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OLG München, Endurteil v. 21.01.2025 – 9 U 1310/24 Bau e
Titel:

Inanspruchnahme und Umfang einer Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern

Normenkette:
BGB § 634, 640 Abs. 3, § 765, § 767 Abs. 1, § 768 Abs. 1 S. 1
Leitsätze:
1. Die Inanspruchnahme eines Bürgen aus einer zeitlich begrenzten Gewährleistungsbürgschaft auf erstes Anfordern setzt nicht voraus, dass in der Zahlungsaufforderung die geltend gemachten Mängel bezeichnet werden, sofern Abweichendes nicht vereinbart ist. (Rn. 65 – 72)
2. Eine Gewährleistungsbürgschaft umfasst grundsätzlich auch Ansprüche des Bestellers wegen Mängeln, die bei Abnahme bekannt waren und für die ein Vorbehalt bei Abnahme erklärt wurde. (Rn. 91 – 118)
3. Dies gilt auch dann, wenn der Umfang der Gewährleistungsbürgschaft auf „fertige und abgenommene Lieferungen/Arbeiten“ beschränkt ist. (Rn. 101 – 104)
Schlagworte:
Gewährleistungsbürgschaft, erstes Anfordern, Vertragserfüllungsbürgschaft, Mitteilung der Mängel, Zahlungsaufforderung, Abnahme, bekannte Mängel, Beschränkung
Vorinstanzen:
LG München I, Berichtigungsbeschluss vom 20.06.2024 – 24 O 13866/17
LG München I, Endurteil vom 27.03.2024 – 24 O 13866/17
Rechtsmittelinstanz:
BGH Karlsruhe vom -- – XI ZR 17/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1987

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerinnen wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 27.03.2024, Az. 24 O 13866/17, berichtigt durch Beschluss vom 20.06.2024, wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt,
a) an die Klägerin zu 1) 489.665,46 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.06.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …304 vom 09.03.2015 zu zahlen,
b) an die Klägerin zu 1) weitere 489.665,46 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.06.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …320 vom 09.03.2015 zu zahlen,
c) an die Klägerin zu 2) 397.278,22 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.06.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …339 vom 09.03.2015 zu zahlen,
d) an die Klägerin zu 3) 512.546,94 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.06.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …371 vom 09.03.2015 zu zahlen und
e) an die Klägerin zu 4) 336.538,25 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 23.06.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …355 vom 09.03.2015 zu zahlen.
2. Die Beklagte zu 2) wird verurteilt,
a) an die Klägerin zu 1) 250.000,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.05.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …756 vom 11.03.2015 zu zahlen,
b) an die Klägerin zu 1) weitere 250.000,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.05.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …760 vom 11.03.2015 zu zahlen,
c) an die Klägerin zu 2) 250.000,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.05.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …744 vom 11.03.2015 zu zahlen,
d) an die Klägerin zu 3) 250.000,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.05.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …738 vom 11.03.2015 zu zahlen und
e) an die Klägerin zu 4) 250.000,00 € zuzüglich Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 17.05.2017 Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunde Nr. …748 vom 11.03.2015 zu zahlen.
II. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen und die Klage bleibt abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Beklagte zu 1) 64% und die Beklagte zu 2) 36%.
IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagten können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags leisten.
V. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Entscheidungsgründe

A.
1
Die Klägerinnen nehmen die Beklagten als Bürgen aus zwischen den Parteien geschlossenen Bürgschaftsverträgen in Anspruch.
2
Die Klägerinnen schlossen im Jahr 2012 in englischer und rumänischer Sprache insgesamt fünf jeweils als „Generalunternehmervertrag“ bezeichnete Verträge (nachfolgend: GU-Verträge) über die Errichtung von Photovoltaik-Freiflächenanlagen an verschiedenen Standorten in Rumänien sowie die Lieferung von Komponenten für deren Errichtung jeweils mit der … mit Sitz in China, der … mit Sitz in München und der … mit Sitz in Rumänien. Unter Ziffer 17.3. vereinbarten die Vertragsparteien jeweils, dass für den Vertrag rumänisches Recht gilt.
3
Im Einzelnen handelt es sich um folgende Verträge (Anlagen K1, K48/K51, Übersetzung Anlage K34), auf deren Wortlaut verwiesen wird:
Vertrag vom 15.11.2012 der Klägerin zu 1) betreffend den Solarpark …,
Vertrag vom 15.11.2012 der Klägerin zu 1) betreffend den Solarpark …,
Vertrag vom 15.10.2012 der Klägerin zu 2) betreffend den Solarpark B. II,
Vertrag vom 15.09.2012 der Klägerin zu 3) betreffend den Solarpark B. I,
Vertrag vom 20.12.2012 der Klägerin zu 4) betreffend den Solarpark S.
4
In den Verträgen ist die … jeweils als „Anbieter“, die … jeweils als „Komponentenzulieferer des Anbieters“ und die … jeweils als „Auftragnehmer` definiert.
5
Am 21.01.2015 schlossen der Vertreter der Klägerinnen und Vertreter der …, der … … und der … eine Vergleichsvereinbarung (Übersetzung Anlage B1).
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Die Beklagten zu 1) und 2) stellten am 09.03.2015 und 11.03.2015 im Auftrag der … insgesamt zehn Bürgschaften in englischer Sprache zugunsten der Klägerinnen. Hinsichtlich der Bürgschaftsverträge im Einzelnen wird auf den Tatbestand des Ersturteils verwiesen mit der Maßgabe, dass sich die maßgebliche Übersetzung der Bürgschaften der Beklagten zu 1) aus der Anlage K112 und nicht aus der Anlage K28 ergibt.
7
In den übersetzten Bürgschaftserklärungen der Beklagten, die jeweils mit „Gewährleistungsbürgschaft“ überschrieben sind, heißt es jeweils auszugsweise:
Bürgschaften der Beklagten zu 1):
„Wir […] übernehmen hiermit die vorrangige Haftungssicherheit [ … ] für die vertragliche Erfüllung der Verpflichtungen Ihnen gegenüber in Bezug auf fertige und abgenommene Lieferungen/ Arbeiten des im GU-Vertrag vom [ … ] genannten Auftragnehmers und/oder Zulieferers.“
Bürgschaften der Beklagten zu 2):
„Wir […] übernehmen daher hiermit die vorrangige Haftungssicherheit [ … ] für die vertragliche Erfüllung der Gewährleistungspflichten Ihnen gegenüber in Bezug auf fertige und abgenommene Lieferungen/Arbeiten des im GU-Vertrag vom [ … ] genannten Auftragnehmers und/oder Zulieferers.“
In den Bürgschaften beider Beklagter heißt es jeweils weiter:
„Die Bürgschaft wird binnen 30 Tagen ab Erhalt einer Mitteilung von Ihnen, der Begünstigten an die versicherte Partei (den Auftragnehmer und/oder Zulieferer) für eine Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem GU-Vertrag vom [ …] erfüllt.
Hiermit verpflichten wir uns als Versicherer unwiderruflich, Ihnen, der Begünstigten, auf Ihre erste Anforderung einen Betrag oder Beträge von maximal [ … ] bei Erhalt einer von Ihnen, der Begünstigten, ordnungsgemäß unterzeichneten Zahlungsaufforderung und eines Nachweises, dass die Mitteilung an die versicherte Partei (den Auftragnehmer und/oder Zulieferer) übermittelt wurde, für die Nichterfüllung ihrer Pflichten zu zahlen.“
8
Die Beklagte zu 1) verpflichtete sich zur Zahlung binnen spätestens 5 Tagen ab Erhalt der genannten Unterlagen (Zahlungsaufforderung und Übermittlungsnachweis der Mitteilung). Die Beklagte zu 2) verpflichtete sich zur Zahlung binnen spätestens 14 Tagen ab Erhalt dieser Unterlagen Zur Geltungsdauer der Bürgschaften ist in den Bürgschaftserklärungen der Beklagten zu 1) jeweils geregelt: „Ansprüche in Bezug auf diese Bürgschaft verfallen, wenn wir [ … ] das unterzeichnete Protokoll über die Letzte Inbetriebsetzung erhalten, spätestens jedoch am 30. April 2017 [ … ].
9
In den Bürgschaftserklärungen der Beklagten zu 2) heißt es zur Geltungsdauer: „Ansprüche in Bezug auf diese Bürgschaft verfallen 30 Tage, nachdem wir [ … ] das unterzeichnete Protokoll über die Letzte Inbetriebsetzung erhalten, spätestens jedoch am 30. April 2017 [ … ].“
10
Die Parteien haben jeweils eine Verlängerung der Gültigkeitsdauer der Bürgschaften bis zum 31.10.2017 vereinbart.
11
Zudem haben die Parteien jeweils die Geltung deutschen Rechts für die Bürgschaftsverträge vereinbart.
12
Hinsichtlich des Wortlauts der Bürgschaftserklärungen im Übrigen sowie der Verlängerungserklärungen und der jeweiligen Übersetzungen in die deutsche Sprache wird auf die Anlagen K2 bis K11 und die Anlagen K112 und K29 Bezug genommen.
13
Am 27.03.2015 fertigten die Parteien der Generalunternehmerverträge jeweils die Protokolle über die Finale Inbetriebsetzung der Photovoltaik-Parks aus (Anlage K12, Übersetzung Anlage K35). Die letzte Inbetriebsetzung, die sich von der Finalen Inbetriebsetzung unterscheidet, hat bisher nicht stattgefunden.
14
Mit jeweils gleichlautenden Schreiben vom 12.06.2017 an die Beklagte zu 1) und jeweils gleichlautenden Schreiben vom 28.04.2017 an die Beklagte zu 2) forderten die Klägerinnen die Beklagten für alle Bürgschaften jeweils zur Zahlung der entsprechenden Bürgschaftssummen auf. Den Schreiben beigefügt waren jeweils ein an die …, die … und die … adressiertes Schreiben der jeweiligen Klagepartei und Übermittlungs- und Zustellungsnachweise. Empfänger dieser Schreiben war jeweils die … Wegen der Wortlaute wird auf die Anlagen K13 bis K22, Übersetzung Anlagen K30, K31, verwiesen.
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Zahlungen leisten die Beklagten nicht.
16
Über das Vermögen der … wurde am 01.01.2019 wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung das Insolvenzverfahren nach deutschem Recht eröffnet. Auch über das Vermögen der … wurde ein Insolvenzverfahren, nach rumänischem Recht, eröffnet.
17
Im Übrigen nimmt der Senat Bezug auf den Tatbestand des erstinstanzlichen Urteils vom 27.03.2024, berichtigt durch Beschluss vom 20.06.2024, § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Weitere Änderungen oder Ergänzungen haben sich in der Berufungsinstanz nicht ergeben.
18
Das Erstgericht hat nach Einholung einer Auskunft des rumänischen Justizministeriums und eines Sachverständigengutachtens zum rumänischen Recht die Klage abgewiesen.
19
Die Bürgenhaftung der Beklagten für Ansprüche der Klägerinnen wegen der in den Protokollen über die Finale Inbetriebsetzung bzw. den Anlagen dazu genannten Mängel sei nicht vom Sicherungszweck der Bürgschaften umfasst. Die Auslegung der Bürgschaftserklärungen ergebe, dass lediglich Gewährleistungsansprüche wegen bei Abnahme noch nicht bekannter Mängel vom Haftungsumfang der Bürgschaften umfasst seien. Dies ergebe sich aus dem Wortlaut der Bürgschaftserklärungen, die als Gewährleistungsbürgschaften bezeichnet seien und die nur in Bezug auf „fertige und abgenommene Leistungen“ gewährt worden seien. Aus den Sicherungsabreden der GU-Verträge ergebe sich nichts anderes, vielmehr sprächen Sinn und Zweck der Sicherungsabreden dafür, dass die vorzulegenden Bürgschaften lediglich Ansprüche wegen erst nach Abnahme zu Tage getretener Mängel sichern sollten. Aber auch bei einer weitergehenden Auslegung der Bürgschaftserklärungen dahingehend, dass sämtliche Gewährleistungsansprüche erfasst seien, bestünde kein Anspruch. Denn bei den von den Klägerinnen geltend gemachten Ansprüchen wegen der in den Protokollen über die Finale Inbetriebsetzung bzw. den Anlagen dazu genannten Mängel handele es sich nach dem insoweit maßgeblichen rumänischen Zivilrecht um vertragliche Erfüllungs- und nicht um Gewährleistungsansprüche.
20
Hinsichtlich des Weiteren Mangels der fehlenden Absicherung gegen eine „potential induced degradation“ (PID) sei keine Bürgenhaftung begründet, da insofern keine wirksame Zahlungsaufforderung vorliege. Die Inanspruchnahme der Beklagten sei von den Klägerinnen nicht auf Gewährleistungsansprüche wegen dieses Mangels gestützt worden. Das Nachschieben dieses Grundes in der Klageschrift vom 22.09.2017, die den Beklagten jeweils am 11.10.2017 zugestellt worden sei, heile diesen formellen Mangel der Inanspruchnahme nicht, da die Inanspruchnahme damit zwar innerhalb der Geltungsdauer der bis zum 31.10.2017 befristet. en Bürgschaften nachgeholt worden sei, es jedoch an der gemäß den Bürgschaftserklärungen erforderlichen Vorlage eines Nachweises über eine Mängelrüge auch hinsichtlich dieses weiteren Mangels gegenüber den Hauptschuldnern innerhalb der Frist fehle.
21
Hiergegen wenden sich die Klägerinnen mit ihrer Berufungsbegründung vom 28.05.2024 (Bl. 10/44 OLG-Akte).
22
Zu prüfen seien im Erstprozess allein die formellen Voraussetzungen der Zahlungsaufforderung und offensichtlicher Rechtsmissbrauch. Das Erstgericht hätte nicht verneinen dürfen, dass die Ansprüche vom Sicherungszweck der Bürgschaften umfasst seien. Zudem deckten jedenfalls die Bürgschaften der Beklagten zu 1) alle vertraglichen Ansprüche und nicht nur Gewährleistungsansprüche ab. Darüber hinaus sei von den Parteien ein eigener Begriff der Gewährleistung entwickelt worden, der alle Unzulänglichkeiten der Anlage bei Inbetriebnahme erfasse. Zur potential induced degradation liege eine wirksame Zahlungsaufforderung vor, deren Anforderungen sich streng alleine aus der Bürgschaftsurkunde ergäben. Diese Anforderungen seien eingehalten worden.
23
Die Klägerinnen beantragen in der Berufungsinstanz (Bl. 93, 11/12 OLG-Akte), unter Abänderung des angefochtenen Urteils des Landgerichts München I vom 27. März 2024, Az. 24 O 13866/17, gemäß den Schlussanträgen 1. Instanz zu erkennen:
1. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 1.) zu verurteilen,
a) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 1.) EUR 979.330,92 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22. Juni 2017 zu zahlen,
b) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 2.) EUR 397.278,22 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22. Juni 2017 zu zahlen,
c) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 3.) EUR 512.546,94 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22. Juni 2017 zu zahlen,
d) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 4.) EUR 336.538,25 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 22. Juni 2017 zu zahlen,
2. die Beklagte und Berufungsbeklagte zu 2.) zu verurteilen,
a) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 1.) EUR 500.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16. Mai 2017 zu zahlen,
b) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 2.) EUR 250.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16. Mai 2017 zu zahlen,
c) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 3.) EUR 250.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16. Mai 2017 zu zahlen,
d) an die Klägerin und Berufungsklägerin zu 4.) EUR 250.000,00 zuzüglich Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem 16. Mai 2017 zu zahlen.
24
Die Beklagten beantragen jeweils (Bl. 93, 49, 55 OLG-Akte),
die Berufung zurückzuweisen.
25
Die Beklagten verteidigen das Ersturteil.
26
Der Senat hat am 12.11.2024 mündlich verhandelt und im Termin Beweis erhoben durch Inaugenscheinnahme des Originals der Anlage K53 (Protokoll Bl. 91/94 OLG-Akte). Eine gütliche Einigung der Parteien konnte nicht erzielt werden.
27
Ergänzend nimmt der Senat Bezug auf die weiteren von den Parteien im Berufungsrechtszug gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die sonstigen Aktenbestandteile. B.
28
Die zulässige Berufung der Klägerinnen ist nahezu vollständig begründet.
29
Die Klägerinnen haben jeweils Anspruch gegen die Beklagten aus den jeweiligen Bürgschaftsverträgen auf Zahlung der in den Bürgschaftserklärungen benannten Beträge, jedoch nur Zug um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunden. Im Hinblick auf die Zinsen ist die Berufung teilweise unbegründet.
I.
Wirksame Bürgschaftsverträge
30
Die Beklagten haben sich mit Bürgschaftserklärungen vom 09.03.2015 und 11.03.2015 zur Zahlung der im Tenor genannten Beträge auf erstes Anfordern verpflichtet. Dass die streitgegenständlichen Bürgschaften solche auf erstes Anfordern sind, ist zwischen den Parteien nicht streitig. Gemäß der vertraglichen Vereinbarung gilt für die Bürgschaftsverträge deutsches Recht, was die Parteien ebenfalls nicht in Frage stellen.
1. Parteien der Bürgschaftsverträge
31
Die Aktivlegitimation der Klägerinnen ist gegeben. Es ist in der Berufungsinstanz unstreitig, dass die streitgegenständlichen Bürgschaftsverträge zwischen den Parteien geschlossen wurden (vgl. auch den Tatbestand des Ersturteils, S. 2, 5).
32
Dies gilt auch für die Klägerin zu 1), die …, einer Gesellschaft rumänischen Rechts. Die von den Klägerinnen vorgetragene Umwandlung der Klägerin zu 1) im Mai 2015 in die … … und ihre Rückumwandlung im März/April 2021 wieder in eine … und das diesbezügliche Bestreiten der Beklagten ist daher ohne Bedeutung. Denn es ist unstreitig, dass diejenige Gesellschaft, die den Bürgschaftsvertrag geschlossen hat, nun auch Klägerin ist. Im Übrigen ist in den Bürgschaftsverträgen ausdrücklich vereinbart, dass die Sicherheit ihre Gültigkeit auch bei Änderung der Rechtsform des Auftragnehmers bzw. des Begünstigten behält. letztlich haben die Klägerinnen die Vornahme der Umwandlungen durch den Beschluss der Gesellschafter vom 04.05.2015 und einen Auszug aus dem Handelsregister vom 07.05.2015 (Anlage K59 mit Übersetzung Anlagen K68/69) sowie den Beschluss der außerordentlichen Hauptversammlung der Aktionäre vom 22.03.2021, eine Gründungsurkunde der Handelsgesellschaft … – aktualisiert am 22.03.2021 – und einen Handelsregisterauszug vom 21.04.2021 (Anlagen K 104/106, einschließlich Übersetzung) nachgewiesen. Die von den Beklagten geäußerten Bedenken gegen die Wirksamkeit der Umwandlungen, die nach rumänischem Gesellschaftsrecht zu beurteilen wären, sind im hiesigen Erstprozess ohne Belang, denn eine solche Prüfung stünde dem formalisierten Charakter der Bürgschaft auf erstes Anfordern entgegen.
33
Auch die Klägerin zu 4) ist weiterhin existent und aktivlegitimiert. Die vorgenommenen Verschmelzungen auf die Klägerin zu 4) (vgl. Anlage K111 einschließlich Übersetzung) haben hieran nichts geändert.
2. Hauptschuldverhältnisse
34
Die von den Beklagten gewährten Bürgschaften sichern Ansprüche aus den streitgegenständlichen Hauptschuldverhältnissen.
35
Zwar weisen die Beklagten zutreffend darauf hin, dass in den Bürgschaftsurkunden das Vertragsdatum des jeweiligen Hauptschuldverhältnisses nicht stets richtig benannt ist.
36
So benennt die Bürgschaftserklärung der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin zu 3) (Nr. …371, Anlage K5, Übersetzung Anlage K112) als Datum des Hauptschuldverhältnisses den 19.12.2012. Der streitgegenständliche Generalunternehmervertrag der Klägerin zu 3) betreffend den Solarpark B. I ist jedoch auf den 15.09.2012 datiert.
37
Zudem benennt die Bürgschaftserklärung der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin zu 4) (Nr . …355, Anlage K6, Übersetzung Anlage K112) als Datum des Hauptschuldverhältnisses den  19.12.2012. Ähnlich benennt die Bürgschaftserklärung der Beklagten zu 2) gegenüber der Klägerin zu 4) (Nr…748, Anlage K11, Übersetzung K29) als Datum des Hauptschuldverhältnisses den 15.12.2012. Der streitgegenständliche Generalunternehmervertrag der Klägerin zu 4) betreffend den Solarpark S. ist jedoch auf den 20.12.2012 datiert.
38
Der Senat ist jedoch davon überzeugt, dass die Beklagten jeweils Ansprüche aus den streitgegenständlichen Hauptschuldverhältnissen sichern wollten. Das Hauptschuldverhältnis kann nicht nur durch das Vertragsdatum, sondern auch durch die benannte Vertragspartei und den benannten Solarpark zugeordnet. werden. Weitere Schuldverhältnisse mit den in den Bürgschaftserklärungen benannten Daten bezeichnen die Parteien nicht, so dass es sich bei den angeführten Daten um ein Versehen gehandelt haben könnte, zumal in Bezug auf die Klägerin zu 4) auch die Erklärung der Beklagten zu 1) von der der Beklagten zu 2) abweicht. Der Hinweis der Beklagten darauf, dass der Umfang der Haftung durch das Datum des Hauptschuldverhältnisses konkretisiert werde und im Nachhinein möglicherweise erfolgte Abänderungen der Hauptschuldverhältnisse für einen Bürgen von Bedeutung sein könnten, führt nicht zu einer anderen Entscheidung. Aufgrund der Gleichförmigkeit, der hier vorliegenden insgesamt fünf Hauptschuldverhältnisse kann, der Senat ausschließen, dass in den vorbenannten Fällen ein zum Nachteil der Beklagten abgeändertes Hauptschuldverhältnis den Bürgschaftsverträgen zugeordnet wurde.
39
Unzutreffend ist jedoch die Rüge der Beklagten zu 2) (vgl. Tatbestand des Ersturteil, S. 15), auch hinsichtlich ihrer Bürgschaftserklärung gegenüber der Klägerin zu 2) (Nr. …744, Anlage K9, Übersetzung K29, Solarpark B. II) liege eine falsche Datierung des Hauptschuldverhältnisses vor (vgl. Tatbestand des Ersturteils, S. 3, Zeile 2, berichtigt durch Beschluss vom 20.06.2024, sowie Tatbestand des Ersturteils S. 5).
3. Wirksamkeit der Bürgschaftsverträge
40
Die Bürgschaftsverträge sind wirksam.
41
a) Die Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern ist für die Beklagten als Versicherungen auch dann wirksam, wenn die Übernahme durch AGB erfolgt (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juli 1990 – IX ZR 294/89, juris Rn. 19; Urteil vom 2. April 1998 – IX ZR 79/97, juris Rn. 24; MüKoBGB/Habersack, 9. Aufl. 2024, § 765 Rn. 108; BeckOGK/Madaus, 1.6.2024, BGB § 765 Rn. 308). Es kann also offenbleiben, ob hier allgemeine Geschäftsbedingungen der Klägerinnen vorliegen.
42
b) Auch hinsichtlich der Bestimmtheit der Bürgschaften hat der Senat keine Bedenken. Etwaige Unklarheiten können durch Auslegung behoben werden (vgl. BGH, Urteil vom 14. November 1991 – IX ZR 20/91, juris Rn. 19).
43
c) Die Dauer der Bürgschaftsverpflichtung ist durch ein bestimmtes Datum eindeutig festgelegt. Nicht entscheidend ist, ob die Erstellung des Protokolls über die letzte Inbetriebnahme von den Klägerinnen nach Belieben verzögert werden könnte, wie dies die Beklagten vortragen. Denn der Erhalt des Protokolls über die letzte Inbetriebnahme kann zwar zu einem vorzeitigen Verfall der Ansprüche in Bezug auf die Bürgschaft führen, die Nichterstellung dieses Protokolls ändert jedoch nichts daran, dass die von den Parteien vereinbarte Befristung bis zum 30.04.2017, nachträglich verlängert auf 31.10.2017, gilt.
II.
Sicherungsfall
44
Die Klägerinnen können Zahlungen aus den streitgegenständlichen Bürgschaften verlangen.
45
Durch Übernahme einer Bürgschaft auf erstes Anfordern verpflichtete sich der Bürge, auf einfaches Verlangen des Gläubigers aus dem Hauptschuldverhältnis zu leisten. Erforderlich ist die vertragskonforme Anforderung durch den Gläubiger, nicht dagegen die schlüssige Darlegung des materiellen Bürgschaftsfalles (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 – IX ZR 287/99, juris Rn. 19; MüKoBGB/Habersack, aaO, § 765 Rn. 106, 110).
46
Die Parteien haben in den Bürgschaftsverträgen folgendes vereinbart:
„Die Bürgschaft wird binnen 30 Tagen ab Erhalt einer Mitteilung von Ihnen, der Begünstigten an die versicherte Partei (den Auftragnehmer und/oder Zulieferer) für eine Nichterfüllung der Verpflichtungen aus dem GU-Vertrag vom [ …] erfüllt.
Hiermit verpflichten wir uns als Versicherer unwiderruflich, Ihnen, der Begünstigten, auf Ihre erste Anforderung einen Betrag oder Beträge von maximal [ …] bei Erhalt einer von Ihnen, der Begünstigten, ordnungsgemäß unterzeichneten Zahlungsaufforderung und eines Nachweises, dass die Mitteilung an die versicherte Partei (den Auftragnehmer und/oder Zulieferer) übermittelt wurde, für die Nichterfüllung ihrer Pflichten zu zahlen.“
47
Die vereinbarten Voraussetzungen für eine Zahlung der Beklagten haben die Klägerinnen erfüllt.
1. Mitteilung an die versicherte Partei
48
Unstreitig haben die Klägerinnen auf den 27.03.2017 datierte, an die …, die … und die … adressierte Schreiben am 28.03.2017 per Fax und am 03.04.2017 durch das Postzustellungsunternehmen T. an die … übermittelt, was sich zudem aus den Anlagen K13 bis K22 (Übersetzung Anlagen K30, K31) ergibt. In diesen Schreiben benennen die Klägerinnen Mängel, teilen die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten mit und kündigen die Inanspruchnahme der Bürgschaften an.
49
Entgegen der Ansicht der Beklagten haben die Klägerinnen durch die Übermittlung der Schreiben lediglich an die … die vertraglichen Anforderungen erfüllt. Eine Übermittlung zusätzlich auch an die … und die … war nicht erforderlich. Dies ergibt sich daraus, dass in den Bürgschaftsverträgen vereinbart wurde, dass die Mitteilung „an die versicherte Partei (den Auftragnehmer und/oder Zulieferer)“ zu übermitteln ist. In den Bürgschaftsverträgen wird ausdrücklich die … als „Auftragnehmer und/oder Zulieferer“ bezeichnet, so dass für den Senat keinerlei Zweifel bestehen, dass die Mitteilung nach der vertraglichen Regelung an die … übersandt werden konnte. Eine Versendung der Mitteilung innerhalb eines Bürgschaftsverhältnisses an mehrere Gesellschaften war nicht vereinbart.
50
Nicht maßgeblich ist, dass die … in den GU-Verträgen abweichend bezeichnet. wird. Denn die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Bürgschaft sind in den Bürgschaftsverträgen geregelt, so dass auch die dortigen Parteibezeichnungen entscheidend sind. Im Übrigen ist die … auch nach den Bezeichnungen in den GU-Verträgen ein Zulieferer, so dass auch danach die Mitteilung an sie übersandt werden konnte.
51
Die in diesem Zusammenhang geäußerte Ansicht der Beklagten, wenn die Mängelmitteilung nur der … zuzustellen gewesen sei, seien auch nur deren (“ihrer“) Pflichten bürgschaftsbesichert, nämlich nur Zulieferpflichten, teilt der Senat nicht. Denn nach den Bürgschaftsverträgen sollen die Bürgschaften gelten „… in Bezug auf fertige und abgenommene Lieferungen/Arbeiten des im GU-Vertrag vom [ …] genannten Auftragnehmers und/oder Zulieferers.“ Eine Beschränkung nur auf Zulieferpflichten besteht also gerade nicht, sondern auch Auftragnehmer Pflichten sollen erfasst sein. Damit ist auch die Schlussfolgerung der Beklagten, es sei unbestimmt, welche Hauptschuldvertragspflicht besichert sei, unzutreffend.
2. Zahlungsaufforderungen
52
Unstreitig sind die Zahlungsaufforderungen der Klägerinnen an die Beklagten für alle Bürgschaftsverhältnisse mit Schreiben vom 28.04.2017 und vom 12.06.2017 erfolgt. Unstreitig ist weiterhin, dass diesen Zahlungsaufforderungen jeweils die entsprechende Mitteilung an die versicherte Partei einschließlich Fax-Sendebestätigung und Zustellbestätigung beigefügt war (Tatbestand Ersturteil, S. 7/8), somit erfolgte der Nachweis der Übermittlung der Mitteilung an die versicherte Partei.
53
Der Einwand der Beklagten, in der Mitteilung an die versicherte Partei, die der Zahlungsaufforderung hinsichtlich der Bürgschaft der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin zu 3) (Nr. …371) beigefügt war, sei ein falsches Datum des GU-Vertrags benannt, ist unzutreffend. Das Datum des GU-Vertrags 15.09.2012 ist zutreffend, vielmehr liegt der Fehler in der Bürgschaftserklärung (siehe bereits oben Ziff. B. I. 2.).
54
Gleiches gilt für die Bürgschaft der Beklagten zu 1) gegenüber der Klägerin zu 4) (Nr…355) und für die Bürgschaft der Beklagten zu 2) gegenüber der Klägerin zu 4) (Nr…748). Auch insoweit ist das Datum des GU-Vertrags in den Mitteilungen an die versicherte Partei zutreffend, auch hier liegt der Fehler in den Bürgschaftserklärungen (vgl. ebenfalls Ziff. B. I. 2.).
3. Unterzeichnung
55
Die Klägerinnen haben auch die vertraglich vereinbarte Unterzeichnung geleistet t.
56
Nach dem Wortlaut der Bürgschaftsverträge mussten die Zahlungsaufforderungen von der Begünstigten ordnungsgemäß unterzeichnet sein. Für die Mitteilung an die versicherte Partei wurde eine ordnungsgemäße Unterzeichnung nicht vereinbart. Dennoch haben die Klägerinnen als Begünstigte sowohl die Zahlungsaufforderungen als auch die Mitteilungen an die versicherte Partei ordnungsgemäß unterzeichnet.
57
Aus den Anlagen K13 bis K22, Übersetzung K30, K31, ist für den Senat ersichtlich, dass alle Zahlungsaufforderungen und alle Mitteilungen an die versicherte Partei mit einer handschriftlichen Unterschrift versehen sind. Die Klageparteien haben hierzu vorgetragen, dass die Unterschriften vom vertretungsberechtigten Geschäftsführer der Klägerinnen, A. O., geleistet. wurden. Die Beklagten haben sowohl die Echtheit der Unterschriften bestritten als auch, dass sie von einer vertretungsberechtigten Person geleistet. wurden.
58
a) Der Senat ist von der Echtheit der Unterschriften überzeugt.
59
Die Klägerinnen haben hierzu eine Erklärung von A. O. vom 17.11.2017 vorgelegt (Anlage K53, Übersetzung Anlage K67; Original der Anlage K53 vorgelegt im Termin am 12.11.2024), dass er die Zahlungsaufforderungen und die Mitteilungen persönlich unterzeichnet habe. Die von A. O. geleistete Unterschrift unter dieser Erklärung ist notariell beglaubigt (Anlage K53, Übersetzung Anlage K67), wobei sich der Senat durch Inaugenscheinnahme des Originals der Anlage K53 im Termin am 12.11.2024 (Bl. 92/93 OLG-Akte) davon überzeugt hat, dass die Erklärung vom 17.11.2017 mit der notariellen Beglaubigung fest verbunden ist.
60
Hieraus folgt zunächst gemäß §§ 416, 420 ZPO der volle Beweis, dass A. O. die Erklärung abgegeben hat, dass er die Zahlungsaufforderungen und die Mitteilungen persönlich unterzeichnet hat, somit der Beweis in formeller Hinsicht. Darüber hinaus ist der Senat davon überzeugt, dass die Erklärung von A. O. auch in der Sache zutreffend ist, die Klägerinnen haben also auch den materiellen Inhalt der Urkunde bewiesen. Dies folgt nicht aus §§ 416, 420 ZPO, sondern unterliegt der freien Beweiswürdigung des Senats (vgl. BGH, Urteil vom 24. Juni 1993 – IX ZR 96/92, juris Rn. 26; Urteil vom 27. September 2018 – VII ZR 45/17, juris Rn. 36; Zöller/Feskorn, ZPO, 35. Aufl. 2024, § 416 Rn. 10). Die Beklagten haben die Echtheit der Unterschriften nur pauschal bestritten. Für den Senat ist kein nachvollziehbarer Grund ersichtlich, weshalb A. O. nicht der Unterzeichner sein soll. Vielmehr sieht sich A. O. ausweislich seiner Erklärung vom 17.11.2017 als befugt an, allein und ohne Einschränkungen für die Klägerinnen zu handeln. Dies spricht dafür, dass er sich auch in Bezug auf die Zahlungsaufforderungen und die Mitteilungen an die versicherte Partei als handlungsbefugt angesehen und die Unterschriften geleistet hat.
61
b) A. O. war zur Überzeugung des Senats zur Unterzeichnung der Zahlungsaufforderungen und der Mitteilungen an die versicherte Partei auch vertretungsberechtigt.
62
Dies folgt schon daraus, dass A. O. berechtigt ist, als Vertreter der Klägerinnen diesen Rechtsstreit zu führen (vgl. Klage, S. 1/2 und Rubrum des Ersturteils), was die Beklagten nicht in Frage stellen. Mit diesem Rechtsstreit verlangt A. O. für die Klägerinnen Zahlung aus den Bürgschaftsverträgen. Nichts anderes hat er mit den Zahlungsaufforderungen verlangt, die Mitteilungen an die versicherte Partei hatten den Zahlungsverlangen vorauszugehen. Wenn A. O. berechtigt ist, für die Klägerinnen gegen die Beklagten gerichtlich vorzugehen, liegt es nahe, dass er hierzu auch vorgerichtlich berechtigt war. Unabhängig hiervon ergibt sich die Vertretungsmacht aus den Handelsregisterauszügen betreffend die Klägerinnen (Anlagen K44 bis K47, jeweils mit Übersetzung), die A. O. als bevollmächtigte Person ausweisen. Einschränkungen im Umfang der Vertretungsmacht sind nicht verzeichnet.; die Benennung der gesetzlichen Grundlage (Gesetz Nr. 31/1990) stellt keine solche Einschränkung dar. Auf die zusätzlich von den Klägerinnen nicht in deutscher Sprache vorgelegten Gesellschaftsverträge (Anlagen K40/K43) kommt es nicht mehr an und auch nicht auf das Bestreiten der Beklagten, dass die in den Gesellschaftsverträgen und in den Handelsregisterauszügen benannten Gesellschaften identisch sind.
63
Der Nachweis der Vertretungsberechtigung konnte im laufenden Rechtsstreit erfolgen. Entgegen der Ansicht der Beklagten war ein Nachweis der Berechtigung im Zuge der Zahlungsaufforderung ausweislich des Wortlauts der Bürgschaftsverträge nicht vereinbart.
64
Auch der Umstand, dass nicht bei allen Unterschriften der Zusatz „Geschäftsführer“ beigefügt war (vgl. Tatbestand des Ersturteils, S. 7), steht vertragsgemäßen Zahlungsaufforderungen und Mitteilungen an die versicherte Partei nicht entgegen. Denn ohne Zweifel handelte der unterzeichnende … nicht in eigenem Namen, sondern für die jeweilige Gesellschaft, was sich für die Zahlungsaufforderungen aus dem Briefkopf und der Benennung der jeweiligen Bürgschaften und für die Mitteilungen an die versicherte Partei aus dem zu Beginn angeführten Absender, aus dem Text der Mitteilung (z.B. „Die unterzeichnete … …“) und der Benennung der Gesellschaft unmittelbar vor der Unterschrift ergibt.
4. Keine weiteren Voraussetzungen
65
Weitere Voraussetzungen für die Zahlungsverpflichtung der Beklagten aus den Bürgschaften haben die Parteien nicht vereinbart, insbesondere haben die Parteien nicht vereinbart, dass die Klägerinnen in den Mitteilungen an die versicherte Partei oder in den Zahlungsaufforderungen die geltend gemachten Mängel näher bezeichnen müssen.
66
a) Da eine solche Voraussetzung nicht besteht, teilt der Senat nicht die Ansicht des Erstgerichts, hinsichtlich des Mangels der fehlenden Absicherung gegen eine „potential induced degradation“ (PID, spannungsbedingte Leistungsreduzierung) sei keine Bürgenhaftung begründet, da insofern keine wirksame Zahlungsaufforderung vorliege (Ersturteil, S. 24/26).
67
Vielmehr ist im hiesigen Erstprozess gar nicht zu prüfen, ob ein bestimmter Mangel eine Bürgenhaftung begründet. Eine schlüssige Darlegung des materiellen Bürgschaftsfalles musste die Klägerinnen weder in den Mitteilungen an die versicherte Partei noch in den Zahlungsaufforderungen und auch nicht im hiesigen Rechtsstreit erbringen. Es kommt alleine darauf an, dass eine vertragskonforme Anforderung durch die Klägerinnen erfolgte, die hier – wie dargestellt – vorliegt. Alleine deshalb haben die Beklagten die vereinbarten Zahlungen zu leisten, ohne dass dabei festzustellen ist, ob dieser oder jener Mangel die Bürgenhaftung begründet.
68
Dadurch, dass die Klägerinnen dennoch in den Mitteilungen an die versicherte Partei Mängel und die Nichterfüllung der vertraglichen Pflichten näher benannt haben, haben die Klägerinnen ihren Anspruch auch nicht hierauf beschränkt. Ein entsprechender Willen der Klägerinnen ist den Mitteilungen an die versicherte Partei nicht zu entnehmen.
69
b) Das Erstgericht hat sich auf ein Urteil des 23. Senats des OLG München (Urteil vom 21. Oktober 1994 – 23 U 3264/94, juris Rn. 17) berufen, wonach ausnahmsweise bei zeitlich begrenzten Gewährleistungsbürgschaften auf erstes Anfordern in der Zahlungsaufforderung der Mangel bezeichnet werden müsse, auch wenn keine entsprechende vertragliche Vereinbarung getroffen worden sei.
70
Ob diese Rechtsauffassung zutrifft, ist streitig (ausdrücklich dagegen etwa OLG Köln, Urteil vom 30. Oktober 1997 – 12 U 40/97, juris Rn. 25/26).
71
Nach Ansicht des Senats ist die vom Erstgericht und vom 23. Senat des OLG München vertretene Rechtsauffassung mit der zutreffenden Rechtsprechung des BGH nicht in Einklang zu bringen. Durch die Bürgschaft auf erstes Anfordern sollen dem Gläubiger sofort liquide Mittel zugeführt werden, wenn er den Bürgschaftsfall für eingetreten hält. Dieser Zweck lässt sich nur erreichen, wenn die Anforderungen an die Erklärung, welche die vorläufige Zahlungspflicht auslöst, streng formalisiert sind, d. h. sich auf das beschränken, was in der Verpflichtungserklärung als Voraussetzung der Zahlung genannt und für jeden ersichtlich ist (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1993 – IX ZR 141/93, juris Rn. 8; Urteil vom 24. November 1983 – IX ZR 2/83, juris Rn. 13). Hier ist in den Bürgschaftserklärungen als Voraussetzung für eine Zahlung die Bezeichnung von Mängeln nicht genannt und somit erst recht nicht für jeden ersichtlich. Die Beklagten sind insofern auch nicht schutzbedürftig. Die Beklagten vergeben geschäftsmäßig Bürgschaften und können sich durch entsprechende Vereinbarungen selbst schützen.
72
Aber auch bei Zugrundelegung der Ansicht des 23. Senats des OLG München wäre im vorliegenden Fall keiner der von den Klägerinnen geltend gemachten Mängel ausgeschlossen. Die Klägerinnen haben in den Mitteilungen an die versicherte Partei Mängel im Einzelnen bezeichnet durch Bezugnahme auf das jeweilige Protokoll der Finalen Inbetriebsetzung und die dort aufgeführten Mängelrügen. Indem die Klägerinnen mit der Zahlungsaufforderung die Mitteilung an die versicherte Partei an die Beklagten mitübersandten, haben sie diese Mängel auch gegenüber den Beklagten hinreichend individualisiert. Lediglich nicht enthalten war der Mangel PID, den die Klägerinnen erstmals in der Klageschrift vom 22.09.2017, zugestellt an die Beklagten am 11.10.2017, gegenüber den Beklagten benannten. Am 11.10.2017 war die (verlängerte) Gültigkeitsdauer der Bürgschaften aber noch nicht abgelaufen. Der 23. Senat leitet das Erfordernis einer hinreichenden Individualisierung der gerügten Mängel aus der Gefahr einer praktisch zeitlich unbegrenzten Inanspruchnahme der Bürgschaft aufgrund einer pauschalen Anforderung ab. Werden Mängel aber noch innerhalb der vereinbarten Frist benannt, besteht diese Gefahr nicht, so dass an das fristgerechte Benennen von Mängeln auch nach dieser Auffassung keine weiteren Anforderungen zu stellen sind, insbesondere nicht eine vorherige Geltendmachung der Mängel gegenüber den Hauptschuldnern.
5. Kein Verfall
73
Die Ansprüche aus den Bürgschaftsverträgen sind nicht verfallen.
74
Die Parteien haben in den Bürgschaftsverträgen vereinbart, dass Ansprüche in Bezug auf die Bürgschaft bei Erhalt des unterzeichneten Protokolls über die Letzte Inbetriebsetzung verfallen, spätestens jedoch am 30. April 2017. Die Gültigkeitsdauer der Bürgschaften haben die Parteien nachträglich bis 31.10.2017 verlängert.
75
Unstreitig hat die Letzte Inbetriebsetzung nicht stattgefunden, ein entsprechendes Protokoll haben die Beklagten nicht erhalten. Eine Inanspruchnahme der Bürgschaften vor dem 31.10.2017 ist unstreitig erfolgt.
III.
Umfang der Einstandspflicht
76
Der Umfang der Einstandspflicht der Beklagten steht den Ansprüchen der Klägerinnen nicht entgegen.
1. Prüfungsumfang und Auslegungsmaßstab
77
a) Der Umfang der Einstandspflicht ist bereits im Erstprozess zu prüfen.
78
Die Einstandspflicht kann inhaltlich auf einen bestimmten Anspruch innerhalb eines Vertragsverhältnisses beschränkt werden. Hat der Verpflichtete eine entsprechende Eingrenzung vorgenommen, ist diese bereits im Ausgangsprozess zu beachten.
79
Um die Funktion der Bürgschaft auf erstes Anfordern uneingeschränkt zu erhalten, sind indessen im Erstprozess nur solche Beschränkungen des verbürgten Risikos auf einzelne Ansprüche aus dem Vertragsverhältnis zwischen Gläubiger und Hauptschuldner beachtlich, die im Wege der Auslegung dem Inhalt der Urkunde selbst zu entnehmen sind. Sonstige unstreitige oder durch Urkunden belegte Umstände dürfen dabei freilich ergänzend berücksichtigt werden (BGH, Urteil vom 14. Dezember 1995 – IX ZR 57/95, juris Rn. 21 ff.).
80
b) Der Umfang der Einstandspflicht ist durch Auslegung festzustellen.
81
Die Auslegung der Bürgschaftserklärung hat sich danach auszurichten, was als Wille für denjenigen erkennbar geworden ist, für den die Erklärung bestimmt war. Ist die Bürgschaftserklärung an den Gläubiger gerichtet, kommt es darauf an, wie dieser sie nach Treu und Glauben und nach der Verkehrsanschauung verstehen musste. Dabei ist ein objektiver Maßstab anzulegen: Der Bürge muss die Bürgschaftserklärung so gegen sich gelten lassen, wie sie bei Berücksichtigung der für den Gläubiger erkennbaren Umstände objektiv aufzufassen ist. Ist die Bürgschaftserklärung in einer Urkunde verkörpert, ist für die Auslegung in erster Linie der Inhalt der Bürgschaftsurkunde maßgeblich. Außerhalb des Erklärungsakts liegende Begleitumstände können aber in die Auslegung miteinbezogen werden, soweit sie für den Erklärungsempfänger einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen (vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 1993 – IX ZR 108/92, juris Rn. 13 mwN; BeckOGK/Madaus, aaO, § 765 Rn. 38).
82
Wenn Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, gilt folgendes: Allgemeine Geschäftsbedingungen sind nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden. Dabei sind die Verständnismöglichkeiten eines durchschnittlichen, rechtlich nicht vorgebildeten Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen. Ansatzpunkt für die bei einer Formularklausel gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie ihr Wortlaut. Legen die Parteien allerdings der Klausel übereinstimmend eine von ihrem objektiven Sinn abweichende Bedeutung bei, ist diese maßgeblich. Sofern nach Ausschöpfung aller in Betracht kommenden Auslegungsmöglichkeiten Zweifel verbleiben und zumindest zwei Auslegungsergebnisse rechtlich vertretbar sind, kommt die sich zulasten des Klauselverwenders auswirkende Unklarheitenregel des § 305 c Abs. 2 BGB zur Anwendung. Hierbei bleiben allerdings Verständnismöglichkeiten unberücksichtigt, die zwar theoretisch denkbar, praktisch aber fern liegend sind und für die an solchen Geschäften typischerweise Beteiligte nicht ernsthaft in Betracht kommen (stRspr; vgl. BGH, Beschluss vom 2. Juli 2019 – VIII ZR 74/18, juris Rn. 20).
83
c) Das Berufungsgericht hat dabei die erstinstanzliche Auslegung gemäß §§ 513 Abs. 1, 546 ZPO – auf der Grundlage der nach § 529 ZPO maßgeblichen Tatsachen – in vollem Umfang darauf zu überprüfen, ob die Auslegung überzeugt. Hält das Berufungsgericht die erstinstanzliche Auslegung lediglich für eine zwar vertretbare, letztlich aber – bei Abwägung aller Gesichtspunkte – nicht für eine sachlich überzeugende Auslegung, so hat es selbst die Auslegung vorzunehmen, die es als Grundlage einer sachgerechten Entscheidung des Einzelfalles für geboten hält (vgl. BGH, Urteil vom 14. Juli 2004 – VIII ZR 164/03, BGHZ 160, 83, Rn. 13).
2. „fertige und abgenommene Lieferungen/Arbeiten“
84
Die Einstandspflicht der Beklagten ist nach dem Wortlaut der Bürgschaftserklärungen beschränkt auf „fertige und abgenommene Lieferungen/Arbeiten des im GU-Vertrag vom [ …] genannten Auftragnehmers und/oder Zulieferers.“
85
a) Die Lieferungen/Arbeiten sind „fertig“ in diesem Sinne. Dies ist nicht Gegenstand des Streits zwischen den Parteien. Dass die Anlagen in Betrieb sind, wird von den Beklagten nicht in Frage gestellt. Im Übrigen haben auch die Parteien der GU-Verträge in den Protokollen über die Finale Inbetriebnahme übereinstimmend festgehalten: „Die Anlage konnte hochgefahren werden und funktioniert vollständig, Einspeisung ins Netz gemäß der Vorgaben – OK“ (Anlage K12, Übersetzung Anlage K35, S. 4/5).
86
b) Die Lieferungen/Arbeiten sind auch abgenommen.
87
aa) Die Klägerinnen haben in den Protokollen über die Finale Inbetriebnahme erklärt (Anlage K12, Übersetzung Anlage K35, S. 5): „Der Auftraggeber nimmt die ausgeführten Arbeiten in allen oben genannten Punkten mit den Anmerkungen in den Anhängen 1, 2 und 3 ab und bestätigt das Protokoll über die finale Inbetriebsetzung gemäß Ziffer 9 des GU-Vertrages.“ Damit liegt eine ausdrückliche Abnahme vor. Hierbei handelt es sich nicht Et a nur um eine Teilabnahme, sondern die Abnahme erfolgte vollumfänglich, wobei Vorbehalte in den Anhängen zum Protokoll erklärt wurden. Denn die Klägerinnen haben nicht Etwa erklärt, dass sie die Abnahme nur hinsichtlich bestimmter Punkte erklären wollen, sondern sie haben die Abnahme umfassend erklärt und nur Anmerkungen vorgenommen. Dies folgt auch aus der Bezugnahme auf „in allen oben genannten Punkten“. Die Vertragsparteien haben im Protokoll bereits vorstehend erklärt, dass die Anlage mit Ausnahme der folgenden, noch zu behebenden und nachzuweisenden zwei Punkte und mit Ausnahme der in Anlage 1 genannten Mängelliste den Projektunterlagen und den Vorgaben aus dem GU-Vertrag entspricht und sodann die genannten zwei Punkte näher erläutert, nämlich Bedenken, ob die gelieferten Module dem GU-Vertrag entsprechen (Anhang 2) und ein Verlangen des Versicherers an die Erfüllung weiterer Anforderungen an die technische Analyse (Anhang 3) (Anlage K12, Übersetzung Anlage K35, S. 4). Dennoch haben die Klägerinnen nachfolgend „in allen oben genannten Punkten“ die Abnahme erklärt und nur Anmerkungen vorgenommen und nicht Etwa einzelne Punkte von der Abnahme ausgenommen. Dies bestätigt die umfassende Abnahmeerklärung der Klägerinnen.
88
bb) Entgegen der Ansicht der Beklagten ist die Abnahme nicht gemäß § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB ihnen gegenüber unwirksam.
89
(1) Die Beklagten rügen, dass die Vertragsparteien entgegen Ziff. 9.12. der GU-Verträge bei der Finalen Inbetriebnahme nicht die Qualität der Produktion und die Erreichung der festgelegten technisch-wirtschaftlichen Kennzahlen festgehalten haben, Die Rüge bleibt ohne Erfolg, da in Ziff. 9.12. der GU-Verträge kein Festhalten dieser Umstände im Protokoll über die Finale Inbetriebsetzung vereinbart ist, vielmehr handelt es sich um das Ziel, dass mit der Finalen Inbetriebsetzung erreicht werden soll (vgl. den Wortlaut „…, so dass …“). Die Vertragsparteien haben jedenfalls nicht vereinbart, dass die Finale Inbetriebnahme nur dann erfolgen darf, wenn diese Umstände festgehalten werden. Unabhängig hiervon ist die Abnahme ohnehin kein Rechtsgeschäft des Hauptschuldners, so dass § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht eingreift. Ein Rechtsgeschäft der Hauptschuldner, in dem auf das Festhalten dieser Umstände verzichtet. worden wäre, tragen die Beklagten nicht vor.
90
(2) In Bezug auf die Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015, auf die sich die Beklagten weiter berufen, kommt § 767 Abs. 1 Satz 3 BGB nicht zur Anwendung, da kein Rechtsgeschäft nach der Übernahme der Bürgschaft, sondern ein vorheriges vorliegt (vgl. BGH, Urteil vom 27. Januar 2004 – XI ZR 111/03, juris Rn. 18).
3. Bei Abnahme bekannte Mängel
91
Der Umfang der streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften ist entgegen der Ansicht des Erstgerichts (Ersturteil, S. 21/24) nicht auf Ansprüche wegen bei Abnahme noch nicht bekannter Mangel beschränkt. Vielmehr sind von den streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften auch Ansprüche wegen der im Protokoll über die Finale Inbetriebnahme, in deren Rahmen die Abnahme erfolgte, aufgeführten Mängel umfasst.
92
Dies ergibt die Auslegung des Inhalts der Bürgschaftserklärung und die Berücksichtigung sonstiger unstreitiger oder durch Urkunden belegter Umstände nach dem vorgenannten Maßstab, wobei hier dahinstehen kann, ob Allgemeine Geschäftsbedingungen vorliegen, da die Auslegung zum selben Ergebnis führt. Nicht entscheidend ist auch, dass die Bürgschaftserklärungen der Beklagten zu 1) und der Beklagten zu 2) im Detail voneinander abweichen, da die maßgeblichen Elemente der Erklärungen identisch sind.
a) Bürgschaftserklärungen
93
Aus den Bürgschaftserklärungen ergibt sich zweifelsfrei keine Beschränkung des Umfangs der Einstandspflicht der Beklagten auf bei Abnahme noch nicht bekannte Mängel.
94
aa) Alle Bürgschaftserklärungen sind mit „Gewährleistungsbürgschaft“ überschrieben. Hieraus ergibt sich keine Beschränkung der Einstandspflicht auf bei Abnahme noch nicht bekannte Mängel, vielmehr fallen auch die Ansprüche des Bestellers wegen Mängeln, die bei Abnahme bekannt waren und für die ein Vorbehalt bei Abnahme erklärte wurde, unter den Begriff der „Gewährleistung“.
95
Die Gewährleistung des Unternehmers meint dessen Haftung für Mängel des von ihm zu erstellenden Werks (BGH, Urteil vom 4. Dezember 1997 – IX ZR 247/96, juris Rn. 12). Die Rechte des Bestellers bei Mängeln und die entsprechende Haftung des Unternehmers für Mängel ist in § 634 BGB geregelt.
96
Aus § 640 Abs. 3 BGB ist ersichtlich, dass auch Ansprüche des Bestellers wegen bei Abnahme bekannter Mängel unter die Gewährleistung des Unternehmers fallen. Nimmt der Besteller ein mangelhaftes Werk ab, obwohl der den Mangel kennt, stehen ihm die Rechte nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB nur zu, wenn er sich seine Rechte bei Abnahme vorbehält. Daraus folgt, dass dann, wenn der Besteller einen entsprechenden Vorbehalt erklärt, er die Gewährleistungsrechte nach § 634 Nr. 1 bis 3 BGB geltend machen kann, obwohl er den Mangel bei Abnahme gekannt hat. Somit sind Ansprüche des Bestellers wegen Mängeln, die bei Abnahme bekannt waren und für die ein Vorbehalt bei Abnahme erklärt wurde, Gewährleistungsansprüche.
97
Auch nach Ansicht des BGH kommt es für eine Gewährleistungsbürgschaft nicht darauf an, ob die Mängel vor oder nach der Abnahme aufgetreten sind (BGH, aaO, juris Rn. 14).
98
Dementsprechend entspricht es hM, dass bei Abnahme erkannte Mängel, für die ein Vorbehalt erklärt wurde, unter Gewährleistungssicherheiten fallen (Ganten/Jansen/Voit/Rudolph/Koos, VOB/B, 4. Aufl. 2023, § 17 Abs. 1 Rn. 141; Kapellmann/Messerschmidt/Thierau, VOB/B, 8. Aufl. 2023, § 17 Rn. 73; Kleine-Möller/Merl/Glöckner PrivBauR-HdB, 6. Aufl. 2019, § 15. Rn. 1296; BeckOGK/Madaus, aaO, § 765 Rn. 327; Ingenstau/Korbion/Joussen, VOB/B, 22. Aufl. 2023, § 17 Abs. 1 Rn. 25).
99
bb) Die Unterscheidung zwischen Vertragserfüllungsbürgschaften und Gewährleistungsbürgschaften ist durch die vorgenannte Auslegung nicht beeinträchtigt. Ansprüche wegen bei Abnahme bekannter Mängel, für die ein Vorbehalt erklärt wurde, sind Gewährleistungsansprüche, sie werden von einer (uneingeschränkten)
100
Gewährleistungsbürgschaft erfasst. Damit bestehen auch keine Abgrenzungsschwierigkeiten. Ob sie auch von einer Vertragserfüllungsbürgschaft erfasst werden, hängt letztlich von der dortigen Abrede ab, um Erfüllungsansprüche handelt es sich jedenfalls nicht (vgl. Ganten/Jansen/Voit/Rudolph/Koos, aaO).
101
cc) Die Beklagten haben die Bürgschaften jedoch nicht ohne Einschränkung gewährt, vielmehr gelten die Bürgschaften nur in Bezug auf „fertige und abgenommene Lieferungen/Arbeiten“.
102
Diese Einschränkung besagt, dass neben der Fertigstellung auch eine Abnahme erfolgt sein muss. Dass bei Abnahme bekannte Mängel von den Bürgschaften nicht erfasst, werden sollen, folgt hieraus jedoch nicht. Eine „mangelfreie Abnahme“ oder eine „vorbehaltlose Abnahme“ ist gerade nicht vereinbart.
103
Das Argument der Beklagten, durch die vorgenommene Einschränkung sollte sichergestellt werden, dass die Beweislast für Mängelansprüche nach der Abnahme bei den Klägerinnen liegt, überzeugt den Senat nicht. Denn es ist zwar im Grundsatz zutreffend, dass mit der Abnahme ein Wechsel der Beweislast einhergeht. Dies gilt aber nicht ausnahmslos und trifft nicht zu, soweit der Besteller bei der Abnahme wegen eines Mangels einen Vorbehalt erklärt (vgl. BGH, Urteil vom 23. Oktober 2008 – VII ZR 64/07, juris Rn. 15). Mit der Verwendung der Einschränkung „abgenommen“ kann also nicht immer erreicht werden, dass die Beweislast der Besteller trägt. Sollten dies die Beklagten erreichen wollen, müssten sie eine andere, dies zum Ausdruck bringende Formulierung wählen. Dies ist auch nicht systemwidrig, denn auch bei der Geltendmachung von Gewährleistungsrechten trägt der Besteller zwar in der Regel, aber nicht ausnahmslos, die Beweislast für das Vorliegen von Mängeln (vgl. MüKoBGB/Busche, aaO, § 634 Rn. 80).
104
Zutreffend ist der Hinweis der Beklagten, dass auch dann, wenn wesentliche Mängel vorliegen, die Abnahme unter Vorbehalt dieser Mängel erklärt werden kann. Es mag sein, dass die Beklagten ein Interesse daran haben, für diese wesentlichen Mängel nicht einstehen zu müssen. Es ist aber dann Sache der Beklagten, dies in ihren Bürgschaftserklärungen zum Ausdruck zu bringen. Aus den streitgegenständlichen Erklärungen geht eine solche Einschränkung jedenfalls nicht hervor.
105
dd) Das Erstgericht (Ersturteil, S. 21/22) hat sich auf eine Entscheidung des 28. Senats des OLG München (Urteil vom 18. November 2008 – 28 U 3572/08, BauR 2009, 994, Rn. 49/50) gestützt, wonach Gewährleistungsbürgschaften nur Ansprüche wegen Mängeln umfassen sollen, die erst nach Abnahme zu Tage treten. Der 28. Senat hat dies im dort zu entscheidenden Fall daraus geschlossen, dass für Mängel, die vor Abnahme gerügt worden seien, bereits ein Sicherungseinbehalt vorhanden gewesen sei und nicht ersichtlich sei, wieso die dortige Klägerin eine mehrfache Absicherung erhalten sollte. Die Entscheidung des 28. Senats ist nicht ohne Kritik geblieben (vgl. Ingenstau/Korbion/Joussen, aaO).
106
Die dortige Fallkonstellation ist hier jedoch nicht gegeben. Ein Sicherungseinbehalt ist hier in den Hauptschuldverhältnissen nicht vereinbart, so dass der Senat es dahinstehen lassen kann, ob der Ansicht des 28. Senats zu folgen ist.
107
ee) Aus der von den Beklagten umfangreich zitierten obergerichtlichen Rechtsprechung ist nicht ersichtlich, dass die hier streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften abweichend auszulegen wären.
108
Zahlreiche Entscheidungen betreffen Gewährleistungsbürgschaften von anderem Umfang (z. B. Senat, Beschluss vom 27. Mai 2019 – 9 U 4408/18, n. v.: „fertiggestellte und mängelfrei abgenommene Leistung“; OLG Frankfurt, Urteil vom 24. August 2016 – 29 U 147/16, juris 20, 23: „Mängelansprüche nach VOB Teil B § 13 für bereits fertiggestellte und ohne Beanstandungen und Auflagen abgenommene Arbeiten“; OLG Frankfurt, Urteil vom 18. Januar 2006 – 1 U 194/05, juris Rn. 1: „in Übereinstimmung mit den vertraglichen Bestimmungen fertiggestellt und unbeanstandet und vorbehaltlos abgenommen“). In diesen Fällen liegen jeweils weitergehende vertragliche Einschränkungen des Bürgschaftsumfangs als in der hiesigen Fallkonstellation vor, so dass für die hier vorzunehmende Auslegung keine Rückschlüsse gezogen werden können.
109
Der Entscheidung des OLG München im Verfahren 28 U 2486/02 (Urteil vom 26. November 2002, n. v., hier vorgelegt als Anlage B2.21) liegt zwar – vergleichbar mit der hiesigen Formulierung – eine Gewährleistungsbürgschaft „für fertiggestellte und abgenommene Arbeiten“ zugrunde, die Beschränkung des Umfangs der Bürgschaft auf zu einem bestimmten Zeitpunkt noch nicht zu Tage getretene Mängel folgte aber aus besonderen Umständen, insbesondere aus einem Schreiben, in dem die Wirksamkeit der Bürgschaft ausdrücklich von der mängelfreien Abnahme des Bauvorhabens abhängig gemacht wurde (Urteil vom 26. November 2002, S. 12). Solche Umstände sind hier nicht gegeben.
110
Das OLG Celle (Beschluss vom 9. September 2013 – 4 U 68/13, juris) hat sich auch mit einer Bürgschaft befasst, die dazu dienen sollte, „die vertragsgemäße Gewährleistung für fertiggestellte und abgenommene Arbeiten sicherzustellen“ (aaO, juris Rn. 18). Jedoch hatte das OLG Celle nur darüber zu entscheiden, ob es sich bei einer solchen Bürgschaft um eine Gewährleistungsbürgschaft oder auch um eine allgemeine Erfüllungsbürgschaft handelt. Letzteres verneinte das OLG Celle. Für die hier zu entscheidende Frage, welchen Umfang eine solche Gewährleistungsbürgschaft hat, lässt sich hieraus nichts entnehmen.
111
ff) Zu weitgehend ist allerdings die Ansicht der Klägerinnen, jedenfalls in Bezug auf die Beklagte zu 1) seien auch Erfüllungsansprüche von den streitgegenständlichen Bürgschaften erfasst. Denn auch die Bürgschaftserklärungen der Beklagten zu 1) sind – wie auch die Bürgschaftserklärungen der Beklagten zu 2) – mit „Gewährleistungsbürgschaft“ überschrieben, was Erfüllungsansprüche ausschließt.
b) Sonstige Umstände
112
Die Berücksichtigung sonstiger unstreitiger oder durch Urkunden belegter Umstände führt zu keinem anderen Ergebnis.
113
aa) Zutreffend führt das Erstgericht (Ersturteil S. 22/23) aus, dass die aus den Hauptschuldverhältnissen zu entnehmende Sicherungsabrede nach ihrem Wortlaut nicht eindeutig ist, da darin die Verpflichtung zur Vorlage von „Gewährleistungsbürgschaften“ geregelt ist, diese aber einerseits zur Absicherung für „Gewährleistungsansprüche und Ansprüche wegen Mängeln an den vom Auftragnehmer vorgenommenen Arbeiten“ (Ziff. 10.3. der GU-Verträge) und andererseits „Zur Sicherung der Sicherheit für die Erfüllung jeglicher Pflichten aus diesem Vertrag [ … ] “ (Ziff. 13.4. der GU-Verträge) dienen sollen. Festzustellen ist aber jedenfalls, dass eine Beschränkung auf bei Abnahme noch nicht bekannte Mängel aus dem Wortlaut der Sicherungsabrede nicht zu entnehmen ist.
114
Auch aus der Zusammenschau der übrigen Regeln der GU-Verträge folgt eine solche Einschränkung nicht, insbesondere ergibt sich hieraus nicht, dass die Parteien der GU-Verträge angenommen haben, dass für bei Abnahme bekannte Mängel, für die ein Vorbehalt erklärt wurde, kein Sicherungsbedürfnis durch die Gewährleistungsbürgschaften besteht.
115
Zwar enthält Ziff. 12. A.3 der GU-Verträge die Regelung, dass 35% der Vergütung bei der Formellen Inbetriebsetzung, die abgenommen und ohne Einwände unterzeichnet werden muss, zu zahlen sind. Die Formelle Inbetriebsetzung ist hier jedoch nicht entscheidend, da diese nur verweigert werden durfte, wenn Mängel vorhanden waren, die eine Stromerzeugung oder das Grünstromzertifikat verhinderten (Ziff. 9.3. der GU-Verträge). Die hier maßgebliche Abnahme ist im Rahmen der zeitlich nachfolgenden Finalen Inbetriebsetzung erfolgt. Hierfür enthält Ziff. 12. A.4 der GU-Verträge keine Möglichkeit eines Einbehalts. Vielmehr sind bei Unterzeichnung des Protokolls zur Finalen Inbetriebsetzung und bei Erreichen der garantierten 80%-Leistungsquote ohne Weiteres weitere 40% der Vergütung zu zahlen. Für Ansprüche wegen Mängeln, für die bei Abnahme ein Vorbehalt erklärt wurde, gab es die Möglichkeit eines Einbehalts von der Vergütung nicht. Ein fehlendes Sicherungsbedürfnis durch die Gewährleistungsbürgschaften für solche Ansprüche besteht daher nicht.
116
Aus den in Ziff. 13.2. der GU-Verträge vereinbarten Patronatsbürgschaften (vgl. Tatbestand des Ersturteils, S. 4) kann in Bezug auf den Umfang der Gewährleistungsbürgschaften kein Rückschluss gezogen werden. Denn gemäß Ziff. 13.2. der GU-Verträge sollten die Patronatsbürgschaften als Sicherheit für die pünktliche Umsetzung dieses Vertrags binnen sieben Tagen ab Vertragsunterzeichnung zur Verfügung gestellt werden und bis zum Ende des Gewährleistungszeitraums (2 Jahre ab der Unterzeichnung des Protokolls zur Finalen Inbetriebsetzung) gelten. Da auch die Gewährleistungsbürgschaften während des Gewährleistungszeitraums gelten sollten, war notwendigerweise eine Überschneidung der Sicherheiten gegeben, so dass eine Vermeidung einer mehrfachen Absicherung hier nicht den vertraglichen Vereinbarungen entspräche.
117
bb) Auch in den Protokollen über die Finale Inbetriebsetzung (Anlage K12, Übersetzung Anlage K35) ist keine Beschränkung des Umfangs der Gewährleistungshaftung und damit der Gewährleistungsbürgschaften erfolgt, insbesondere wurden Ansprüche wegen Mängeln, für die bei der Finalen Inbetriebsetzung Vorbehalte erklärt wurden, nicht ausgenommen.
118
Die Beklagten meinen, eine solche Beschränkung aus S. 5 der Anlage K35 entnehmen zu können. Der Senat teilt diese Ansicht nicht. Die Vertragsparteien haben zwar erklärt, dass mit Unterzeichnung der Protokolle über die Finale Inbetriebsetzung Auftraggeber und Auftragnehmer nur noch für die sonstigen Bestimmungen im GU-Vertrag haften. Die Vertragsparteien haben aber von der Haftungsbeschränkung die Gewährleistungshaftung ausgenommen (“ausschließlich der Gewährleistungen“) und ebenso die Anhänge 1, 2 und 3, in denen die Vorbehalte erklärt wurden. Im Übrigen ist für den Senat keinerlei Grund ersichtlich, warum eine in den GU-Verträgen nicht vorgesehene Haftungsbeschränkung in die Protokolle über die Finale Inbetriebnahme aufgenommen worden sein sollte. Die von den Beklagten geltend gemachte Beschränkung liegt damit nicht vor.
c) Keine Beurteilung nach rumänischem Recht
119
Der Senat folgt nicht dem Argument des Erstgerichts (Ersturteil, S. 23/24), wonach Ansprüche wegen bei Abnahme bekannter Mängel, für die ein Vorbehalt erklärt wurde, nach rumänischem Recht Erfüllungsansprüche seien und sie somit von einer Gewährleistungsbürgschaft nicht erfasst werden.
120
Denn der Umfang der streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften ist – wie erfolgt – nach deutschem Recht zu bestimmen.
121
Wie der Umfang der Bürgschaften zu bestimmen ist, ist durch Vertragsauslegung zu klären. Die Parteien haben unstreitig jeweils die Geltung deutschen Rechts für die Bürgschaftsverträge vereinbart. Wenn für die Bürgschaftsverträge deutsches Recht gilt, gilt dies auch für die Bestimmung des Umfangs der Bürgschaften (vgl. BeckOGK/Köhler, 1.12.2024, Rom I-VO Art. 4 Rn. 516; BeckOK BGB/Spickhoff, 72. Ed. 1.8.2024, VO (EG) 593/2008 Art. 4 Rn. 62). Ebenso spricht die stark formalisierte Vorgehensweise bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern gegen eine Prüfung nach rumänischem Recht. Die Parteien haben eine zeitnahe Auszahlung nach Eingang der Zahlungsaufforderung und des Übermittlungsnachweises der Mitteilung an die versicherte Partei vereinbart, eine schwierig vorzunehmende Prüfung nach rumänischem Recht stünde dem entgegen. Letztlich haben auch die Beklagten die Auffassung vertreten, dass die Bürgschaftsrechtsverhältnisse ausschließlich nach deutschem Recht zu beurteilen seien (z.B. Schriftsatz der Beklagten zu 1) vom 24.10.2017, S. 9/10, Bl. 38/39, und Schriftsatz der Beklagten zu 2) vom 08.11.2017, S. 3, Bl. 66).
d) Zwischenergebnis
122
Der Umfang der streitgegenständlichen Gewährleistungsbürgschaften ist nicht auf Ansprüche wegen bei Abnahme noch nicht bekannter Mängel beschränkt.
4. Kein Ausschluss der Geltendmachung von Schadensersatz im Hauptschuldverhältnis
123
Der Senat folgt nicht der Ansicht der Beklagten, Schadensersatzansprüche wegen behauptet er Minderleistung der Module könnten im Hauptschuldverhältnis nicht geltend gemacht werden und seien daher vom Umfang der Bürgschaften nicht gedeckt.
124
Die Beklagten berufen sich hierfür auf Ziff. 10.2. der GU-Verträge.
125
Ziff. 10.2. lautet in der deutschen Übersetzung (Anlage K34): „Unter der Mängelhaftung muss der Anbieter zusammen mit dem Auftragnehmer im Gewährleistungszeitraum die Materialien und das Zubehör je nach Bedarf reparieren oder ersetzen, bei denen Mängel festgestellt wurden oder bei denen die Reparaturarbeiten oder der Ersatz mangelhaft ist. …“.
126
Hiermit ist eine Nacherfüllungspflicht der Hauptschuldner geregelt. Ein Ausschluss weiterer Gewährleistungsrechte ist hieraus nicht ersichtlich.
IV.
Einwendungen/Einreden der Beklagten
127
Die Beklagten dringen mit den geltend gemachten Einwendungen und Einreden nicht durch.
1. Prüfungsumfang
128
Bei der Bürgschaft auf erstes Anfordern ist der Bürge verpflichtet, schon auf ein einfaches formalisiertes Verlangen des Gläubigers hin zu leisten. Ihm gegen seine Inanspruchnahme eventuell zustehende Einwendungen und Einreden kann er zunächst nicht geltend machen, da Sinn und Zweck einer Bürgschaft auf erstes Anfordern darin besteht, dem Gläubiger schnell (und ggf. vorläufig) Liquidität zu verschaffen. Sie bleiben grundsätzlich dem Rückforderungsprozess des Bürgen vorbehalten (OLG Saarbrücken, Urteil vom 23. Juni 2022 – 4 U 107/21, juris Rn. 55; BeckOGK/Madaus, 1.6.2024, BGB § 765 Rn. 304, 311 ff.).
129
Das Recht des Gläubigers, sofortige Zahlung verlangen zu können, ohne seine materielle Berechtigung darlegen und beweisen zu müssen, findet nur im Falle des Missbrauchs seine Schranke. Ist es offensichtlich oder liquide beweisbar, dass trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist, steht dem Bürgen der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung zu (BGH, Urteil vom 21. April 1988 – IX ZR 113/87, NJW 1988, 2610). Dieser Einwand ist jedoch auf die Fälle zu beschränken, in denen die missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung für jedermann klar erkennbar ist. Alle Streitfragen tatsächlicher und rechtlicher Art, deren Beantwortung sich nicht von selbst ergibt, sind in einem Rückforderungsprozess auszutragen (BGH, Urteil vom 28. Oktober 1993 – IX ZR 141/93, juris Rn. 12; Urteil vom 21. April 1988, aaO; Urteil vom 10. Februar 2000 – IX ZR 397/98, BGHZ 143, 381/388).
2. Keine Geltendmachung nach Ablauf der Gewährleistungsfrist
130
Vor diesem Hintergrund rügen die Beklagten ohne Erfolg, bei Geltendmachung der Mängel gegenüber den Hauptschuldnern bzw. bei Inanspruchnahme der Beklagten sei die in den GUVerträgen vereinbarte Gewährleistungsfrist bereits abgelaufen gewesen, die Hauptschuld sei erloschen bzw. verjährt, §§ 767 Abs. 1 S. 1, 768 Abs. 1 S. 1 BGB.
131
Die vertraglich vereinbarte Gewährleistungsfrist war jedoch nicht abgelaufen.
132
a) Zwar ist es zutreffend, dass die vertraglich vereinbarte Gewährleistungsfrist zwei Jahre beträgt und diese „ab dem Protokoll über die Finale Inbetriebnahme“ beginnt (Ziff. 10.3. der GU-Verträge). Die Protokolle über die Finale Inbetriebnahme wurden auf den 27.03.2015 datiert. Allerdings haben die Vertragsparteien gemäß Ziff. 9.15. der GU-Verträge vereinbart: „Verzögert sich die Unterzeichnung der Protokolle über die letzte Inbetriebnahme, aus welchen Gründen auch immer, nach der zweijährigen Frist, wird der Gewährleistungszeitraum entsprechend bis zur Unterzeichnung des Protokolls über die letzte Inbetriebnahme verlängert. …“ Unstreitig haben die Vertragsparteien das Protokoll über die letzte Inbetriebnahme bisher nicht unterzeichnete, so dass deshalb die Gewährleistungsfrist nicht abgelaufen ist. Die Voraussetzungen von Ziff. 9.15. sind auch dann erfüllt, wenn der Grund für die verzögerte Unterzeichnung in der Sphäre der Klägerinnen liegt („aus welchen Gründen auch immer“).
133
b) Die Regelung in Ziff. 9.15. der GU-Verträge ist entgegen der Ansicht der Beklagten nicht unwirksam.
134
Die Beklagten halten diese Regelung für zu unbestimmt. Sie könne zudem zu einer unendlichen Haftung der Beklagten führen und sei daher unbillig und sittenwidrig.
135
aa) Die Wirksamkeit von Ziff. 9.15. der GU-Verträge ist entgegen der Ansicht der Beklagten nach rumänischem Recht zu prüfen.
136
Die Vertragsparteien haben für die GU-Verträge die Geltung rumänischen Rechts vereinbart. Dementsprechend ist die Wirksamkeit der GU-Verträge oder einzelner Vertragsregelungen des Hauptschuldverhältnisses nach diesem Recht zu beurteilen. Soweit es auf das Bestehen und den Umfang der Hauptschuld ankommt, handelt es sich um eine selbständig anzuknüpfende und nach dem Recht der Hauptschuld zu beantwortende Vorfrage (MüKoBGB/Martiny, 9. Aufl. 2025, Rom I-VO Art. 4 Rn. 234; BeckOGK/Köhler, 1.12.2024, Rom I-VO Art. 4 Rn. 516; BeckOK BGB/Spickhoff, aaO, Art. 4 Rn. 62). Die Rechtswahl der Parteien für die Bürgschaftsverträge beeinflusst also nicht das auf die Hauptschuldverhältnisse anzuwendende Recht.
137
bb) Obwohl die geltend gemachte Unwirksamkeit von Ziff. 9.15. der GU-Verträge, beurteilt nach rumänischem Recht, nur unter dem Gesichtspunkt des Einwands der unzulässigen Rechtsausübung zu prüfen war, mithin nur zum Tragen kommt, wenn die Unwirksamkeit offensichtlich oder liquide beweisbar ist, hat das Erstgericht hierzu Beweis erhoben und insbesondere ein Sachverständigengutachten erholt.
138
Der Sachverständige B. vom Institut für Ostrecht, M., ist in seinem schriftlichen Rechtsgutachten vom 27.07.2022, S. 27/28 (Bl. 658/659), zu dem Ergebnis gekommen, dass die Regelung zur Verlängerung des Gewährleistungszeitraums, wie sie in Ziff. 9.15. getroffen wurde, auch dann wirksam vereinbart werden konnte, wenn die betreffende Vertragsbestimmung vom Gericht als Standardklausel i.S.v. Art. 1.202 rum. ZGB, also der rumänischen Entsprechung zu deutschen AGB, qualifiziert würde. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass nach rumänischem Recht es insoweit grundsätzlich den Parteien überlassen sei, entsprechende Regelungen selbst zu treffen. Entgegenstehende gesetzliche Bestimmungen gebe es nicht. Die Unwirksamkeit von Standardklauseln sei nach Art. 1.203 rum. ZGB zu beurteilen. Gewährleistungsfristen seien aber nicht Gegenstand von Art. 1.203 rum. ZGB, so dass eine Unwirksamkeit nicht gegeben sei. Die Einordnung der von den Vertragsparteien getroffenen Vereinbarung als Standardklausel sei daher nicht entscheidend. In seiner Anhörung am 23.11.2022 (Protokoll, S. 7, Bl. 711) hat der Sachverständige seine Rechtsauffassung bekräftigt.
139
Der Senat folgt den Rechtsansichten des Sachverständigen. Für den Senat – wie auch für das Erstgericht (Ersturteil, S. 24, in anderem Kontext) – bestehen an der Sachkunde des gerichtsbekannt erfahrenen Sachverständigen für das rumänische Recht keine Zweifel. Seine Ausführungen sind sehr gut nachvollziehbar und schlüssig.
140
Entgegen der Ansicht der Beklagten enthält die Regelung in Ziff. 9.15. der GU-Verträge keinen Verzicht auf die Einrede der Verjährung und ist deshalb unwirksam, sondern eine Abhängigkeit der Dauer der Gewährleistungsfrist von der Unterzeichnung des Protokolls über letzte Inbetriebnahme. Insoweit waren die Hauptschuldner nicht der Willkür der Klägerinnen ausgeliefert, denn die verzögerte Abnahme kann nach rumänischem Recht durch Urteil ersetzt werden (vgl. Anhörung des Sachverständigen vom 23.11.2022, Protokoll, S. 7, Bl. 711).
141
c) Eine Fiktion der letzten Inbetriebnahme zum 27.03.2017 aufgrund unberechtigter Verweigerung der Unterzeichnung der Protokolle über die letzte Inbetriebnahme kann der Senat nicht erkennen. Eine solche Fiktion ist vertraglich nicht geregelt. Zudem ersetzt eine unberechtigte Verweigerung nach Ansicht des Senats eine vorhergehende Aufforderung voraus, die nicht vorgetragen ist. Schließlich ist es nicht offensichtlich oder liquide beweisbar, dass die Verweigerung unberechtigt erfolgt ist, was zwischen den Parteien streitig ist.
142
d) Auch die Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 zwischen dem Vertreter der Klägerinnen und Vertretern der …, der … und der … (Übersetzung Anlage B1) steht der verlängerten Gewährleistungsfrist nicht entgegen.
143
Darin heißt es: „T. bestätigt hiermit, dass sie wegen der vorbezeichneten Minderleistung der Module und daraus resultierender Produktionsverluste die Unterzeichnung des letzten Inbetriebnahmeprotokolls („Last Commissioning Protocol“) weder verzögern noch verweigern wird.“
144
Dass die nicht erfolgte Unterzeichnung des Protokolls über die Letzte Inbetriebnahme lediglich wegen der in der Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 genannten Minderleistung oder daraus resultierender Produktionsverluste erfolgte, behaupten die Beklagten aber schon nicht.
145
Im Übrigen ist nicht offensichtlich oder liquide beweisbar, dass trotz Vorliegens der formellen Voraussetzungen der Bürgschaftsfall nicht eingetreten ist, denn was gelten soll, wenn die Klägerinnen entgegen der Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 doch die Unterzeichnung der letzten Inbetriebnahmeprotokolle verzögern oder verweigern, ist nicht geregelt.
3. Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung
146
Der Senat teilt nicht die Ansicht der Beklagten, die Sicherungsabrede aus den GU-Verträgen sei wegen Übersicherung unwirksam. Die Beklagten erheben daher zu Unrecht die Einrede der ungerechtfertigten Bereicherung, §§ 768 Abs. 1 S. 1, 821 BGB.
147
a) Aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern, die zur Erfüllung einer Sicherungsabrede zwischen Gläubiger und Hauptschuldner erteilt wurde, kann der Gläubiger keine Zahlung verlangen, wenn sich aus dem unstreitigen Sachverhalt oder dem Inhalt der Vertragsurkunden die Unwirksamkeit der Sicherungsabrede ohne weiteres ergibt (BGH, Urteil vom 8. März 2001 – IX ZR 236/00, BGHZ 147, 99/108).
148
b) Auch diese Frage ist nach rumänischem Recht zu klären (vgl. oben Ziff. B. IV. 2. b. aa). Auch hierzu hat das Erstgericht ein Sachverständigengutachten erholt.
149
Nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen B. kann eine Bürgschaft, die einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nach deutschem Recht entspricht, auch nach rumänischem Recht geschlossen werden (schriftliches Gutachten vom 27.07.2022, S. 20/22, Bl. 651/653). Ein Ausschluss sämtlicher Einwendungen und Einreden, der nach rumänischem Recht zur Unwirksamkeit der Bürgschaft führen könnte, liegt hier nicht vor.
150
Der Sachverständige hat weiter überzeugend erläutert, dass die streitgegenständlichen Sicherungsabreden keine Standardklauseln nach rumänischem Recht im Sinne von Art. 1.202 Abs. 2 rum. ZGB seien, da diese spezifischen Inhalte für eine Vereinbarung nur zwischen eben jenen Streitparteien enthielten. Zudem verlangten die Sicherungsvereinbarungen die Benennung dritter, externer Sicherungsgeber zu der jeweils konkreteten Sicherungsabrede. Es könne wohl als praxisfern angesehen werden, dass ein Sicherungsgeber Sicherheitsleistungen in derartiger Höhe pauschal und ohne spezifischen Projektbezug zusage, ebenso, dass eine derartige Sicherungsabrede ohne die vertragsspezifische Mitwirkung der Partei auskomme, zugunsten deren besicherter Leistung die Sicherheit begeben werde. Eine Mitwirkung der anderen Vertragspartei erscheine bei der Gestaltung der Klausel unverzichtbar. Zudem seien Sicherungsabreden nicht Gegenstand der Vorschrift über die Unwirksamkeit von Standardklauseln (Art. 1.203 rum. ZGB), die nach der einschlägigen rumänischen Literatur abschließend sei, so dass auch bei einer Einordnung als Standardklausel keine Unwirksamkeit vorliege. Schließlich sieht es der Sachverständige als ausgeschlossen an, dass ein rumänisches Gericht die Sicherungsabreden als sittenwidrig einordnen und deren Geltung deshalb auch nur in Zweifel ziehen würde (schriftliches Gutachten vom 27.07.2022, S. 12/17, Bl. 643/648; Anhörung vom 23.11.2022, S. 4/6, Bl. 709 Rs., 710, 710 Rs.). Dass es zur Thematik „Übersicherung“ keine Rechtsprechung der rumänischen Gerichte gibt, ist nicht maßgeblich, denn der Sachverständige konnte sein Gutachten mit der generellen Rechtsauffassung in der rumänischen Rechtsprechung und in der Literatur begründen.
4. Keine subsidiäre Haftung der Hauptschuldner
151
Die Beklagten dringen mit ihrem Einwand einer subsidiären Haftung der Hauptschuldner nicht durch.
152
a) Die behauptete subsidiäre Haftung der Hauptschuldner ist nicht vereinbart.
153
Nach Ziff. 10.5. der GU-Verträge treten die Hauptschuldner auf Verlangen der Klägerinnen Gewährleistungsansprüche gegen Nachunternehmer an die Klägerinnen ab. Die Hauptschuldner werden aus ihrer Gewährleistung entlassen, wenn und soweit die Klägerinnen ihre erlittenen Schäden anderweitig ersetzt bekommen haben.
154
Hieraus ergibt sich keine subsidiäre Haftung der Hauptschuldner. Vielmehr gewährt Ziff. 10.5. der GU-Verträge den Klägerinnen nur die Möglichkeit, Abtretung zu verlangen. Diese Regelung beinhaltet aber keine Pflicht oder Obliegenheit der Klägerinnen, zunächst mittels abgetretenen Rechts die Nachunternehmer in Anspruch zu nehmen, bevor eine Inanspruchnahme der Hauptschuldner erfolgt.
155
b) Im Übrigen haben die Beklagten in den Bürgschaftsverträgen eine „vorrangige Haftungssicherheit“ gewährt. Schon deshalb erscheint eine vorrangige Inanspruchnahme der Beklagten nicht als missbräuchliche Ausnutzung einer formalen Rechtsstellung.
5. Kein Nachweis eines fälligen, geldwerten Hauptschuldanspruchs
156
Den Nachweis eines fälligen, geldwerten Hauptschuldanspruchs müssen die Klägerinnen entgegen der Ansicht der Beklagten im Erstprozess nicht erbringen.
157
Denn die schlüssige Darlegung des materiellen Bürgschaftsfalles ist im Erstprozess über ein Zahlungsverlangen aus einer Bürgschaft auf erstes Anfordern nicht erforderlich (vgl. BGH, Urteil vom 3. April 2003 – IX ZR 287/99, juris Rn. 19; MüKoBGB/Habersack, aaO, § 765 Rn. 106, 110), erst recht müssen die Klägerinnen keinen entsprechenden Beweis erbringen.
158
Der Ansatz der Beklagten, dies folge aus der Regelung in den Bürgschaftsverträgen, wonach die Haftung der Bürgen auf den Ausgleich von Ansprüchen in Geld beschränkt sei, geht fehl. Aus dieser Vereinbarung folgt nicht eine erhöhte Darlegungs- und Beweislast der Klägerinnen zum Hauptschuldverhältnis im Erstprozess. Im Übrigen verlangen die Klägerinnen hier im Hauptschuldverhältnis Schadensersatz in Form von Zahlungen, nämlich für entgangenen Gewinn und für die Kosten für den Austausch mangelhafter Wechselrichter (vgl. Tatbestand des Ersturteils, S. 10), so dass die Klägerinnen von den Beklagten einen Ausgleich von Ansprüchen in Geld begehren. Damit sind die Klägerinnen nicht gemäß Ziff. 10.2. der GU-Verträge ausgeschlossen (vgl. oben Ziff. B. III. 4.)
6. Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015
159
Auch die am 21.01.2015 geschlossene Vergleichsvereinbarung (Übersetzung Anlage B1) steht den streitgegenständlichen Ansprüchen nicht entgegen.
160
Es ist nicht offensichtlich oder liquide beweisbar, dass aufgrund der Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 der Bürgschaftsfall nicht oder in beschränktem Umfang eingetreten ist, so dass den Beklagten der Einwand der unzulässigen Rechtsausübung nicht zusteht.
161
a) Die Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 enthält u. a. eine Obergrenze von 1 Million Euro für den Anspruch aus der Minderleistung der Module und daraus resultierender Produktionsverluste aller PV-Anlagen, sofern nicht der Lieferant die Situation innerhalb von höchstens sechs Monaten nach einer während der Gewährleistungsfrist seitens T. übersandten schriftlichen Mitteilung beseitigt. Die Bedeutung dieser Vereinbarung ist zwischen den Parteien streitig. Die Klägerinnen haben vorgetragen, dass die Obergrenze nur für den Fall gelten sollte, dass der Mangel innerhalb von sechs Monaten nach schriftlicher Mangelbeseitigungsaufforderung behoben worden sei und dies nicht erfolgt sei, während die Beklagten behaupten, die Ansprüche der Klägerinnen sollten in jedem Fall beschränkt sein, jeder Anspruch habe zudem unter der Bedingung gestanden, die Streithelferin werde die behaupteten Mängel nicht binnen sechs Monaten beseitigen. Welche Bedeutung zutreffend ist, drängt sich nicht auf und kann nur durch Beweisaufnahme geklärt werden. Die Klägerin hat den Zeugen P. (Schriftsatz vom 28.02.2018, S. 22, Bl. 251/252) benannt, die Streithelferin für die Beklagten die Zeugen B. und T. sowie als „Partei“ D. S. (Schriftsatz vom 28.02.2018, S. 35, Bl. 302).
162
Eine „liquide“ Beweisbarkeit liegt damit nicht vor. Daran fehlt es auch dann, wenn eine vom Gläubiger zu beweisende Tatsache nicht sofort geklärt werden kann (BGH, Urteil vom 5. März 2002 – XI ZR 113/01, juris Rn. 16). Dies ist hier der Fall. Denn um die Bedeutung der Regelung in der Vergleichsvereinbarung erfassen zu können, müssen die Zeugen nach dem Anlass für den Abschluss der Vergleichsvereinbarung und der damaligen Sach- und Rechtslage aus Sicht der Vertragsparteien befragt werden. Dies stellt sich bereits als aufwändig dar. Hierbei sind angesichts des widersprüchlichen Parteivortrags auch widersprüchliche Zeugenaussagen zu erwarten, was zu einer schwierigen Beweiswürdigung führen dürfte. Verkompliziert wird dies noch dadurch, dass es sich bei der Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 um eine Folgevereinbarung zu den GUVerträgen handelt, die rumänischem Recht unterliegen, so dass die Vergleichsvereinbarung wohl ebenfalls nach rumänischem Recht zu beurteilen ist; abgefasst ist die Vergleichsvereinbarung im Original aber in englischer Sprache. Nicht von allen benannten Zeugen kann der Senat ausreichende deutsche Sprachkenntnisse erwarten, so dass Dolmetscher hinzuzuziehen sind. Dies alles steht einer liquiden Beweisbarkeit entgegen.
163
b) Unabhängig hiervon kommt es auf die Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 im hiesigen Erstprozess aber auch deshalb nicht an, weil die Klägerinnen weitere Schadensersatzansprüche wegen Mängeln vorgetragen haben, die nach ihrer Behauptung neben den Ansprüchen wegen der in der Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 benannten Minderleistung der Module bestehen sollen. Diese weiteren Ansprüche sollen für sich bereits oberhalb der Bürgschaftssummen liegen. Dass dies nicht zutrifft, ist ebenfalls weder offensichtlich noch liquide beweisbar.
164
c) Soweit die Vergleichsvereinbarung vom 21.01.2015 darüber hinaus eine Gesamtpreisreduzierung um 2,5 Millionen Euro enthält, ist für den Senat nicht ersichtlich, weshalb sich dies auf die streitgegenständlichen Bürgschaften auswirken sollte, zumal diese Regelung bereits vor Stellung der Bürgschaften getroffen wurde. Eine Reduzierung der Vergütung ist kein Sicherheitseinbehalt. Eine vertragliche Vereinbarung, wonach die nachgelassenen 2,5 Millionen Euro von den Klägerinnen doch gezahlt werden müssten, um die Gewährleistungsbürgschaften in Anspruch nehmen zu können oder wonach eine Verrechnung stattfindet, haben die Beklagten nicht vorgetragen.
7. Zurückbehaltungsrecht
165
Zu Recht machen die Beklagten allerdings ein Zurückbehaltungsrecht dahingehend geltend, dass die Zahlungen nur Zug, um Zug gegen Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunden zu leisten sind.
166
Das Zurückbehaltungsrecht beruht auf § 273 Abs. 1 BGB. Den Beklagten steht gemäß § 371 Satz 1 BGB ein mit der Erfüllung entstehender und fällig werdender Gegenanspruch auf Rückgabe des Schuldscheins zu (vgl. Staudinger/Bittner/Kolbe, BGB, Stand 25.01.2023, § 273 Rn. 26). Die Originalbürgschaftsurkunde ist ein solcher Schuldschein (OLG München, Urteil vom 19. November 1997 – 27 U 177/97, NJW-RR 1998, 992; Kerwer in: Herberger/Martinek/Rüßmann/WE. h/ Würdinger, jurisPK-BGB, 10. Aufl., § 371 Rn. 3; Grüneberg/Grüneberg, 83. Aufl. 2024, § 371 Rn. 1). Dementsprechend ist nach § 274 Abs. 1 BGB eine Verurteilung Zug um Zug auszusprechen. Hiergegen haben die Klägerinnen keine Einwände erhoben.
8. Anmeldung von Forderungen gegen die … zur Insolvenztabelle
167
Der Klägervertreter hat im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Senat am 12.11.2024 (Bl. 93 OLG-Akte) auf Nachfrage der Beklagtenvertreter erklärt, die streitgegenständlichen Forderungen seien angemeldet zur Insolvenztabelle bezüglich der … Ausweislich des Protokolls (Bl. 91/94 OLG-Akte) ist dies bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung unstreitig geblieben. Eine Schriftsatzfrist haben die Parteivertreter hierzu nicht beantragt, eine solche wurde vom Senat auch nicht gewährt.
168
Soweit die Parteien hierzu nun mit nach Schluss der mündlichen Verhandlung eingegangenen Schriftsätzen (Schriftsatz der Klägerinnen vom 25.11.2024, Bl. 95/96 OLG-Akte; Schriftsatz der Beklagten zu 2 vom 04.12.2014, S. 11, Bl. 132 OLG-Akte; Schriftsatz der Beklagten zu 1 vom 11.12.2024, S. 5/6, Bl. 138/139 OLG-Akte) weiter vortragen und Beweismittel vorlegen, handelt es sich um neue Angriffs- und Verteidigungsmittel, die nach § 296a ZPO ausgeschlossen sind. Ein Anlass zur Wiedereröffnung der Verhandlung nach §§ 296a Satz 2, 156 ZPO besteht nicht, zumal eine entscheidungserhebliche Einwendung der Beklagten mit ihrem Vortrag nicht verbunden ist. Denn wenn die Beklagten meinen, die Insolvenzforderungsanmeldung wäre untauglich zur Hemmung der Hauptschuldverjährung, so verkennen sie, dass es hierauf nicht ankommt (vgl. oben Ziff. B. IV. 2.). Im Übrigen betrifft der Vortrag der Parteien nur die …und nicht die weiteren Hauptschuldner.
V.
Anspruchshöhe
169
Die Höhe der geltend gemachten Hauptforderungen steht als solche nicht im Streit. Die tenorierten Beträge ergeben sich unmittelbar aus den jeweiligen Bürgschaftserklärungen.
VI.
Zinsen
170
Gemäß §§ 280 Abs. 1, Abs. 2, 286, 288 Abs. 1 S. 1 BGB haben die Klägerinnen wegen der schuldhaften Nichtleistung der in den Bürgschaftsverträgen vereinbarten Zahlungen Anspruch auf Zinsen, jedoch nur im tenorierten Umfang.
171
1. Die Beklagte zu 1) befand sich ab dem 23.06.2017, die Beklagte zu 2) ab dem 17.05.2017 in Verzug. Insoweit haben die Beklagten lediglich eingewandt, der Zahlungsverzug könne noch nicht am letzten Tag der gesetzten Zahlungsfrist beginnen. Dies ist zutreffend, maßgeblich für den Eintritt des Verzugs ist der Folgetag.
172
2. Das Zurückbehaltungsrecht der Beklagten ändert nichts daran, dass sich die Beklagten seit diesen Zeitpunkten im Verzug befinden.
173
Die erstmalige Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts der Beklagten gemäß § 273 Abs. 1 BGB aufgrund der zurückzugebenden Originalbürgschaftsurkunden ist mit der Klageerwiderung der Beklagten zu 1) vom 24.10.2017 erfolgt.
174
Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1 BGB schließt den Verzug mit der Erfüllung der Leistungspflicht und damit die Verpflichtung zur Zahlung von Verzugszinsen nur aus, wenn es vor oder bei Eintritt der Verzugsvoraussetzungen ausgeübt wird. Beruft sich der Schuldner erst danach auf sein Zurückbehaltungsrecht, wird der bereits eingetretene Verzug dadurch nicht beseitigt. Der Schuldner muss vielmehr durch geeignet e Handlungen den Verzug beenden, zum Beispiel seine eigene Leistung Zug um Zug gegen Bewirkung der Gegenleistung anbieten (BGH, Urteil vom 26. September 2013 – VII ZR 2/13, juris Rn. 46; OLG Frankfurt, Urteil vom 24. Februar 2023 – 21 U 95/21, juris Rn. 356; MüKoBGB/Krüger, aaO, § 273 Rn. 93; Staudinger/Bittner/Kolbe, aaO, § 273 Rn. 121).
175
Die Beklagten haben den Verzug nicht beendet. Sie haben ihre eigene Leistung nicht angeboten, sondern die Zahlung verweigert. In der hilfsweisen Geltendmachung des Zurückbehaltungsrechts liegt ein Angebot auf Bewirkung der eigenen Leistung nicht, denn die Beklagten sind zur Erbringung der Zahlung nicht bereit.
176
3. Die Zinshöhe beträgt entgegen dem Antrag der Klägerinnen fünf Prozentpunkte über dem Basiszinssatz gemäß § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB und nicht neun Prozentpunkte über dem Basiszinsatz gemäß § 288 Abs. 2 BGB, denn Bürgschaftsforderungen sind keine Entgeltforderungen (OLG Düsseldorf, Urteil vom 6. Dezember 2007 – I-10 U 138/06, juris Rn. 24; MüKoBGB/Ernst, aaO, § 286 Rn. 99; BeckOGK/Dornis, aaO, § 286 Rn. 206.2).
C.
177
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 92 Abs. 2 Nr. 1, 100 Abs. 1 ZPO.
178
Die Klägerinnen haben keine Kosten des Rechtsstreits zu tragen, da ihre Zuvielforderung verhältnismäßig geringfügig war und keine höheren Kosten veranlasst hat. Die unterbliebene Berücksichtigung der Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunden Zug um Zug gegen die begehrten Zahlungen durch die Klägerinnen fällt bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht ins Gewicht und ist daher verhältnismäßig geringfügig im Sinne von § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, zumal die Klägerinnen die Rückgabe der Originalbürgschaftsurkunden nie in Frage gestellt haben (vgl. MüKoZPO/Schulz, 6. Aufl. 2020, § 92 Rn. 19). Auch die Zuvielforderung an Zinsen war verhältnismäßig geringfügig im Vergleich zur Gesamtforderung. Höhere Kosten sind durch beides nicht entstanden.
179
Die Beklagten sind im Verhältnis untereinander nicht Gesamtschuldner, vielmehr sind sie jeweils alleinige Schuldner hinsichtlich der sie betreffenden Bürgschaften. Nach § 100 Abs. 1 ZPO haften sie daher für die Kostenerstattung nach Kopfteilen, bemessen nach dem Umfang ihrer Beteiligung. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
180
Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen gemäß § 543 Abs. 2 ZPO nicht gegeben sind. Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen konnten auf Basis der höchstrichterlichen Rechtsprechung geklärt werden. Eine tragende Abweichung von einem Rechtssatz eines anderen Obergerichts liegt nicht vor.