31. Januar 2025 Beschwerde ein. Sie machte geltend, dass eine Herausgabebewilligung ihrerseits nicht vorliege. Zu dem ihr übermittelten Herausgabeantrag nebst Begründung führte sie weiter aus, dass sie weder ihre Zustimmung zur unter UVZNr. ...1/2024 beurkundeten Auseinandersetzung erteilt habe noch auf Abgabe einer entsprechenden Erklärung verklagt worden sei. Der Notarvertrag entfalte daher keine Rechtskraft. Auch die Voraussetzungen des § 366 Abs. 3 FamFG seien nicht erfüllt, da aus dem Notarvertrag und dem Vorblatt zur Zustellungssendung nicht hervorgehe, dass bei einem Widerspruch gegen den Vertrag ein Handlungsbedarf des Empfängers bestehe, und da die Notarin selbst darüber belehrt habe, dass die Auseinandersetzung ohne Zustimmung nicht erschienener Beteiligter nicht wirksam sei. Es liege zudem noch keine Teilungsreife vor. Ihr stünden außerdem Schadenersatzansprüche zu, die im Plan nicht berücksichtigt seien. Schließlich sei der Notarvertrag, der sie grob benachteilige und dem sie widerspreche, nichtig, weil er nicht den gesamten im Nachlassverzeichnis aufgelisteten Nachlass umfasse.
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Mit Bescheiden vom 9. April 2025 wies die Direktorin des Amtsgerichts Rosenheim die Beschwerden der Antragstellerin zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin den Auszahlungen eine wirksame Herausgabebewilligung zugrunde liege. Vor der Notarin S. habe am 11. September 2024 eine Auseinandersetzungsverhandlung gemäß § 365 FamFG stattgefunden, zu der die Antragstellerin ordnungsgemäß geladen gewesen sei. Die Auszahlungen an die Beteiligten dieser Verhandlung seien in Ziffer 3 (gemeint: III.3) der Urkunde geregelt. Gemäß den von der Notarin überlassenen Unterlagen seien der Antragstellerin der Inhalt der Urkunde mit Beschluss vom 15. September 2024, zugestellt am 19. September 2024, bekannt gegeben und ihr der Hinweis erteilt worden, dass sie unter den im Beschluss genannten Voraussetzungen die Anberaumung eines neuen Termins beantragen könne. Mit weiterem Beschluss vom 14. Oktober 2024, welcher der Antragstellerin am 20. Oktober 2024 zugestellt worden sei, sei die Auseinandersetzung durch die Notarin bestätigt worden. Dagegen habe die Antragstellerin ausweislich der Bestätigung des Nachlassgerichts vom 11. Dezember 2024 kein Rechtsmittel eingelegt. Somit seien die Voraussetzungen des §§ 368, 366 Abs. 3 FamFG erfüllt. Gemäß § 371 FamFG sei die Auseinandersetzung damit rechtskräftig, vollstreckbar und für alle Beteiligten verbindlich geworden wie eine vertragliche Vereinbarung oder Auseinandersetzung. Die Auszahlungen entsprächen dem Auseinandersetzungsplan, der inhaltlich nicht von der Hinterlegungsstelle zu prüfen sei.
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Die Antragstellerin hat gegen die ihr am 17. April 2025 zugestellten Bescheide mit Fax vom 16. Mai 2025, eingegangen an diesem Tag beim Bayerischen Obersten Landesgericht, Antrag auf gerichtliche Entscheidung gemäß § 23 EGGVG gestellt. Darin hat sie unter konkreter Bezugnahme auf die in den Hinterlegungssachen ergangenen Beschwerdeentscheidungen zu erkennen gegeben, dass sie nach ihrer Ansicht Betroffene der für falsch erachteten Entscheidungen ist. Für eine weitere Begründung ihres Antrags hat sie unter Verweis auf ihren Klinikaufenthalt um Fristverlängerung gebeten.
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Auf den Hinweis, dass gemäß § 24 Abs. 1, § 26 Abs. 1 EGGVG ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig ist, wenn eine Verletzung in eigenen Rechten geltend gemacht wird, hat die Antragstellerin vorsorglich Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Sie hat zur Begründung geltend gemacht, dass die Rechtsbehelfsbelehrungin den Beschwerdebescheiden unzureichend gewesen sei, weil darin nur auf die Frist, nicht aber auf die inhaltlichen Voraussetzungen eines Antrags auf gerichtliche Entscheidung hingewiesen worden sei.
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Sie hat des Weiteren geltend gemacht, dass sie durch die Bescheide in eigenen Rechten verletzt sei, weil das Amtsgericht den Beschwerdeentscheidungen einen unrichtigen Sachverhalt zugrunde gelegt habe. Zum einen sei eine Ladung zur Auseinandersetzungsverhandlung nie bei ihr eingegangen. Zum anderen sei § 366 Abs. 3 FamFG nicht erfüllt. Ein entsprechender Nachweis liege nicht vor und sei vom Amtsgericht nicht einmal angefordert worden. Der ihr am 19. September 2024 zugestellte Auseinandersetzungsplan beinhalte gerade keinen Hinweis darauf, dass sie die Anberaumung eines neuen Termins beantragen könne. Ein angeblicher Beschluss vom 14. Oktober 2024 liege ihr nicht vor. Des Weiteren wiederhole sie ihre mit der Beschwerde vorgebrachten Einwände, die teilweise vom Amtsgericht gar nicht gewürdigt worden seien. Der ohne ihre Mitsprache aufgestellte Auseinandersetzungsplan, der sie grob benachteilige und dem sie nachträglich widersprochen habe, entfalte keine Rechtskraft, weshalb eine Auszahlung auf dieser Grundlage hätte verweigert werden sollen.
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Der Antragsgegner hat unter Vorlage der Hinterlegungsakten 56 HL 133/21 und 56 HL 59/23 beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung als unzulässig zu verwerfen. Wiedereinsetzungsgründe lägen nicht vor. Im Übrigen seien die Anträge auch in der Sache unbegründet. Die Herausgabe an S. St. jun. sei aus den in den Beschwerdebescheiden ausgeführten Gründen zu Recht erfolgt.
II.
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Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung, mit dem die Antragstellerin durch Bezugnahme auf die Beschwerdebescheide noch ausreichend zu erkennen gegeben hat, dass sie sich durch die ergangenen Herausgabeanordnungen in ihrer Rechtsstellung als mögliche Empfangsberechtigte verletzt sieht, ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet.
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1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 Abs. 1 EGGVG ist zulässig.
17
a) Das Bayerische Oberste Landesgericht ist für das Verfahren über Anträge gemäß §§ 23 ff. EGGVG nach § 25 Abs. 1 und 2 EGGVG i. V. m. Art. 12 Nr. 3 AGGVG zuständig.
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b) Die Antragstellerin hat den Antrag auf gerichtliche Entscheidung in der nach § 26 Abs. 1 EGGVG vorgeschriebenen Frist und Form bei Gericht eingereicht.
19
c) Die Antragstellerin ist antragsbefugt, § 24 Abs. 1 EGGVG. Weil sich aus den bereits in der Antragsschrift konkret in Bezug genommenen Beschwerdebescheiden der Direktorin des Amtsgerichts Rosenheim vom 9. April 2025 ergibt, dass sich die Antragstellerin in ihren Rechten als mögliche Empfängerin der hinterlegten Geldbeträge durch die am 15. Januar 2025 zugunsten des weiteren möglichen Empfängers ergangenen Herausgabeanordnungen verletzt sieht, bedarf es keiner Wiedereinsetzung in den vorigen Stand.
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Nach § 24 Abs. 1 EGGVG ist der Antrag auf gerichtliche Entscheidung nur zulässig, wenn der Antragsteller geltend macht, durch die Maßnahme der Justizverwaltung, deren gerichtliche Überprüfung er begehrt, oder durch die Ablehnung oder Unterlassung einer Maßnahme der Justizverwaltung in seinen Rechten verletzt zu sein. Dieses Begründungserfordernis ist der Regelung in § 42 Abs. 2 VwGO vergleichbar, wonach eine Klage, mit der die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder die Verurteilung zum Erlass eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt wird, nur zulässig ist, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein. Die Vorschriften zur erforderlichen Antrags- bzw. Klagebefugnis verfolgen auch denselben Zweck. Verhindert werden sollen Popularklagen, bei denen der Einzelne als „Hüter des Rechts“ auftritt. Die gerichtlichen Verfahren zur Überprüfung von Maßnahmen der (Justiz-)Verwaltung dienen nicht der objektiven Rechtskontrolle, sondern dem Individualrechtsschutz (vgl. Köhnlein in BeckOK GVG, 27. Ed. Stand: 15. Mai 2025, EGGVG § 24 Rn. 1; Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, 74. Ed. Stand: 1. April 2025, § 42 Rn. 108 f.).
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Danach sind im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG zumindest der ergangene Justizverwaltungsakt bzw. der Umstand, dass ein Justizverwaltungsakt abgelehnt oder unterlassen worden sei, und ein Sachverhalt vorzutragen, aus dem sich eine mögliche Rechtsbeeinträchtigung durch die angefochtene, abgelehnte oder unterlassene Maßnahme feststellen lässt. Denn es ist nicht Aufgabe des Gerichts, sich durch Beiziehung und Auswertung von Akten oder sonstigen Unterlagen erst den Gegenstand und die Gründe für das Antragsbegehren selbst zu erschließen (BayObLG, Beschluss vom 18. November 2020, 101 VA 136/20, juris Rn. 30; Köhnlein in BeckOK GVG, EGGVG § 24 Rn. 3). Vielmehr ist es für die Zulässigkeit des Antrags erforderlich, dass der Antragsteller einen aus sich heraus verständlichen Sachverhalt vorträgt und sein Vorbringen erkennen lässt, welches subjektive Recht durch welche – gegebenenfalls unterbliebene – Maßnahme der Justizverwaltung verletzt sein soll (Mayer in Kissel/Mayer, GVG, 11. Aufl. 2025, EGGVG § 24 Rn. 1).
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Seiner Vortragslast muss der Antragsteller nach herrschender Meinung innerhalb der Frist des § 26 Abs. 1 EGGVG nachkommen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. August 2024, 102 VA 108/24, juris Rn. 45 m. w. N.; Beschluss vom 2. März 2023, 203 VAs 495/22, juris Rn. 3 und 5 m. w. N.; OLG Braunschweig, Beschluss vom 25. Februar 2021, 1 VAs 1/21, juris Rn. 10; KG, Beschluss vom 23. November 2017, 5 VAs 26/17, juris Rn. 2; Köhnlein in BeckOK GVG, EGGVG § 24 Rn. 3; anders hingegen zu § 42 Abs. 2 VwGO: BayVGH, Urt. v. 24. Mai 2011, 22 A 10.40049, juris Rn. 19, wonach der Umstand, dass der Vortrag zur Klagebefugnis wegen möglicher Rechtsverletzung erst im Lauf des Klageverfahrens erfolgt ist, nicht die Zulässigkeit der Klage ausschließt; ebenso BayVGH, Urt. v. 24. Januar 2011, 22 A 09.40059, juris Rn. 47; Schmidt-Kötters in BeckOK VwGO, § 42 Rn. 210; anders möglicherweise auch Mayer in Kissel/Mayer, GVG, EGGVG § 24 Rn. 1, der auf die Möglichkeit der Ergänzung nach entsprechender Aufforderung hinweist).
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Die Anforderungen an den Sachvortrag zur Antragsbefugnis dürfen allerdings nicht überspannt werden, denn die nach Art. 19 Abs. 4 GG verbürgte Garantie umfassenden gerichtlichen Schutzes gegen die Verletzung rechtlich geschützter Interessen des Einzelnen durch Eingriffe der öffentlichen Gewalt gewährleistet nicht nur formal die Möglichkeit, die Gerichte anzurufen, sondern gebietet auch die Effektivität des damit verbundenen Rechtsschutzes. Daher darf der Zugang zu den Gerichten nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (BVerfG, Beschluss vom 29. Oktober 2015, 2 BvR 1493/11, NVwZ 2016, 238 Rn. 33 m. w. N.; Beschluss vom 5. April 2012, 2 BvR 211/12, NStZ-RR 2013, 187 [juris Rn. 15] zu § 24 Abs. 1 EGGVG). So kann auch eine Bezugnahme auf Anlagen genügen, sofern sich aus den in Bezug genommenen Schriftstücken der Sachverhalt und die mögliche Rechtsbeeinträchtigung des Antragstellers nachvollziehbar ergeben (vgl. BVerfG NStZ-RR 2013, 187 [juris Rn. 15]; BayObLG, Beschluss vom 18. Juni 2024, 101 VA 178/23, juris Rn. 20).
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Diesem Erfordernis ist Genüge getan. Aus den in der Antragsschrift konkret in Bezug genommenen Beschwerdebescheiden ergibt sich ohne Weiteres, dass die Antragstellerin als mögliche Empfangsberechtigte subjektiven Rechtsschutz gegen die Verletzung ihrer Rechtsstellung begehrt, die dann möglich ist, wenn die Herausgabeanordnungen zu Unrecht ergangen sind.
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d) Das Rechtsschutzziel ist, obwohl die Antragstellerin keinen konkreten Antrag ausformuliert hat, hinreichend erkennbar.
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Da nach Ansicht der Antragstellerin die Voraussetzungen für eine Herausgabeanordnung zugunsten von S. St. jun. weder bei deren Erlass noch im Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidungen vorgelegen haben, erstrebt sie die Aufhebung der ergangenen Anordnungen und Beschwerdebescheide, § 23 Abs. 1 Satz 1, § 28 Abs. 1 Satz 1 EGGVG (vgl. Mayer in Kissel/Mayer, GVG, EGGVG § 28 Rn. 9).
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e) Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist nach § 24 Abs. 2 EGGVG i. V. m. Art. 8 Abs. 3 BayHintG statthaft.
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Herausgabeanordnungen der Hinterlegungsstelle sind Maßnahmen der Justizverwaltung, gegen die nach Art. 8 Abs. 1 Satz 1 BayHintG die Beschwerde stattfindet. Das somit nach § 24 Abs. 2 EGGVG erforderliche Vorschaltverfahren hat die Antragstellerin erfolglos durchlaufen. Gegenstand des Rechtsbehelfs sind die Ausgangsentscheidungen der Hinterlegungsstelle in der Gestalt, die sie durch die Beschwerdeentscheidungen gefunden haben (vgl. BayObLG, Beschluss vom 10. Juni 2020, 1 VA 29/20, NJW-RR 2020, 1209 [juris Rn. 22]; Mayer in Kissel/Mayer, GVG, EGGVG § 23 Rn. 49; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, 2012, Art. 8 Rn. 40).
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f) Der Umstand, dass die Herausgabeanordnungen bereits vollzogen wurden und das Hinterlegungsverhältnis dadurch insoweit gemäß Art. 18 Abs. 1 BayHintG beendet ist, steht der Zulässigkeit des Antrags auf gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG nicht entgegen.
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Nach zutreffender Ansicht kann auch eine vollzogene Herausgabeanordnung noch durch Beschwerde angefochten oder durch gerichtliche Entscheidung nach § 23 EGGVG aufgehoben werden (ausführlich: BayObLG, Beschluss vom 8. Dezember 2023,102 VA 22/23, juris Rn. 28, 34 – 38 m. w. N.; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 18 Rn. 24 – 27, Art. 8 Rn. 23).
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2. In der Sache ist der Rechtsbehelf unbegründet, weil die Voraussetzungen für die Anordnung der Herausgabe an den am Hinterlegungsverfahren Beteiligten S. St. jun. in der gegenständlichen Höhe vorgelegen haben.
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a) S. St. jun. ist im Hinterlegungsverfahren Beteiligter gemäß Art. 5 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG. Gegen die Zulässigkeit seines Herausgabeantrags nach Art. 18 Abs. 2 Nr. 1, Art. 19 Abs. 1 BayHintG (vgl. Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 19 Rn. 27) bestehen keine Bedenken.
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b) Entgegen der Ansicht der Antragstellerin war der Herausgabeantrag auch begründet, weil der Beteiligte seine hinterlegungsrechtliche Empfangsberechtigung durch die Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung der Notarurkunde über den Auseinandersetzungsplan gemäß Art. 19 Abs. 2 Nr. 3, Art. 20 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 3  Satz 1 BayHintG dargelegt und nachgewiesen hatte. Die Frage, ob die rechtlichen Voraussetzungen für die Erteilung einer vollstreckbaren Ausfertigung der Notarurkunde vorgelegen haben und das zugrundeliegende notarielle Verfahren fehlerfrei durchgeführt worden ist, hat die Hinterlegungsstelle nicht nachzuprüfen.
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aa) Die Bestimmungen des Bayerischen Hinterlegungsgesetzes regeln im räumlichen Anwendungsbereich des Gesetzes (Art. 1 BayHintG) das Verfahren für die Hinterlegung als Dienstleistung der Justizbehörde. Zu deren Aufgaben gehört es nach der Konzeption des Gesetzes nicht, die materielle Berechtigung am hinterlegten Betrag zu prüfen. Vielmehr ist der Justizbehörde die Empfangsberechtigung auf eine formalisierte Art gemäß den Regelungen des Bayerischen Hinterlegungsgesetzes nachzuweisen.
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Dieses Gesetz regelt ausschließlich das Hinterlegungsverfahren und bildet das sogenannte formelle Hinterlegungsrecht (Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Einleitung Rn. 2, 17, Art. 2 Rn. 4). Dabei knüpft das Hinterlegungsverfahren zwar an die gesetzlichen Tatbestände des privaten und öffentlichen Rechts an, welche die Möglichkeit oder die Pflicht zur Hinterlegung vorsehen (materielle Hinterlegungstatbestände). Die materiell-rechtliche Berechtigung am hinterlegten Betrag wird im formellen Verwaltungsverfahren jedoch nicht geprüft (vgl. BayObLG, Beschluss vom 19. August 2021, 102 VA 56/21, NJW-RR 2021, 1431 Rn. 46 [juris Rn. 51]; Beschluss vom 25. Juni 2020, 1 VA 43/20, FamRZ 2020, 1962 [juris Rn. 28]). Streit zwischen den Prätendenten, die für sich den hinterlegten Betrag oder einen Teilbetrag daraus beanspruchen, ist außerhalb des Hinterlegungsverfahrens mithilfe der einschlägigen Rechtsbehelfe auszutragen. Beantragt ein Beteiligter des Hinterlegungsverfahrens die Herausgabe des hinterlegten Guts oder eines Teils davon, hat die Hinterlegungsstelle (nur) zu prüfen, ob die in Art. 19, 20 BayHintG statuierten formellen Voraussetzungen erfüllt sind.
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Gemäß Art. 19 Abs. 2 Nr. 3 BayHintG hat eine Person, wenn sie bei der Hinterlegungsstelle die Herausgabe beantragt, ihre Empfangsberechtigung darzulegen und nachzuweisen, wobei sich die Berechtigung zum Empfang des hinterlegten Gegenstands nach den abschließenden Regelungen des Art. 20 BayHintG richtet. Der Zweck der Regelung über die beschränkten Möglichkeiten für den Nachweis der Empfangsberechtigung in Art. 20 BayHintG besteht gerade darin, Hinterlegungen in einem abstrakt-formellen Verwaltungsverfahren abzuwickeln und die Hinterlegungsstelle von einer Klärung materieller Rechtsfragen zu entlasten (Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 20 Rn. 3 f.). Ist die Berechtigung zum Empfang entsprechend dieser Bestimmung nachgewiesen, hat die Hinterlegungsstelle die Herausgabe an den Antragsteller anzuordnen.
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bb) Der Beteiligte S. St. jun. hat seine Empfangsberechtigung durch Vorlage der vollstreckbaren Ausfertigung der Notarurkunde dargelegt und nachgewiesen, denn die Urkunde ist eine öffentliche Urkunde im Sinn des Art. 20 Abs. 3 Satz 1 BayHintG, § 415 Abs. 1 ZPO und enthält die Herausgabebewilligungen der an der Auseinandersetzung Beteiligten. Die gemäß Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG erforderliche Bewilligung der Antragstellerin wird durch den Titel fingiert.
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(1) Mit der vollstreckbar ausgefertigten Notarurkunde hat der Hinterlegungsstelle ein Vollstreckungstitel gemäß § 371 FamFG vorgelegen, auf den die §§ 86, 87 und 95 FamFG und gemäß § 371 Abs. 2 Satz 2 FamFG ergänzend die §§ 795, 797 ZPO anzuwenden sind (vgl. Zorn in Prütting/Helms, FamFG, 6. Aufl. 2023, § 371 Rn. 2; Zimmermann in Sternal [vormals Keidel], FamFG, 21. Aufl. 2023, § 371 Rn. 27).
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Gemäß § 2042 Abs. 1 BGB kann jeder Miterbe grundsätzlich jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft (§ 2032 BGB) gemäß den Regelungen der §§ 2046 ff. BGB verlangen. Die Auseinandersetzung kann unter anderem dadurch vollzogen werden, dass ein Notar die Auseinandersetzung im Verfahren gemäß §§ 363 ff. FamFG vermittelt. Die Zuständigkeit für Verfahren in Teilungssachen, §§ 363 – 373 FamFG, ist mit Inkrafttreten des Gesetzes zur Übertragung von Aufgaben im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit auf Notare vom 26. Juni 2013 (BGBl. I S. 1800) zum 1. September 2013 vom Nachlassgericht auf die Notare übertragen worden. Das Verfahren soll bei Erbauseinandersetzungsregelungen den Beteiligten, die sich nicht einigen können, eine Lösung anbieten, indem vormals das Nachlassgericht und nunmehr der Notar als neutraler Dritter vermittelnd tätig wird (vgl. Schlögel in BeckOK FamFG, 54. Ed. Stand: 1. Juni 2025, § 363 Vorbemerkung und Rn. 2).
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Eine notariell beurkundete Auseinandersetzung, der alle Beteiligten zugestimmt haben, ist nach § 368 Abs. 1 Satz 3 FamFG vom Notar durch Beschluss zu bestätigen. Sind nicht alle Beteiligten zur Verhandlung über den notariellen Auseinandersetzungsplan erschienen, kann ein notarieller Bestätigungsbeschluss als hoheitlicher Akt ergehen, wenn die Voraussetzungen vorliegen, unter denen die Zustimmung nicht erschienener Beteiligter gemäß § 368 Abs. 2 i. V. m. § 366 Abs. 3, 4 FamFG fingiert wird. Mit formeller Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses, die nach § 492 Abs. 1, § 45 FamFG eintritt, wenn zulässige Rechtsmittel erschöpft sind oder die Rechtsmittelfrist nach § 492 Abs. 1, § 63 FamFG verstrichen ist, wird die bestätigte Auseinandersetzung wirksam und für alle Beteiligten verbindlich, § 371 Abs. 1 FamFG. Gemäß § 371 Abs. 2 FamFG kann hieraus vollstreckt werden, ohne dass es einer gesonderten Unterwerfung unter die Zwangsvollstreckung nach § 794 Abs. 1 Nr. 5 ZPO bedarf (Schlögel in BeckOK FamFG, § 371 Rn. 4; Grziwotz in Münchener Kommentar zum FamFG, 3. Aufl. 2019, § 371 Rn. 12).
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Die Prüfung, ob die Voraussetzungen für den Erlass eines Bestätigungsbeschlusses eingetreten sind, obliegt dem Notar, der mit dem Verfahren in Teilungssachen befasst ist. Der Notar ist auch zuständig für die Erteilung der Vollstreckungsklausel (Ihrig in Kroiß/Siede, FamFG, 3. Aufl. 2023, § 371 Rn. 5; auch Wolfsteiner/M. Volmer in Münchener Kommentar zur ZPO, 7. Aufl. 2025, § 797 Rn. 12). Ihm obliegt die Prüfung, ob der Bestätigungsbeschluss formell rechtskräftig geworden ist und die Voraussetzungen für die Erteilung einer Vollstreckungsklausel vorliegen.
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Die der Hinterlegungsstelle vorgelegte vollstreckbare Urkundsausfertigung vom 18. Dezember 2024 stellt nach ihrem Inhalt einen solchen im Verfahren nach §§ 363 ff. FamFG ergangenen Titel über die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft dar. Die Erteilung der vollstreckbaren Ausfertigung setzte das Wirksamwerden der Auseinandersetzung nach § 368 FamFG und somit die formelle Rechtskraft des notariellen Bestätigungsbeschlusses voraus, § 371 Abs. 1 FamFG (vgl. auch Schlögel in BeckOK FamFG, § 371 Rn. 1). In der Eigenurkunde vom 12. Dezember 2024, die in Ablichtung durch Verbindung mit Schnur und Siegel gemäß § 44 BeurkG zum Bestandteil der Vollstreckungsurkunde gemacht worden ist, hat die Notarin das Wirksamwerden des Auseinandersetzungsplans unter Bezugnahme auf die Auskunft des Nachlassgerichts über die fehlende Einlegung eines Rechtsbehelfs bestätigt und in dieser Weise die formelle Rechtskraft festgestellt. Diese Bestätigung entspricht dem Rechtskraftvermerk des Urkundsbeamten auf einer gerichtlichen Entscheidung; dessen Aufgaben nimmt der Notar gemäß § 492 Abs. 1 Satz 2 FamFG wahr, wenn er – wie hier – in Verfahren nach § 342 Abs. 2 Nr. 1 FamFG tätig wird (vgl. Ihrig in Kroiß/Siede, FamFG, § 363 Rn. 52 mit Rn. 22). Ob die Voraussetzungen für die Bescheinigung der Rechtskraft und in der Folge für die Erteilung der Vollstreckungsklausel vorlagen oder etwa deshalb fehlten, weil der Antragstellerin – wie sie meint – der Bestätigungsbeschluss vom 14. Oktober 2024 und die Belehrung über die Folgen einer Untätigkeit entgegen § 368 Abs. 2 i. V. m. § 366 Abs. 3 FamFG nicht ordnungsgemäß zugestellt worden seien, hat nicht die Hinterlegungsstelle nachzuprüfen. Diese Prüfung liegt allein im Verantwortungsbereich der Notarin.
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(2) Da die der Hinterlegungsstelle im Original vorgelegte notarielle Urkunde – neben den schuldrechtlichen Teilungsvereinbarungen und sonstigen Abmachungen über die Auseinandersetzung – Bewilligungserklärungen hinsichtlich des unter den Zeichen 56 HL 133/21 und 56 HL 59/23 hinterlegten Geldes enthält, hat die Hinterlegungsstelle zutreffend auf der Grundlage des Art. 20 Abs. 1 Nr. 2 BayHintG die Herausgabe angeordnet.
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(a) Vollzugserklärungen sind zulässiger Inhalt eines im notariellen Verfahren ergehenden Titels gemäß § 371 FamFG (vgl. Schlögel in BeckOK FamFG, § 368 Rn. 10 f.; Ihrig in Kroiß/Siede, FamFG, § 363 Rn. 7).
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Somit sind die zusammen mit dem Auseinandersetzungsplan beurkundeten Bewilligungen zur Herausgabe der hinterlegten Gelder zulässiger Inhalt der Notarurkunde.
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(b) Obwohl die Antragstellerin in der Verhandlung über den Auseinandersetzungsplan nicht erschienen war und die beurkundeten Erklärungen über die Auseinandersetzung und die Bewilligung auch nicht nachträglich durch öffentliche Urkunde genehmigte, ist ihre Bewilligung mit der vollstreckbar ausgefertigten Notarurkunde gegenüber der Hinterlegungsstelle nachgewiesen, weil ihre Willenserklärung durch den Titel fingiert wird.
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(aa) Der in der Form einer notariellen Urkunde vorgelegte Vollstreckungstitel ist für die Hinterlegungsstelle bindend, denn er ist weder nichtig noch für unwirksam erklärt worden.
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In den Verantwortungsbereich der Hinterlegungsstelle fällt es zu prüfen, ob ein wirksamer notarieller Titel vorliegt, der die gesetzliche Fiktion einer Herausgabebewilligung bewirkt. Hingegen hat die Hinterlegungsstelle nicht zu prüfen, ob der Titel verfahrensrechtlich fehlerfrei zustande gekommen ist. Ob die Voraussetzungen für die Titulierung und die Erteilung der Vollstreckungsklausel vorgelegen haben, ist nicht von der Hinterlegungsstelle zu beurteilen und weder im Beschwerdeverfahren gegen die Herausgabeanordnungen noch im Verfahren nach §§ 23 ff. EGGVG zu klären, weil die Urkunde trotz eines etwaigen Mangels des zugrundeliegenden notariellen Verfahrens bis zu einer Aufhebung Rechtswirkungen entfaltet. Deshalb geht die Annahme der Antragstellerin fehl, dass sich die Direktorin des Amtsgerichts um diesbezügliche Aufklärung hätte bemühen müssen.
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Das ist nicht der Fall.
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(aaa) Etwaige formelle oder inhaltliche Mängel einer vollstreckbaren Urkunde berühren grundsätzlich deren Wirksamkeit nicht. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass die vollstreckbare Urkunde nur dann als unwirksam anzusehen ist, wenn sie an solchen Mängeln leidet, wegen derer ein entsprechendes Urteil gleichfalls nicht vollstreckt werden dürfte (vgl. Wolfsteiner/M. Volmer in Münchener Kommentar zur ZPO, § 794 Rn. 296, 298, 299 f., 301 ff.).
51
(bbb) Keinerlei Wirkungen hat ein sogenanntes Nicht- oder Scheinurteil, das seinem äußeren Anschein nach vorgibt, ein Urteil zu sein, während es am Tatbestand eines von einem gerichtsverfassungsmäßigen Gericht in bestimmter Form verlautbarten Urteils fehlt (vgl. Heiß in Münchener Kommentar zur ZPO, § 578 Rn. 5, 10; Rimmelspacher in Münchener Kommentar zur ZPO, § 511 Rn. 12 f., 15; Elzer in BeckOK ZPO, § 300 Rn. 55 ff.; Wolff in Musielak/Voit, ZPO, 22. Aufl. 2025, § 300 Rn. 4).
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Davon zu unterscheiden sind die Fälle, in denen zwar ein Urteil vorliegt, dieses aber nicht die Wirkungen hat, die einem Urteil zukommen (sogenanntes wirkungsloses Urteil). Die Unwirksamkeit zivilgerichtlicher Entscheidungen kommt nur in extremen Ausnahmefällen bei Vorliegen eines besonders schwerwiegenden Mangels in Betracht. In aller Regel haben gerichtliche Entscheidungen die ihnen prozessual zugeordneten Wirkungen auch dann, wenn sie fehlerhaft zustande gekommen, aber nicht aufgrund eines zulässigen Rechtsbehelfs beseitigt worden sind. Entscheidungen, die nicht ausnahmsweise als wirkungslos anzusehen sind, können nur im Rahmen der vorgesehenen Rechtsbehelfe darauf überprüft werden, ob die gesetzlichen Voraussetzungen für ihren Erlass erfüllt sind (vgl. BGH, Beschluss vom 11. April 2018, XII ZB 487/17, NJW 2018, 2047 Rn. 18; Urt. v. 4. April 2014, V ZR 110/13, NJW-RR 2014, 903 Rn. 7; Urt. v. 14. Juli 1994, IX ZR 193/93, BGHZ 127, 74 [juris Rn. 9]).
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Die Fallgestaltungen des wirkungslosen Urteils lassen sich nicht auf einen einheitlichen dogmatischen Ansatz zurückführen. Als wirkungslos werden Urteile angesehen, die trotz fehlender deutscher Gerichtsbarkeit, gegen eine nicht existierende Partei, mit einem widersprüchlichen Inhalt oder trotz fehlender Rechtshängigkeit ergangen sind, ein nicht bestehendes Rechtsverhältnis gestalten oder als völkerrechtswidrig zu beurteilen sind, wobei die Einzelheiten streitig sind (vgl. Heiß in Münchener Kommentar zur ZPO, § 578 Rn. 14 ff.; Wolff in Musielak/Voit, ZPO, § 300 Rn. 5, 7; Elzer in BeckOK ZPO, § 300 Rn. 64 f.; Althammer in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2018, Vorbemerkung zu §§ 578 – 591 Rn. 9 ff.). Eine Entscheidung, die nicht in diesem Sinn unwirksam ist, ist nicht in anderen Zusammenhängen darauf zu überprüfen, ob sie unter Einhaltung der verfahrensrechtlichen Vorgaben ergangen oder inhaltlich zutreffend ist.
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(ccc) Ausgehend von diesen Grundsätzen zeitigt die von einem deutschen Notar innerhalb der Grenzen seiner Amtsbefugnisse in der vorgeschriebenen Form aufgenommene Urkunde – vorbehaltlich der Aufhebung in einem Rechtsbehelfsverfahren – die ihr nach den gesetzlichen Bestimmungen zukommenden Rechtswirkungen. Die Formerfordernisse bestimmt grundsätzlich das Beurkundungsgesetz (Kern in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2024, § 794 Rn. 107).
55
Nur eine Nicht-Urkunde oder Scheinurkunde liegt vor, wenn die Urkunde nicht von einem Notar errichtet worden ist, etwa weil eine Fälschung vorliegt oder die Urkunde kraft angemaßten Amts aufgenommen worden ist (Wolfsteiner/M. Volmer in Münchener Kommentar zur ZPO, § 794 Rn. 298).
56
Unwirksam sind Urkunden, die unter Verstoß gegen essenzielle Beurkundungsvorschriften wie §§ 6 – 9, 13, 16 Abs. 2 Satz 1, §§ 22 ff. BeurkG errichtet worden sind (vgl. Wolfsteiner/M. Volmer in Münchener Kommentar zur ZPO, § 794 Rn. 300; Kern in Stein/Jonas, ZPO, § 794 Rn. 107), sofern nicht auch eine Protokollierung nach den Verfahrensvorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG) ausreichend ist (zu dieser Streitfrage in Teilungssachen nach §§ 363 ff. FamFG: Ihrig in Kroiß/Siede, FamFG, § 366 Rn. 4, 22). Dagegen führt nicht jede Verletzung von Verfahrensvorschriften zur Unwirksamkeit (Wolfsteiner/M. Volmer in Münchener Kommentar zur ZPO, § 794 Rn. 151).
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Die Wirkungslosigkeit einer bestätigten Auseinandersetzung nach § 371 FamFG in dem den Notaren übertragenen Verfahren in Teilungssachen kann daneben – vergleichbar einer gerichtlichen Entscheidung – nur in extremen Ausnahmefällen in Betracht kommen.
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(ddd) Unwirksamkeitsgründe in dem dargestellten Sinn hat die Antragstellerin nicht vorgetragen und sind auch nicht ersichtlich.
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Die der Hinterlegungsstelle vorgelegte notarielle Urkunde ist weder eine Nicht- oder Scheinurkunde noch wegen Verstoßes gegen essenzielle Beurkundungsvorschriften unwirksam, denn die genannten, als essenziell zu wertenden Vorgaben des Beurkundungsgesetzes sind ausweislich der Urkunde eingehalten.
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Soweit die Antragstellerin geltend macht, dass die Voraussetzungen für die Schaffung eines Titels nach §§ 363 ff. FamFG nicht vorgelegen hätten, weil sie nicht ausreichend belehrt worden sei, eine Ladung zu einer Auseinandersetzungsverhandlung bei ihr nie eingegangen sei und ihr ein Beschluss vom 14. Oktober 2024 nicht vorliege, wendet sie Fehler in der notariellen Verfahrensführung ein. Selbst wenn der Titel verfahrensfehlerhaft ergangen wäre – was für die Entscheidung offenbleiben kann –, wäre er bis zu einer etwaigen Aufhebung in einem gerichtlichen Verfahren wirksam.
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Ob die Hinterlegungsstelle eine Urkunde über die Erbauseinandersetzung als untaugliche Auszahlungsgrundlage zurückzuweisen hätte, wenn sich aus ihr ergäbe, dass ein nicht erschienener Beteiligter über das Verfahren niemals in Kenntnis gesetzt worden war oder der Rechtskraftvermerk nicht richtig sein kann, muss nicht entschieden werden. Solche Umstände liegen hier nicht vor. Die Notarin hatte sich ausweislich der Urkunde über die ordnungsgemäße Ladung zur Verhandlung über den Auseinandersetzungsplan vergewissert und über den Eintritt der formellen Rechtskraft des Bestätigungsbeschlusses Gewissheit verschafft. Die Eigenurkunde, mit der die Notarin die Rechtskraft bestätigt hatte, ist in Ablichtung zum Bestandteil des Vollstreckungstitels gemacht. Daraus ersichtlich sind die notarielle Unterzeichnung und Siegelung. Somit liegt zum einen keine Konstellation vor, die einem außerhalb eines rechtshängigen Verfahrens ergangenen Urteil vergleichbar wäre; die Antragstellerin räumt auch eine Zustellung des Auseinandersetzungsplans am 19. September 2024 ein. Zum anderen sind der Urkunde keine Anhaltspunkte für eine Unrichtigkeit des Rechtskraftvermerks zu entnehmen. Auch für eine Unwirksamkeit des Rechtskraftvermerks ist nichts ersichtlich. Die in den Grenzen der notariellen Amtsbefugnis aufgenommene Eigenurkunde, die vom Notar unterschrieben und gesiegelt ist, ist eine öffentliche Urkunde, auf die das Beurkundungsgesetz nicht anwendbar ist (vgl. Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 16. Aufl. 2020, Rn. 164).
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Weil die von der Antragstellerin behaupteten Verfahrensfehler weder die Unwirksamkeit noch die Wirkungslosigkeit des Titels, also des bestätigten Auseinandersetzungsplans, zur Folge hätten, besteht kein Anlass, gemäß dem Beweisantrag der Antragstellerin die Vorlage von Zustellungsurkunden anzuordnen. Auch der gegen die Beschwerdebescheide erhobene Einwand, das Amtsgericht sei von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen, als es von einer ordnungsgemäßen Ladung, Hinweiserteilung und Zustellung ausgegangen sei, bleibt aus diesem Grund ohne Erfolg.
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Wenn die Antragstellerin meint, dass die von ihr als Notarvertrag bezeichnete Auseinandersetzung schon deshalb nichtig sei, weil nicht sämtliche im Nachlassverzeichnis aufgelisteten Gegenstände erfasst seien, übergeht sie die Regelung in Ziffer II.1. der Urkunde, wonach es hinsichtlich derjenigen Nachlassgegenstände, die ein Beteiligter bereits erhalten oder dem Nachlass entnommen hat, sowie hinsichtlich der gezogenen Nutzungen, der getragenen Lasten, der Erfüllung von Nachlassverbindlichkeiten und Verwendungen auf den Nachlass „dabei bleibt“ und kein Ausgleich zu erfolgen hat. Deshalb kommt es für die Entscheidung nicht mehr darauf an, ob eine aus der Urkunde selbst nicht ersichtliche Lückenhaftigkeit der Auseinandersetzungsregelung überhaupt einen Nichtigkeits- oder Unwirksamkeitsgrund darstellen könnte.
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Ohne Erfolg bleibt auch der Einwand der Antragstellerin, durch die Auseinandersetzung grob benachteiligt zu werden und Schadensersatzansprüche zu haben. Ein etwaiger Verstoß gegen § 138 BGB geht aus der Urkunde für sich genommen bereits nicht hervor; die darin getroffenen Regelungen werden grundsätzlich von der Rechtsordnung anerkannt und nicht wegen eines gesetzlichen Verbots oder wegen Sittenwidrigkeit missbilligt. Eine etwaige materiell-rechtliche Unwirksamkeit der Auseinandersetzungsregelung einschließlich der (fingierten) Bewilligung aufgrund § 138 BGB wird von der Rechtskraftwirkung des Bestätigungsbeschlusses zwar nicht erfasst. Solche Mängel und eine sich daraus etwa ergebende Unzulässigkeit der Zwangsvollstreckung wären jedoch in einem streitigen Verfahren vor dem hierfür zuständigen Prozessgericht geltend zu machen (vgl. Schlögel in BeckOK FamFG, § 371 Rn. 2; Zimmermann in Sternal, FamFG, § 371 Rn. 14; zur Unterwerfungserklärung: BGH, Urt. v. 30. März 2010, XI ZR 200/09, BGHZ 185, 133 [juris Rn. 14]; Urt. v. 22. Oktober 1998, VII ZR 99/97, BGHZ 139, 387 [juris Rn. 14]; Wolfsteiner/M. Volmer in Münchener Kommentar zur ZPO, § 794 Rn. 143).
65
Auch der nachträglich ausdrücklich erklärte Widerspruch der Antragstellerin nimmt dem Titel nicht seine Wirksamkeit.
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(bb) Die mit dem bestätigten Auseinandersetzungsplan beurkundeten Bewilligungserklärungen gelten mit seiner Rechtskraft als abgegeben.
67
Gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 5 FamFG sind auf die Vollstreckung zur Abgabe einer Willenserklärung in einem nach § 371 FamFG erlassenen Titel die Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Zwangsvollstreckung entsprechend anzuwenden. Mithin gilt entsprechend § 894 Satz 1 ZPO die Willenserklärung mit Rechtskraft des Titels als abgegeben (Sieghörtner in BeckOK FamFG, § 95 Rn. 10). Die gesetzlich angeordnete Fiktion hat zur Folge, dass die Willenserklärung aus einer beurkundeten Erbteilungsvereinbarung als abgegeben gilt (Zimmermann in Münchener Kommentar zum FamFG, 4. Aufl. 2025, § 95 Rn. 13 f.).
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Diese gesetzliche Fiktion wirkt auch im Hinterlegungsverfahren. Gerade dann, wenn Bewilligungserklärungen nicht erteilt werden, ersetzt ein nach § 894 Satz 1 ZPO vollstreckbarer Titel die Erklärung. Die rechtskräftige Verurteilung ersetzt die Willenserklärung, das heißt den gesamten Tatbestand der Abgabe. Die Erklärung ist als gegenüber dem richtigen Empfänger und in der vorgeschriebenen Form abgegeben anzusehen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 8. Dezember 2023, 102 VA 22/23, juris Rn. 42; Beschluss vom 24. Februar 2021, 101 VA 151/20, NJW-RR 2021, 509 [juris Rn. 41 ff.]; Gruber in Münchener Kommentar zur ZPO, § 894 Rn. 15; Wiedemann/Armbruster, Bayerisches Hinterlegungsgesetz, Art. 20 Rn. 26). Entsprechendes gilt für Titel, die im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit, zu denen die den Notaren übertragenen Verfahren in Teilungssachen nach §§ 363 ff. FamFG gehören, ergangen und nach § 95 Abs. 1 Nr. 5 FamFG vollstreckbar sind. Der Fiktionswirkung steht nicht entgegen, dass sich aus der beurkundeten Auseinandersetzung, die nach der Rechtskraftbescheinigung der Notarin wirksam geworden ist, keine Verpflichtung zur Abgabe der hinterlegungsrechtlichen Herausgabebewilligung ergibt, wie es dem Wortlaut des § 894 Satz 1 ZPO entspräche, sondern die Erklärung selbst mitbeurkundet ist. Denn diese Art der Titulierung ist – wie ausgeführt – im Verfahren nach §§ 363 ff. FamFG zulässig und § 894 ZPO findet nur entsprechende Anwendung.
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Ohne Erfolg bleibt deshalb der Einwand der Antragstellerin, sie habe nie ihre Zustimmung zur Auseinandersetzung erteilt.
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Aufgrund der gesetzlichen Fiktion kommt es für die Entscheidung auch nicht darauf an, ob Teilungsreife vorgelegen hat und eine Klage auf Erteilung der Zustimmung Erfolg versprochen hätte.
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(cc) Die Herausgabeanordnungen sind auch nicht aus sonstigen Gründen zu beanstanden.
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Die Höhe der herauszugebenden Teilbeträge ist rechnerisch richtig ermittelt; sie entspricht der fingierten Herausgabebewilligung der Antragstellerin.
III.
73
Ein Ausspruch zur Kostentragung ist nicht veranlasst, weil die im gerichtlichen Verfahren nicht erfolgreiche Antragstellerin bereits nach dem Gesetz verpflichtet ist, die gerichtlichen Kosten des Verfahrens zu tragen (§ 1 Abs. 2 Nr. 19, § 22 Abs. 1 GNotKG).
74
Die Festsetzung des Geschäftswerts beruht auf § 36 Abs. 1 GNotKG und entspricht dem wirtschaftlichen Interesse der Antragstellerin an der Durchführung des gerichtlichen Verfahrens (YYY€ zuzüglich YYY €).
75
Die gesetzlichen Voraussetzungen, unter denen die Rechtsbeschwerde zuzulassen ist (§ 29 EGGVG), liegen nicht vor.