Titel:
Zuschlagskriterien, Entscheidungen der Vergabekammer, Verfahren vor der Vergabekammer, Sofortige Beschwerde, Wertungsmatrix, Antragsgegner, Beiladung, Leistungsbeschreibung, Nachprüfungsverfahren, Aufschiebende Wirkung, Vergabeunterlagen, Leistungsfähigkeit, Bayerisches Oberstes Landesgericht, Nachprüfungsantrag, Vergaberechtsverstoß, Vergaberechtsverstöße, Rügepräklusion, Vergaberechtswidrigkeit, Bieter, Vergabeverfahren
Leitsatz:
Der Grundsatz der strikten Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien (vgl. Gerichtshof der Europäischen Union, Urt. V. 12. November 2009, C-199/07, VergabeR 2010, 203, Rn. 51 ff.) gehört zum allgemeinen Bieterwissen; ein tatsächlich erkennbarer Verstoß dagegen ist daher auch in rechtlicher Hinsicht im Sinne des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 oder 3 GWB erkennbar.
Schlagworte:
Vergabeverfahren, Zuschlagskriterien, Eignungsprüfung, Referenzbewertung, Transparenzgrundsatz, Leistungsbeschreibung, Netzwerktechnik
Vorinstanz:
Vergabekammer München, Beschluss vom 15.04.2025 – 3194.Z3-3_01-25-13
Fundstellen:
ZfBR 2025, 595
BeckRS 2025, 20000
Tenor
1. Der Antrag der Antragstellerin, die aufschiebende Wirkung ihrer sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss der Vergabekammer Südbayern vom 15. April 2025, Az. 3194.Z3-3_01-25-13, bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde zu verlängern, wird abgelehnt.
2. Die Antragstellerin erhält Gelegenheit, bis zum 24. Juli 2025 mitzuteilen, ob sie die sofortige Beschwerde aufrechterhält.
3. Die Beteiligten erhalten Gelegenheit, binnen gleicher Frist zum Streitwert Stellung zu nehmen. Der Senat beabsichtigt, den Streitwert für das Verfahren auf bis zu 65.000,00 € festzusetzen.
Entscheidungsgründe
1
Mit am 11. Dezember 2024 veröffentlichter Bekanntmachung schrieb die Antragsgegnerin im offenen Verfahren das „Wartungsmanagement für Brandschutzmeldeanlagen (BMA) und Gefahrenmeldeanlagen (GMA)“ aus; Gegenstand des Auftrags sind „Instandhaltungsleistungen, die zum Betrieb der Anlagen für den Bereich Brandmeldeanlagen (BMA) und Gefahrenmeldeanlagen (GMA) des Uniklinikums benötigt werden. Des Weiteren sind Einbruchmeldeeinrichtungen [EMA] zu betreuen.“ Im Abschnitt „5.1 Los“ findet sich die Beschreibung: „Der zu betreuende Umfang beinhaltet derzeit ca. 28 Brandmeldezentralen sowie ca. 8.000 Rauch- und Druckknopfmelder und diverse zusätzliche Meldeeinrichtungen.“ Abschnitt „5.1.9 Eignungskriterien“ enthält zum Kriterium „Technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ die Beschreibung: „Referenzen in Form einer Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen in vergleichbarer Größenordnung des Vergabeverfahrens […].“ Auf die Notwendigkeit solcher Referenzen zum Nachweis der Eignung in technischer und beruflicher Hinsicht weist auch Nr. 7.3 der Allgemeinen Bewerbungsbedingungen hin, die darüber hinaus folgende Aussage enthält: „Bitte beachten Sie, dass in der Wertungsmatrix im gleichnamigen Reiter zusätzlich eine Wertungsreferenz benannt werden muss. Diese darf auch eine der bereits genannten sein.“
2
Ausweislich der zu den Vergabeunterlagen gehörenden Wertungsmatrix wurden der Preis mit 30%, Regieleistungen und Fahrtkosten sowie Nachlass auf Ersatzteile mit jeweils 15% und die „Leistungsfähigkeit“ mit 40% gewichtet. Wertungskriterium für Letztere ist „mind. 1 Referenz vergleichbarer Anlagengröße“, für die folgende Punkteverteilung vorgesehen war: 5 Punkte für eine Referenz mit mindestens 27 gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen, 1 EMA-Zentrale und 8.000 automatischen Meldern, 3 Punkte für eine Referenz mit mindestens 20 gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen, 1 EMA-Zentrale und 5.000 automatischen Meldern und 0 Punkte für eine Referenz mit weniger als 20 gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen, 1 EMA-Zentrale und 5.000 automatischen Meldern. Die preislichen Bestandteile der Angebote wurden ebenfalls nach einem Punkteschema bewertet (niedrigster Preis bzw. höchster Nachlass: 5 Punkte; zweitniedrigster Preis bzw. zweithöchster Nachlass: 3 Punkte; alle anderen Angebote: 0 Punkte).
3
Die Leistungsbeschreibung enthält im Abschnitt „3 Themen“ u. a. folgende Ausführungen:
„Im Folgenden werden die zu betreuenden technischen Themen und Betriebseinheiten beschreiben [!]. Erfolgen keine weiterführenden Angaben, so ist davon auszugehen, dass die technischen Anlagen und Systeme üblich, das heißt gemäß Stand der Technik, Norm oder Auftraggeber-Richtlinie aufgebaut sind. Besonderheiten oder Einschränkungen sind dargestellt.
3.1 Brandmeldeanlagen (BMA)
Der prinzipielle Aufbau der Brandmeldeanlagen des Klinikums und deren Vernetzung kann der folgenden Darstellung entnommen werden […] Im Klinikum X wird das Brandmeldesystem E. eingesetzt. Die Vernetzung der Brandmeldezentralen je Liegenschaft erfolgt durch eine eigene LWL-Ringstruktur. Ausgehend von den Brandmeldezentralen sind in Looptechnik die Endgeräte (Melder, Geber, usw.) angebunden.
Im Klinikum X ist ein Zentralenring über LWL-Infrastruktur aufgebaut. Die Komponenten, wie z.B. FBF, FSD, FAT sind aktuell nur an ausgewählten Zentralen angebunden.
Als übergeordnetes Managementsystem wird das System WINMAG der Firma E. eingesetzt. Die Schnittstelle zu WINMAG ist die jeweiligen Brandmeldezentrale. Das System WINMAG ist Inhalt dieses Leistungsscheins. Die Datenpflege erfolgt durch den Auftragnehmer.“
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Ebenso wie die Beigeladene und weitere Bieter reichte die Antragstellerin fristgerecht ein Angebot ein.
5
Die Antragsgegnerin beabsichtigte zunächst, den Zuschlag auf das Angebot der Antragstellerin zu erteilen, wogegen sich die Beigeladene wandte. In diesem Zusammenhang erkundigte sich die Antragsgegnerin beim Referenzgeber der Antragstellerin über deren Referenzauftrag und erhielt mit E-Mail vom 11. Februar 2025 die Auskunft, die Antragstellerin habe beim Referenzgeber den Wartungsauftrag für 68 von 79 E. Brandmeldezentralen. In dem größten auf dem Gelände vernetzten Essernet-Ring seien sechs Brandmeldezentralen; in Haus 23ABC seien neun Brandmeldezentralen im Essernet-Ring vernetzt. Daraufhin bat die Antragsgegnerin die Antragstellerin mit Schreiben vom 12. Februar 2025 um Stellungnahme zu der Auskunft, aus der sich ergebe, dass die von der Antragstellerin gewarteten 68 Brandmeldezentralen des Referenzgebers nicht, wie in der Wertungsmatrix gefordert, gesamtheitlich vernetzt seien. Es handle sich vielmehr um mehrere Anlagen mit bis zu neun vernetzten Brandmeldezentralen; die übergeordnete Visualisierung über das WINMAG-System werde nicht von der Antragstellerin betrieben. Es müsse daher davon ausgegangen werden, dass die Referenz nicht mindestens 27 gesamtheitlich vernetzte BMA-Zentralen betreffe und deshalb nicht mit 5 Punkten bewertet werden könne, wodurch sich das Ergebnis der Bewertung insgesamt ändern würde. Hierauf entgegnete die Antragstellerin mit Schreiben vom 13. Februar 2025 unter Beifügung zweier handschriftlicher Skizzen, die 68 BMA-Zentralen seien „gesamtheitlich vernetzt mit einem WinMag-System“.
6
Mit Informationsschreiben gemäß § 134 GWB vom 18. Februar 2025 teilte die Antragsgegnerin der Antragstellerin mit, dass auf ihr Angebot der Zuschlag nicht erteilt werden könne, da die benannte Referenz der Leistungsfähigkeit aufgrund der Mitteilung des Referenzgebers mangels einer hinreichenden Zahl gesamtheitlich vernetzter Brandmeldezentralen mit null Punkten bewertet werde; es sei beabsichtigt, frühestens am 3. März 2025 den Zuschlag auf das Angebot der Beigeladenen zu erteilen. Der hiergegen gerichteten Rüge der Antragstellerin vom 19. Februar 2025 half die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 24. Februar 2025 nicht ab, woraufhin die Antragstellerin mit am selben Tag bei der Vergabekammer Südbayern eingegangenem Schriftsatz vom 28. Februar 2025 den Antrag auf Durchführung eines Nachprüfungsverfahrens stellte, den sie im Wesentlichen damit begründete, dass der Referenzauftrag mehr als 27 „gesamtheitlich vernetzte Brandmeldezentralen“ im Sinn der Wertungsmatrix betreffe; die Antragsgegnerin dehne diesen Begriff über den objektiven Empfängerhorizont hinaus aus.
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Vor der Vergabekammer hat die Antragstellerin beantragt,
die Antragsgegnerin zu verpflichten, die Vergabe betreffend Wartungsmanagement Brandmeldeanlagen (BMA) und Gefahrenmeldeanlagen (GMA), Projektnummer EVL-0031-2024-2, bei fortstehender Beschaffungsabsicht zurückzuversetzen, die Nichtberücksichtigung der Antragstellerin ausweislich der Schreiben der Antragsgegnerin vom 18.02.2025 und 24.02.2025 aufzuheben, die Bezuschlagung an die Bieterin … zu untersagen sowie das Vergabeverfahren nach Maßgabe der Rechtsauffassung der Vergabekammer vergaberechtskonform fortzuführen und die Antragstellerin zu bezuschlagen.
8
Die Antragsgegnerin und die Beigeladene haben beantragt,
den Nachprüfungsantrag zurückzuweisen.
9
Sie haben im Wesentlichen argumentiert, der Referenzauftrag betreffe für eine Bepunktung nach der Wertungsmatrix keine hinreichende Zahl gesamtheitlich vernetzter Brandmeldezentralen; mangels einer direkten Vernetzung der Brandmeldezentralen untereinander erfülle ihre einzelne Aufschaltung auf ein WINMAG-System, das lediglich der Visualisierung und Überwachung diene, die Voraussetzung einer gesamtheitlichen Vernetzung nicht. Zur Begründung dieser Auffassung verwies die Beigeladene auch auf DIN 14675, DIN VDE 0833-2 und eine vom Arbeitskreis Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (AMEV) herausgegebene Empfehlung „Planung, Bau und Betrieb von Brandmeldeanlagen in öffentlichen Gebäuden (BMA 2019)“.
10
Mit Beschluss vom 15. April 2025 hat die Vergabekammer den Nachprüfungsantrag zurückgewiesen. Der Nachprüfungsantrag sei zulässig und mit Blick auf die von der Antragstellerin geltend gemachten Vergaberechtsverstöße nicht gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB präkludiert. Eine Präklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB liege jedoch im Hinblick auf die von keinem Bieter gerügte, aber evident vergaberechtswidrige Verwendung eines Kriteriums der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit als Zuschlagskriterium (Referenzauftrag Gegenstand des Zuschlagskriteriums „Leistungsfähigkeit“) vor sowie in Bezug auf die für die Bewertung der preislichen Bestandteile der angebotenen Leistung vorgegebene Bewertungsmethode (Punkteschema könne bereits bei marginalsten Preisunterschieden im Centbereich zu extremen Ausschlägen in der Bewertung führen; ebenfalls nicht gerügt). Aufgrund der bestehenden Präklusion sehe sich die Vergabekammer daran gehindert, diese Verstöße von Amts wegen aufzugreifen, weil dadurch die Rügepräklusion ihren Sinn verlöre.
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Der Nachprüfungsantrag sei unbegründet. Die Bewertung des Angebots der Antragstellerin mit null Punkten im Kriterium der Leistungsfähigkeit sei nicht zu beanstanden; die von der Antragstellerin für die Bewertung angegebene Referenz beinhalte lediglich neun vernetzte Brandmeldezentralen im mit dem Zuschlagskriterium intendierten Sinn. Der Begriff der gesamtheitlichen Vernetzung sei auslegungsbedürftig, wobei auf die objektive Sicht eines verständigen und fachkundigen, mit der Erbringung der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Bieters abzustellen sei. Bereits der Wortlaut des Begriffs „gesamtheitliche Vernetzung“ deute darauf hin, dass nur eine solche Vernetzung gemeint sei, in der die Brandmeldezentralen zu einer Gesamtheit verbunden seien. Dies erfordere nach den überzeugenden Ausführungen der Beigeladenen in der mündlichen Verhandlung eine systemeigene Vernetzung gemäß DIN 14675, also eine unmittelbare Vernetzung der einzelnen Brandmeldezentralen über eine überwachte, redundante Ringstruktur; keine gesamtheitliche Vernetzung stelle demgegenüber die mittelbare Vernetzung der Brandmeldezentralen über ein serielles Interface und einen WINMAG-Server dar. Maßgebliche Kriterien einer gesamtheitlichen Vernetzung von Brandmeldezentralen seien nach den Ausführungen der Beigeladenen die Möglichkeit, Funktionen der gesamten Brandmeldeanlage von jeder angeschlossenen Brandmeldezentrale aus zu steuern, sowie die über eine redundante, überwachte Anbindung der einzelnen Brandmeldezentralen erreichte Ausfallsicherheit; beides werde durch ein WINMAG-System nicht erreicht. Gestützt werde dieses Verständnis durch die von der Beigeladenen vorgelegte Empfehlung des AMEV (Abschnitte 4.11 und 4.12), die fachkundigen Bietern bekannt sein müsse und insoweit für das objektive Verständnis des Begriffs der gesamtheitlichen Vernetzung maßgeblich sei; das WINMAG-System werde dort nicht als alternative Möglichkeit der Vernetzung beschrieben. Für dieses Verständnis des Begriffs der gesamtheitlichen Vernetzung spreche (abgesehen vom Wortlaut) aber insbesondere der Sinn und Zweck des gewählten Zuschlagskriteriums. Dass es hier maßgeblich auf die berufliche Erfahrung der Bieter mit einer solchen Vernetzung habe ankommen sollen wie jener, die in den Liegenschaften der Antragsgegnerin vorzufinden sei, habe sich jedem Bieter aufdrängen müssen. Die Antragsgegnerin habe in der Leistungsbeschreibung die im Klinikum vorzufindende Netzstruktur visualisiert und erläutert, dass die Vernetzung der Brandmeldezentralen je Liegenschaft durch eine eigene LWL-Ringstruktur erfolge; aus dem Schaubild sei ersichtlich, dass die (in der Beschreibung ebenfalls erwähnten) WINMAG-Server nur einen untergeordneten Teil der Netzstruktur ausmachten und die einzelnen Brandmeldezentralen vielmehr durch den dargestellten LWL-Ring zu einer einheitlichen Brandmeldeanlage verbunden würden.
12
Der Referenzgeber habe zwar bestätigt, dass die Antragstellerin einen Wartungsvertrag für 68 von 79 Brandmeldezentralen habe; von diesen seien jedoch lediglich sechs auf dem Gelände und neun andernorts in einem Ring vernetzt. Die von der Antragstellerin vorgelegte Bestätigung des Herstellers der im Referenzauftrag verbauten Brandmeldeanlage bestätige zwar das Vorhandensein von gesamtheitlich vernetzten Brandmeldezentralen, gehe jedoch auf deren genaue Anzahl und den konkreten Aufbau der Netzwerkstruktur nicht ein. Aus der handschriftlich von der Antragstellerin gefertigten Skizze gehe eine lediglich mittelbare Vernetzung der Brandmeldezentralen über ein serielles Interface und einen WINMAG-Server hervor.
13
Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin mit am selben Tag beim Bayerischen Obersten Landesgericht eingegangenem und der Antragsgegnerin am 2. Mai 2025 zugestelltem Schriftsatz vom 28. April 2025 sofortige Beschwerde eingelegt. Aus der vorgelegten Referenz ergebe sich, dass insgesamt 68 Brandmeldezentralen über das Gefahrenmanagementsystem WINMAG in eine zentrale Überwachungs- und Steuerungsstruktur eingebunden seien, was entgegen der Auffassung der Vergabekammer eine gesamtheitliche Vernetzung im Sinn der Wertungsmatrix darstelle, für die eine Ringstruktur zwischen Brandmeldezentralen keine Voraussetzung sei; durch das WINMAG-System entstehe eine übergeordnete Systemstruktur, obwohl jede Brandmeldezentrale grundsätzlich autonom arbeite. Die von der Vergabekammer in Bezug genommene DIN 14675 schreibe die Vernetzung über eine Ringstruktur nicht konkret oder ausdrücklich vor. Soweit die Vergabekammer als weiteres Merkmal einer gesamtheitlichen Vernetzung eine Ausfallsicherheit über eine redundante, überwachte Anbindung der einzelnen BMZ fordere, erfülle das WINMAG-System diese Anforderung. Die im Leitfaden „Planung, Bau und Betrieb von Brandmeldeanlagen in öffentlichen Gebäuden“ unter den Nummern 4.11 und 4.12 beschriebene mögliche Vernetzung von Brandmeldezentralen sei nicht als abschließend zu verstehen, sodass aus dem Umstand, dass das WINMAG-System dort nicht genannt sei, nicht geschlossen werden könne, dass es die Anforderungen nicht erfülle. Es sei nach alledem nicht ersichtlich, warum die von der Vergabekammer hervorgehobene nur mittelbare Vernetzung hinter der physikalischen Vernetzung zurücktrete; die Nullbewertung sei sachlich nicht gerechtfertigt und verletze das Gleichbehandlungsgebot sowie den Transparenzgrundsatz des Vergaberechts. Zudem wende sich die Antragstellerin gegen die von der Vergabekammer angenommene Präklusion in Bezug auf die vergaberechtswidrige Verwendung der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit als Zuschlagskriterium sowie die Bewertungsmethode. Die Unterscheidung zwischen Eignungs- und Zuschlagskriterien sei nicht immer eindeutig, und die Argumentation, der Grundsatz der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien zähle zum allgemeinen und grundlegenden Bieterwissen, zu pauschal; nicht jeder Bieter, zumal ohne eigene Rechtsabteilung oder dauerhaften juristischen Beistand, könne „solche Feinheiten kennen und verstehen“. Auch müsse nicht jeder Bieter erkennen, dass das Stufenmodell zur Preisbewertung gegen das Vergaberecht verstoße.
14
Die Antragstellerin beantragt,
- 1.
-
Die Entscheidung der Vergabekammer Südbayern bei der Regierung von Oberbayern vom 15.04.2025, Az. 3194.Z3-3_01-25-13, wird aufgehoben.
- 2.
-
Es wird festgestellt, dass die Antragstellerin in ihren Rechten verletzt ist.
- 3.
-
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, den Zuschlag nicht an die Beigeladenen zu erteilen.
- 4.
-
Der Antragsgegnerin wird aufgegeben, geeignete Maßnahmen zu treffen, um die festgestellten Rechtsverletzungen zu beseitigen.
Hilfsweise beantragt die Antragstellerin,
für den Fall der Erledigung des Nachprüfungsantrages durch Erteilung des Zuschlags, durch Aufhebung oder in sonstiger Weise, festzustellen, dass eine Rechtsverletzung vorgelegen hat.
15
Außerdem macht die Antragstellerin in der Begründung ihrer sofortigen Beschwerde auch Ausführungen zu einem (auch im Kopf des Schriftsatzes vom 28. April 2025 benannten) „Antrag […] auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung“. Dieser sei begründet, da dem Interesse der Antragstellerin an einem rechtmäßigen Verfahren keine gewichtigen Belange der Allgemeinheit an einem raschen Abschluss der Vergabe entgegenstünden.
16
Die Antragsgegnerin beantragt,
- 1.
-
Die Anträge der Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 28.04.2025 werden zurückgewiesen.
- 2.
-
Das Zuschlagsverbot wird vorzeitig aufgehoben.
- 3.
-
Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung wird zurückgewiesen.
17
Die Beigeladene beantragt,
die Beschwerde der Antragstellerin zurückzuweisen.
18
Nachdem sie bis zum Ablauf des 29. April 2025 keine Kenntnis vom Beschwerdeverfahren erlangt habe, hat die Antragsgegnerin mit Schreiben vom 30. April 2025 den Zuschlag an die Beigeladene erteilt. Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, das Beschwerdeverfahren sei infolge der Zuschlagserteilung, die wirksam sei, einzustellen. Hilfsweise argumentiert die Antragsgegnerin, die sofortige Beschwerde sei unbegründet. Ein etwaiger Vergaberechtsverstoß wegen der Wertung der Leistungsfähigkeit als Zuschlagskriterium sei, wie von der Vergabekammer ausgeführt, präkludiert; auch die Bewertungsmethode sei nicht gerügt worden. Dass das Angebot der Antragstellerin im Kriterium der Leistungsfähigkeit mit null Punkten bewertet worden sei, sei nicht zu beanstanden. Die (erforderliche) Auslegung ergebe, dass unter dem Begriff der gesamtheitlichen Vernetzung eine systemeigene Vernetzung gemäß DIN 14675 zu verstehen sei, wobei es sich um eine unmittelbare Vernetzung der einzelnen Brandmeldezentralen über eine überwachte, redundante Ringstruktur handle. Die Antragsgegnerin habe die Erwartungen an eine „gesamtheitliche Vernetzung der BMA-Zentralen“ in ihrer Leistungsbeschreibung ausführlich dargestellt und bereits in der Einleitung der Leistungsbeschreibung auf die Wartung der BMA und GMA entsprechend der DIN 14675 hingewiesen. Die mittelbare Vernetzung der Brandmeldezentralen über ein serielles Interface und einen WINMAG-Server stelle keine gesamtheitliche Vernetzung dar. Die Antragsgegnerin habe in der Leistungsbeschreibung die gegebene Netzstruktur mit Schaubild dargestellt und erläutert, dass die Vernetzung der Brandmeldeanlagen je Liegenschaft durch eine eigne LWL-Ringstruktur erfolge; aus der Leistungsbeschreibung sei ersichtlich, dass das WINMAG-System nur einen untergeordneten Bestandteil der Netzstruktur ausmache und die einzelnen Brandmeldezentralen durch den dargestellten LWL-Ring zu einer einheitlichen Brandmeldeanlage verbunden seien. Der Antrag der Antragstellerin auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 173 Abs. 1 Satz 3 GWB sei unbegründet; die gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 GWB vorzunehmende Interessenabwägung falle zugunsten der Antragsgegnerin aus.
19
Die Beigeladene führt aus, die Auffassung der Antragsstellerin, der Anschluss mehrerer untereinander nicht vernetzter Brandmeldezentralen an einen WINMAG-Server erfülle das fragliche Wertungskriterium, sei fachtechnisch falsch und deshalb auch keine für ein Fachunternehmen vertretbare Auslegungsvariante, wie sich auch aus DIN 14675-1 ergebe. WINMAG erfülle weder das Erfordernis der Vernetzung noch gewähre es die erforderliche Ausfallsicherheit, da es nicht redundant, sondern nur seriell eingebunden werden könne, sodass ein Ausfall der Schnittstelle einen Verlust der vollen Anbindung der darüber angeschlossenen Brandmeldezentrale bedeute, was eine Vernetzung durch die redundante Einbindung gerade verhindere. Die Vergabekammer habe die von ihr angenommenen Vergaberechtsverstöße (Leistungsfähigkeit als Zuschlagskriterium, Bewertung der preislichen Zuschlagskriterien), welche die Antragstellerin im Übrigen bis heute nicht ausdrücklich beanstandet habe, zutreffend als präkludiert angesehen.
20
Der Antrag auf Verlängerung der aufschiebenden Wirkung bis zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde ist gemäß § 173 Abs. 2 Satz 1 GWB abzulehnen. Unter Berücksichtigung aller möglicherweise geschädigten Interessen überwiegen die nachteiligen Folgen einer Verzögerung der Vergabe bis zur Entscheidung über die Beschwerde die mit einer weiteren Verzögerung verbundenen Vorteile. Dies gilt namentlich bei Berücksichtigung des Interesses der Allgemeinheit an einer wirtschaftlichen Erfüllung der Aufgaben des Antragsgegners nach § 173 Abs. 2 Satz 2 GWB sowie der in § 173 Abs. 2 Satz 4 GWB genannten Gesichtspunkte, darunter insbesondere der Erfolgsaussichten der sofortigen Beschwerde.
21
Die sofortige Beschwerde der Antragstellerin bleibt aller Voraussicht nach ohne Erfolg.
22
Dem Interesse der Antragsgegnerin an einem raschen Abschluss des Vergabeverfahrens ist damit schon aus diesem Grund der Vorrang zu gewähren (h. M., vgl. auch BayObLG, Beschluss vom 3. Juni 2022, Verg 7/22, VergabeR 2022, 772 [juris Rn. 55]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 3. August 2018, Verg 30/18, juris Rn. 39; Vavra/Willner in Burgi/Dreher/Opitz, Beck´scher Vergaberechtskommentar, Bd. 1, 4. Aufl. 2022, GWB § 173 Rn. 25). Nach summarischer Prüfung erachtet der Senat die Zurückweisung des Nachprüfungsantrags durch die Vergabekammer als zutreffend. Die Ausführungen der Antragstellerin im Beschwerdeverfahren vermögen hieran nichts zu ändern.
23
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig, insbesondere form- und fristgerecht nach § 172 Abs. 1 bis 3 GWB eingelegt.
24
2. Die am 30. April 2025 erfolgte Zuschlagserteilung auf das Angebot der Beigeladenen hat nicht zu einer Erledigung des Nachprüfungsverfahrens im Sinn des § 168 Abs. 2 Satz 2 GWB geführt, da die Zuschlagserteilung gemäß § 134 BGB nichtig war. Wie im Beschluss des Senats vom 9. Mai 2025 ausgeführt, tritt die aufschiebende Wirkung der sofortigen Beschwerde gemäß § 173 Abs. 1 Satz 1 GWB bereits mit deren Einlegung ein; das Zuschlagsverbot besteht unabhängig davon, ob die Vergabestelle bereits Kenntnis von der sofortigen Beschwerde hat (vgl. [zu § 118 Abs. 1 GWB a. F.] BayObLG, Beschluss vom 13. August 2004, Verg 17/04, BayObLGZ 2004, 229 [juris Rn. 11 bis 13]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 17. Februar 2016, Verg 37/14, juris Rn. 30 ff.; OLG Dresden, Beschluss vom 17. Juni 2005, WVerg 0008/05, VergabeR 2005, 812 [juris Rn. 4 f.]; OLG Frankfurt, Beschluss vom 20. Februar 2003, 11 Verg 1/02, VergabeR 2003, 724; vgl. ferner Vavra/Willner in Burgi/Dreher/Opitz, Beck'scher Vergaberechtskommentar, 4. Aufl. 2022, § 172 GWB Rn. 28; Gröning in Münchener Kommentar zum Wettbewerbsrecht, 4. Aufl. 2022, § 172 GWB Rn. 40; Summa in Summa/Schneevogl, jurisPK-Vergaberecht, 7. Aufl. 2024, § 172 GWB Rn. 58; Stockmann in Immenga/Mestmäcker, Wettbewerbsrecht, 6. Aufl. 2021, § 172 GWB Rn. 21; Dicks/Willner in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 172 GWB Rn. 17; Dieck-Bogatzke in Pünder/Schellenberg, Vergaberecht, 3. Aufl. 2019, § 172 GWB Rn. 16; Stickler in Reidt/Stickler/Glahs, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 172 GWB Rn. 26; Ulbrich in Röwekamp/Kus/Portz/Prieß, GWB, 5. Aufl. 2020, § 172 Rn. 44). Der ausschließlich vom Oberlandesgericht Naumburg in zwei älteren Beschlüssen (vom 16. Januar 2003, 1 Verg 10/02, VergabeR 2003, 360; vom 2. Juni 1999, 10 Verg 1/99, NZBau 2000, 96) vertretenen Auffassung ist nicht zu folgen.
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3. Bei der gebotenen summarischen Prüfung bleibt die sofortige Beschwerde in der Sache ohne Erfolg.
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a) Von niemandem beanstandet, hat die Vergabekammer zutreffend eine Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 GWB hinsichtlich der im Nachprüfungsverfahren geltend gemachten Vergaberechtsverstöße verneint; der Nachprüfungsantrag ist insoweit zulässig.
27
Anders als die Antragstellerin nunmehr im Beschwerdeverfahren meint, ist der Vergabekammer aber auch darin zuzustimmen, dass die (jedenfalls bis zum Abschluss des Verfahrens vor der Vergabekammer) nicht beanstandeten Aspekte ‒ Verwendung eines Kriteriums der technischen und beruflichen Leistungsfähigkeit als Zuschlagskriterium sowie die Methode für die Bewertung der preislichen Bestandteile der angebotenen Leistung ‒ der Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB unterliegen.
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aa) Die Erkennbarkeit eines Vergaberechtsverstoßes im Sinn dieser Vorschrift setzt einerseits die Erkennbarkeit der maßgeblichen Tatsachen, andererseits die Erkennbarkeit des Rechtsverstoßes voraus. Dabei muss der Verstoß so deutlich zutage treten, dass er einem verständigen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots auffallen muss; übersteigerte tatsächliche oder rechtliche Anforderungen dürfen diesbezüglich an den Bieter nicht gestellt werden. Maßstab ist ein durchschnittlich fachkundiger Bieter, der die übliche Sorgfalt anwendet (BayObLG, Beschluss vom 11. Dezember 2024, Verg 7/24 e, ZfBR 2025, 193 [juris Rn. 56]; Beschluss vom 6. September 2023, Verg 5/22, VergabeR 2023, 767 [juris Rn. 28 m. w. N.]; OLG Naumburg, Beschluss vom 1. März 2021, 7 Verg 1/21, juris Rn. 40). Hinsichtlich der rechtlichen Erkennbarkeit kommt es auf die laienhaften rechtlichen Wertungsmöglichkeiten an, die dieser Bieter ohne Bemühung besonderen Rechtsrats hat (BayObLG ZfBR 2025, 193 [juris Rn. 68]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 29. Mai 2024, Verg 35/23, NZBau 2025, 249 [juris Rn. 75]; Beschluss vom 15. Februar 2023, Verg 6/22, juris Rn. 37; OLG Frankfurt, Beschluss vom 4. Dezember 2023, 11 Verg 5/23, juris Rn. 92). Dass der Inhalt der Vergabeunterlagen für einen solchen Bieter auf einen Vergaberechtsverstoß hindeutet, setzt regelmäßig voraus, dass die Rechtsvorschriften, gegen die verstoßen wird, zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise gehören; eine Rügepräklusion kommt in der Regel nur für auf allgemeiner Überzeugung der Vergabepraxis beruhende und ins Auge fallende auftragsbezogene Rechtsverstöße in Betracht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2023, Verg 6/22, juris Rn. 37 m. w. N.; OLG München, Beschluss vom 24. März 2021, Verg 12/20, VergabeR 2021, 596 [juris Rn. 89]; Dicks/Schnabel in Ziekow/Völlink, Vergaberecht, 5. Aufl. 2024, § 160 GWB Rn. 49). Der Verstoß muss so offensichtlich sein, dass er einem durchschnittlich erfahrenen Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots beziehungsweise seiner Bewerbung auffallen muss; einer exakten rechtlichen Einordnung des Vergaberechtsverstoßes durch den Bieter bedarf es jedoch nicht (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 15. Februar 2023, Verg 6/22, juris Rn. 37 m. w. N.; OLG München VergabeR 2021, 596 [juris Rn. 90]). Ein Vergaberechtsverstoß ist dann erkennbar, wenn er sich durch bloßes Lesen der einschlägigen Normen und einen Vergleich mit dem Text der Vergabeunterlagen ohne Weiteres feststellen lässt, wobei allerdings eine umfassende Kenntnis der dem Verfahren zugrundeliegenden Vorschriften nicht zu erwarten ist (OLG München VergabeR 2021, 596 [juris Rn. 90]; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 1. Juni 2016, Verg 6/16, VergabeR 2016, 751 [juris Rn. 36]). Eine rechtliche Gewissheit vom Vorliegen eines Vergaberechtsverstoßes ist nicht erforderlich, sondern es genügt eine gewisse Wahrscheinlichkeit, dass die konkrete Maßnahme des öffentlichen Auftraggebers vergaberechtswidrig ist (OLG Naumburg, Beschluss vom 1. März 2021, 7 Verg 1/21, juris Rn. 40).
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bb) Nach diesen Maßstäben war die (vergaberechtswidrige) Verwendung einer Referenz zum Beleg der „Leistungsfähigkeit“ als Zuschlagskriterium in der Wertungsmatrix im Sinn des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB erkennbar.
30
(1) Das gilt zunächst in tatsächlicher Hinsicht. Aus den Vergabeunterlagen ist deutlich erkennbar, dass Referenzen zur Leistungsfähigkeit sowohl als Eignungs- als auch als Zuschlagskriterium in Anschlag gebracht werden sollen. Letzteres ergibt sich ohne Weiteres aus der Wertungsmatrix, nach der die „Leistungsfähigkeit“ durch mindestens einen Referenzauftrag vergleichbarer Anlagengröße belegt und im Rahmen der in der Wertungsmatrix aufgeführten Zuschlagskriterien eine Gewichtung von 40% erhalten soll. Ersteres ist Gegenstand der Nr. 5.1.9 der Ausschreibung, nach der hinsichtlich des Eignungskriteriums „Technische und berufliche Leistungsfähigkeit“ „Referenzen in Form einer Liste der wesentlichen in den letzten drei Jahren erbrachten Leistungen in vergleichbarer Größenordnung“ vorzulegen waren. Ganz besonders deutlich wird die doppelte Bedeutung von Referenzen nach den Vergabeunterlagen in Nr. 7.3 der Allgemeinen Bewerbungsbedingungen. Darin werden die Bieter aufgefordert zu beachten, dass zusätzlich zu den Referenzen zum Beleg der Eignung in technischer und beruflicher Hinsicht in der Wertungsmatrix eine Wertungsreferenz benannt werden muss, bei der es sich auch um eine der bereits zum Beleg der Eignung vorgelegten handeln darf. Die tatsächliche Erkennbarkeit der Problematik kann daher nicht in Zweifel stehen.
31
Die gegenteilige Argumentation der Antragstellerin, Referenzen würden oft nicht nur als reine Eignungsnachweise herangezogen, sondern häufig auch zur qualitativen Bewertung der Leistung, sodass die Verwendung als Zuschlagskriterium gerade nicht ohne Weiteres erkennbar gewesen sei, rechtfertigt keine andere Beurteilung. Es ist, wie dargelegt, in tatsächlicher Hinsicht offensichtlich, das ein und dieselbe Referenz Grundlage der Eignungsprüfung und der Wertung sein kann.
32
(2) Wie der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 12. November 2009 (C-199/07, VergabeR 2010, 203, Rn. 51 ff.) ausgeführt hat, sind als Zuschlagskriterien solche Kriterien ausgeschlossen, die nicht der Ermittlung des wirtschaftlich günstigsten Angebots dienen, sondern die im Wesentlichen mit der Beurteilung der fachlichen Eignung der Bieter für die Ausführung des betreffenden Auftrags zusammenhängen. Die sich damit stellende Frage, ob dieser (rechtliche) Umstand nach den oben dargestellten Kriterien erkennbar war oder nicht, ist zu bejahen.
33
(a) Das Oberlandesgericht München hat (zu § 107 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB a. F.) in seinem Beschluss vom 25. Juli 2013 (Verg 7/13, VergabeR 2014, 52 [juris Rn. 50]; ihm folgend OLG Karlsruhe, Beschluss vom 5. November 2014, 15 Verg 6/14, VergabeR 2015, 210 [juris Rn. 40]) festgestellt, „dass die strikte Trennung von Zuschlags- und Eignungskriterien zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der betroffenen Bieterkreise gehört“. Auch das Oberlandesgericht Frankfurt vertritt in seinem Beschluss vom 4. Dezember 2023 (nunmehr zu § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB) mit überzeugenden Erwägungen diese Auffassung (11 Verg 5/23, juris Rn. 90). Der durchschnittliche Bieter kenne die Grundstrukturen des Vergabeverfahrens und damit auch die grundsätzliche Unterscheidung zwischen Eignungs- und Wertungskriterien; er wisse, dass es kein Mehr oder Weniger an Eignung im Sinn des § 122 GWB gebe und Eignungs- und Wertungskriterien grundsätzlich zu trennen seien (s. auch Wagner in Summa/Schneevogl, jurisPK-Vergaberecht, § 58 VgV Rn. 31).
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(b) Unbehelflich ist der hiergegen von der Antragstellerin erhobene Einwand, nicht jeder Bieter könne „solche Feinheiten“ kennen, vor allem, wenn er nicht über eine eigene Rechtsabteilung oder dauerhaften juristischen Beistand verfüge; auch würden so weniger erfahrene Bieter von vornherein ausgeschlossen. Damit verkennt die Antragstellerin, dass es nicht auf die subjektiven Erkenntnismöglichkeiten eines jeden individuellen Bieters ankommt, sondern, wie ausgeführt, auf einen durchschnittlich fachkundigen Bieter, der die übliche Sorgfalt anwendet. Der Einwand der Antragstellerin, es würden in der Praxis häufig Referenzen auch zur qualitativen Bewertung herangezogen, lässt lediglich den Schluss zu, dass auch Vergabestellen bisweilen gegen den allgemein bekannten und durch langjährige Rechtsprechung gesicherten Grundsatz der Trennung von Eignungs- und Zuschlagskriterien verstoßen. Der Verstoß bleibt vorliegend gleichwohl (rechtlich) erkennbar.
35
cc) Auch die von der Vergabekammer kritisierte Methode zur Bewertung der preislichen Bestandteile (Stufenbewertung mit fünf Punkten für den niedrigsten Preis bzw. den höchsten Nachlass, drei Punkten für den zweitniedrigsten Preis bzw. zweithöchsten Nachlass, null Punkte für alle anderen Angebote) unterliegt nach dem zu aa) dargelegten Maßstab der Rügepräklusion gemäß § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB.
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(1) Das Stufenmodell, das bezüglich dreier preislicher Bestandteile (“Preis“, „Regieleistungen und Fahrtkosten“ sowie „Nachlass auf Ersatzteile“) zur Anwendung kommt, die insgesamt 60% der Bewertung ausmachen, ist in tatsächlicher Hinsicht ohne Weiteres aus der Wertungsmatrix erkennbar; dies stellt auch die Antragstellerin nicht in Abrede.
37
(2) In rechtlicher Hinsicht weist die Vergabekammer zutreffend darauf hin, dass sich aus der bloßen Lektüre des § 127 Abs. 1 (Sätze 1 und 3) GWB ergibt, dass der Zuschlag auf das wirtschaftlichste Angebot zu erteilen ist, bei dem es sich um das Angebot mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis handelt. Mit dieser zum allgemeinen und grundlegenden Wissen der beteiligten Bieterkreise zu zählenden zentralen Norm des Vergaberechts muss ein Bieter bei der Vorbereitung seines Angebots die aus den Vergabeunterlagen ersichtlichen Zuschlagskriterien abgleichen. Dabei musste einem Bieter hier, wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, auffallen, dass das nach der Wertungsmatrix für die preislichen Bestandteile der Zuschlagskriterien zur Anwendung kommende Modell der Stufenbewertung bereits bei geringsten Preisunterschieden im Centbereich zu extremen Ausschlägen in der Beurteilung des Preis-Leistungs-Verhältnisses der Angebote führen kann, die sachlich nicht gerechtfertigt sind. In Anbetracht dessen war ein Bieter, der dies nicht hinnehmen will, gehalten, diese Problematik innerhalb der Frist des § 160 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 GWB zu rügen.
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b) Der Nachprüfungsantrag ist bei der gebotenen summarischen Prüfung unbegründet.
39
aa) Es erscheint zutreffend, dass die Antragsgegnerin die von der Antragstellerin in ihrem Angebot benannte Wertungsreferenz mit null Punkten bewertet hat, da sie sich entgegen den Anforderungen der Wertungsmatrix weder auf mindestens 27 noch auf mindestens 20 „gesamtheitlich vernetzte[…] BMA-Zentralen“ bezieht.
40
(1) Unstreitig und gerade auch nach dem eigenen Vortrag der Antragstellerin sind im Referenzauftrag nicht mindestens 27 oder mindestens 20 Brandmeldezentralen untereinander physisch verbunden, also miteinander vernetzt, sondern lediglich, in der Formulierung der Antragstellerin, „über das Gefahrenmanagement WINMAG in eine zentrale Überwachungs- und Steuerungsstruktur eingebunden“.
41
(a) Das ergibt sich auch deutlich aus den von der Antragstellerin mit Schreiben vom 13. Februar 2025 an die Antragsgegnerin übermittelten beiden handschriftlichen Skizzen; diese zeigen, wie im Text des Schreibens ausgeführt, dass die einzelnen BMA-Zentralen jeweils mit einem WINMAG-Server verbunden sind, untereinander aber keine Verbindung aufweisen.
42
(b) Der Referenzgeber hat in seiner Auskunft vom 11. Februar 2025 unmissverständlich ausgeführt, dass die Antragstellerin zwar den Wartungsauftrag für 68 von 79 E. Brandmeldezentralen habe, von denen jedoch nur bis zu neun im Essernet-Ring vernetzt seien.
43
(c) Auch aus dem von der Antragstellerin im Verfahren vor der Vergabekammer vorgelegten Schreiben des Referenzgebers vom 26. März 2025 ergibt sich, wie die Vergabekammer zutreffend ausgeführt hat, nichts anderes. Es besagt lediglich, dass „[d]ie gesamtheitlich vernetzten Brandmeldezentralen […] die über eine ganzheitliche Netzstruktur miteinander verbunden sind […] darüber hinaus über unser Gefahrenmanagementsystem, Fabrikat WINMAG, voll integriert“ seien.
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Dass es sich bei den gesamtheitlich vernetzten Brandmeldezentralen um mehr handelte als die bereits mit E-Mail vom 11. Februar 2025 bestätigten bis zu neun, wird damit nicht zum Ausdruck gebracht. Zudem geht aus der Auskunft hervor, dass nach Auffassung des Referenzgebers die gesamtheitliche Vernetzung der Brandmeldezentralen von ihrer lediglich „darüber hinaus“ erfolgenden Integration über das Gefahrenmanagementsystem WINMAG zu unterscheiden ist.
45
(2) Wie von der Vergabekammer ausgeführt und auch von der Antragstellerin nicht in Abrede gestellt, ist die Frage, welche Bedeutung dem in der Wertungsmatrix verwendeten Begriff der „gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen“ zukommt, nach den für die Auslegung von Willenserklärungen geltenden Grundsätzen (§§ 133, 157 BGB) zu entscheiden und dabei auf den objektiven Empfängerhorizont der potenziellen Bieter abzustellen (BGH, Beschl. v. 7. Januar 2014, X ZB 15/13, BGHZ 199, 327 [juris Rn. 31]; BayObLG, Beschl. v. 13. Juni 2022, Verg 6/22, juris Rn. 77; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 11. Dezember 2024, Verg 24/24, ZfBR 2025, 291 [299]). Entscheidend ist die Verständnismöglichkeit aus der Perspektive eines verständigen und mit der ausgeschriebenen Leistung vertrauten Unternehmens, das über das für eine Angebotsabgabe erforderliche Fachwissen verfügt (OLG Düsseldorf, a. a. O., m. w. N.).
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(3) Daraus ergibt sich entgegen der Auffassung der Antragstellerin, dass der Begriff der „gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen“ im Sinn der Wertungsmatrix eine Verbindung der Brandmeldezentralen untereinander erfordert, während es nicht ausreicht, dass die untereinander nicht verbundenen BMA-Zentralen jeweils einzeln mit dem Gefahrenmanagementsystem WINMAG verbunden sind.
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(a) Zur Klärung des Begriffs der „gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen“ im Sinn der Wertungsmatrix ist zunächst zu sehen, dass schon zu Beginn der Einleitung der Leistungsbeschreibung ausgeführt wird, dass „die vorhandenen Brandmeldeanlagen (BMA) und die Gefahrenmeldeanlagen (GMA) in regelmäßigen Abständen entsprechend DIN 14675 und DIN 0833 einer Inspektion und Wartung unterzogen werden“ müssen. Es ist damit für jeden Bieter unmissverständlich klar, dass die Einhaltung der Anforderungen dieser technischen Normen für den zu vergebenden Wartungsauftrag maßgeblich ist. Da der zu bewertende Referenzauftrag offensichtlich Aufschluss darüber geben soll, inwieweit die Erfahrung des Bieters mit vergleichbaren Aufträgen eine ordnungsgemäße Erfüllung des zu vergebenden Auftrags erwarten lässt, sind etwaige Aussagen der genannten technischen Normen zu den Voraussetzungen einer Vernetzung von Brandmeldezentralen nach dem objektiven Empfängerhorizont des fachkundigen Bieters auch für das Verständnis des Begriffs der „gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen“ im Sinn der Wertungsmatrix maßgeblich. Das stellt auch die Antragstellerin ebenso wenig in Abrede wie den Umstand, dass die von der Beigeladenen im Verfahren vor der Vergabekammer mit Schriftsatz vom 28. März 2025 vorgelegte Empfehlung „Planung, Bau und Betrieb von Brandmeldeanlagen in öffentlichen Gebäuden“ des Arbeitskreises Maschinen- und Elektrotechnik staatlicher und kommunaler Verwaltungen (im Folgenden: Empfehlung) Erläuterungen zu im Sinn dieser technischen Normen vernetzten Brandmeldezentralen enthält. Die Antragstellerin zieht die Bedeutung der technischen Normen und des Leitfadens für die Bestimmung des Begriffs der „gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen“ ‒ zu Recht ‒ nicht in Zweifel. Ihre Auffassung, diese Verlautbarungen schlössen es nicht aus, auch miteinander unverbundene Brandmeldezentralen als vernetzt anzusehen, sofern sie nur einzeln mit dem WINMAG-System verbunden sind, ist jedoch unzutreffend.
48
(aa) Die Beigeladene hat in ihrem Schriftsatz vom 7. Mai 2025 die Ausführungen der DIN 14675-1 zu Nr. 12.2.2 „Systemeigene Vernetzung“ wiedergegeben, die folgende Anmerkung enthalten: „Nach DIN VDE 0833-2 (VDE 0833-2) liegt eine Vernetzung immer dann vor, wenn bei einer Anlage mit mehr als einer BMZ mindestens eine BMZ oder Teile einer BMZ übergeordnete Funktionen innerhalb der Anlage ausführen. Eine übergeordnete Funktion ist die Ansteuerung der ÜE. Diese BMZ wird dann als ‚übergeordnete Zentrale‘ bezeichnet.“ Diese Formulierung stellt für eine Vernetzung von Brandmeldezentralen die notwendige Bedingung auf, dass mindestens eine Brandmeldezentrale (oder Teile davon) innerhalb der Brandmeldeanlage übergeordnete Funktionen (gegenüber anderen Brandmeldezentralen) ausführt, was eine Verbindung der Brandmeldezentralen untereinander voraussetzt.
49
(bb) Dem entsprechend wird in der von der Beigeladenen vorgelegten Empfehlung unter Nr. 4.11 „Vernetzung von Brandmeldezentralen“ ausgeführt, mehrere Brandmeldezentralen „können, wie in Abbildung 11 dargestellt, vernetzt werden“; Abbildung 11 zeigt sodann eine physische Verbindung mehrerer Brandmeldezentralen untereinander dergestalt, dass eine mit allen anderen Brandmeldezentralen verbundene Brandmeldezentrale als „Übergeordnete Brandmelder-Zentrale“ bezeichnet wird. Die Auffassung der Antragstellerin, die Formulierung, dass mehrere Brandmeldezentralen wie in Abbildung 11 dargestellt vernetzt werden „können“, zeige, dass es sich lediglich um beispielhafte und nicht abschließende Formen der Vernetzung handle, überzeugt nicht. Die Ausführungen des Leitfadens im Anschluss an Abbildung 11 stehen der Auffassung entgegen, eine gesamtheitliche Vernetzung könne auch dann angenommen werden, wenn Brandmeldezentralen nicht untereinander, aber jeweils mit einem WINMAG-Server verbunden sind. Aus diesen Ausführungen ergibt sich ebenso wie aus der vorangegangenen Abbildung 11 die notwendige Existenz einer übergeordneten Brandmeldezentrale (gegebenenfalls mit einer abgesetzten Anzeige- und Bedieneinrichtung), die mit den anderen Brandmeldezentralen physisch verbunden ist. Das ergibt sich vor allem aus folgenden Aussagen (Hervorhebungen ergänzt): „Alle Betriebszustände vernetzter BMZ werden an der übergeordneten BMZ mindestens als Sammelmeldung angezeigt. […] Wenn neben der Bedienung an der übergeordneten BMZ auch Bedienungen an den anderen BMZ vorgesehen sind, so muss eine Koordinierung der Betriebsabläufe erfolgen. Dazu ist es erforderlich, dass die Bedienung einer anderen BMZ erst nach Freigabe durch die übergeordnete BMZ möglich ist. […] Die Übertragungswege zwischen den einzelnen BMZ müssen als überwachte Übertragungswege ausgeführt werden. Störungen in diesen Übertragungswegen sind an der übergeordneten BMZ anzuzeigen.“
50
(b) Abgesehen von dieser begrifflichen Klärung auf der Grundlage der einschlägigen technischen Regelwerke ist bei der Auslegung des Begriffs der „gesamtheitlich vernetzten BMA-Zentralen“ zu berücksichtigen, dass es der Antragsgegnerin ‒ offenkundig ‒ auf die berufliche Erfahrung der Bieter mit einem solchen System ankam, wie es Gegenstand des zu vergebenden Auftrags ist. Dem entsprechend hat die Antragsgegnerin die bei ihr vorzufindende Netzstruktur in der Leistungsbeschreibung dargestellt: „Der prinzipielle Aufbau der Brandmeldeanlagen des Klinikums und deren Vernetzung kann der folgenden Darstellung entnommen werden […] Im Klinikum X wird das Brandmeldesystem E. eingesetzt. Die Vernetzung der Brandmeldezentralen je Liegenschaft erfolgt durch eine eigene LWL-Ringstruktur.“ Das in Bezug genommene Schaubild trägt (im Kasten rechts unten) die Bezeichnung: „Klinikum X Brandmeldeanlage E. Net LWL Ring“ und lässt erkennen, dass die Brandmeldezentralen miteinander zu einer einheitlichen Brandmeldeanlage verbunden werden. Damit war für jeden Bieter klar, dass sich der zu vergebende Auftrag auf die Wartung solcherart vernetzter Brandmeldezentralen bezog, was entscheidend dafür spricht, den Begriff der „gesamtheitlich vernetzten BMZ“ in der Wertungsmatrix entsprechend zu verstehen.
51
bb) Vor diesem Hintergrund ist auch nicht ersichtlich, inwieweit die Vergabeunterlagen gegen den Transparenzgrundsatz des Vergaberechts verstoßen haben sollten; die Antragstellerin hat ihre Rüge insoweit auch nicht näher begründet.