Titel:
Ungültigkeit von Eigentümerbeschlüssen bei falschem Abstimmungsprinzip und unklaren Mehrheitsverhältnissen
Normenkette:
WEG § 28 Abs. 2, § 44 Abs. 1 S. 1 Alt. 1
Leitsätze:
Wenn eine Auszählung nach der Subtraktionsmethode gewählt wird, so kann das tatsächliche Abstimmungsergebnis nur dann hinreichend verlässlich ermittelt werden, wenn für den Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der Anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und bei Abweichung vom Kopfprinzip auch deren Stimmkraft feststeht. (redaktioneller Leitsatz)
1. Lässt sich bei einer Auszählung nach der Subtraktionsmethode die Zahl der anwesenden Wohnungseigentümer nicht mehr aufklären und verbleiben dadurch Zweifel an den Mehrheitsverhältnissen, so ist im Falle der Beschlussanfechtung davon auszugehen, dass der Versammlungsleiter die Zahl der "Ja"-Stimmen zu Unrecht festgestellt hat. (Rn. 29) (redaktioneller Leitsatz)
2. Wird dargetan, dass entgegen der Teilungserklärung nach dem Kopf- statt nach dem Wertprinzip abgestimmt wurde, ist der Darlegungs- und Beweislast genügt. Die Wohnungseigentümergemeinschaft muss dann im Rahmen ihrer sekundären Darlegungs- und Beweislast nachweisen, welche Stimmen abgegeben wurden, welche Vollmachten vorlagen, wie sie nach dem Wertprinzip zu werten sind und ob eine einfache Mehrheit bestand. (Rn. 32) (redaktioneller Leitsatz)
3. Bei formellen Fehlern ist die Anfechtung nur dann begründet, wenn sich die Mängel auf das Ergebnis des Beschlussanfechtungsverfahrens zumindest ausgewirkt haben können. Umgekehrt scheidet eine Ungültigerklärung aus, wenn mit Sicherheit – nicht nur hoher Wahrscheinlichkeit – feststeht, dass der jeweilige Beschluss auch bei ordnungsgemäßem Verfahren gefasst worden wäre. (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Beschlussanfechtung, falsches Abstimmungsprinzip, Kopfprinzip, Wertprinzip, Zweifel an den Mehrheitsverhältnissen, Ungültigerklärung, Subtraktionsmethode
Fundstellen:
ZMR 2025, 740
LSK 2025, 20111
BeckRS 2025, 20111
FDMietR 2025, 020111
Tenor
I. Die in der Eigentümersammlung vom 22.07.2024 unter TOP 2 gefassten Beschlüsse über die Anpassung von Vorschüssen und Nachschüsse für das Wirtschaftsjahr 2023 und die Erhebung einer Sonderumlage berechnet nach Miteigentumsanteilen sowie den unter TOP 5 gefassten Beschluss zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels werden für ungültig erklärt.
II. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 16.08.2024 aus einem Betrag von € 870,00 zu bezahlen.
II. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages. IV.Der Streitwert wird auf 33310,53 € festgesetzt.
Tatbestand
1
Die Klägerin begehrt mit der vorliegenden Anfechtungsklage die nachfolgenden in der Eigentümerversammlung vom 22.07.2024 gefassten Beschlüsse für ungültig zu erklären.
2
Die Klägerin ist Eigentümerin der mit dem Sondereigentum verbundenen Wohnung an der im Haus 2 gelegenen Wohnung samt Kellerabteil Nr. 8, dem mit dem Sondereigentum an dem im Haus 2 gelegenen Kellerraum Nr. 71 und der mit dem Sondereigentum an dem Tiefgarageneinzelabstellplatz Nr. 101 an der und damit Mitglied der Beklagten.
3
Bis zum 30.09.2024 hatte die Verwalterin C GmbH, ..., vertreten durch ihre Geschäftsführer Frau Kr Herr Lu, die Hausverwaltung inne.
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Ab dem 01.10.2024 hat die E durch die Geschäftsführerin A die Hausverwaltung inne.
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Das Verhältnis der Wohnungseigentümer untereinander wurde in der Anlage 2 der Teilungserklärung vom 28. April 1981 bestimmt. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung vom 28.04.1981 b.v. als – Anlage K 6 –, verwiesen.
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In § 9 Teilungserklärung ist u.a. folgendes geregelt:
„(4) Die Wohnungseigentümerversammlung ist auch dann beschlußfähig, wenn weniger als die Hälfte der Miteigentumsanteile vertreten ist. Ein Wohnungseigentümer kann sich nur durch den Verwalter, seinen Ehegatten oder einen anderen Wohnungseigentümer der Gemeinschaft aufgrund schriftlicher Vollmacht vertreten lassen. Jeder Wohnungseigentümer hat so viele Stimmen wie er Tausendstel-Anteile hat.“
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Teilungserklärung vom 28.04.1981 b.v. als – Anlage K 6 –, verwiesen.
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Die Verwalterin hatte die Eigentümer der Beklagten mit Schreiben vom 28.06.2024 zur Eigentümerversammlung zum 22.07.2024 geladen. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Tagesordnung der ordentlichen Eigentümerversammlung am 22.07.2024, Eigentümergemeinschaft in Kopie als – Anlage K 16 –, verwiesen.
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Unter TOP 2 der Eigentümerversammlung vom 22.07.2024 wurden folgende Beschlüsse gefasst:
„ 1. Die sich aus den Jahreseinzelabrechnungen für das Wirtschaftsjahr 2023 vom 25.06.2024 ergebenden Nachschüsse bzw. Anpassungen der beschlossenen Vorschüsse werden genehmigt. Der Ausgleich der Abrechnungssalden ist zum 15.08.2024 fällig.
2. Die Gemeinschaft beschließt die Erhebung einer Sonderumlage in Höhe von 58.000,00 €, fällig zum 15.08.2024 und berechnet nach Miteigentumsanteilen Wohnungen. Die Sonderumlage wird in der Jahresabrechnung 2024 individuell als zusätzliche Hausgeldzahlung verrechnet.“
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Unter TOP 5 der Eigentümerversammlung vom 22.07.2024 wurden folgender Beschluss gefasst.
„Ab 01.01.2025 werden der allgemeinen Erhaltungsrücklage keine Beträge mehr zugeführt. Für die Wohnungen wird eine eigene Erhaltungsrücklage gebildet, mit einer jährlichen Zuführung in Höhe von 30.000,00 € und einem Verteilerschlüssel Miteigentumsanteile Wohnung. Damit sind die Tiefgarageneigentümer ab dem 01.01.2025 nicht mehr an dieser Rücklagenbildung beteiligt. Die Aufteilung der bestehenden allgemeinen Erhaltungsrücklage zwischen Wohnungen und Tiefgarage erfolgt mit Stand 31.12.2024, aber erst auf Grundlage einer Beschlussfassung in der ordentlichen Eigentümerversammlung 2025. Der Verteilerschlüssel für größere Erhaltungsmaßnahmen (z. B. Baumaßnahmen) wird künftig stets im Rahmen der Beschlussfassung festgelegt. Eine weitere Änderung der Verteilerschlüssel erfolgt nicht.“
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Jahresabrechnung nebst der Einzelabrechnung der Klägerin für das Jahr 2023 in Kopie als – Anlage K1 –, verwiesen, sowie auf das Protokoll der ETV vom 22.07.2024 -Anlage K 21, verwiesen.
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Die Abrechnung der Sonderumlage Hausgeld vom 29.07.2024, die von der Verwalterin zum 15.08.2024 im Wege der Verrechnung eingezogen wurde, ergibt sich aus der Anlage K2.
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Die Abstimmung über die Beschlüsse der Eigentümerversammlung erfolgten per Handzeichen nach Kopfstimmen. Eine Protokollierung des Abstimmungsergebnisses erfolgte nicht.
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Auf Nachfrage nach dem Abstimmungsergebnis und dem Hinweis der Klägerin, dass die Beklagte nach der Teilungserklärung nicht per Kopfstimmen, sondern nach dem Wertprinzip mit Miteigentumsanteilen abstimmt, teilte die Geschäftsführerin der Verwalterin der Klägerin folgendes mit:
„Die Abstimmung in der Eigentümerversammlung erfolgte durch Handzeichen. Es ergab sich bei jedem Beschluss eine eindeutige Mehrheit, sowohl dafür, als auch dagegen, so dass ein Auszählen nicht notwendig wurde. Die Beschlussfassung wurde in der Versammlung entsprechend verkündet und protokolliert.“
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die E-Mail der Klägerin vom 23.07.2024 und 31.07.2023 in Kopie als – Anlage K 18 –, das Schreiben der Klägerin vom 31.07.2024 in Kopie als – Anlage K19 – und die E-Mail der Geschäftsführerin der Verwalterin vom 31.07.2024 in Kopie als – Anlage K 20 –, verwiesen.
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Die Klägerin trägt u.a. vor, dass der Eigentümerversammlung nach dem falschen Abstimmungsprinzip abgestimmt wurde. In der Eigentümerversammlung vom 22.07.2024 wurde nach dem Kopfprinzip abgestimmt. Es ist jedoch nach dem Wertprinzip abzustimmen (vgl. § 9 der Teilungserklärung, Anlage K 6), zumal es erhebliche Gegenstimmen gab. Ferner war nicht ersichtlich, ob die diversen Bevollmächtigungen zugunsten des Verwaltungsbeiratsvorsitzenden Herrn Ba, der verschiedene Eigentümer vertrat, immer Berücksichtigung fanden. Auch war nicht ersichtlich, welcher Eigentümer über wie viele Miteigentumsanteile verfügt. Die Klägerin bestreitet vor diesem Hintergrund, dass die Beschlüsse mit der erforderlichen Mehrheit nach Miteigentumsanteilen gefasst wurden. Die Mängel konnten sich auch auf das Ergebnis des Beschlussanfechtungsverfahrens ausgewirkt haben.
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Die Klägerin beantragt
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Die Beklagte beantragt
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Die Beklagte macht u.a. geltend, dass bestritten wird, dass ein Mehrheitsbeschluss nicht vorliegen soll. In der Teilungserklärung ist unter § 9 (4) im letzten Satz (Anlage K 6) mitgeteilt, dass „jeder Wohnungseigentümer so viele Stimmen, wie Tausendstel Anteile“ auf sich vereinigt. Bei der Abstimmung hat die Verwalterin nach der schon lange anerkannten Substraktionsmethode gehandelt. Wie im BGH-Beschluss vom 19.09.2002 (V ZB 37/02) festgehalten, ist die Ermittlung der Zählung der zu einem Beschlussantrag von Wohnungseigentümern der Ja- und Neinstimmen sowie der Stimmenthaltungen, Aufgabe des Leiters der Eigentümerversammlung. Es begegnet auch keinen grundsätzlichen Bedenken, so das Urteil, wenn der Versammlungsleiter die Substraktionsmethode nutzt und bei ganz überwiegender Anzahl von positiven Stimmen den Rest der Stimmen als Nein-Stimmen oder Enthaltungen wertet, ohne eine genaue Erfassung nach Miteigentumsanteilen vorzunehmen. Dass die ganz überwiegende Mehrheit der anwesenden Miteigentümer für die Beschlussfassung gestimmt hat, kann durch die Aussagen der anwesenden Teilnehmer, bzw. der Versammlungsleiterin bewiesen werden. Bestritten wird, dass es bei den streitgegenständlichen Beschlussfassungen erhebliche Gegenstimmen gegeben hat, der Vortrag „erhebliche Gegenstimmen“ wird als unsubstantiiert zurückgewiesen. Die Klägerin hat die Darlegungs- und Beweislast für den für sie vorteilhaften Vortrag. Zudem ist festzuhalten, dass der Versammlungsleiter Erklärungsempfänger ist und er auch im Rahmen der beschlusskonstitutiven Wirkung der Verkündung des Beschlussergebnisses die Anzahl der abgegebenen Stimmen ermittelt. Vorsorglich wird hinsichtlich des Vortrags zu den Bevollmächtigungen mitgeteilt, dass die Kerntatsache, an welchen Mängeln der Einbezug der Stimmen aus den Bevollmächtigungen leidet, nicht dargestellt ist. Nach allem ist ein Mehrheitsbeschluss zustande gekommen.
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Eine Ungültigerklärung des Beschlusses aufgrund eines Auszählungsfehlers kommt nur in Betracht, wenn sich bei korrekter Ermittlung des Abstimmungsergebnisses für den zugrundeliegenden Beschlussantrag nicht die erforderliche Mehrheit gefunden hat und die Klägerin dies vorträgt und nachweist (BGH vom 13.07.2012 – V ZR 254/11 NJW 2012, 3372, Rdnr. 12). Maßgeblich ist ein Fehler für eine falsch angewendete Zählweise, hier nicht per Kopfstimmen, sondern nach Wertprinzip, wenn sich aus der richtigen Zählung keine Mehrheit mehr ergibt oder feststellen lässt (LG München I, Urteil vom 26.07.2023, AZ: 1 S 16489/22 WEG). Allein der Vortrag der Klägerin, dass es (angeblich) erhebliche Gegenstimmen gegeben hat und spieltheoretische Betrachtungen der Klägerin, woran dies gelegen hat, führt nicht dazu, dass überhaupt vorgetragen worden wäre, dass ein Mehrheitsbeschluss nicht zustande gekommen ist. Die Klägerin hat bislang jedoch nicht in Ansätzen Vortrag gebracht, der nur auf eine irgendwie begründete falsche Auszählung der Stimmen hinweist. Erst dann trifft die Beklagte die sekundäre darlegungs- und Beweislast.
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Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und das Protokoll der öffentlichen Sitzung verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist begründet I. Die Klage ist zulässig.
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1. Für eine Binnenstreitigkeit, also einen Rechtsstreit, der § 43 Abs. 1 WEG n.F. unterfällt, ist das Gericht örtlich ausschließlich zuständig, in dessen Bezirk das Grundstück, hier Amtsgericht München. liegt.
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2. Das WEG-Gericht ist sachlich ausschließlich zuständig gem. § 43 Abs. 2 Nr.4 WEG n. F. i.V.m. § 23 Nr. 2 Buchstabe c) GVG für Beschlussklagen.
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3. Gemäß § 9b Abs. 1, S. 1 WEG wird die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer durch den Verwalter gerichtlich und außergerichtlich vertreten. Der Verwalter ist unbeschränkt und unbeschränkbar vertretungsberechtigtes Organ der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.
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Die Klage ist begründet.
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1. Die unter TOP 2 gefassten Beschlüsse der ETV vom 22.07.2024 über die Anpassung von Vorschüssen und Nachschüsse für das Wirtschaftsjahr 2023 und die Erhebung einer Sonderumlage berechnet nach Miteigentumsanteilen sowie der unter TOP 5 gefasste Beschluss zur Änderung des Kostenverteilungsschlüssels entsprechen aus den von der Klägerin vorgetragenen Beschlussanfechtungsgründen nicht ordnungsgemäßer Verwaltung und waren daher für ungültig zu erklären.
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1.1. Wie die Verwalterin selbst mit E-Mail von 31.07.2024 (vgl. Anlage K 20) zugestanden hat, wurde in der Eigentümerversammlung nach dem falschen Abstimmungsprinzip abgestimmt. In der Eigentümerversammlung vom 22.07.2024 wurde nach dem Kopfprinzip abgestimmt. Nach der Teilungserklärung der Beklagten ist jedoch nach dem Wertprinzip abzustimmen (vgl. § 9 der Teilungserklärung, Anlage K 6).
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1.2. Wenn, so wie hier, eine Auszählung nach der Subtraktionsmethode gewählt wird, so kann das tatsächliche Abstimmungsergebnis nur dann hinreichend verlässlich ermittelt werden, wenn für den Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der Anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und bei Abweichung vom Kopfprinzip auch deren Stimmkraft feststeht. Es wird bezüglich auf dem BGH-Beschluss vom 19.09.2002 „V ZB 37/02“ verwiesen. Lässt sich die Zahl der anwesenden Wohnungseigentümern nicht mehr aufklären und verbleiben dadurch Zweifel an den Mehrheitsverhältnissen, so ist im Falle der Beschlussanfechtung davon auszugehen, dass der Versammlungsleiter die Zahl der „ja“-Stimmen zu Unrecht festgestellt hat.
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1.3. Hier wurde im Protokoll der ETV vom 22.07.2024 lediglich festgehalten, dass die Versammlung mit 522 / 1.000stel Miteigentumsanteile beschlussfähig war. Zudem wurde lediglich im Protokoll angegeben, dass die Beschlüsse „mehrheitlich„angenommen wurden. Es muss aber dann hinreichend verlässlich ermittelt werden können, für den Zeitpunkt der jeweiligen Abstimmung die Anzahl der Anwesenden und vertretenen Wohnungseigentümer und bei Abweichung vom Kopfprinzip auch deren Stimmkraft. Eine solche Ermittlung ist hier nicht gegeben. Es fehlt bereits an der Angabe, wieviele Wohnungseigentümer anwesend waren und wieviele Vollmachten vorlagen. Zudem hätte ermittelt werden müssen, wieviel Miteigentumsanteile die anwesenden Miteigentümer und die vertretenen Miteigentümer haben. Die Beklagte trägt vor, dass ersichtlich war, dass die überwiegende Mehrzahl dafür gestimmt hat und die Klägerin trägt vor, dass eine erhebliche Anzahl an Miteigentümern dagegen gestimmt hat. Es reicht der diesbezügliche Sachvortrag der Beklagtenpartei, es hätte die überwiegende Mehrheit dafür gestimmt gerade nicht aus, denn es hätte hier von der Beklagtenpartei zum Zeitpunkt der Abstimmung berechnet werden müssen, wieviele Miteigentumsanteile dafür und wieviele dagegen gestimmt haben. Eine einfache berechnung nach dem Kopfprinzip ist hier nicht zulässig, denn die Teilungserklräung verlangt eine Abstimmung nach Miteigentumsanteilen.
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1.4. Die Klägerin hat sich auch darauf berufen, dass ein Mehrheitsbeschluss nicht zustande gekommen ist, indem sie in ihre Klagebegründung vom 15.09.2024 geschrieben hat, dass die Beschlüsse nicht mit der erforderlichen Mehrheit nach Miteigentumsanteilen gefasst wurden (Seite 16 letzter Absatz).
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1.4.1. Es ist auch nicht richtig, dass die Klägerin einen Vortrag bringen muss, der auf eine irgendwie begründete falsche Auszählung der Stimmen hinweist und erst dann die Beklagte die sekundäre Darlegungs- und Beweislast treffen würde. Die Klägerin hat hier dargetan, dass nach dem Kopfprinzip und nicht nach dem Wertprinzip abgestimmt wurde. Damit hat sie bereits dargelegt, dass eine falsche Auszählung der abgegebenen Stimmen erfolgt ist. Sie ist damit ihrer Darlegungs- und Beweislast ausreichend nachgekommen ist. Es wäre nun an der Beklagten ihrer sekundären Darlegungs- und Beweislast nachzukommen und nachzuweisen, welche Stimmen dafür und dagegen gestimmt haben, welche Vollmachten gegeben waren und wie die Stimmen nach dem Wertprinzip zu werten sind und ob tatsächlich die einfache Mehrheit für den Beschluss gestimmt hat. Dass bei Zweifeln die Beklagte die sekundäre Darlegungs- und Beweislast ergibt sich auch aus dem BGH-Beschluss vom 19.09.2002 „V ZB 37/02“.
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1.4.2. Zudem gilt auch folgende Rechtsprechung: Bei formellen Fehlern ist die Anfechtung nur dann begründet, wenn sich die Mängel auf das Ergebnis des Beschlussanfechtungsverfahrens zumindest ausgewirkt haben können. Umgekehrt scheidet eine Ungültigerklärung aus, wenn mit Sicherheit – nicht nur hoher Wahrscheinlichkeit – feststeht, dass der jeweilige Beschluss auch bei ordnungsgemäßem Verfahren gefasst worden wäre (stRspr, etwa LG München I Urt. v. 24.6.2010 – 36 S 12044/09; vgl. weitere Nachweise bei T. Spielbauer in Spielbauer/Then, WEG, 3. Aufl. 2017, § 23 Rn. 38 und Merle in Bärmann, WEG, 14. Aufl. 2018, § 23 Rn. 185). Insoweit tragen die Wohnungseigentümer, die sich auf die Wirksamkeit des Beschlusses berufen, also die Beklagten, die Darlegungs- und Beweislast im gerichtlichen Verfahren, wobei an die Feststellung, wonach die Beschlüsse nicht auf dem formalen Mangel beruhen würden, strenge Anforderungen zu stellen sind (LG München I Urt. v. 24.6.2010 – 36 S 12044/09; OLG Hamm Beschluss vom 19.4.1995 – 15 W 26/95 = BeckRS 1995, 31008418). “ LG München I, Urteil vom 07.02.2019 – 36 S 5357/18 WEG, ZWE 2020, 91). Die Beklagte ist daher ihrer Beweislast nicht nachgekommen so dass alle angefochtenen Beschlüsse für ungültig zu erklären waren.
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1.5. Die angefochtenen Beschlüsse sind somit bereits aufgrund dessen für ungültig zur erklären, so dass es auf die weiteren Beschlussanfechtungsgründe nicht mehr ankommt.
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2. Der im Klageantrag geltend gemachte Zinsanspruch ergibt sich aus §§ 280 Abs. 1,2, 286, 288 BGB, da die Beschlussanfechtung der unter TOP 2 gefassten Sonderumlage ex tunc wirkt.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO und die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 709 I ZPO.
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Der Streitwert war auf € 33.310,53 festzusetzen.
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Die Festsetzung des Streitwertes bemisst sich nach § 49 GKG. Danach ist Streitwert in Verfahren nach § 44 WEG auf das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung festzusetzen. Er darf den siebeneinhalbfachen Wert des Interesses des Klägers und der auf seiner Seite Beigetretenen sowie den Verkehrswert ihres Wohnungseigentums nicht übersteigen.
1. Anfechtung der Abrechungsspitze (TOP 2)
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Vorliegend wird der unter TOP 2 gefasste Abrechnungsbeschluss gem. § 28 Abs. 2 WEG mit dem Ziel angefochten, den Beschluss insgesamt für ungültig erklären zu lassen. Der Streitwert bemisst sich somit grundsätzlich nach dem Nennbetrag der Jahresabrechnung. Das für die Berechnung der Grenzen des § 49 S. 2 GKG maßgebliche Individualinteresse der Klägerin entspricht ihrem Anteil am Nennbetrag der Abrechnung (BGH, Urteil vom 24.2.2023 – V ZR 152/22, NJW 2023, 2111). Der Nennwert der Jahresabrechnung beträgt € 181.913,47 (vgl. Anlage K1). Das Individualinteresse der Klägerin entspricht ihrem Anteil am Nennwert der Abrechnung in Höhe von € 3.038,07 (vgl. Anlage K1). Der Streitwert für die Beschlussanfechtung bzgl. des unter TOP 2 gefassten Beschlusses über die Anpassung von Vorschüssen und Nachschüsse für das Wirtschaftsjahr 2023 beträgt gem. § 49 S. 2 GKG somit € 22.785,53 (7,5 x € 3.038,07).
2. Anfechtung der Sonderumlage (TOP 2)
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Bzgl. der Beschlussanfechtung der Sonderumlage ist nach § 49 S. 2 GKG ein Streitwert in Höhe von € 6.525,00 anzusetzen. Das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung über einen Sonderumlagebeschluss entspricht dem Betrag der Sonderumlage (LG Nürnberg-Fürth NJOZ 2011, 655 (656); Jennißen/Suilmann Rn. 23; auch → Rn. 24). Das für die Obergrenze des § 49 S. 2 Hs. 1 maßgebliche (Individual-) Interesses des Klägers (und der auf seiner Seite Beigetretenen) entspricht dem Anteil der klagenden Wohnungseigentümer an der Sonderumlage begrenzt (LG Nürnberg-Fürth NJOZ 2011, 655 (656)).“ BeckOK KostR/Toussaint GKG § 49 Rn. 26
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Das Interesse aller Wohnungseigentümer an der Entscheidung über den Sonderumlagebeschluss beträgt € 58.000,00. Das Individualinteresse der Klägerin entspricht ihrem Anteil am Nennwert der Sonderumlage in Höhe von € 870,00 (vgl. Anlage K2). Der Streitwert beträgt gem. § 49 S. 2 GKG somit € 6.525,00 (7,5 x € 870,00).
3. Anfechtung der Änderung des Kostenverteilungsschlüssels (TOP 5)
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Hinsichtlich der Bemessung des Streitwerts für die Beschlussanfechtung des TOP 5 (Änderung Kostenverteilungsschlüssel) geht die Klägerin in Anlehnung an das Urteil des LG München I vom 13.01.2014 – 1 S 1817/13 WEG (BeckRS 2014, 4497) von einem Streitwert von € 4.000,00 aus.
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Damit ergibt sich ein endgültiger Streitwert von € 33.310,53.