Inhalt

LArbG München, Urteil v. 17.06.2025 – 3 Ta 81/25
Titel:

Gegenstandswert, Festsetzung, Antragserfordernis

Normenkette:
RVG: § 33 Abs. 1, 2 und 3
Leitsätze:
1. Eine Wertfestsetzung nach § 33 RVG setzt voraus, dass ein Antragsberechtigter nach § 33 Abs. 2 S. 2 RVG einen Antrag auf Wertfestsetzung gestellt hat. 
2. Fehlt es an einem solchen Antrag, ist der Wertfestsetzungsbeschluss des Arbeitsgerichts aufzuheben und die Sache an Arbeitsgericht zurückzuverweisen. Die Beschwerde dessen, der ursprünglich keinen Antrag gem. § 33 Abs. 1 RVG gestellt hatte, ist gem. §§ 133, 157 BGB analog als Antrag nach § 33 RVG auszulegen, über den das Arbeitsgericht nach Anhörung der weiteren an diesem Wertfestsetzungsverfahren Beteiligten noch zu entscheiden hat.   
Schlagworte:
Gegenstandswert, Festsetzung, Antragserfordernis
Vorinstanz:
ArbG Augsburg vom 07.01.2025 – 1 Ca 549/24
Fundstellen:
FDArbR 2025, 019644
BeckRS 2025, 19644

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Klägers vom 19.03.2025 wird der Beschluss des Arbeitsgericht Augsburg vom 07.01.2025 – 1 Ca 549/24 – insoweit aufgehoben, als die Gegenstandswerte auch für die anwaltliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten festgesetzt worden sind, und die Sache zur Entscheidung über die als Antrag nach § 33 RVG auszulegende „Beschwerde“ des Klägers an das Arbeitsgericht zurückverwiesen.
2. Die Gebühr nach Nr. 8614 KV GKG ist nicht zu erheben.

Entscheidungsgründe

I.
1
Nach Beendigung des Verfahrens durch gerichtlichen Vergleich hat das Arbeitsgericht Augsburg in der Güteverhandlung vom 07.01.2025 durch verkündeten Beschluss den Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit auf 8.943,75 € und den überschießenden Vergleichsmehrwert auf 12.017,95 € festgesetzt. Der Vergleichsmehrwert begründe sich u. a. aus dem Einzelwert in Höhe einer Monatsvergütung für das in Ziff. 3 des Vergleichs geregelte Zeugnis. Der Beschluss enthielt keine Rechtsmittelbelehrung.
2
Mit Schriftsatz vom 19.03.2025 legte der Kläger hiergegen Beschwerde ein und machte geltend, dass lediglich die Wirksamkeit der Kündigung streitig gewesen sei, weshalb gem. Ziff. I Nr. 25.1. des Streitwertkatalogs der Arbeitsgerichtsbarkeit kein Vergleichsmehrwert hätte festgesetzt werden dürfen.
3
Nach Anhörung der Beklagten sowie ihres Prozessbevollmächtigten und erneut des Klägervertreters hat das Arbeitsgericht durch Beschluss vom 07.06.2025 der Beschwerde teilweise abgeholfen, in es den Vergleichsmehrwert auf 2.981,25 € festgesetzt hat, und die Beschwerde im Übrigen dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Die Urlaubs- und die Überstundenansprüche seien nicht streitig gewesen. Ein allgemeiner Mehrwert für die Abgeltungsklausel sei nicht festzusetzen gewesen, weil es keine weiteren Streitpunkte zwischen den Parteien gegeben habe. Demgegenüber habe die Zeugnisregelung nicht nur der reinen Abwicklung des Arbeitsverhältnisses gedient. Mit der Festlegung der Beurteilungen für die Leistung und des Verhaltens des Klägers sei ein nachfolgender Zeugnisrechtsstreit vermieden worden. Der Beschluss wurde den Parteivertretern formlos übersandt.
II.
4
Auf die Beschwerde des Klägers war der Gegenstandswertbeschluss des Arbeitsgerichts Augsburg vom 07.01.2025 – 1 Ca 549/24 – insoweit aufzuheben, als die Gegenstandswerte auch für die anwaltliche Tätigkeit seines Prozessbevollmächtigten festgesetzt worden sind. Das Verfahren war gem. § 572 Abs. 3 ZPO zurückzuverweisen, weil die Beschwerdekammer nicht entscheiden kann.
5
1. Die nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthafte Beschwerde des Klägers ist zulässig.
6
a) Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall der vergleichsweisen Beendigung des Verfahrens nach § 33 RVG. Dies hat die seit dem 01.06.2023 für Beschwerden nach § 33 RVG und § 68 GKG zuständige Kammer des LAG München im Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 39 ff. entschieden und unter Hinweis auf den Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG, den Willen des Gesetzgebers und den Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens für die „Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren“ ausführlich begründet; hierauf wird Bezug genommen.
7
b) Der Kläger ist beschwerdebefugt. Der Inhalt des angefochtenen Beschlusses ist für ihn sachlich nachteilig, weil die Gegenstandswerte zur Berechnung der Anwaltsgebühren seines Prozessbevollmächtigten durch das Arbeitsgericht gem. § 33 Abs. 1 RVG festgesetzt worden sind, ohne dass er oder sein Prozessbevollmächtigter den gem. § 33 Abs. 1 RVG für eine solche Festsetzung erforderlichen Antrag gestellt haben. Nach dem Akteninhalt wurde ein solcher Antrag zu keinem Zeitpunkt, auch nicht in der Güteverhandlung vom 07.01.2025, gestellt. Der Kläger muss die Möglichkeit haben, diesen Fehler zu beseitigen (sog. formelle Beschwer, vgl. BGH, Urteil vom 09.10.1990 – VI ZR 89/90 – zu II. 3. der Gründe).
8
c) Die Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig. Die zweiwöchige Beschwerdefrist nach § 33 Abs. 3 S. 3 RVG ist nicht angelaufen, weil es an einer Rechtsmittelbelehrungfehlt (§ 9 Abs. 5 S. 3 ArbGG).
9
2. Die Beschwerde ist auch begründet. Das Arbeitsgericht durfte den Wert der anwaltlichen Tätigkeit des Prozessbevollmächtigten des Klägers gem. § 33 Abs. 1 S. 1 RVG nicht festsetzen. Es fehlt an dem erforderlichen Antrag des Klägers oder seines Prozessbevollmächtigten.
10
a) Nach dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG setzt das Gericht bei Vorliegen der hier sonst nicht streitigen Voraussetzungen den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit „auf Antrag“ fest. Das Wertfestsetzungsverfahren wird nach § 33 Abs. 1 RVG deshalb nur auf Antrag und nicht von Amts wegen eingeleitet (vgl. Gerold/Schmidt/Mayer, 26. Aufl. 2023, RVG § 33 Rn. 9; Ahlmann/Kapischke/Pankatz/Rech/Schneider/Schütz/Rech, 11. Aufl. 2024, RVG § 33 Rn. 26; HK-RVG/Ludwig Kroiß, 8. Aufl. 2021, RVG § 33 Rn. 8; Toussaint/Toussaint, 54. Aufl. 2024, RVG § 33 Rn. 12; HK-ArbGG/Augenschein, 3. Aufl. 2025, ArbGG § 12 Rn. 187; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2022 – 26 Ta (Kost) 6057/22 – Rn. 8 und 12). Hierfür spricht des Weiteren, dass das Verfahren nach § 33 RVG – anders als das Wertfestsetzungsverfahren für die Gerichtsgebühren nach § 63 Abs. Abs. 2 S. 2 GKG – überwiegend nicht im öffentlichen Interesse, sondern im Interesse des bzw. der Beteiligten stattfindet, für den bzw. die die Festsetzung beantragt wird. Antragsberechtigt sind nach § 33 Abs. 2 S. 2 RVG der Rechtsanwalt, der Auftraggeber, ein erstattungspflichtiger Gegner und in den Fällen des § 45 RVG die Staatskasse.
11
b) Im vorliegenden Fall hatte bis zur Verkündung des Wertfestsetzungsbeschlusses in der Güteverhandlung vom 07.01.2025 weder der Kläger noch sein Prozessbevollmächtigter beantragt, den Gegenstandswert nach § 33 RVG festzusetzen.
12
Fehlt es aber an dem erforderlichen Antrag der Partei oder des ihn vertretenden Prozessbevollmächtigten, ist der Wertfestsetzungsbeschluss im Verhältnis zu ihnen unbegründet und aufzuheben (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 15.11.2022 – 26 Ta (Kost) 6057/22 – Rn. 8 und 12 und vom 28.02.2022 – 26 Ta (Kost) 6187/21).
13
3. Bei seiner Entscheidung wird das Arbeitsgericht zu beachten haben, dass die mit Schriftsatz vom 19.03.2025 eingelegte „Beschwerde“ des Klägers nach §§ 133, 157 BGB analog als Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG auszulegen ist. Zu der Frage, wann ein Vergleichsmehrwert anfällt, ist u.a. die Entscheidung der Beschwerdekammer vom 29.02.2024 – 3 Ta 221/23 – Rn. 21 ff. zugrunde zu legen (siehe auch LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 01.08.2024 – 5 Ta 58/24 – Rn. 18). Bislang ist weder vorgetragen noch ersichtlich, dass die Vergleichsregelung zum Zeugnis zwischen den Parteien streitig oder ungewiss war. Entsprechendes hat selbst der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht in seiner Stellungnahme vom 05.05.2025 behauptet, obwohl ihm die Behauptung der zur sachlichen Berechtigung der verlangten Wertfestsetzung erforderlichen Tatsachen nach dem auch für das Verfahren nach § 33 RVG geltenden Beibringungsgrundsatz obliegt (HK-RVG/Ludwig Kroiß, 8. Aufl. 2021, RVG § 33 Rn. 12; LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 72; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.01.2016 – 5 Ta 155/15 – Rn. 39). Die Vereinbarung einer Bedauerns-, Dankes- und Wünscheformel rechtfertigt keine Werterhöhung (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 79). Schließlich ist der Beschluss dem Kläger mit einer Rechtsmittelbelehrungzuzustellen (§ 329 Abs. 2 S. 2 ZPO). Die Zustellung an den Prozessbevollmächtigten der Partei ist insoweit ohne Bedeutung. Er ist an dem Wertfestsetzungsverfahren nicht als Prozessbevollmächtigter der Partei, sondern im eigenen Interesse beteiligt. Denn von der Wertfestsetzung hängt die Höhe der anwaltlichen Gebühren ab, die er gegen die Partei beanspruchen kann (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 08.03.2017 – 17 Ta (Kost) 6006/17 –; Gerold/Schmidt/Mayer, a.a.O., § 33 Rn. 13).
III.
14
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil den Beteiligten Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 S. 2 RVG. Gerichtsgebühren sind wegen Stattgabe der Beschwerde nach Nr. 8614 KV GKG nicht zu erheben.
IV.
15
Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 S. 3 RVG.