Inhalt

BayObLG, Beschluss v. 12.08.2025 – 102 AR 64/25 e
Titel:

Bayerisches Oberstes Landesgericht, Mehrere Antragsgegner, Gerichtsstandsbestimmung, Aufsichtsratsmitglied, Streitgenossenschaft, Allgemeiner Gerichtsstand, Örtlich zuständiges Gericht, Beschlüsse, Bereicherungsansprüche, Landgerichte, Prozessökonomie, Besonderer Gerichtsstand, Gemeinsamer besonderer Gerichtsstand, Bestimmung des zuständigen Gerichts, Kammer für Handelssachen, Antragstellers, Allgemeine Einlaufstelle, Gesamtschuldner, Mahnbescheidsantrag, Rückforderungsansprüche

Schlagworte:
Gerichtsstandsbestimmung, Streitgenossenschaft, Prozessökonomie, Rückforderungsanspruch, Aufsichtsratsvergütung, Zuständigkeitskonflikt, Verweisungsbeschluss
Fundstelle:
BeckRS 2025, 20003

Tenor

Als gemeinsam örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Stuttgart bestimmt.

Gründe

I.
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Mit an das Bayerische Oberste Landesgericht adressiertem Schriftsatz vom 19. Mai 2025 hat die Antragstellerin die Bestimmung des gemeinsam zuständigen Gerichts für eine Klage gegen die Antragsgegnerin zu 1) mit Sitz im Landgerichtsbezirk München I und gegen den in Stuttgart wohnhaften Antragsgegner zu 2) beantragt. Die Antragstellerin hat ihren Sitz in Köln.
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Die Antragstellerin will die Antragsgegner als Gesamtschuldner auf Zahlung von 111.860,00 € nebst Zinsen in Anspruch nehmen. Sie mache gegen beide Antragsgegner Rückforderungsansprüche nach § 114 Abs. 2 AktG und nach § 812 BGB geltend. Der Antragsgegner zu 2) sei bis 18. November 2021 Mitglied des Aufsichtsrats der p. AG, einer Immobilienentwicklungsgesellschaft, gewesen. Diese gründe für jedes Projekt eine Tochtergesellschaft ohne eigenen Geschäftsbetrieb und unter zentraler Steuerung durch die p. AG. Eine derartige Gesellschaft sei die Antragstellerin.
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Der Antragsgegner zu 2) sei Gründer, Vorstandsvorsitzender und Mehrheitsaktionär der B. AG; deren Tochtergesellschaft, die C. GmbH, sei zu 10% an der Antragsgegnerin zu 1) beteiligt. Zudem sei der Antragsgegner zu 2) Alleingesellschafter der T. GmbH, die an der Antragsgegnerin zu 1) mit 15% beteiligt sei. Insgesamt betrage die indirekte Beteiligung des Antragsgegners zu 2) an der Antragsgegnerin zu 1) daher 25%.
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Die Antragstellerin fordere eine Zahlung zurück, die sie auf eine Rechnung der Antragsgegnerin zu 1) vom 30. Juni 2021 geleistet habe. Die Antragstellerin habe bis heute nicht feststellen können, welche vertragliche Vereinbarung dieser Rechnung / Zahlung zugrunde liege. Noch weniger habe sie in ihren Unterlagen einen zustimmenden Aufsichtsratsbeschluss nach § 114 AktG finden können.
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Am 30. Juni 2021 seien angebliche Leistungen aus einem Joint-Venture-Vertrag, der offenbar auf die Vermarktung eines Immobilienprojekts der p. AG in Berlin gerichtet gewesen sei, in Rechnung gestellt worden. Dies seien Leistungen höherer Art nach § 114 AktG. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs seien Verträge mit bzw. Zahlungen von hundertprozentigen Töchtern einer Aktiengesellschaft im Hinblick auf § 114 AktG zu behandeln wie Zahlungen der Aktiengesellschaft. Für den Durchgriff vom Aufsichtsratsmitglied persönlich auf dessen Beteiligungsgesellschaften sei nicht erforderlich, dass eine beherrschende Beteiligung vorliege. Inzwischen sei ferner festgestellt worden, dass dem Antragsgegner zu 2) zuzurechnende Unternehmen in den letzten Jahren Dutzende Rechnungen an Tochtergesellschaften der p. AG gestellt hätten; das von diesen gezahlte Volumen belaufe sich auf eine Größenordnung von fünf Millionen Euro.
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Die Antragstellerin habe gegen die Antragsgegner einen Mahnbescheid erwirkt, gegen den Widerspruch eingelegt worden sei. Daraufhin habe das Mahngericht das Verfahren gegen den Antragsgegner zu 2) an das Landgericht Stuttgart, das Verfahren gegen die Antragsgegnerin zu 1) an das Landgericht München I abgegeben. Die Antragstellerin sei zunächst davon ausgegangen, dass die Abgabe zeitlich früher an das Landgericht Stuttgart erfolgt sei und habe daher einen Antrag nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO beim Oberlandesgericht Stuttgart, 20 UH 2/25, gestellt. Dieses habe sich aber für unzuständig erklärt und mit Beschluss vom 1. April 2025 das Verfahren zur Bestimmung des Gerichtsstands an das Bayerische Oberste Landesgericht verwiesen.
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Es werde angeregt, das Landgericht Stuttgart, 31. Kammer für Handelssachen, für zuständig zu erklären. Zum einen habe der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin dort seinen Kanzleisitz. Zum anderen seien alle acht Parallelverfahren, in denen der hiesige Antragsgegner zu 2) als Aufsichtsratsmitglied und dessen Beteiligungsgesellschaften in Anspruch genommen wurden, beim Landgericht Stuttgart, 31. Kammer für Handelssachen mit Spezialzuständigkeit Aktienrecht, anhängig. Eine Konzentrierung aller Verfahren bei dieser Kammer sei daher prozessökonomisch.
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Gegenüber dem Bayerischen Obersten Landesgericht haben beide Antragsgegner mitgeteilt, sie hätten keine Bedenken gegen die Bestimmung des Landgerichts Stuttgart, Kammer für Handelssachen, als zuständiges Gericht. Die Antragstellerin hat klargestellt, dass sie nur beantrage, das Landgericht Stuttgart als örtlich zuständiges Gericht zu bestimmen ohne Bindung an eine bestimmte Kammer.
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Aus der vom Bayerischen Obersten Landesgericht mit Verfügung vom 14. Juli 2025 angeforderten Akte des Oberlandesgerichts Stuttgart, 20 UH 2/25, ergibt sich, dass eine Übersendung der Akte im Anschluss an den Verweisungsbeschluss vom 1. April 2025 zwar verfügt wurde, aber offensichtlich (bislang) unterblieben ist.
II.
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Als gemeinsam örtlich zuständiges Gericht wird das Landgericht Stuttgart bestimmt.
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1. Das Bayerische Oberste Landesgericht ist gemäß § 36 Abs. 2 ZPO i. V. m. § 9 EGZPO für die Entscheidung über den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung zuständig. Das im Rechtszug nächsthöhere gemeinschaftliche Gericht für beide Antragsgegner ist der Bundesgerichtshof. Die Antragsgegnerin zu 1) hat ihren Sitz in Gräfelfing und damit ihren allgemeinen Gerichtsstand (§§ 12, 17 Abs. 1 ZPO) im Bezirk des Landgerichts München I, der Antragsgegner zu 2) hat seinen allgemeinen Gerichtsstand, §§ 12, 13 ZPO, im Bezirk des Landgerichts Stuttgart. Im Rechtszug zunächst übergeordnet sind deshalb das Oberlandesgericht München bzw. das Oberlandesgericht Stuttgart und sodann der
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Bundesgerichtshof. Anstelle des Bundesgerichtshofs entscheidet das Bayerische Oberste Landesgericht, da ein bayerisches Gericht zuerst mit der Sache befasst gewesen ist. Das nach dem allgemeinen Gerichtsstand des Mahnantragstellers zuständige Mahngericht bleibt für die Feststellung des nach § 36 Abs. 2 ZPO zuständigen Gerichts außer Betracht (BayObLG, Beschluss vom 1. September 2023, 102 AR 130/23 e, NJW-RR 2024, 119 Rn. 14; Beschluss vom 20. Juli 2023, 101 AR 150/23 e, juris Rn. 12; Beschluss vom 26. Juli 2022, 102 AR 65/22, juris Rn. 15). Sind infolge der Abgabe durch das Mahngericht bereits streitige Verfahren gegen beide Antragsgegner bei verschiedenen Gerichten anhängig, kommt es darauf an, in welchem der beiden Verfahren die Anhängigkeit gemäß § 696 Abs. 1 Satz 4 ZPO früher eingetreten ist (OLG Karlsruhe, Beschluss vom 11. März 2015, 9 AR 14/14, juris Rn. 9; Seibel in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 696 Rn. 15). Ausweislich der Akte des Landgerichts München I, 36 O 1762/25, ist das Verfahren bezüglich der Antragsgegnerin zu 1) mit Verfügung vom 30. Januar 2025 vom Mahngericht abgegeben worden und am 11. Februar 2025 bei der Allgemeinen Einlaufstelle der Justizbehörden in München eingegangen. Aus der Akte des Landgerichts Stuttgart, 53 O 33/25, ergibt sich hingegen, dass das Verfahren bezüglich des Antragsgegners zu 2) erst mit Verfügung vom 17. Februar 2025 abgegeben worden und am selben Tag beim Landgericht Stuttgart eingegangen ist.
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Ob das Bayerische Oberste Landgericht bereits durch die vom Oberlandesgericht Stuttgart im Beschluss vom 1. April 2025 ausgesprochene Verweisung zuständig geworden ist, kann somit dahingestellt bleiben.
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2. Die Voraussetzungen für die Bestimmung eines gemeinsam örtlich zuständigen Gerichts liegen vor.
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a) Den nach § 37 Abs. 1 ZPO nötigen Antrag auf Bestimmung des zuständigen Gerichts hat die Antragstellerin in ihrem, an das Bayerische Oberste Landesgericht adressierten Schriftsatz vom 19. Mai 2025 gestellt. Soweit die Antragstellerin eine Bestimmung des Landgerichts Stuttgart als örtlich zuständiges Gericht anregt, handelt es sich nicht um einen verbindlichen Antrag. Denn die Auswahl im Rahmen des § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO obliegt dem bestimmenden Gericht, das seine Entscheidung nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und Prozessökonomie trifft (BayObLG, Beschluss vom 30. August 2024, 102 AR 99/24 e, juris Rn. 25).
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b) Die Antragsgegner sollen nach dem insoweit allein maßgeblichen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 30. August 2024, 102 AR 99/24 e, ZIP 2024, 2161 [juris Rn. 26]; Beschluss vom 12. September 2022, 101 AR 105/22, juris Rn. 19; Beschluss vom 28. Oktober 1997, 1Z AR 74/97, NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]; Schultzky in Zöller, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 36 Rn. 28) Vortrag der Antragstellerin als Streitgenossen nach §§ 59, 60 ZPO in Anspruch genommen werden.
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Erforderlich, aber auch ausreichend ist, dass sich aus dem Vortrag der Antragstellerin in tatsächlicher Hinsicht nachvollziehbar ableiten lässt, dass die behaupteten Ansprüche in einem inneren sachlichen Zusammenhang stehen, der sie ihrem Wesen nach als gleichartig erscheinen lässt; Identität oder Gleichheit des tatsächlichen und rechtlichen Grundes der gegen die Streitgenossen erhobenen Ansprüche ist nicht erforderlich (BGH, Beschluss vom 6. Juni 2018, X ARZ 303/18, MDR 2018, 951 Rn. 12; BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 123/23 e, juris Rn. 26; Beschluss vom 19. Mai 2020, 1 AR 35/20, juris Rn. 19; Schultzky in Zöller, ZPO, § 36 Rn. 28). Darauf, ob das tatsächliche Vorbringen zutrifft, kommt es im Verfahren auf Zuständigkeitsbestimmung ebenso wenig an (vgl. BayObLG, Beschluss vom 26. April 2002, 1Z AR 30/02, juris Rn. 9; NJW-RR 1998, 1291 [juris Rn. 4]) wie auf die Schlüssigkeit der Klage im Übrigen (BayObLG, Beschluss vom 24. August 2023, 102 AR 123/23 e, juris Rn. 26; Beschluss vom 29. März 2021, 101 AR 16/21, juris Rn. 44).
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Diese Voraussetzungen sind vorliegend erfüllt. Die Antragstellerin fordert von beiden Antragsgegnern die vollständige Rückzahlung des von ihr auf die Rechnung der Antragsgegnerin zu 1) geleisteten Betrags von 111.860,00 € nebst Zinsen. Zur Begründung verweist die Antragstellerin bezüglich beider Antragsgegner auf § 114 Abs. 2 AktG. Nach § 114 Abs. 1 AktG hängt die Wirksamkeit eines Vertrags, durch den sich ein Aufsichtsratsmitglied außerhalb seiner Tätigkeit im Aufsichtsrat zu einer Tätigkeit höherer Art verpflichtet, von der Zustimmung des Aufsichtsratsplenums ab. Gemäß § 114 Abs. 2 AktG hat das Aufsichtsratsmitglied eine Vergütung, die ihm auf Grund eines derartigen Vertrags ohne Zustimmung des Aufsichtsratsplenums gewährt wurde, der Gesellschaft zurückzuzahlen, es sei denn, das Aufsichtsratsplenum genehmigt den Vertrag. Derselbe Anspruch besteht nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch dann, wenn der Vertrag nicht mit dem Aufsichtsratsmitglied persönlich, sondern mit einer Gesellschaft geschlossen wird, deren Alleingesellschafter und Geschäftsführer das Aufsichtsratsmitglied ist oder an der das Aufsichtsratsmitglied beteiligt ist, und ihm dadurch mittelbare Zuwendungen zufließen, bei denen es sich nicht nur um ganz geringfügige Leistungen handelt oder die im Vergleich zu der von der Hauptversammlung festgesetzten Aufsichtsratsvergütung einen vernachlässigenswerten Umfang haben (BGH, Urt. v. 29. Juni 2021, II ZR 75/20, NJW 2022, 238 Rn. 14 m. w. N.; Urt. v. 20. November 2006, II ZR 279/05, BGHZ 170, 69 [juris Rn. 8 ff.]). Rückzahlungspflichtig ist in einer derartigen Konstellation nicht nur das Aufsichtsratsmitglied selbst in voller Höhe (BGH NJW 2022, 238 Rn. 33; BGH, Urt. v. 3. Juli 2006, II ZR 151/04, NJW-RR 2006, 1410 Rn. 12), sondern auch die dem Aufsichtsrat zuzurechnende Gesellschaft als Empfängerin der Vergütung (BGH, Urt. v. 22. Juni 2021, II ZR 225/20, BGHZ 230, 190 Rn. 31 und 38; BGHZ 170, 69 [juris Rn. 16]). Ein Rückzahlungsanspruch entsprechend § 114 Abs. 2 AktG kann unter Umständen auch dann bestehen, wenn das Aufsichtsratsmitglied der Obergesellschaft den Vertrag nicht mit der Obergesellschaft, sondern mit deren Tochtergesellschaft schließt und diese die Vergütung gezahlt hat (BGH, Urt. v. 10. Juli 2012, II ZR 48/11, NJW 2012, 3235 Rn. 16); in einem solchen Fall kann auch die Tochtergesellschaft den Rückzahlungsanspruch geltend machen (vgl. BGHZ 230, 190 Rn. 31; Koch in Koch, AktG, 19. Aufl. 2025, Art. 114 Rn. 11; Habersack in Münchener Kommentar zum AktG, 6. Aufl. 2023, Art. 114 Rn. 35; Breuer/Fraune in Heidel, Aktienrecht und Kapitalmarktrecht, 6. Aufl. 2024, AktG Art. 114 Rn. 13). Ausgehend hiervon hat die Antragstellerin eine Streitgenossenschaft der Antragsgegner schlüssig vorgetragen. Nach ihrem Vortrag sollen die Antragsgegner aus dem identischen Sachverhalt und gleichen rechtlichen Grund in Anspruch genommen werden. Der Antragsgegner zu 2) soll nach § 114 Abs. 2 AktG als (ehemaliges) Aufsichtsratsmitglied der p. AG für die Erstattung einer Zahlung in Höhe von 111.860,00 € haften; diese Zahlung soll die Antragstellerin, eine hundertprozentige Tochter der p. AG, an die Antragsgegnerin zu 1) erbracht haben aufgrund eines vom Aufsichtsratsplenum nicht genehmigten (eventuell auch nicht geschlossenen) Vertrags über angebliche
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Vermarktungsdienstleistungen. An der Antragsgegnerin zu 1) soll der Antragsgegner zu 2) (mittelbar) zu 25% beteiligt sein. Die Antragsgegnerin zu 1) selbst als Empfängerin der vermeintlichen Vergütung soll aufgrund desselben Sachverhalts ebenfalls nach § 114 Abs. 2 AktG die Zahlung in voller Höhe an die Antragstellerin erstatten.
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Nichts anderes ergibt sich daraus, dass die Antragstellerin ihre Ansprüche, ohne näher dazu auszuführen, auch auf § 812 BGB stützen will. Insoweit trägt sie keinerlei anderen Sachverhalt vor und fordert, offensichtlich gestützt auf die behauptete Unwirksamkeit bzw. das Fehlen eines Vertrags, jeweils von den Antragsgegnern Rückzahlung des vollen Betrags als Gesamtschuldner nach § 812 BGB. Zwar erscheint fraglich, ob ein Bereicherungsanspruch gegen den Antragsgegner zu 2) auf Zahlung der gesamten Summe bestehen könnte, da er nach dem Vortrag der Antragstellerin nur zu 25% mittelbar an der Antragsgegnerin zu 1) als Zahlungsempfängerin beteiligt ist; indessen betrifft dies allenfalls die Schlüssigkeit der Klage gegen den Antragsgegner zu 2) insoweit, hindert die Gerichtsstandsbestimmung insgesamt aber nicht.
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Ob der Vortrag der Antragstellerin zutrifft und die beabsichtigte Klage im Übrigen schlüssig ist, bedarf keiner Entscheidung.
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c) Der Bestimmung des zuständigen Gerichts steht auch nicht entgegen, dass gegen die Antragsgegner bereits Verfahren am jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand, beim Landgericht München I und beim Landgericht Stuttgart, anhängig sind. Die Bestimmung des zuständigen Gerichts nach vorangegangenem Mahnverfahren gegen mehrere Antragsgegner, die bei verschiedenen Gerichten ihren jeweiligen allgemeinen Gerichtsstand haben und als Streitgenossen verklagt werden sollen, ist grundsätzlich auch noch zulässig, nachdem Widerspruch eingelegt worden ist und die Verfahren daraufhin an die im Mahnbescheidsantrag angegebenen Streitgerichte abgegeben worden sind. In diesen Fällen kann das Antragsrecht nach § 36 Abs. 1 Nr. 3 ZPO noch mit der Anspruchsbegründung ausgeübt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 17. September 2013, X ARZ 423/13, NJW-RR 2013, 1531 Rn. 7 f.; BayObLG, Beschluss vom 1. September 2023, 102 AR 130/23 e, NJW-RR 2024, 119 Rn. 22; Beschluss vom 4. Mai 2020, 1 AR 14/20, juris Rn. 17; Seibel in Zöller, ZPO, § 696 Rn. 15, § 697 Rn. 2). Sofern allerdings für den Antragsteller schon bei Einreichung des Mahnbescheidsantrags erkennbar ein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand für sämtliche Antragsgegner bestand, dieser aber gerade nicht angegeben wurde, scheidet eine Gerichtsstandsbestimmung aus. Denn jedenfalls hätte prozessual die Möglichkeit bestanden, die Antragsgegner als Streitgenossen in einem einheitlichen Verfahren in Anspruch zu nehmen. Der Antragsteller eines Mahnbescheids ist nicht auf die Angabe des Wohnsitz-/Sitzgerichts als Streitgericht, an das die Sache bei Widerspruch abgegeben werden soll, beschränkt, sondern er kann auch einen besonderen Gerichtsstand wählen (BGH NJW-RR 2013, 1531 Rn. 7 a. E.; Beschluss vom 19. Januar 1993, X ARZ 845/92, NJW 1993, 1273 [juris Rn. 3]; BayObLG NJW-RR 2024, 119 Rn. 22).
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Vorliegend hat die Antragstellerin noch vor Einreichung der Anspruchsbegründung in beiden Verfahren den Antrag auf Gerichtsstandsbestimmung gestellt. Ein gemeinsamer allgemeiner oder besonderer Gerichtsstand besteht weder aktuell noch hat ein solcher zum Zeitpunkt der Einreichung des Mahnantrags bestanden.
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aa) § 22 ZPO ist nicht einschlägig. Danach ist das Gericht, bei dem eine Gesellschaft ihren Sitz hat, für Klagen zuständig, die von ihr gegen ihre Mitglieder als solche oder von den Mitgliedern in dieser Eigenschaft gegeneinander erhoben werden. Vorliegend war der Antragsgegner zu 2) zwar Aufsichtsrat der p. AG, aber nach Vortrag der Antragstellerin weder deren Aktionär noch gar Gesellschafter der Antragstellerin selbst. Eine Beteiligung der Antragsgegnerin zu 1) an der Antragstellerin ist erst recht nicht ersichtlich.
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bb) § 32 ZPO findet ebenfalls keine Anwendung. Der Anspruch aus § 114 Abs. 2 AktG ist ein spezieller aktienrechtlicher Rückgewähranspruch (BGHZ 230, 190 Rn. 31; NJW-RR 2006, 1410 Rn. 12), aber kein Anspruch aus einer unerlaubten Handlung.
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cc) Auch aus § 29 ZPO ergibt sich kein gemeinsamer besonderer Gerichtsstand. § 114 Abs. 2 AktG ist kein Anspruch aus einem Vertragsverhältnis, sondern ein spezieller aktienrechtlicher Rückgewähranspruch (siehe oben bb]). Zudem bestehen vorliegend gesellschaftsvertragliche Beziehungen der Antragstellerin weder zum Antragsgegner zu 2) noch zur Antragsgegnerin zu 1).
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Kondiktionsrechtliche Ansprüche werden von § 29 ZPO im Allgemeinen nicht erfasst (vgl. BGH, Urt. v. 28. Februar 1996, XII ZR 181/93 BGHZ 132, 105 [juris Rn. 13]; BayObLG, Beschluss vom 5. März 2024, 101 AR 246/23 e, juris Rn. 35; Beschluss vom 26. Juli 2022,102 AR 65/22, juris Rn. 21); lediglich bei der Geltendmachung von Ansprüchen aus einer Leistungskondiktion gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, wie etwa Rückzahlungsklagen im Zusammenhang mit nicht zustande gekommenen, nichtigen oder wirksam angefochtenen Verträgen, wird überwiegend vertreten, dass ein besonderer Gerichtsstand nach § 29 ZPO eröffnet ist (BayObLG, Beschluss vom 5. März 2024, 101 AR 246/23 e, juris Rn. 35 m. w. N.; Beschluss vom 3. Juli 2023, 102 AR 40/23 e, juris Rn. 19; OLG Frankfurt, Beschluss vom 16. Januar 2017, 13 SV 18/16, juris Rn. 19; OLG Stuttgart, Beschluss vom 2. April 2004, 13 AR 2/04, juris Rn. 8; Schultzky in Zöller, ZPO, § 29 Rn. 6a, 25.51; Heinrich in Musielak/Voit, ZPO, 25. Aufl. 2025, § 29 Rn. 7). Ein Anspruch der Antragstellerin aus Leistungskondiktion kommt aber allenfalls gegen die Antragsgegnerin zu 1), nicht aber gegen den Antragsgegner zu 2) in Betracht. Dieser könnte nach dem Vortrag der Antragstellerin allenfalls mittelbar durch seine Beteiligung an der Antragsgegnerin zu 1) bereichert sein, ohne dass eine eigene (unwirksame) vertragliche Beziehung zur Antragstellerin inmitten stünde. Ein Gerichtsstand nach § 29 ZPO für den Bereicherungsanspruch gegen die Antragsgegnerin zu 1) könnte aber keinesfalls beim Landgericht Stuttgart, dem allgemeinen Gerichtsstand des Antragsgegners zu 2), bestehen.
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3. Der Senat bestimmt als gemeinsam örtlich zuständiges Gericht das Landgericht Stuttgart.
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Die Auswahl unter den in Betracht kommenden Gerichten erfolgt nach den Grundsätzen der Zweckmäßigkeit und der Prozessökonomie, wobei das bestimmende Gericht ein Auswahlermessen hat (BayObLG, Beschluss vom 3. Juli 2025, 102 AR 11/ 25 e, juris Rn. 51 m. w. N.). Auszuwählen ist grundsätzlich eines der Gerichte, an dem einer der Antragsgegner seinen allgemeinen Gerichtsstand hat (BayObLG ZIP 2024, 2161 [juris Rn 39]; Beschluss vom 3. Dezember 2019, 1 AR 112/19, juris Rn. 35 f. m. w. N.). Ausgehend hiervon bestimmt der Senat das Landgericht Stuttgart, in dessen Bezirk der Antragsgegner zu 2) seinen Wohnsitz hat. Hierfür spricht insbesondere, dass auch die Antragsgegnerin zu 1) in ihrer Stellungnahme keine Bedenken gegen die Bestimmung des Landgerichts Stuttgart geäußert hat. Das Einverständnis der von der Auswahl benachteiligten Partei hat bei der Gerichtsstandsbestimmung regelmäßig ausschlaggebende Bedeutung. Denn mit den Regelungen betreffend die allgemeinen Gerichtsstände hat der Gesetzgeber eine auch am Gerechtigkeitsgedanken orientierte prozessuale Lastenverteilung vorgenommen (vgl. Schultzky in Zöller, ZPO, § 12 Rn. 2; Roth in Stein/Jonas, ZPO, 23. Aufl. 2014, § 12 Rn. 2). Ist einer der Streitgenossen bereit, auf die damit für ihn verbundene Erleichterung zu verzichten, ist dies bei der Auswahlentscheidung regelmäßig zu beachten.
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4. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BayObLG, Beschluss vom 12. Juni 2019, 1 AR 12/18, NJW-RR 2019, 957 Rn. 5).
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5. Mit dieser Entscheidung geht die Rechtshängigkeit ohne Weiteres auf das bestimmte Gericht über (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Mai 2025, X ARZ 38/25, ZIP 2025, 1350 Rn. 42; Beschluss vom 20. Oktober 2020, X ARZ 124/20, WM 2021, 40 Rn. 65; BayObLG, Beschluss vom 3. Juli 2025, 102 AR 11/25 e, juris Rn. 53; Beschluss vom 18. Juni 2024, 101 AR 80/24, juris Rn. 28 m. w. N.).