Titel:
Streitwert, betriebliche Altersversorgung
Normenkette:
GKG § 42 Abs. 1 S. 1, Abs. 3 S. 1
Leitsatz:
Für eine Klage auf Zahlung künftiger Leistungen, mit denen die volle Rente und nicht nur die Rentendifferenz geltend gemacht wird, ist für die Streitwertberechnung das 36-fache der vollen monatlichen Rente anzusetzen.
Schlagworte:
Streitwert, betriebliche Altersversorgung
Vorinstanz:
ArbG München, Beschluss vom 09.12.2024 – 25 Ca 1201/24
Fundstellen:
BeckRS 2025, 19630
FDArbR 2025, 019630
Tenor
Die Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts München vom 09.12.2024 – 25 Ca 1201/24 – wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Der Kläger wendet sich mit seiner Beschwerde gegen die erstinstanzliche Festsetzung des Gebührenstreitwerts.
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Die Parteien stritten um die Höhe der Anpassung der betrieblichen Altersversorgung. Mit seiner Klage hat der Kläger nachfolgende Anträge gestellt:
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab dem 01.03.2024 eine monatliche Altersrente in Höhe von 1.588,16 € brutto zu zahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zum 31.03.2024 einen Betrag in Höhe von 3.303,61 € brutto nachzuzahlen.
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In der Klageschrift, letzte Seite, war der Streitwert unter Bezug auf die Rechtsprechung des BAG mit 57.173,76 € angegeben.
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Das Verfahren endete durch klageabweisendes Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12.09.2024. Im Urteil wurde der Rechtsmittelstreitwert gem. § 61 Abs. 1 ArbGG auf 8.495,64 € festgesetzt und mit der Höhe des 36fachen zuletzt geltend gemachten Erhöhungswertes ohne Berücksichtigung der bereits fälligen Beträge begründet.
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Auf Antrag des Prozessbevollmächtigten des Klägers setzte das Arbeitsgericht München den Streitwert gem. § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i. V. m. § 63 Abs. 2 GKG durch Beschluss vom 09.12.2024 auf 57.173,76 fest. Die Festsetzung erfolge in Höhe des 36fachen Betrages der mit der Klage geltend gemachten vollen monatlichen Betriebsrente. Der Beschluss wurde dem Kläger formlos am 10.12.2024 und 11.02.2025 übersandt.
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Gegen diesen Beschluss hat der Kläger am 28.02.2025 Beschwerde beim Arbeitsgericht München eingelegt und eine Festsetzung auf die ursprüngliche Höhe von 8.495,64 € beantragt. Es sei nicht die Betriebsrente an sich streitig gewesen, sondern lediglich der monatliche Erhöhungsbetrag aufgrund der Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge zum 01.07.2023. Nur insoweit habe die Rechtsschutzversicherung eine Deckungszusage erteilt.
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Die Beklagte und ihre Vertreter haben die Auffassung vertreten, dass der Streitwert zutreffend festgesetzt worden sei. Maßgeblich sei der gestellte Antrag. Dass der Klägervertreter insoweit möglicherweise gegen interne Vorgaben seines Mandanten verstoßen habe, ändere nichts.
8
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem Landesarbeitsgericht München zur Entscheidung vorgelegt. Für die Wertfestsetzung seien die gestellten Anträge und die zugrundeliegende Begründung entscheidend. Der Kläger habe nicht nur den streitigen monatlichen Differenzbetrag, sondern die gesamte monatliche Betriebsrente eingeklagt. Dies habe sich auch aus dem Hinweis zum Streitwert auf der letzten Seite der Klageschrift ergeben.
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Dem Kläger wurde im Beschwerdeverfahren Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Er wiederholte, dass nur eine Erhöhung der Betriebsrente um 281,87 Euro, von 1.306,29 Euro auf 1.588,16 Euro im Streit gestanden habe.
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Die Beklagte und ihre Vertreter ergänzten, dass der Kläger in der Berufungsverhandlung an seinen erstinstanzlichen Anträgen festgehalten habe.
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Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Beschwerdeakte Bezug genommen.
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Die nach § 68 Abs. 1 GKG statthafte Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.
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1. Die Beschwerde ist zulässig. Da der Wertfestsetzungsbeschluss dem Kläger entgegen § 329 Abs. 2 S. 2 2. Alt. ZPO nicht zugestellt worden ist, lief die Beschwerdefrist des § 63 Abs. 3 S. 2 GKG i. V. m. § 68 Abs. 1 S. 3 GKG nicht an und konnte dementsprechend auch nicht ablaufen (vgl. OLG B-Stadt, Beschluss vom 07.03.1997 – 25 WF 28-97 – für die zweiwöchige Notfrist zu Einlegung der sofortigen Beschwerde; LAG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 23.01.2024 – 26 Ta (Kost) 6073/23 – Rn. 7). Es genügt nicht, den Wertfestsetzungsbeschluss nach § 32 Abs. 1 RVG i. V. m. § 63 Abs. 2 GKG dem die Wertfestsetzung beantragenden Rechtsanwalt zuzustellen. Denn in einem Wertfestsetzungsverfahren ist der antragstellende Rechtsanwalt, auch wenn er für das streitige Verfahren als Prozessbevollmächtigter der Partei bestellt war, nicht zur Wahrnehmung der Interessen seines Auftraggebers berufen. Er ist an dem Wertfestsetzungsverfahren vielmehr in eigenem Interesse beteiligt, da von der Wertfestsetzung die Höhe seiner anwaltlichen Gebühren abhängt. § 172 Abs. 1 ZPO findet folglich keine Anwendung (vgl. LAG Berlin-Brandenburg, a.a.O. sowie Beschluss vom 08.03.2017 – 17 Ta (Kost) 6006/17 – Rn. 6; LAG Bremen, Beschluss vom 01.11.2017 – 2 Ta 34/17 – Rn. 11 zur vergleichbaren Konstellation bei der Wertfestsetzung nach § 33 RVG). Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt bei einem um mehrere zehntausend EURO geringeren Streitwert die nach § 68 Abs. 1 S. 1 GKG erforderlichen 200,- €.
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2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Das Arbeitsgericht hat zu Recht den Antrag zu 1. gem. § 42 Abs. 1 S. 1 GKG in Höhe des dreifachen Jahresbetrags der vollen monatlichen Betriebsrente bewertet.
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a) § 42 Abs. 1 und Abs. 3 GKG sehen für die Wertfestsetzung bei Klagen auf wiederkehrende Leistungen eine eigenständige Begrenzung auf den dreifachen Jahresbetrag vor und lassen eine Hinzurechnung der Rückstände nicht zu. Eine weitere Begrenzung des Streitwerts ist deshalb allenfalls durch eine teleologische Reduktion dieser Regelung möglich, wenn die wirtschaftliche Bedeutung des Klageantrags eine andere Beurteilung erfordert (BAG, Beschluss vom 22.09.2015 – 3 AZR 391/13 (A) – Rn. 7 ff., vgl. hierzu etwa LAG BerlinBrandenburg, Beschluss vom 14.06.2019 – 26 Ta (Kost) 6114/18 –). Hat eine Klagepartei mit ihrer Klage den Gesamtbetrag der künftigen monatlichen Betriebsrente zum Streitgegenstand des Verfahrens gemacht und ihre Klage nicht auf den letztlich zwischen den Parteien umstrittenen Teilbetrag (sog Spitzenbetragsklage) beschränkt, so kommt eine zusätzliche Begrenzung des Streitwerts regelmäßig nicht in Betracht. Nur mit der Klage auf den gesamten monatlichen Betrag kann die Klagepartei eine rechtskräftige Entscheidung über die Leistung ihrer Betriebsrente erreichen. Mit einer sogenannten „Spitzenbetragsklage“ wird der freiwillig gezahlte Sockelbetrag gerade nicht von der Rechtskraft umfasst (vgl. BAG, Beschluss vom 08.03.2017 – 3 AZN 886/16 (A) – Rn. 6 und 7; vom 15.05.2018 – 3 AZB 8/18 – Rn. 9; vom 29.10.2019 – 3 AZR 251/17 (A) – Rn. 5; LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.04.2024 – 5 Ta 26/24 – Rn. 9 m. w. Nachw.; LAG Nürnberg, Beschluss vom 21.07.2023 – 2 Ta 58/23 – Rn. 5).
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b) Danach ist vorliegend der Streitwert für den Antrag zu 1. zu Recht auf den dreifachen Jahresbetrag der begehrten monatlichen Betriebsrente von 1.588,16 €, d. h. auf 57.173,76 € festgesetzt worden.
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Nach seinem Wortlaut ist der Antrag zu 1. auf den vollen monatlichen Rentenbetrag gerichtet, nicht nur auf einen streitigen Differenzbetrag. Eine andere Auslegung ist im vorliegenden Fall nicht geboten. Der Kläger war anwaltlich vertreten, weshalb schon grundsätzlich davon auszugehen ist, dass er sich über die Unterschiede der Antragstellung bewusst war (so LAG Baden-Württemberg, Beschluss vom 11.04.2024 – 5 Ta 26/24 – Rn. 9). In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigten, dass die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Wertfestsetzung bei Klagen auf Betriebsrentenzahlungen langjährig besteht. Dass sie dem Prozessbevollmächtigten des Klägers bekannt gewesen ist, zeigt der Hinweis auf diese Rechtsprechung in der Klageschrift, letzte Seite, und den mitgeteilten voraussichtlichen Streitwert von 57.173,76 €. Während des Verfahrens und im Berufungsverfahren (§ 47 Abs. 1 S. 1 GKG) hat sich der Kläger von dieser Antragstellung zu keinem Zeitpunkt distanziert und erklärt, dass sich der Antrag auf Zahlung in Höhe des streitigen monatlichen Differenzbetrags beschränke.
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Entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dem Wertfestsetzungsbeschluss des LAG Nürnberg vom 21.07.2023 – 2 Ta 58/23 – keine andere Bewertung. Im dortigen Fall (vgl. Sachverhalt und Rn. 14) hatte die Klägerin gerade nicht die gesamte monatliche Betriebsrente eingeklagt, sondern ihre Klage auf den monatlichen Erhöhungsbetrag von 2,1% der Betriebsrente begrenzt (sogenannte Spitzenbetragsklage).
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Schließlich ist es für die Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG ohne Bedeutung, welche Deckungszusagen der Rechtsschutzversicherung oder internen Absprachen des Klägers mit seinem Prozessbevollmächtigten bestehen.
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c) Der Antrag zu 2. aus der Klage war als bei Klageerhebung bereits fälliger Betrag nicht hinzuzuzählen, § 42 Abs. 3 S. 1 Hs. 2 GKG.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst, § 68 Abs. 3 S. 2 GKG. Das Verfahren ist gebührenfrei, § 68 Abs. 3 S. 1 GKG.
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Die Entscheidung ist unanfechtbar, § 68 Abs. 1 S. 5 GKG i. V. m. § 66 Abs. 3 S. 3 GKG.