Titel:
Schuldnerbezeichnung in einem Erschließungsbeitragsbescheid
Normenketten:
BayKAG Art. 5a, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 lit. b Nr. 4
AO § 42, § 121 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2, § 126 Abs. 1 Nr. 2, § 157 Abs. 1 S. 2
BauGB § 134 Abs. 1 S. 1, S. 4
Leitsätze:
1. Aus der Adressierung eines Erschließungsbeitragsbescheides an Eheleute ergibt sich zweifelsfrei, dass beide Ehepartner in Anspruch genommen werden sollen. Nach § 134 Abs. 1 S. 4 Halbs. 1 BauGB haften mehrere Beitragspflichtige als Gesamtschuldner. (Rn. 29 – 30) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten liegt vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Abgabenminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche außersteuerliche bzw. außerbeitragsrechtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist, dh wenn einzig die Vermeidung (oder Verminderung) einer Beitragspflicht verfolgt wird. Es spricht für die Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung, wenn eine Grundstücksteilung in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Ankündigung, Erschließungsbeiträge zu erheben, beantragt wird. (Rn. 34 – 37) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Erschließungsbeitrag, Bestimmtheit, Bescheid, Schuldnerangabe, Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten, Beitragsschuldner, Schuldnerbezeichnung, Missbrauch, Begründungspflicht
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20083
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Die Kläger tragen die Kosten des Verfahrens als Gesamtschuldner.
III. Das Urteil ist in Ziffer II. vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
1
Die Kläger wenden sich gegen die Heranziehung zu einem Erschließungsbeitrag.
2
Die Kläger waren ursprünglich Eigentümer des 3.212 m² großen Grundstücks Fl.Nr. …1 (alt) der Gemarkung …1. Das Grundstück wurde am 29.11.2019 in das 1.212 m² große Grundstück Fl.Nr. …1 (neu) und das 2.000 m² große Grundstück Fl.Nr. …2 geteilt. Das Grundstück Fl.Nr. …1 (neu) steht im Eigentum der Kläger, das Grundstück Fl.Nr. …2 wurde nach der Teilung an Herrn T1 … U …, den Sohn der Kläger, übereignet (Auflassungserklärung: 15.06.2020; Eintragung im Grundbuch: 23.09.2020).
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Mit Schreiben vom 09.02.2021 kündigte der Beklagte die Übersendung eines Beitragsbescheids an und erläuterte, dass die Grundstücke Fl.Nr. …1 (neu) und …2 gemeinsam verlangt würden, da davon ausgegangen werde, dass die Grundstücksübereignung des Grundstücks Fl.Nr. …2 lediglich mit dem Hintergrund erfolge, sich für dieses Grundstück der Beitragspflicht zu entziehen.
4
Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 09.03.2021 setzte die Beklagte einen Erschließungsbeitrag für die „Eheleute U …“ für „das Grundstück Fl.Nr. …1 + …2“ in Höhe von 71.126,53 € fest. Auf den Inhalt des Bescheids wird Bezug genommen.
5
Der am 19.03.2021 von den Klägern hiergegen erhobene Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid des Landratsamts N … vom 12.12.2022 zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Widerspruchs und des Widerspruchsbescheids wird Bezug genommen.
6
Mit Schriftsatz vom 13.01.2023, bei Gericht eingegangen am selben Tag, ließen die Kläger Klage erheben. Der Bescheid leide bereits an durchgreifenden formellen Fehlern. So sei weder nach dem Tenor noch nach der Begründung des Bescheids klar, ob die Kläger den Beitrag nun als Teilschuldner, Gesamtschuldner oder in anderer Weise schulden würden. Im Gegenteil schwanke der Bescheid schon sprachlich zwischen Singular und Plural. Dies habe auch nichts mit der materiellen Beitragsschuld zu tun. Von der materiellen Beitragsschuld sei die eher formelle Frage der Bestimmtheit des Bescheids nach Adressat und Regelungsinhalt zu trennen. Dabei erschwere auch die zusammengefasste Verbescheidung die Anfechtung des Bescheids. Eine teilweise Anfechtung erscheine kaum möglich, wenn beide Grundstücke zu einem mehr oder minder einheitlichen Beitrag zusammengefasst würden. Außerdem sei im Bescheid vom …2weg – statt …1weg – die Rede. Es sei daher auch fraglich, welche Anlage überhaupt abgerechnet werden solle.
7
Sodann werde den Klägern offensichtlich ein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vorgeworfen (§ 42 AO, vgl. das Schreiben der Gemeinde vom 09.02.2021). Hierauf gehe allerdings wiederum die Begründung des Bescheids entgegen Art. 39 BayVwVfG bzw. § 121 AO gar nicht ein. Es liege auch kein Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten vor. Vielmehr sei die Hofübergabe bereits mit Vertrag vom 15.06.2020 aus einkommensteuerrechtlichen Gründen erfolgt und habe auf gesundheitlichen Gründen des Übergebers beruht. Gerade in den Jahren 2015 bis (einschließlich) 2021 habe sich der Kläger mehreren Operationen unterziehen müssen. Insoweit räume auch der Widerspruchsbescheid eine rechtliche Gestaltung als zulässig ein, wenn außersteuerliche Gründe angeführt werden könnten, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich seien. Gerade dies sei hier aber der Fall. Auch und gerade der selbst vom Landratsamt angesprochene zeitliche Zusammenhang sei damit ersichtlich nicht gegeben: Vielmehr liege der zeitliche Zusammenhang mit dem Alter der Kläger als Übergeber (zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses 60 Jahre) klar zutage. Vor der Hofübergabe sei die Viehhaltung aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen des Klägers aufgegeben worden. Inzwischen habe der Übernehmer des Hofes wieder Tierhaltung (Rinder) am Hof.
8
Das Landratsamt N … argumentiere in seinem Schreiben vom 24.10.2022 an die Unterfertigten auf Seite 4, 2. Absatz: Die Sicherung dieser Zufahrt durch die erfolgte Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts zu Gunsten der Fl.Nr. …1 (neu) und zu Lasten der Fl. Nr. …2 für den Eigentümer der Fl.Nr. …1 belege, dass eine „Verselbständigung“ der Fl.Nr. …1 (neu), d. h. eine Änderung der bestehenden Zufahrt und die Aufgabe der bisherigen gemeinsamen Nutzung nicht beabsichtigt, sondern im Gegenteil sogar rechtlich abgesichert worden sei. Dagegen lägen keine Anhaltspunkte für eine eigenständige und von der Fl.Nr. …2 unabhängige Nutzung der Fl.Nr. …1 (neu) vor, insbesondere sei weder vom …1weg noch von der Hauptstraße aus eine eigene Zufahrt zum Grundstück geschaffen worden, die auf eine selbständige Nutzung der Fl.Nr. …1 hindeuten könnte. Vor diesem Hintergrund sei, abgesehen von der Vermeidung der Erschießungsbeitragspflicht für die Fl. Nr. …2, kein einleuchtender Grund für die erfolgte Grundstücksteilung ersichtlich. Dazu sei anzumerken, dass eine Zufahrt (1) zur Fl.Nr. …1 (neu) es schon bei Beginn des Hausbaus im Jahr 1986 direkt auf die Hauptstr. gegeben habe. Diese Zufahrt sei dann aufgegeben worden, da die Zufahrt (2) in den Hof ungefährlicher für die zwischenzeitlich geborenen vier Kinder (geboren 1988-1992) der Kläger gewesen sei. Es sei ohne großen Aufwand wieder möglich, diese Zufahrt (1) wieder zu benutzen bzw. wiederherzustellen. Zwischenzeitlich sei eine Umgehungsstraße für den Ort … in Planung, die u. a. das Verkehrsaufkommen auf der Hauptstraße extrem stark vermindern dürfte. Somit dürfte die Zufahrt 1 auf Fl.Nr. …1 (neu) auf die dann verkehrsberuhigte Hauptstraße ebenfalls umzusetzen sein. Leider komme es öfters in landwirtschaftlichen Höfen vor, dass das Verhältnis mit den „Hofnachfolgern“ oft sehr schwierig bzw. konfliktbehaftet sei. Um ggfs. diesen Problemen aus dem Weg zu gehen, hätten sich die Kläger dazu entschieden, u. a. auf Anraten des Notars, ihr Haus bis auf Weiteres in ihrem Privatbesitz zu belassen und ein Geh- und Fahrrecht im Übergabevertrag notariell beurkunden zu lassen. Da das Haus auf der Fl.Nr. …1 (neu) in ihrem Privatbesitz sei, hätten sie außerdem die Möglichkeit bzw. die Option offengehalten, dieses Haus an ihren zweiten Sohn, M … U …, zu übergeben. Ihr Sohn M … wohne seit Jahren in der Einliegerwohnung im klägerischen Haus und dieser hätte dann die Option, die Zufahrt (1) zu nutzen. Der Beklagte erwarte, dass die Kläger die Zufahrt auf ihr Grundstück entsprechend umbauen sollten: Es sei nicht nachvollziehbar, eine Ausfahrt bzw. Zufahrt auf den …1weg anzulegen, nur, weil der Beklagte den …1weg ausgebaut habe. Dies wäre mit baulichen nicht unerheblichen Maßnahmen verbunden (Garagentore müssten rückseitig angelegt sowie eine Zufahrt von der Garage zum …1weg müsste gepflastert werden, Hecken müssten entfernt werden etc.).
9
Die Kläger lassen beantragen,
- 1.
-
Der Bescheid des Marktes L … vom 09.03.21 (Az. …) und der Widerspruchsbescheid des Landratsamts N … vom 12.12.22 (Az. …) werden aufgehoben.
- 2.
-
Die Kosten des Verfahrens trägt der Beklagte. Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren wird für notwendig erklärt.
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Die Beklagte lässt beantragen,
11
Der Erschließungsbeitragsbescheid vom 09.03.2021 sei formell rechtmäßig. Er benenne die Beitragsschuldner, das beitragspflichtige Grundstück, den beitragsflächigen Erschließungsaufwand, die beitragspflichtigen Grundstücksflächen und die Höhe des Erschließungsbeitrags. Der angefochtene Bescheid enthalte alle Angaben, die die Beitragsschuldner in die Lage versetzten, die Rechtmäßigkeit der Forderung und ihrer Berechnung nachzuprüfen. Er sei hinreichend bestimmt und begründet. Dass und aus welchen Gründen die Grundstücke Fl.Nr. …1 (neu) und Fl.Nr. …2 herangezogen würden, sei im Schreiben der Beklagten vom 09.02.2021, in dem der Bescheidserlass angekündigt worden sei, erläutert. Die Kläger würden zu Unrecht die „zusammengefasste Verbescheidung“ beanstanden. Diese schließe eine Teilanfechtung (beispielsweise nur wegen der Heranziehung des Grundstücks Fl.Nr. …3) nicht aus und erschwere diese auch nicht.
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Der Bescheid sei auch materiell rechtmäßig. Das Grundstück Fl.Nr. …2 sei zu Recht mit herangezogen worden. Insoweit könne auf die Ausführungen des Landratsamts N … im Widerspruchsbescheid vom 12.12.2022 (S. 5 ff.) verwiesen werden. Ergänzend hierzu habe am 04.04.2019 wegen der vorgesehenen Heranziehung noch ein Informationsgespräch der Kläger mit Herrn B. H … und Frau M … stattgefunden, bei dem die vorgesehene Heranziehung erläutert worden sei. Die Kläger hätten weder im Zusammenhang mit der Anhörung und Ankündigung der Beitragserhebung noch im Widerspruchsverfahren irgendwelche außersteuerlichen Gründe dargetan, geschweige denn nachgewiesen, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich seien (§ 42 Abs. 2 AO). Ein enger zeitlicher Zusammenhang zwischen der Ankündigung der Beklagten, Erschließungsbeiträge zu erheben, und der Grundstücksteilung sei gegeben. Hierzu die maßgeblichen Daten:
- Beschluss der Beklagten zur Erhebung von Beiträgen: 04.04.2019.
- Vorstellung der Ausführungsplanung in öffentlicher Sitzung: 12.09.2019.
- Grundstücksteilung: 29.11.2019.
- Übergabevertrag: 15.06.2020.
- Bescheidserhebung: 09.03.2021.
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Soweit die Kläger auf das Alter und gesundheitliche Gründe des Übergebers verweisen würden, sei dies unerheblich für den nachgewiesenen unmittelbaren Zusammenhang zwischen Grundstücksteilung und Beitragserhebung. Die Übergabe des abgeteilten Grundstücks Fl.Nr. …2 an den Sohn der Kläger, T1 … U …, stelle keinen wirtschaftlichen Grund dar, der die Teilung rechtfertigen könnte. Die Grundstücke Fl.Nr. …1 (neu) und …2 würden nach wie vor einheitlich zu Wohnzwecken und als landwirtschaftliche Hofstelle genutzt. Wie die Kläger selbst vortragen würden, betreibe der Übernehmer wieder Tierhaltung am Hof.
14
Das Landratsamt weise im Widerspruchsbescheid zu Recht darauf hin, dass die Zufahrt zu Fl.Nr. …1 (neu) nach wie vor über die schon vor der Teilung bestehende Zufahrt, die im Bereich der Fl.Nr. …2 liege, erfolge. Eine selbständige Nutzung der Fl.Nr. …2 sei nicht erkennbar, im Gegenteil. Die Sicherung der bestehenden Zufahrt durch die Eintragung eines Geh- und Fahrtrechts zugunsten der Fl.Nr. …1 (neu) und zu Lasten der Fl.Nr. …2 belege, dass eine Änderung der bestehenden Zufahrt nicht erfolge und auch nicht beabsichtigt, sondern im Gegenteil, rechtlich abgesichert worden sei. Die Anmerkung der Kläger in der Klagebegründung, es habe bereits zu einer früheren Zeit eine Zufahrt zum Bereich des jetzigen Grundstücks Fl.Nr. …1 gegeben, helfe nicht weiter. Tatsache sei, wie auch die vorgelegten Lichtbilder belegen würden, dass die Zufahrt ausschließlich in dem Bereich des neu gebildeten Grundstücks Fl.Nr. …2 (Zufahrt 2) genutzt werde. Unerheblich sei auch, dass es den Klägern jederzeit möglich wäre, die Zufahrt 1 wiederherzustellen. Abzustellen sei im Übrigen den Zeitpunkt des Entstehens der Beitragsschuld.
15
Unerheblich sei aus diesem Grund auch die von den Klägern Bezug genommene Planung einer Umgehungs straße. Auch der Hinweis der Kläger, sich durch das Zurückbehalten des Hauses auf Fl.Nr. …1 (neu) die Möglichkeit bzw. die Option „offenhalten zu wollen“, das Haus an den zweiten Sohn zu übergeben, sei beitragsrechtlich irrelevant und im Übrigen spekulativ.
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Im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Über die Klage konnte gemäß § 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) infolge des Einverständnisses der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden.
18
Die Klage ist zulässig. Dabei kann noch offen bleiben, ob der streitgegenständliche Bescheid wegen eventueller Unbestimmtheit nichtig ist. Nach überwiegender Auffassung ist die Anfechtungsklage auch bei nichtigen Verwaltungsakten statthaft (vgl. BayVGH, U. v. 15.09.1983 – 23 B 80 A 861; Schmidt-Kötters in: BeckOK VwGO, 58. Edition Stand: 01.10.2019, § 42 Rn. 21 m. w. N.).
19
Die Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid des Beklagten vom 09.03.2021 in Gestalt des Widerspruchsbescheids des Landratsamts N … vom 12.12.2022 rechtmäßig ist und die Kläger nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 Satz 1, § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Landratsamts N … im Widerspruchsbescheid vom 12.12.2022 und nimmt hierauf Bezug, § 117 Abs. 5 VwGO. Im Übrigen wird ergänzend Folgendes ausgeführt:
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1. Rechtsgrundlage des Bescheids ist Art. 5a Abs. 1 Bayerisches Kommunalabgabengesetz (KAG) i. V. m. §§ 127 ff. Baugesetzbuch (BauGB) i. V. m. der Erschließungsbeitragssatzung (EBS) der Beklagten vom 25.11.2020, in Kraft getreten zum 01.01.2021. Bedenken hinsichtlich der Wirksamkeit der EBS wurden weder vorgetragen, noch sind solche ersichtlich.
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2. Der Bescheid ist weder formell, noch materiell rechtswidrig.
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a) Der Bescheid ist nicht deshalb formell rechtswidrig, weil er sich nicht zum Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten äußert. Insofern wird ein Begründungsmangel geltend gemacht.
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Gemäß Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i. V. m. § 121 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) ist ein schriftlicher, elektronischer sowie ein schriftlich oder elektronisch bestätigter Verwaltungsakt ist mit einer Begründung zu versehen, soweit dies zu seinem Verständnis erforderlich ist. Nach § 121 Abs. 2 Nr. 2 AO bedarf es jedoch keiner Begründung, soweit demjenigen, für den der Verwaltungsakt bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird, die Auffassung der Körperschaft, der die Abgabe zusteht, über die Sach- und Rechtslage bereits bekannt oder auch ohne Begründung für ihn ohne weiteres erkennbar ist.
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Die Sach- und Rechtslage hinsichtlich des Vorwurfs des Missbrauchs von Gestaltungsmöglichkeiten ergibt sich für die Kläger aus dem Schreiben des Beklagten vom 09.02.2021 und war ihnen deshalb bereits bei Erlass des Beitragsbescheids bekannt. Im Übrigen wäre eine etwaige fehlende Begründung gemäß § 126 Abs. 1 Nr. 2 AO durch die ausführliche Begründung im Widerspruchsbescheid geheilt worden.
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b) Der Bescheid ist auch nicht deshalb rechtswidrig bzw. nichtig, weil er an einem schweren offenkundigen Fehler leiden würde, Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i. V. m. § 125 Abs. 1 AO.
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aa) Soweit die Klägerseite vorträgt, es werde nicht klar, ob die Kläger den Beitrag nun als Teilschuldner, Gesamtschuldner oder in anderer Weise schulden würden, rügen sie sinngemäß, dass der Verwaltungsakt keine eindeutige Schuldnerbezeichnung enthalte und deshalb nicht hinreichend bestimmt sei, vgl. Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG i. V. m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO sowie Art. 13 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. b) KAG i. V. m. § 119 Abs. 1 AO.
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Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG i. V. m. § 157 Abs. 1 Satz 2 AO müssen Abgabenbescheide angeben, wer die Steuer schuldet. Nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (vgl. BayVGH, U. v. 12.06.1997 – 23 B 95.3800; B. v. 10.01.1994 – 23 CS 93.2897 – juris Rn. 18 m. w. N.) ist die Konkretisierung dieser Anforderungen in verständiger Würdigung von Sinn und Zweck der Vorschrift jeweils unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalls vorzunehmen. Jedenfalls muss der Wille der Behörde vollständig zum Ausdruck kommen und unzweideutig für die Beteiligten des Verfahrens erkennbar sein. Maßgeblich ist der objektive Erklärungswert. In sich widersprüchliche, unverständliche Angaben und Erklärungen sind unbestimmt.
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Fehlt es an einer eindeutigen und differenzierenden Schuldnerbezeichnung, ist zunächst durch Auslegung des verfügenden Teils des Verwaltungsakts in Verbindung mit seiner Begründung und sonstigen dem Betroffenen bekannten Umständen zu ermitteln, ob der Bescheid noch dem Gebot hinreichender Bestimmtheit genügt. Werden durch eine solche (vorrangige) Auslegung etwaige Zweifel an der Bestimmtheit beseitigt, so scheidet die Annahme seiner Nichtigkeit wegen Unbestimmtheit aus. Dabei kommt es nicht darauf an, wie ein außenstehender Dritter, sondern allein wie der Betroffene selbst nach den ihm bekannten Umständen den materiellen Gehalt des angefochtenen Bescheids unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen musste (BayVGH, B. v. 14.02.2001 – 23 ZB 00.2278 – juris Rn. 4). Es ist also – gegebenenfalls durch Auslegung unter Hinzuziehung der Umstände des Einzelfalls – zu prüfen, ob die an die Schuldnerbezeichnung zu stellenden Anforderungen aus Sicht des Empfängers erfüllt sind (BayVGH, U. v. 12.06.1997 – 23 B 95.3800). Die Heranziehung von Miteigentümern eines Grundstücks kann durchaus in einem einheitlichen Bescheid erfolgen (Art. 13 Abs. 1 Nr. 4 Buchst. b) Doppelbuchst. aa) KAG, § 155 Abs. 3 Satz 1 AO). Das Rechtsstaatsprinzip verlangt dabei für eine hinreichende Bestimmtheit eines an mehrere Adressaten – wie hier die „Eheleute U …“ – gerichteten Abgabenbescheids, dass sich durch Auslegung eindeutig ermitteln lässt, dass der geforderte Betrag von jedem Adressaten in voller Höhe geschuldet wird, aber insgesamt nur einmal zu zahlen ist (BayVGH, B. v. 14.02.2001 – 23 ZB 00.2278 – juris Rn. 4).
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bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßgaben enthält der Bescheid vom 09.03.2021 eine (noch) hinreichend bestimmte Schuldnerbezeichnung.
30
Der Bescheid ist an die „Eheleute U … R … und T2 …“ adressiert. Auch in der weiteren Begründung des Bescheids ist stets nur von den „Eheleute(n)“ die Rede. Ein einzelner der beiden potentiellen Beitragsschuldner wird im Bescheid nicht genannt. Daraus ergibt sich zweifelsfrei, dass beide Kläger in Anspruch genommen werden sollen. Die Formulierung im Bescheid „Eheleute U … (…) haben/hat für das Grundstück Fl.Nr. …1 + …2 der Gemarkung … einen Erschließungsbeitrag in Höhe von 71.125,53 € zu leisten“ führt zu keinem anderen Ergebnis. Da im Bescheid und auch im Schreiben des Beklagten vom 09.02.2021 durchgehend von den Eheleuten U … die Rede ist, steht – obwohl der Bescheid sowohl Singular als auch Plural verwendet (hat/haben; ist/sind) – außer Zweifel, dass sowohl R … als auch T2 … U … als Beitragspflichtige in Anspruch genommen werden sollen. Sprachlich ergibt nur die Auslegung Sinn, dass die Eheleute U … (beide) den Erschließungsbeitrag zu leisten haben. Unter II. des Bescheids wird ausgeführt, dass sich die Beitragspflicht des/der Eigentümer u. a. aus Art. 5a KAG, § 134 Abs. 1 BauGB ergebe. Nach § 13 EBS, § 134 Abs. 1 Satz 4 Halbsatz 1 BauGB haften mehrere Beitragspflichtige als Gesamtschuldner. Im Hinblick auf den grundstücksbezogenen Charakter des Erschließungsbeitrags (vgl. § 134 Abs. 1 Satz 1 BauGB) konnten die Kläger keinen Zweifel daran haben, dass sie als Gesamtschuldner herangezogen werden (vgl. BayVGH, B. v. 14.02.2001 – 23 ZB 00.2278 – juris Rn. 4). Dies bestätigt sich auch darin, dass beide Kläger Widerspruch und Klage erhoben haben.
31
cc) Das Gericht teilt die Bedenken der Klägerseite, es sei fraglich, welche Anlage überhaupt abgerechnet werde, da im Bescheid vom „…2weg“ die Rede sei, nicht. Aus dem Betreff des streitgegenständlichen Bescheids, aus dem Schreiben des Beklagten vom 09.02.2021 und angesichts dessen, dass sie als Eigentümer der Fl.Nr. …1 und …2 der Gemarkung …, welche am …1weg anliegen, in Anspruch genommen werden sollen, ergibt sich für die Kläger ohne Weiteres, dass abgerechnete Erschließungsanlage der „…1weg“ ist.
32
c) Die Beklagte hat auch zu Recht das gesamte ursprüngliche Grundstück Fl.Nr. …1 (alt), aus dem die Grundstücke Fl.Nr. …1 (neu) und Fl.Nr. …2 hervorgegangen sind, als beitragspflichtiges Grundstück betrachtet.
33
aa) Die Aufteilung dieses insgesamt an die abgerechnete Erschließungsanlage angrenzenden Grundstücks Fl.Nr. …1 (alt) in das Anliegergrundstück Fl.Nr. …1 (neu) und das Grundstück Fl.Nr. …2 ist als Missbrauch rechtlicher Gestaltungsmöglichkeiten im Sinne von Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) KAG i. V. m. § 42 AO anzusehen.
34
(1) Nach Art. 13 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b) KAG i. V. m. § 42 Abs. 1 Satz 1 AO kann durch Missbrauch von Gestaltungsmöglichkeiten des Rechts das Gesetz nicht umgangen werden. Ein Missbrauch liegt gemäß § 42 Abs. 2 AO vor, wenn eine unangemessene rechtliche Gestaltung gewählt wird, die beim Beitragspflichtigen oder einem Dritten im Vergleich zu einer angemessenen Gestaltung zu einem gesetzlich nicht vorgesehenen Beitragsvorteil führt (Satz 1); dies gilt nicht, wenn der Beitragspflichtige für die gewählte Gestaltung außersteuerliche Gründe nachweist, die nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlich sind (Satz 2).
35
Ein Missbrauch liegt insbesondere vor, wenn eine rechtliche Gestaltung gewählt wird, die zur Erreichung des erstrebten wirtschaftlichen Ziels unangemessen ist, der Abgabenminderung dienen soll und durch wirtschaftliche oder sonstige beachtliche außersteuerliche bzw. außerbeitragsrechtliche Gründe nicht zu rechtfertigen ist, d. h. wenn einzig die Vermeidung (oder Verminderung) einer Beitragspflicht verfolgt wird. Es ist demnach zu prüfen, ob – abgesehen von der Beitragsvermeidung oder Beitragsverminderung – ein wirtschaftlich sinnvoller oder ein sonstwie einleuchtender Grund für die Grundstücksteilung spricht (BayVGH, B. v. 10.09.2009 – 6 CS 09.551 – juris; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 9. Auflage 2012, § 17 Rn. 102, 103).
36
Ein gewichtiges Indiz für die Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung kann in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen der Ankündigung der Gemeinde, Beiträge zu erheben, und einem Grundstücksteilungsantrag gesehen werden. Der Abgabenpflichtige muss bei der Aufklärung, ob der Gestaltung vernünftige wirtschaftliche Gründe zugrunde liegen, mitwirken. Versagt er die Mitwirkung oder kann er keine vernünftigen Gründe nennen, so ist im Rahmen der Beweiswürdigung grundsätzlich ein Missbrauch im Sinn des § 42 AO anzunehmen (BayVGH, B. v. 20.08.2012 – 6 CS 12.970 – juris).
37
(2) Vorliegend spricht bereits die zeitliche Abfolge für die Unangemessenheit der rechtlichen Gestaltung. Die Grundstücksteilung wurde nach den Angaben der Kläger am 29.11.2019 beantragt. Sie steht damit in einem unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit der Ankündigung des Beklagten vom 04.04.2019, Erschließungsbeiträge für den „…1weg“ zu erheben, und der Vorstellung der Ausführungsplanung am 12.09.2019. Die Auflassung hinsichtlich der Übertragung des Grundstücks Fl.Nr. …2 wurde am 15.06.2020, mithin über sechs Monate nach dem Teilungsantrag, erklärt, die Eintragung im Grundbuch erfolgte am 23.09.2020. Dass schon vorher eine Grundstücksteilung bzw. -übertragung beabsichtigt gewesen wäre, ist weder ersichtlich, noch wird dies von den Klägern vorgetragen.
38
(3) Die bei dieser Fallgestaltung indizierte tatsächliche Vermutung, dass die Grundstücksteilung und Übereignung von Grundstücks(teil) flächen der Beitragsumgehung bzw. Beitragsminderung dient, haben die Kläger nicht durch den Nachweis außerbeitragsrechtlicher, nach dem Gesamtbild der Verhältnisse beachtlicher Gründe (§ 42 Abs. 2 Satz 2 AO) widerlegen können.
39
Das Gericht weist darauf hin, dass es nach dem Wortlaut des § 42 Abs. 2 Satz 2 AO nicht ausreicht, die außersteuerlichen Gründe darzulegen, sondern sie müssen nachgewiesen werden. Infolgedessen sind an die Substantiierung der Gründe höhere Anforderungen zu stellen.
40
Soweit sich die Kläger darauf berufen, dass die Hofübergabe aus gesundheitlichen Gründen des Übergebers mit Vertrag vom 15.06.2020 erfolgt sei, ist – unabhängig davon, dass die gesundheitlichen Gründe nicht hinreichend nachgewiesen (s. o.), sondern lediglich unter Bezugnahme auf nicht näher bezeichnete Operationen angeführt wurden – nicht ersichtlich, weshalb es hierfür der Teilung des Grundstücks Fl.Nr. …1 (alt) bedurft hätte. Es hätte für die Übergabe des Hofs auch die Übertragung des gesamten Grundstücks Fl.Nr. …1 (alt) an den Sohn der Kläger erfolgen können, insbesondere auch deshalb, da nach den Angaben der Beteiligten die beiden neu entstandenen Grundstücke – wie vor der Teilung – zunächst über ein halbes Jahr im Eigentum der Kläger verblieben sind und einheitlich zu Wohnzwecken und als landwirtschaftliche Hofstelle (der Sohn der Kläger betreibt wieder Tierhaltung am Hof) genutzt werden. Dafür spricht auch die nach wie vor bestehende Zufahrt zum Grundstück Fl.Nr. …1 (neu) über das Grundstück Fl.Nr. …2. Dass es früher eine eigenständige Zufahrt zu Fl.Nr. …1 (neu) gegeben habe oder diese jederzeit wieder hergestellt werden könne, ist diesbezüglich ohne Belang, denn tatsächlich besteht nach Aktenlage derzeit keine direkte Zufahrt zu Grundstück zu Fl.Nr. …1 (neu).
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Die Kläger berufen sich ferner darauf, dass sie gegebenenfalls Problemen mit ihrem Sohn aus dem Weg gehen und deshalb ihr Haus in ihrem Privatbesitz belassen wollten. Dies habe u. a. ihr Notar geraten. Unabhängig von der Frage der Substantiierung dieses Vortrags – es wurde nicht vorgeraten, wann und von wem der notarielle Rat erfolgt sei –, der im Übrigen erstmalig mit der Klagebegründung eingeführt wurde, ist aber nicht ersichtlich, weshalb es deshalb der Teilung des Grundstücks bedurft hätte, da es z. B. auch möglich gewesen wäre, den Klägern ein Wohnrecht bzgl. des Wohnhauses einzuräumen.
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Das Gericht verkennt dabei nicht, dass es in Hinblick auf Art. 14 Abs. 1 Satz 1 des Grundgesetzes (GG) und § 903 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) den Klägern grundsätzlich nicht verwehrt ist, mit ihrem Grundeigentum nach ihrem Belieben zu verfahren und demzufolge auch Teile ihres Eigentums zur eigenen Nutzung zu behalten. Die Kläger konnten jedoch der mit der durch die zeitlichen Zusammenhänge zwischen der Ankündigung der Beitragserhebung und der Grundstücksteilung einhergehenden Indizwirkung, auf die sich der Beklagte auch berufen hat, nicht zur Überzeugung des erkennenden Einzelrichters (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) hinreichend entgegentreten. Dies gilt insbesondere in Hinblick auf den Zeitpunkt der Grundstücksteilung und -übertragung. Es wurde nicht näher dargelegt, warum diese gerade in den Jahren 2019/2020 (in zeitlicher Nähe zur Beitragserhebung) erfolgte, obwohl sich der Kläger bereits seit 2015 mehreren Operationen habe unterziehen müssen.
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bb) Liegt ein Missbrauch vor, so entsteht der Beitragsanspruch so, wie er bei einer den wirtschaftlichen Vorgängen angemessenen rechtlichen Gestaltung entsteht, § 42 Abs. 1 Satz 3 AO. Der Gestaltungsmissbrauch nach § 42 AO lässt zwar die zivilrechtliche Wirksamkeit der unangemessenen Gestaltung unberührt, doch ist der Sachverhalt beitragsrechtlich so zu bewerten, als ob die Teilung und Übereignung nicht stattgefunden hätten und der ursprüngliche Eigentümer des Gesamtgrundstücks weiterhin Eigentum auch an der abgeteilten Fläche besäße. An die Stelle der tatsächlichen Gestaltung tritt die angemessene Gestaltung, sie wird der Erhebung des Beitrags zugrunde gelegt. Da in Fällen der hier in Rede stehenden Art die „angemessene Gestaltung“ im Unterlassen der Grundstücksteilung einschließlich des nachfolgenden Übereignungsakts besteht, ist der Beitragserhebung mithin das ursprüngliche Gesamtgrundstück FlNr. …1 (alt) mit dessen gesamter ursprünglicher Fläche zugrunde zu legen (BayVGH, U. v. 27.07.2016 – 6 B 15.1833, BeckRS 2016, 50130, Rn. 19).
44
Da auch im Übrigen keine Gründe für die Rechtswidrigkeit des Erschließungsbeitragsbescheids ersichtlich sind, war die Klage mit der Kostenfolge aus §§ 154 Abs. 1, 159 Satz 2 VwGO abzuweisen. Da die Klägerseite die Kosten des Verfahrens zu tragen hat, bedarf es keiner Entscheidung über die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren, vgl. § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO.
45
Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.