Inhalt

LArbG München, Beschluss v. 16.07.2025 – 3 Ta 74/25
Titel:

Hilfsweise ordentliche Kündigung, Kündigungsschutzantrag, Prozeßbevollmächtigter, Allgemeiner Feststellungsantrag, wiederkehrende Leistungen, Änderungskündigungsschutzklage, Gegenstandswert, Inhalt des Arbeitsverhältnisses, Beendigung des Arbeitsverhältnisses, Vergleichsmehrwert, Anwaltliche Einigungsgebühr, Eigenkündigung, Streitwertkatalog, Außerordentliche Kündigung, Wertfestsetzungsverfahren, Verfahren der Wertfestsetzung, Außerordentliche fristlose Kündigung, Vorsorgliche ordentliche Kündigung, Nicht rechtshängige Ansprüche, Streitwertfestsetzung

Normenketten:
GKG: § 42 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1, § 45 Abs. 1 S. 3
RVG: § 33 Abs. 1 und Abs. 3
BGB: § 140
Leitsätze:
1. Erhebt eine Klagepartei nach Widerruf vereinbarter Gehaltserhöhung Antrag auf Feststellung, dass die ursprüngliche Vereinbarung fortbestehe, ist der Wert des Feststellungsantrags entsprechend den für den Streitwert bei Änderungskündigungen entwickelten Grundsätzen festzusetzen. Es liegt kein Fall wiederkehrender Leistungen nach § 42 Abs. 1 S. 1 GKG vor.
2. Werden in einem arbeitsgerichtlichen Verfahren eine außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung angegriffen, ist als (Gegenstands-) Wert höchstens die Vergütung für ein Vierteljahr festzusetzen, unabhängig davon, ob ein oder zwei Kündigungsschutzanträge gestellt werden.
Schlagworte:
Arbeitsrecht, Kündigungsschutz, Streitwertfestsetzung, Vergleichsmehrwert, Änderungskündigung, Freistellungsregelung, Zeugnisanspruch
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 07.04.2025 – 38 Ca 14513/24
Weiterführende Hinweise:
Rechtsmittel: unanfechtbar
Fundstellen:
FDArbR 2025, 019641
BeckRS 2025, 19641

Tenor

Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 07.04.2025 – 38 Ca 14513/24 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Gegenstandswert für das Verfahren auf 24.000,00 € und für den Vergleich auf 28.000,00 € unter Berücksichtigung eines Vergleichsmehrwerts von 4.000,00 € herabgesetzt wird.
Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben die Gebühr Nr. 8614 der Anlage 1 zum Gerichtskostengesetz zu tragen.

Gründe

I.
1
Der Kläger war bei der Beklagten aufgrund des Arbeitsvertrags vom XX.XX.0000 seit dem XX.XX.0000 zu einem Gehalt von 3.000,00 € beschäftigt. Durch Änderung zum Arbeitsvertrag vereinbarten die Parteien, dass sich das Gehalt ab 01.07.2023 auf 3.500,00 € und ab 01.07.2024 auf 4.000,00 € erhöhe. In Zusammenhang mit einer Erkrankung und fortbestehenden körperlichen Einschränkungen des Klägers, die seine Beschäftigung in der bisherigen Tätigkeit unmöglich machten, widerrief die Beklagte die Gehaltserhöhung zum 01.07.2024 mit Schreiben vom 31.07.2024.
2
Hiergegen wandte sich der Kläger im Klagewege mit der Feststellung, dass die Änderung zum Arbeitsvertrag vom 15. November 2022 unverändert fortbestehe, und machte geltend, dass in der Änderung zum Arbeitsvertrag keine Bedingung vereinbart worden und ein Widerruf eines Zusatzes zum Arbeitsvertrag nicht möglich sei (Antrag zu I.). Des Weiteren begehrte er Zahlung der monatlichen Differenz von 500,00 € ab August 2024 bis November 2024 (Anträge zu II. bis V.).
3
Mit Schreiben vom 29.01.2025 kündigte der Kläger das Arbeitsverhältnis ordentlich zum 30.04.2025. Ebenfalls am 29.01.2025 sprach die Beklagte eine außerordentliche fristlose, hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.04.2025 mit Schreiben vom 28.01.2025 aus. Daraufhin erweiterte der Kläger seine Klage am 03.02.2025 um einen Kündigungsantrag gegen die außerordentliche fristlose Kündigung zu VIII., einen Kündigungsantrag gegen die hilfsweise ordentliche fristlose Kündigung zu IX., einen allgemeinen Feststellungsantrag zu X., einen Weiterbeschäftigungsantrag zu XI. mit der Passage „Sofern die beklagte Partei nicht spätestens im Gütetermin erklärt, dass sie den Kläger nach Ablauf der Kündigungsfrist bis zum rechtskräftigen Ende des Rechtsstreits tatsächlich weiterbeschäftigt, werden wir … beantragen,“ und einen Entschädigungsantrag zu XII. für den Fall der Nichtbeschäftigung nach Verurteilung sowie um Vergütungsansprüche im Umfang von 500,00 € für die Monate Dezember 2024 und Januar 2025.
4
Das Verfahren endete durch Feststellung eines gerichtlichen Vergleichs nach § 278 Abs. 6 ZPO mit Beschluss vom 10.03.2025, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund ordentlicher Eigenkündigung des Klägers mit Ablauf des 30.04.2025 enden sollte. Gem. Ziff. 2 sollte die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung gegenstandslos sein. Nach Ziff. 3 sollte der Kläger bei Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit unter Einbringung von Urlaub und etwaige Überstunden freigestellt werden. In Ziff. 6 verpflichtete sich die Beklagte zur Erteilung eines wohlwollenden qualifizierten Zeugnisses mit bestimmten Inhalten. Hinsichtlich des Gehalts vereinbarten die Parteien ab 01.01.2025 die Zahlung von 4.000,00 €.
5
Auf Antrag der Prozessbevollmächtigten des Klägers und nach Anhörung der Beteiligten setzte das Arbeitsgericht München durch Beschluss vom 07.04.2025 den Gegenstandswert für das Verfahren auf 30.000,00 € und für den Vergleich auf 34.000,00 € fest. Für den Feststellungsantrag zu 1) legte es den 36-fachen monatlichen Unterschiedsbetrag von 500,00 € zugrunde; die Zahlungsanträge wurden nicht hinzugerechnet. Die beiden Kündigungsschutzanträge bewertete es einheitlich mit dem dreifachen Bruttomonatsverdienst von 4.000,00 €. Die Freistellungsregelung sollte sich nicht werterhöhend auswirken, weil im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses noch nicht festgestanden habe, ob und wie lange sie zum Tragen komme. Mangels Bezifferung käme ein Mehrwert für die Höhe möglicher Urlaubsabgeltungsansprüche nicht in Betracht.
6
Gegen diesen, ihnen am 07.04.2025 zugestellten Beschluss haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers am Dienstag, den 22.04.2025 (= Dienstag nach Ostermontag) Beschwerde eingelegt, mit der eine Wertfestsetzung für den Kündigungsschutzantrag gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung sowie der Freistellungsregelung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche begehrt wurde. Der Kläger habe sich gegen beide Kündigungen zur Wehr gesetzt. Auch wirkten die Kündigungen zu verschiedenen Zeitpunkten, weshalb der Kläger mit den Anträgen verschiedene Interessen verfolgt habe. Jedenfalls wäre ein Mehrwert für den Vergleich hinsichtlich der hilfsweisen ordentlichen Kündigung anzusetzen, weil durch den Vergleich eine Einigung über alle streitigen Kündigungen getroffen worden sei. Der Kläger habe durch die Regelungen in Ziff. 1, 2. und 6. des geschlossenen Vergleichs den Umstand, dass er selbst das Arbeitsverhältnis gekündigt habe, verfolgt. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers hätten ihre Leistung erbracht. Es sei nicht nachvollziehbar, warum die Freistellung unter Anrechnung der Urlaubsansprüche nicht streitig gewesen und deshalb nicht zu bewerten sein sollte. Wenn beide Kündigungen nach dem Vergleich nicht existent seien, habe keine Möglichkeit zur Freistellung bestanden.
7
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht zur Entscheidung vorgelegt. Für die Bewertung der Kündigungsschutzanträge mache es keinen Unterschied, ob die Formulierung des Kündigungsschutzes in zwei Anträgen erfolge.
8
Die Vorsitzende der Beschwerdekammer hat die Prozessbevollmächtigten des Klägers darauf hingewiesen, dass beabsichtigt sei, den Wert des Feststellungsantrags zu 1) auf 12.000,00 € zu reduzieren, weil der der mit Schreiben der Beklagten vom 15.10.2024 ausgesprochene Widerruf wie eine Änderungskündigung (Ziff. I. Nr. 4.2 Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit 01.02.2024) auf eine Änderung des Arbeitsvertrags ziele und damit maximal in Höhe der Vergütung für ein Vierteljahr zu bewerten sei. Im Übrigen hat sie auf die Rechtsprechung der Beschwerdekammer verwiesen. Es sei auch weder dargelegt noch ersichtlich, dass die Freistellungsregelung zwischen den Parteien streitig gewesen sei.
9
Im Rahmen ihrer Stellungnahme haben Prozessbevollmächtigten des Klägers geltend gemacht, dass die beabsichtigte Bewertung des Feststellungsantrags zu I. der gesetzlichen Intention und Normierung in § 42 Abs. 1 GKG („wiederkehrende Leistung“) und in § 42 Abs. 2 GKG (Kündigung, Bestehen oder Nichtbestehen eines Arbeitsverhältnisses) zuwiderlaufen würde. Bei § 42 Abs. 2 GKG fehle schon die Vergleichbarkeit des Sachverhaltes. Der Kündigungsschutzantrag gegen die vorsorgliche ordentliche Kündigung zu IX. sei gesondert mit einem Vierteljahreseinkommen zu bewerten. Bei mehreren Kündigungen zu verschiedenen Beendigungszeitpunkten erreiche der Arbeitnehmer immer wirtschaftlich mehr, wenn die frühere Kündigung unwirksam und/ oder eine Einigung über sie getroffen worden sei. Dies ergebe sich schon im Hinblick auf die (weiter) zuzahlende Vergütung im (länger laufenden) Arbeitsverhältnis, aber auch im Hinblick auf die Sozialleistungen bspw. ALG I, weil diese erst zu einem späteren Zeitpunkt in Anspruch genommen werden müssten. Der soziale Schutzzweck sei durch die Wertkappungen von § 42 GKG bereits berücksichtigt. Jedenfalls als Mehrwert des Vergleichs sei der Kündigungsschutzantrag gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung anzusetzen. Nach dem Vergleich hätten sich die Parteien darauf geeinigt, dass die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung gegenstandslos sei. Zwischen beiden Kündigungen lägen mehr als drei Monate. Der Kläger habe aber auch ein ausdrückliches Interesse daran, dass seine Kündigung das Arbeitsverhältnis beendet habe. Soweit auf die Konzeption einer sog. Mischkalkulation bei der Wertfestsetzung hingewiesen werde, lasse sich diese Überlegung schwer auf das Arbeitsrecht und insbesondere auf Arbeitnehmerkanzleien übertragen, die lediglich die gesetzlichen Gebühren berechneten.
10
Im Übrigen wird für das weitere Vorbringen der Beschwerdeführer auf den Inhalt der Beschwerdeakte Bezug genommen.
II.
11
Die Beschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
12
1. Die Beschwerde ist nach § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft.
13
Die Gegenstandswertfestsetzung im Urteilsverfahren richtet sich im Fall des Vergleichsabschlusses nach § 33 RVG. Dies folgt aus dem Wortlaut des § 33 Abs. 1 RVG, dem Willen des Gesetzgebers und dem Sinn und Zweck des in § 33 RVG geregelten Verfahrens der „Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren“ (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 39 ff.).
14
2. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden, § 33 Abs. 3 S. 3 RVG i. V. m. §§ 222 Abs. 2, 569 ZPO. Da der Ablauf der zweiwöchigen Beschwerdefrist aufgrund der Zustellung am 07.04.2025 auf Ostermontag (21.04.2025) fiel, endete die Frist erst mit Ablauf des nächsten Werktags, hier der 22.04.2025. An diesem Tag ist die Beschwerde beim Arbeitsgericht eingegangen. Der Beschwerdewert von 200,00 € ist aufgrund der begehrten um mehrere Tausend EURO höheren Gegenstandswertfestsetzung erreicht, § 33 Abs. 3 S. 1 RVG.
15
3. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Gegenstandswert für das Verfahren war auf 24.000,00 € und für den Vergleich auf 28.000,00 € unter Berücksichtigung eines Mehrwerts von 4.000,00 € herabzusetzen.
16
a) Die seit dem 01.06.2023 für Gegenstands- und Streitwertbeschwerden zuständige Kammer gibt die von ihr bisher vertretene Auffassung ausdrücklich auf, dass die Entscheidung des Erstgerichts vom Beschwerdegericht nur auf Ermessensfehler zu überprüfen ist und das Beschwerdegericht keine eigene hiervon unabhängige Ermessensentscheidung zu treffen hat (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 50 f.).
17
b) Die Beschwerdekammer folgt im Interesse der bundesweiten Vereinheitlichung der Rechtsprechung zur Wertfestsetzung und damit verbunden im Interesse der Rechtssicherheit und -klarheit bei bestimmten typischen Fallkonstellationen den Vorschlägen der auf Ebene der Landesarbeitsgerichte eingerichteten Streitwertkommission, die im jeweils aktuellen Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte niedergelegt sind, derzeit in der Fassung vom 01.02.2024 (im Folgenden: Streitwertkatalog 2024, abgedruckt in NZA 2024, 307 ff.; ebenso LAG Nürnberg, Beschluss vom 30.07.2014 – 4 Ta 83/14 – Rn. 18 und Beschluss vom 29.07.2021 – 2 Ta 72/21 – Rn. 9; LAG Hessen, Beschluss vom 04.12.2015 – 1 Ta 280/15 – Rn. 7 m.w.Nachw.; LAG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 09.02.2016 – 5 Ta 264/15 – Rn. 4; LAG Hamburg, Beschluss vom 20.5.2016 – 5 Ta 7/16 – Rn. 10; LAG Sachsen, Beschluss vom 28.10.2013 – 4 Ta 172/13 (2) unter II. 1 der Gründe¸ LAG Hamm Beschluss vom 26.10.2022 – 8 Ta 198/22 – Rn. 11; LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23 – Rn. 52 f.) . Dabei wird nicht verkannt, dass der Streitwertkatalog für die Arbeitsgerichte nicht bindend ist.
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c) Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist für das Verfahren auf 24.000,00 € festzusetzen.
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aa) Der Wert des Antrags zu I., festzustellen, dass die Änderung zum Arbeitsvertrag vom 15. November 2022 unverändert fortbestehe, ist mit maximal drei Bruttogehältern des Klägers, d.h. mit 12.000,00 € zu bewerten.
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Es liegt eine vermögensrechtliche Streitigkeit gemäß § 48 Abs. 1 GKG vor, deren Wert gem. § 3 ZPO nach freiem Ermessen festzusetzen ist. Für das Interesse des Klägers ist zu berücksichtigen, dass der Beibehaltung der bisherigen Arbeitsbedingungen – hier der vereinbarte Gehaltsanstieg durch die Änderung zum Arbeitsvertrag vom 15.11.2022 – kein höherer Wert zukommen kann, als der Beendigung der bisherigen Arbeitsbedingungen. Dieser Wert ist durch § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG auf den Wert des für die Dauer eines Vierteljahres zu leistenden Arbeitsentgelts beschränkt. Wäre aufgrund einer Änderungskündigung die Änderung des Vertragsinhalts durch den Arbeitgeber Streitgegenstand gewesen, so hätte sich nach überwiegender Ansicht unabhängig von dem Maß, mit dem die Änderungskündigung in die bisherigen Vertragsbedingungen eingreift, eine Höchstbegrenzung aus § 42 Abs. 2 S. 1 GKG schon deshalb ergeben, weil dieser Wert den maximalen Streitwert für das Interesse am Fortbestand eines unveränderten Arbeitsverhältnisses begrenzt (BAG, Beschluss vom 23.08.1989 – 7 AZR 527/85 (B) – Rn. 20 ff. (juris); Ziffer I. Nr. 4.1 des Streitwertkatalogs 2024). Der Streit über die Beibehaltung des Vertragsinhalts als Folge eines Widerrufs einer Vertragsbedingung ist nach der Interessenlage einer Änderungskündigungsschutzklage vergleichbar. In beiden Fällen begehrt der klagende Arbeitnehmer die bisherigen Vertragsbedingungen beibehalten, während der Arbeitgeber deren Änderung anstrebt. Auch in anderen Fällen, in denen es um den Vertragsinhalt eines Arbeitsverhältnisses geht, wird § 42 Abs. 2 S. 1 GKG eine Streitwertgrenze entnommen. So beläuft sich zwar bei einer Klage des Arbeitnehmers auf Teilzeitbeschäftigung nach § 8 TzBfG der Streitwert nach § 42 Abs. 1 S. 1 GKG auf das 36fache der Vergütungsdifferenz. Der Streitwert ist jedoch begrenzt auf das Vierteljahreseinkommen nach § 42 Abs. 2 Satz 1 GKG (vgl. GK-ArbGG/Schleusener, Januar 2024, § 12 ArbGG Rn. 337 m.w.Nachw.). Entsprechendes gilt für die auf eine Erhöhung der Arbeitszeit gerichteten Klage nach § 9 TzBfG und für ein Teilzeitverlangen in der Elternzeit nach § 15 Abs. 5 BEEG (vgl. GK-ArbGG/Schleusener, a. a.O. m.w.Nachw.). Hiermit übereinstimmend empfiehlt Ziffer I. Nr. 4 des Streitwertkatalogs, auch den sonstigen Streit über den Inhalt des Arbeitsverhältnisses je nach dem Grad der Vertragsänderung mit einer Monatsvergütung bis zu einem Vierteljahresentgelt zu bewerten.
21
Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführer liegt mit dem Feststellungsantrag zu I. kein Fall des § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG vor. Nach dieser Vorschrift ist bei Ansprüchen von Arbeitnehmern auf wiederkehrende Leistungen der dreifache Jahresbetrag der wiederkehrenden Leistungen maßgebend, wenn nicht der Gesamtbetrag der geforderten Leistungen geringer ist. Mit dem Antrag zu I. begehrt der Kläger jedoch ausweislich des Antragswortlauts nicht unbegrenzte Zahlung des monatlichen Differenzbetrags zwischen dem gezahlten Gehalt zum vereinbarten Gehalt bzw. das vereinbarte Gehalt als Ganzes (vgl. etwa zur Antragsstellung bei Betriebsrenten nach Kürzung LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 11.05.2016 – 4 Sa 346/15 – und BAG, Beschluss vom 08.03.2017 – 3 AZN 886/16 –). Denn er hat nicht auf Zahlung oder Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zur Zahlung von weiteren 500,00 € brutto monatlich bzw. von 4.000,00 € brutto monatlich über den 01.08.2025 hinaus geklagt, sondern, dass die vereinbarte Änderung zum Arbeitsvertrag fortbestehe. Zur Klagebegründung führt der Kläger denn auch folgerichtig an, dass eine Bedingung in der Änderung zum Arbeitsvertrag vom 15.11.2022 nicht vereinbart gewesen und der Widerruf eines Zusatzes des Arbeitsvertrages nicht möglich sei. Wie bei einer Änderungskündigung stellt er damit unmittelbar die Wirksamkeit der Änderung der Arbeitsbedingungen durch die Arbeitgeberin zur gerichtlichen Entscheidung.
22
Entsprechend der Empfehlung der Wertberechnung für die Änderungskündigung nach Ziff.
I.
23
Nr. 4.1 Streitwertkatalog 2024 bemisst sich der Wert des Feststellungsantrags mit 12.000,00 €, das die 3-fache Jahresdifferenz der angegriffenen Vertragsänderung 18.000,00 € ausmacht und höchstens die Vergütung für ein Vierteljahr, hier 12.000,00 € betragen darf.
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bb) Der Kündigungsschutzantrag zu IX. gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung vom 28.01.2025 war neben dem Kündigungsschutzantrag zu VIII. gegen die außerordentliche fristlose Kündigung vom 28.01.2025 nicht mit weiteren drei Bruttomonatsgehältern zu bewerten.
25
Nach Ziff. I Nr. 20 i. V. m. Nr. 21.1 Streitwertkatalog 2024 wird eine außerordentliche Kündigung, die hilfsweise als ordentliche erklärt wird (einschließlich ihrer Umdeutung nach § 140 BGB), höchstens mit der Vergütung für ein Vierteljahr bewertet, unabhängig davon, ob sie in einem oder mehreren Schreiben erklärt werden.
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An dieser Empfehlung hält die Beschwerdekammer fest (vgl. schon LAG München, Beschluss vom – 3 Ta 170/23 – Rn. 23). Eine Zusammenrechnung der Werte von Kündigungsschutzanträgen gegen eine außerordentliche fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung kommt regelmäßig nicht in Betracht. Zwar handelt es sich bei den beiden Kündigungen um zwei rechtlich voneinander unterscheidbare Willenserklärungen, deren Wirksamkeit unterschiedlich zu beurteilen sein kann. Mit einer außerordentlichen, vorsorglich ordentlichen Kündigung will der Erklärende jedoch regelmäßig sicherstellen, dass das Arbeitsverhältnis auf Grund des gleichen Lebenssachverhaltes jedenfalls mit dem Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist sein Ende findet. Diese Fallgestaltung unterscheidet sich hinsichtlich der Streitwertfestsetzung nicht von dem Fall, in dem der Arbeitgeber lediglich eine außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses erklärt, sich jedoch im Prozess gem. § 140 BGB auf eine Umdeutung dieser Kündigung in eine ordentliche Kündigung beruft. Für sie ist nur einmal der in § 42 Abs. 2 S.1 GKG genannte Wert anzusetzen (LAG Berlin, Beschluss vom 25.04.2003 – 17 Ta (Kost) 6023/03 – Rn. 8; LAG Hamm, Beschluss vom 27.07.2007 – 6 Ta 357/07 – unter Ziff. 2.1.1 der Gründe m.w.Nachw. und Beschluss vom 15.08.2022 – 8 Ta 74/22 – Rn. 8; LAG Düsseldorf, Beschluss vom 07.05.2018 – 4 Ta 124/18 – Rn. 4). Zudem ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetz nicht entnommen werden kann, in dem praktisch sehr häufigen Fall einer außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigung sei nicht der Streitwert von höchstens einem Vierteljahresentgelt, sondern – bei entsprechender Kündigungsfrist – in der Regel der doppelte Wert anzusetzen (zutreffend LAG Düsseldorf, Beschluss vom 07.05.2018 – 4 Ta 124/18 – Rn. 4).
27
Durch die getrennte Antragstellung in Bezug auf die außerordentliche Kündigung und die hilfsweise ordentliche Kündigung ergibt sich kein höherer Wert. Der vom Gesetz verfolgte Schutzzweck des § 42 Abs. 2 GKG, dem Arbeitnehmer insbesondere beim Streit über den (Fort-)Bestand seines Arbeitsverhältnisses den Weg zu den Gerichten für Arbeitssachen zu ebnen und nicht durch Kostenbarrieren zu versperren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 01.12. 2010 – 1 BvR 1682/07 – Rn. 23) kann nicht davon abhängen, ob der Kündigungsschutz gegen eine außerordentliche fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung in einem oder in zwei getrennten Anträgen geltend gemacht wird. Die Zusammenrechnung der Einzelwerte von Kündigungsschutzanträgen gegen eine außerordentliche und eine hilfsweise ordentliche Kündigung kommt gem. § 42 Abs. 2 S. 1 GKG zudem dann nicht in Betracht, wenn eine Umdeutung der außerordentlichen Kündigung nach § 140 BGB zu einem der hilfsweisen ordentlichen Kündigung entsprechenden Kündigungstermin führen würde (vgl. LAG Hamm, Beschluss vom 15.08.2022 – 8 Ta 74/22 – Rn. 8).
28
In der hier vorliegenden Konstellation der Eigenkündigung zum Termin der ordentlichen Kündigung ist zudem zu berücksichtigen, dass ein Fortbestand des Arbeitsverhältnisses über den 30.04.2025 nicht im Streit war (vgl. Ziff. I. Nr. 20 Streitwertkatalog Arbeitsgerichtsbarkeit 2024). Der Kläger hatte mit Schreiben vom 29.01.2025 eine Eigenkündigung zum 30.04.2025 erklärt. Er konnte wegen dieser Eigenkündigung mit der am 03.02.2025 erhobenen Klageerweiterung u. a. um den Kündigungsschutzantrag gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung zum 30.04.2025 wirtschaftlich nicht mehr erreichen, als ihm bei Stattgabe des Kündigungsschutzantrags gegen die außerordentliche Kündigung zufiel, nämlich den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses bis zum 30.04.2025. Es kann auch dahinstehen, ob ein ideelles Interesse des Klägers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aufgrund der Eigenkündigung anstelle der Arbeitgeberkündigung bestanden hat. Die Prozessbevollmächtigten haben nicht dargelegt, warum dieses mit drei Bruttomonatsvergütungen zu bemessen sei.
29
cc) Die Zahlungsanträge zu II. bis VII., mit denen die monatliche Gehaltsdifferenz für die Monate August 2025 bis Dezember 2025 eingeklagt worden ist, sind nicht gesondert zu bewerten.
30
Ziff. I. Nr. 6 Streitwertkatalog 2024 empfiehlt, dass dann, wenn in einer Bestandsstreitigkeit im Wege der Klagehäufung Annahmeverzugsvergütung geltend gemacht wird, bei der die Vergütung vom streitigen Fortbestand des Arbeitsverhältnisses abhängt, nach dem Beendigungszeitpunkt eine wirtschaftliche Identität zwischen Bestandsstreit und Annahmeverzug anzunehmen sei. Dies hat zur Folge, dass entsprechend dem Grundgedanken des § 45 Abs. 1 S. 3 GKG keine Wertaddition stattfindet, sondern der höhere Wert maßgeblich ist. Dieser Empfehlung folgt die Beschwerdekammer (vgl. LAG München, Beschluss vom 31.07.2023 – 3 Ta 121/23 – Rn. 21). Sie ist auch auf den vorliegenden Fall anwendbar. Der Fortbestand des Arbeitsverhältnisses zu den Bedingungen der Änderungsvereinbarung stellet die einzige zwischen den Parteien streitige Voraussetzung dar, von deren Vorliegen die Zahlungsansprüche abhingen. Das Zahlungsbegehren war nicht mehr als der wirtschaftliche Annex des Feststellungsantrags und begründet als solcher kein selbstständiges Interesse, das eine gesonderte Berücksichtigung im Rahmen der Streitwertfestsetzung rechtfertigen könnte.
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dd) Da ein Wertansatz für die weiteren Anträge auch nach Auffassung der Beschwerdeführer nicht in Betracht kommt, ist der Wert für das Verfahren auf insgesamt 24.000,00 € festzusetzen (Feststellungsantrag zu I.: 12.000,00 €; Kündigungsschutzanträge zu VII. und VIII.: 12.000,00 €).
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d) Der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit ist für den Vergleich auf 28.000,00 € festzusetzen. Ein Vergleichsmehrwert ist lediglich für die Zeugnisregelung in Höhe von 4.000,00 € gegeben.
33
aa) Die anwaltliche Einigungsgebühr entsteht nach Nr. 1000 Abs. 1 der Anlage 1 zum RVG i. V. m. § 2 Abs. 2 RVG für die Mitwirkung beim Abschluss eines Vertrags, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis beseitigt wird, es sei denn, der Vertrag beschränkt sich ausschließlich auf ein Anerkenntnis oder einen Verzicht. In den Wert eines Vergleichs sind daher die Werte aller rechtshängigen oder nicht rechtshängigen Ansprüche einzubeziehen, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die durch den Vergleich geregelt wurden (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2024 – 26 Ta (Kost) 6095/23 – Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. 06. 2008 – 24 W 17/08 – unter II. 2 der Gründe; Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Hellstab/Klipstein/Klüsener/Kerber, RVG, 8. Aufll. 2018, Nr. 1000 VV RVG Rn. 109).
34
Der Regelung in Nr. 1000 VV RVG (Anlage 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) tragen die Empfehlungen für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts in Ziffer I Nr. 25.1 des Streitwertkatalogs 2024 Rechnung, wonach ein Vergleichsmehrwert anfällt, wenn durch den Vergleichsabschluss ein weiterer Rechtsstreit und/oder außergerichtlicher Streit erledigt und/oder die Ungewissheit über ein Rechtsverhältnis beseitigt werden. Dabei muss gerade über die Frage eines Anspruchs oder Rechts in Bezug auf die jeweilige Regelung zwischen den Parteien Streit und/oder Ungewissheit bestanden haben; keine Werterhöhung tritt ein, wenn es sich lediglich um eine Gegenleistung zur Beilegung des Rechtsstreits handelt. Abzustellen ist auf die Umstände zum Zeitpunkt des Vergleichsabschlusses (vgl. LAG München, Beschluss vom 25.01.2025 – 3 Ta 181/24 – Rn. 56 m.w.Nachw.).
35
Die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts ist danach nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn die Parteien während ihrer Vergleichsverhandlungen über die gerichtlich anhängigen Gegenstände weitere Ansprüche ansprechen und auch sie eine Regelung in dem Vergleich erfahren. Zwar wird eine Einigung der Parteien häufig nur zu erreichen sein, wenn derartige Vereinbarungen getroffen werden; denn die Parteien sind nicht selten nur dann zum Abschluss eines Vergleichs bereit, wenn weitere Fragen geregelt werden und ein diesbezüglicher zukünftiger Streit vermieden wird. Die Tätigkeit des Rechtsanwalts, die zum Abschluss eines Vergleichs führt, ist jedoch mit der Einigungsgebühr als solcher abgegolten. Für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwerts und die damit verbundene Gebührenerhöhung – es entstehen eine 0,8 Verfahrensgebühr (Nr. 3101 RVG VV) und eine 1,5 Einigungsgebühr nach diesem Wert (Nr. 1000 RVG VV) sowie eine 1,2 Termingebühr nach der Summe der verglichenen rechtshängigen und nichtrechtshängigen Gegenstände (Nr. 3104 RVG VV) – muss darüber hinaus festgestellt werden, dass die geregelten Gegenstände vor Abschluss des Vergleichs streitig oder ungewiss waren. Hierzu genügen weder die Vergleichsverhandlungen als solche noch Regelungen, durch die Leistungspflichten erstmals begründet oder beseitigt werden, die Rechtsverhältnisse lediglich klarstellen oder auf sonstige Weise ausschließlich einen künftigen Streit der Parteien vermeiden. Auch genügt es für die Festsetzung eines Vergleichsmehrwertes nicht, dass eine der Parteien in den Vergleichsverhandlungen Forderungen aufstellt, um einen Vergleich zu erreichen; für einen Vergleichsmehrwert muss vielmehr der potentielle Streitgegenstand eines künftigen Verfahrens eine Regelung erfahren (vgl. LAG Berlin-Brandenburg 8. März 2017 – 17 Ta (Kost) 6013/17 – Rn 2 f.; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2024 – 26 Ta (Kost) 6095/23 – Rn. 17 f.).
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bb) Nach Maßgabe dieser Grundsätze liegen die Voraussetzungen für den Ansatz eines Vergleichsmehrwerts nur für die Zeugnisregelung in Höhe von 4.000,00 € vor.
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(1) Die Regelungen in Ziffern 1 und 2 des Vergleichs begründen keinen Vergleichsmehrwert des zu IX. gestellten Kündigungsschutzantrag gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung. Hiergegen spricht schon, dass über die hilfsweise ordentliche Kündigung der Kündigungsschutzantrag zu IX. anhängig ist, so dass es an einem Mehrvergleich fehlt und lediglich eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 1,0 entstehen kann (vgl. Ziffer I Nr. 25.1 Streitwertkatalog 2024 und statt vieler Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, 26. Aufl. 2023, RVG VV 1003 Rn. 74 im Anschluss an OLG Zweibrücken, Beschluss vom 10.10.2006 – 4 W 96/06 –).
38
Darüber hinaus folgt aus der „Einigung über alle streitigen Kündigungen“ nicht, dass der zu IX. gestellte Kündigungsschutzantrag gegen die hilfsweise ordentliche Kündigung für den Gegenstandswert des Vergleichs zu berücksichtigen wäre. Da ihm in Verbindung mit dem Kündigungsschutzantrag zu VIII. gegen die außerordentliche fristlose Kündigung, aber auch im Hinblick auf die zum 30.04.2025 ausgesprochene Eigenkündigung kein gesonderter Wert zuzumessen ist, kann auch die Einigung über die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung in Ziff. 2 des Vergleichs insoweit keinen Mehrwert für den Vergleich begründen. Dabei zeigt gerade die von den Parteien gewählte Formulierung in Ziff. 2 des Vergleichs („Die außerordentliche, hilfsweise ordentliche Kündigung der Beklagten vom 28.01.2025 ist gegenstandslos. Die Beklagte hält die im Zusammenhang mit der Kündigung erhobenen Vorwürfe nicht aufrecht.“), dass die Parteien von einer Kündigungserklärung ausgegangen sind; die mit dem Wertansatz für die außerordentliche Kündigung angemessen bewertet ist.
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(2) Das Arbeitsgericht hat zu Recht einen Vergleichsmehrwert für die Freistellungsregelung in Ziff. 3 des Vergleichs, sofern der Kläger vor dem 30.04.2024 wieder arbeitsfähig werden sollte, abgelehnt.
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Die Prozessbevollmächtigten des Klägers haben weder im Festsetzungs- noch im Beschwerdeverfahren dargelegt, dass ein Streit oder eine Ungewissheit über die etwaige Freistellung des Klägers bestanden hätte. Sie haben hierzu die Auffassung vertreten, dass mangels existenter Kündigungen keine Möglichkeit einer Freistellung bestanden hätte, und im Beschwerdeverfahren ergänzt, dass die Parteien hierüber eine Entscheidung getroffen hätten. Damit ist aber nicht die Behauptung verbunden, die Beklagte habe sich eines Rechts auf Freistellung berühmt bzw. der Kläger sei dem entgegengetreten. Hiervon ist vor dem Hintergrund der beiderseitigen Kündigungen und der im Zeitpunkt des Vergleichsschlusses bestehenden Arbeitsunfähigkeit des Klägers auch nicht auszugehen.
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Entgegen der Auffassung Prozessbevollmächtigten des Klägers begründet sich eine Wertfestsetzung nicht aufgrund der – im Übrigen nicht näher dargelegten – anwaltlichen Tätigkeit im Zusammenhang mit der Freistellungsregelung. Es kommt für die Wertfestsetzung nicht auf den Umfang der anwaltlichen Tätigkeit an (vgl. BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19 – Rn. 14). Die Anknüpfung der Gerichts- und Anwaltsgebühren an den Gebührenstreitwert (§ 13 RVG) dient dem Ziel, die Gebühren von der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Prozessparteien abhängig zu machen (vgl. BAG, Beschluss vom 22.09.2015 – 3 AZR 391/13 (A) – Rn. 11). Bei Mandaten mit geringem Streitwert wird dem Rechtsanwalt ein geringerer Verdienst in der Erwartung eines Ausgleichs durch Mandate mit einem höheren Streitwert zugemutet, damit der Mandant nicht durch außer Verhältnis zur Bedeutung der Angelegenheit stehende Gebühren von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung abgehalten wird. Der Mandantenschutz zählt als Ausprägung des allgemeinen Verbraucherschutzes zu den schutzwürdigen Gemeinwohlbelangen, die einen Eingriff in die Berufsausübungsfreiheit des Rechtsanwalts rechtfertigen (vgl. BGH, Urteil vom 13.2.2020 – IX ZR 140/19 – Rn. 21).
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(3) Mit dem Arbeitsgericht ist ein Mehrwert für die Zeugnisregelung zu berücksichtigen, da gegenüber dem Kläger eine außerordentliche fristlose Kündigung wegen eines Verhaltensverstoßes ausgesprochen worden ist (Ziff. I. Nr. 25.1.3 i. V. m. Ziff. I Nr. 29 Streitwertkatalog 2024).
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cc) Der Gegenstandswert für den Vergleich war insgesamt auf 28.000,00 € unter Berücksichtigung eines Mehrwerts in Höhe von 4.000,00 € festzusetzen (rechtshängige Ansprüche: 24.000,00 €, nichtrechtshängige Ansprüche: 4.000,00 €).
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Dieser Tenor ist geboten, da einerseits in den Wert eines Vergleichs die Werte aller rechtshängigen oder nicht rechtshängigen Ansprüche einzubeziehen sind, die zwischen den Parteien streitig oder ungewiss waren und die durch den Vergleich geregelt wurden (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 01.02.2024 – 26 Ta (Kost) 6095/23 – Rn. 17; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 09. 06. 2008 – 24 W 17/08 – unter II. 2 der Gründe; Bischof in Bischof/Jungbauer/Bräuer/Hellstab/Klipstein/Klüsener/Kerber, RVG, 8. Aufl. 2018, Nr. 1000 VV RVG Rn. 109) und andererseits bei der Höhe der Einigungsgebühr zu berücksichtigen ist, ob über den Gegenstand der Einigung bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig war oder nicht (vgl. LAG Hamburg, Beschluss vom 26.01.2016 – 6 Ta 29/15 – Rn. 19, 25; OLG Naumburg, Beschluss vom 19.03.2008 – 4 WF 19/08 – Rn. 3). Denn bei der Höhe der Einigungsgebühr wird nach Nr. 1000 VV RVG und Nr. 1003 VV RVG der Anlage zum RVG danach unterschieden, ob über den Gegenstand der Einigung bereits ein gerichtliches Verfahren anhängig war oder nicht. Ohne Gerichtsverfahren fällt eine 1,5-fache Einigungsgebühr nach Nr. 1000 VV RVG der Anlage 1 zum RVG an, mit Anhängigkeit eines identischen Gerichtsverfahrens sinkt die Gebühr nach Nr. 1003 VV RVG der Anlage 1 zum RVG auf den einfachen Satz. Ebenso ändern sich beim einem Vergleich mit Erledigung nicht anhängiger Ansprüche die Verfahrens- und Termingebühr (vgl. das Berechnungsbeispiel in Enders, RVG für Anfänger, 17. Aufl. 2016, E II 23.1. Rn. 406; instruktiv auch N. Schneider, Anmerkung zu LAG München, Beschluss vom 15.02.2023 – 11 Ta 28/23 – NZA-RR 2023, 210 f. zum Abrechnungsbeispiel eines Kündigungsschutzverfahrens mit Mehrvergleich).
45
e) Das Beschwerdegericht ist nicht an einer Herabsetzung der durch das Arbeitsgericht festgesetzten Werte für das Verfahren und den Vergleich gehindert. Das Verbot der reformatio in peius findet im Wertfestsetzungsverfahren nach § 33 RVG keine Anwendung (vgl. LAG München, Beschluss vom 06.06.2023 – 3 Ta 59/23Rn. 88).
III.
46
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, weil Kosten nicht erstattet werden, § 33 Abs. 9 RVG. Aufgrund der Zurückweisung der Beschwerde haben die Prozessbevollmächtigten des Klägers die angefallene Gebühr, Nr. 8614 KV GKG, zu tragen.
IV.
47
Diese Entscheidung, die gem. § 78 S. 3 ArbGG durch die Vorsitzende der Beschwerdekammer allein ergeht, ist unanfechtbar, § 33 Abs. 4 Satz 3 RVG (vgl. zur Vorgängerbestimmung des § 10 Abs. 2 Satz 2 BRAGO BAG, Beschluss vom 17.03.2003 – 2 AZB 21/02 – NZA 2003, 682).