Inhalt

LArbG München, Urteil v. 17.03.2025 – 4 SLa 406/24
Titel:

Betriebsrente, Anpassung, Ermessen, Konzern, Rüstungsunternehmen, Cash-Pool

Normenkette:
BetrAVG § 16
Leitsätze:
1. In mehreren Parallelverfahren wenden sich die Klageparteien gegen die Entscheidung des Arbeitgebers der Jahre 2020 und 2023, die Renten im Hinblick auf seine wirtschaftliche Lage nicht im Turnus der beiden Jahre entsprechend dem Kaufkraftverlust zu erhöhen. Sie halten die vom BAG zur Überprüfung des arbeitgeberseitigen Ermessens aufgestellten Grundsätze für im konkreten Fall nicht anwendbar: u.a. berufen sie sich dazu auf die Einbindung der Beklagten in eine Konzernstruktur und Cash-Pool-Vereinbarungen sowie deren Sonderkonditionen als Rüstungskonzern. Die Klage auf Nachzahlung und künftig erhöhte Rentenzahlung wurde abgewiesen; die (beschränkte) Berufung der Klagepartei blieb ohne Erfolg.
2. Die Anpassung der Betriebsrente nach § 16 Abs. 1 BetrAVG erfordert eine Prüfung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers, wobei die Eigenkapitalverzinsung und Eigenkapitalausstattung maßgebliche Indikatoren sind. (Rn. 91-92)
Schlagworte:
Betriebsrente, Anpassung, Ermessen, Konzern, Rüstungsunternehmen, Cash-Pool
Vorinstanz:
ArbG München, Endurteil vom 12.09.2024 – 25 Ca 1195/24
Fundstelle:
BeckRS 2025, 19440

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts München vom 12.09.2024, Az.:, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
II. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1
Die Parteien streiten über die Verpflichtung der Beklagten zur turnusmäßigen Anpassung der Betriebsrente.
2
Der am XX.XX.0000 geborene Kläger trat 1980 oder 1981 in ein Arbeitsverhältnis bei der Z. GmbH (künftig: Z.) ein. Im Zuge des Verkaufs des Betriebs ging sein Arbeitsverhältnis 1992 auf die Y. AG (künftig: Y.) über, die später als X. GmbH (künftig: X.) firmierte. Sie ist die hiesige Beklagte zu 1). Zum 01.09.1995 ging das klägerische Arbeitsverhältnis im Zuge eines Betriebsübergangs auf die W. GmbH (künftig: W.), die heutige E. GmbH, die Beklagte zu 2), über, wo der Kläger zuletzt als QS Ingenieur VMQ/b tätig war. Das Arbeitsverhältnis endete nach einer Altersteilzeitvereinbarung der Vertragsparteien (in Anlage zur Klage vom 01.02.2024, Bl. 22 ff.d.A.) zum 31.10.2002.
3
Seit 01.11.2002 bezieht der Kläger Leistungen aus einer auf die Z. zurückgehende Betriebsrentenzusage nach der Versorgungsordnung Z. 20% (Plan A). Diese betrugen ab 01.07.2017 € 1.893,97 brutto monatlich.
4
Die Beklagte zu 1) gehört zur Airbus Gruppe und ist spezialisiert auf militärische und zivile Luft- und Raumfahrt sowie Sensoren und Kommunikationstechnologie der Verteidigung und Sicherheit. Gesellschafter waren zum 01.07.2023 die V. SE mit einem Anteil am Stammkapital von 88,71% und die U. GmbH mit einem solchen von 11,29%. Die Sperrminorität von 26% der Anteile an der V. SE halten die Staaten Frankreich, Deutschland und Spanien, die übrigen Anteile unterschiedliche Investoren.
5
Die Beklagte zu 1) nimmt mit den anderen Unternehmungen der Gruppe an einem Cash- Pool-Verfahren teil, aus dem sie Gelder erhalten und in das sie selbst Gelder einlegen kann.
6
Im zweitgenannten Fall erscheint die Summe als „Forderung“ in den Aktiva der Bilanz.
7
Unter dem 29.08.2005 schlossen die Beklagte zu 1) und die Beklagte zu 2) (jeweils noch unter anderer Firmierung) einen Abspaltungsvertrag (in Anlage KLIEMT 14 zum Schriftsatz der Beklagten vom 30.07.2024, Bl. I-374 ff.d.A.), im Zuge dessen alle unmittelbaren und mittelbaren Pensionsverbindlichkeiten der W. sowie die Barmittel dazu auf die C. übertragen wurden (Ziff. 2.1. des Abspaltungsvertrags). Die Abspaltung wurde am 27.12.2005 ins Handelsregister eingetragen und der Schuldnerwechsel mit Schreiben der Beklagten zu 1) vom 27.01.2006 den Betriebsrentenberechtigten mitgeteilt.
8
Die Anpassungsprüfung der Betriebsrenten erfolgt bei der Beklagten zu 1) im 3-JahresRhythmus gebündelt zum 01. Juli des jeweiligen Anpassungsjahres und – insoweit für diesen Rechtsstreit erheblich – (auch) zum 01.07.2020 und 01.07.2023.
9
Mit Beschluss vom 08.07.2020 entschied die Beklagte zu 1), die Betriebsrenten zum Anpassungsstichtag 01.07.2020 nicht anzuheben. Auch von der nächsten Anpassung ab 01.07.2023 sah die Geschäftsführung der Beklagten zu 1) mit Beschluss vom 23.06.2023 ab. Den Betriebsrentnern wurden diese Entscheidungen mit Schreiben vom August 2020 und vom Juli 2023 mitgeteilt und die letztere mit solchem vom 02.11.2023 (alle in Anlage zur Klage vom 01.02.2024, Bl. I-34 f., I-32 f. und I-28 ff.d.A.) erläutert.
10
Ausweislich der im Bundesanzeiger veröffentlichten Jahresabschlüsse der Beklagten zu 1) für die Geschäftsjahre 2017 bis 2022 (in Anlagen KLIEMT 7 – 11 zum Schriftsatz der Beklagten vom 18.04.2024, Bl. I-135 ff., I-157 ff., I-180 ff., I-205 ff. und I-228 ff.d.A.) ergab sich in diesen Jahren – mit Ausnahme des ersten – jeweils ein Jahresfehlbetrag und eine Eigenkapitalverzinsung bei und unter Null:

Jahr

Jahresüberschuss bzw. -Fehlbetrag (in Mio)

Eigenkapital (gezeichnetes + Kapitalrücklage, in Mio)

Eigenkapital am Jahresende (in Mio)

Eigenkapitalverzinsung (in %)

2017

[580]

920 (45+875)

1.530

49,49

2018

- 831

920 (45+875)

[699]

- 74,56

2019

- 954

1.101 (48+1.053)

- 74

- 272,96

2020

- 42

1.101 (48+1.053)

- 116

[0]

2021

- 213

1.601 (48+1.553)

[171]

- 774,55

2022

- 1.176

3.401 (48+3.353)

[795]

- 243,48

11
Im Jahr 2021 erhielt die Beklagte zu 1) von der V. SE als ihrer Mehrheitsgesellschafterin eine Kapitalerhöhung in Höhe von € 500 Mio. und im Jahr 2022 eine solche in Höhe von € 1,8 Mrd., die jeweils als Kapitalrücklage in den Bilanzen dieser Jahre ausgewiesen wurden. Dieselben Beträge wurden gleichzeitig dem Cash-Pool zugeführt und waren entsprechend als Forderungen auf Seite der Aktiva der Bilanzen aufgenommen.
12
Der Jahresabschluss zum 31.12.2023 (in Anlage BK1 zum klägerischen Schriftsatz vom 11.12.2024, Bl. II- 304 ff.d.A.) wies dann einen Jahresüberschuss von € 902 Mio. und ein Eigenkapital von € 2.996 Mio. aus.
13
Mit seiner Klage hat der Kläger die Erhöhung der Rente und ihre Nachzahlung zu den Stichtagen 01.07.2020 und 01.07.2023 geltend gemacht.
14
Erstinstanzlich hat er dabei die Ansicht vertreten, neben der Beklagten zu 1) hafte weiterhin seine Arbeitgeberin, die Beklagte zu 2), weil ein Schuldnerwechsel seiner Zustimmung bedurft habe, welche nicht erfolgt sei, so dass kein Austausch der Schuldner, sondern ein Schuldbeitritt vorliege. Zudem hat er die Rechtswirksamkeit des Abspaltungsvertrags bestritten, für die Gesellschafterbeschlüsse der beteiligten Gesellschaften und die Vorlage des Spaltungsberichts, der gemäß § 127 UmwG erstellte werden müsse, fehlten.
15
Außerdem hat er gemeint, die Entscheidungen, die betriebliche Altersversorgung nicht anzupassen, entsprächen nicht billigem Ermessen.
16
Als staatliches Rüstungsunternehmen in privater Rechtform, das keine übliche mittelständische GmbH, sondern das deutsche Tochterunternehmen eines wirtschaftlich erfolgreichen weltweit tätigen europäischen Konzerns sei, könne die Beklagte zu 1) sich nicht auf mangelndes Eigenkapital berufen; denn sie genieße die Vorteile der starken Marke und eines starken wirtschaftlichen Verbundes einschließlich des Cash-Pools, womit sie nicht auf Banken angewiesen sei, die ihre Kreditwürdigkeit anhand des Eigenkapitals prüften. Der wahre Unternehmer sei die V. SE; die Beklagte zu 1) sei reine Produktionsstätte und stelle sich unter diesem Aspekt als ein wirtschaftlich starkes Unternehmen mit einer guten Auftragslage dar. Das von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Prüfungsschema zur Betriebsrentenerhöhung, das auf die Jahresabschlüsse und das dortige Eigenkapital abstelle, passe daher hier nicht. Auch sei die HGB-Bilanz nicht einschlägig; denn die Airbus SE erstelle die Bilanzen der Gruppe nach internationalen Regeln (IFRS-VO).
17
Die Geschäftsführung habe bei ihrer Ermessenentscheidung zum 01.07.2023 die Jahresabschlüsse bis 2022 mit unverhältnismäßig niedrigen Geschäftszahlen und nicht den positiven von 2023 berücksichtigt, dessen Tendenz den handelnden Personen zu diesem Zeitpunkt bereits bekannt gewesen sei.
18
Überhaupt sei die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1) anders als durch die Jahresabschlüsse beschrieben. Die V. SE habe die HGB-Bilanz der Beklagten zu 1) bilanzpolitisch gestalten lassen und dabei die schlechte Lage durch sog. Luftbuchungen beeinflusst, die zu berichtigen seien.
19
Die Verluste der letzten Jahre beruhten auf der Neubewertung der Pensionsrückstellungen.
20
Zudem bestehe ein Fehler bereits in der Übernahme von Pensionsverpflichtung durch die Beklagte zu 1), ohne dass diese dazu verpflichtet gewesen sei: in der Vergangenheit habe sie Rentner von Tochtergesellschaften wie etwa der Beklagten zu 2) übernommen und nunmehr die Kosten der Pensionsverpflichtungen zu tragen. Die Analyse des Jahresabschlusses zum 31.12.2022 zeige, dass der Jahresfehlbetrag wesentlich durch die Höhe der Pensionsrückstellung geprägt sei, was, so die Meinung des Klägers, ein einmaliger Sonderaufwand und daher nicht zu berücksichtigen sei.
21
Die Beklagte zu 1) müsse insgesamt darlegen, dass auch die sonstigen Berichtigungen nicht einmalig seien.
22
Schließlich habe die Beklagte zu 1) Rückstellungen für die Erhöhung ab 2023 gebildet. Sie sei also selbst davon ausgegangen, dass die Betriebsrenten steigen würden. Dies zeige, dass die spätere ablehnende Entscheidung ermessensfehlerhaft sei.
23
Die Beklagte zu 1) stelle die Prognose zum Geschäftsjahr 2022 widersprüchlich dar, wenn sie einerseits eine Erhöhung der Rentenzahlung ablehne, sie aber andererseits im Geschäftsbericht aufgrund des Auftragsbestands und der Auftragslage sehr positiv beschreibe. Tatsächlich sei die Lage auch positiv. Diese Entwicklung, die sich aus den Halbjahrespresseberichten und den Berichten der Geschäftsführung zur wirtschaftlichen Lage zum 31.12.2023 ergäben, sei die Beklagte zu 1) zu berücksichtigten verpflichtet gewesen..
24
Der Anspruch auf Anpassung der Altersrente zum 01.07.2020 sei entgegen der Ansicht der Beklagten nicht verwirkt, weil die Beklagte zu 1) nicht ihrerseits die Ablehnungsentscheidung mitgeteilt habe: Die das Schreiben vom August 2020 unterzeichnenden Mitarbeitenden hätten im Auftrag der Versorgungskasse der Z. GmbH e.V. und nicht der Beklagten, die die Schuldnerin sei, gehandelt.
25
In jedem Fall ergebe sich der Anpassungsanspruch aus betrieblicher Übung, nachdem die Beklagte zu 1) die Renten in der Vergangenheit über einen Zeitraum von mehr als zehn Jahren regelmäßig angepasst habe.
26
Der Kläger hat daher erstinstanzlich beantragt,
1. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger ab dem 01.03.2024 eine monatliche Altersrente in Höhe von € 2.302,64 brutto zu zahlen.
2. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, an den Kläger zum 31.03.2024 einen Betrag in Höhe von € 17.449,32 brutto nachzuzahlen.
27
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
28
Erstinstanzlich haben sie gemeint, die Klage gegen die Beklagte zu 2) habe schon deshalb keinen Erfolg, weil diese gem. § 131 Abs. 1 Nr. 1 UmwG mit der Abspaltung auf die Beklagte zu 1) seit 27.12.2005 nicht mehr Schuldnerin der betrieblichen Altersversorgung sei, ohne dass dies einer Zustimmung der Versorgungsberechtigten bedurft hätte. Auf den Abspaltungsbericht sei wirksam verzichtet worden.
29
Auch der Anspruch gegen die Beklagte zu 1) greife nicht.
30
Derjenige auf Anpassung der betrieblichen Altersversorgung zum 01.07.2020 sei bereits verfristet, da der Kläger nicht bis zur nächsten Anpassungsentscheidung im Jahr 2023 seine Forderung erhoben habe.
31
Im Übrigen seien die Entscheidungen nicht zu beanstanden, weil die Beklagte zu 1) sowohl zum 01.07.2020 als auch zum 01.07.2023 davon habe ausgehen dürfen, dass ihre wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zulasse: Die Anpassungspflicht nach § 16 Abs. 1 BetrAVG treffe dasjenige Unternehmen, welches als „Arbeitgeber“ die entsprechende Versorgungszusage erteilt oder im Wege der Rechtsnachfolge übernommen habe, so dass es allein auf dessen wirtschaftliche Lage ankomme. Dies gelte auch dann, wenn der Arbeitgeber in einen Konzern eingebunden sei.
32
Tatsächlich habe bei der Beklagten zu 1) zu den Anpassungsstichtagen jeweils ungenügendes Eigenkapital als auch eine unzureichende Eigenkapitalverzinsung vorgelegen. Unter Berücksichtigung des Verlaufs der Geschäftsjahre 2017 bis 2019 sei zum Anpassungsstichtag 01.07.2020 nicht davon auszugehen gewesen, dass ihre wirtschaftliche Entwicklung eine Erhöhung der Betriebsrenten zulasse. Angesichts diverser beunruhigender Entwicklungen auf den wichtigsten Absatzmärkten sei die Geschäftserwartung für die Jahre 2020 und 2021 gedämpft gewesen, zumal die Auswirkungen der Covid-19-Pandemie für die Wirtschaft zu diesem Zeitpunkt kaum abschätzbar gewesen seien. Zum nächsten Anpassungsstichtag sei dann eine Erhöhung der Betriebsrenten aufgrund der Verluste der Beklagten zu 1) völlig ferngelegen. Es habe keine positive Prognose gestellt werden können: Unter Berücksichtigung erheblicher Risikofaktoren wie des Kriegs zwischen Russland und der Ukraine, der Inflation und der gestiegenen Energiekosten sei zum 01.07.2023 nicht zu erwarten gewesen, dass die Eigenkapitalauszehrung bis zum nächsten Anpassungsstichtag 2026 behoben und die Eigenkapitalverzinsung die Umlaufrendite öffentlicher Anleihen nebst dem Risikozuschlag übersteigen werde.
33
Die testierten Jahresabschlüsse seien richtig. Namentlich sei der Jahresabschluss 2022 nicht um Pensions- oder sonstige Rückstellungen zu korrigieren; das Vorbringen des Klägers dazu sei nicht nachvollziehbar. Tatsächlich habe der Aufwand für Altersversorgung im Geschäftsjahr 2023 lediglich € 10 Mio. betragen. Die Auflösung von Rückstellungen gehöre zum gewöhnlichen Geschäftsgang einer Kapitalgesellschaft.
34
Es bestehe auch keine betriebliche Übung, die einen Anspruch auf regelmäßige Betriebsrentenanpassung begründe; die Beklagte zu 1) sei in der Vergangenheit lediglich der ihr durch § 16 BetrAVG auferlegten Pflicht nachgekommen.
35
Mit Endurteil vom 12.09.2024, auf das hinsichtlich seiner Tatsachenfeststellungen und rechtlichen Ausführungen ergänzend Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht München unter dem Aktenzeichen die Klage insgesamt abgewiesen.
36
Ein Anspruch gegen die Beklagte zu 2) bestehe schon deshalb nicht, weil sie infolge des Abspaltungsvertrags vom 29.08.2005 nach § 131 I Nr. 1 UmwG nicht mehr Schuldnerin der Betriebsrenten sei.
37
Auch gegenüber der Beklagten zu 1) habe der Kläger keine Ansprüche.
38
Soweit er weitere Zahlungen für die Jahre 2017 bis 2020, fehle es bereits an einer Begründung dafür.
39
Hinsichtlich der Jahre 2020 bis 2023 könne der Kläger keine Erhöhung nach § 16 Abs. 1 und 2 BetrAVG verlangen; eine Rüge der Anpassungsentscheidung sei nicht mehr möglich, weil eine nachträgliche Anpassung durch die nächste Entscheidung – vom 01.07.2023 – begrenzt sei. Der Kläger aber habe auf die Mitteilung zur Nicht-Anpassungsentscheidung im August 2020, die erkennbar auf die Beklagte zu 1) zurückgehe, nicht seinen vermeintlichen Anspruch geltend gemacht.
40
Auch für die Zeit ab Juli 2023 bestehe kein Erhöhungsanspruch: zu Recht habe die Beklagte zu 1) eine Anpassung abgelehnt. Ausgehend davon, dass die Anpassungsentscheidung eine Ermessensentscheidung des Arbeitgebers sei, der deren Grundlagen darlegen und in der er die eigenen wirtschaftlichen Interessen mit denen der Betriebsrentner abwägen müsse, und vor dem Hintergrund der vom Bundesarbeitsgericht entwickelten Grundsätze der wirtschaftlichen Maßstäbe, von denen im hiesigen Fall eine Abweichung nicht veranlasst sei, weil auch im Konzern auf das Einzelunternehmen als Schuldner der Rente abzustellen und nicht zu erkennen sei, dass es sich bei der Beklagten zu 1) um ein Staatsunternehmen handle, sei die Entscheidung der Beklagten zu 1), die Renten nicht zum 01.07.2023 zu erhöhen, nicht zu beanstanden. Die handelsrechtlichen Jahresabschlüsse, deren Ordnungsgemäßigkeit vom Kläger nicht substantiiert bestritten worden sei, sprächen von mangelnder Eigenkapitaldeckung und -Verzinsung. Dabei seien die darin enthaltenen Rückstellungen für Betriebsrenten ebensowenig zu monieren wie diejenigen für Rentenanpassungen, die nicht zur Anpassung selbst verpflichteten, und die für eine Unterdeckung der Unterstützungseinrichtung, die keinen Einmaleffekt darstelle. Die Berufung des Klägers auf Zinsänderungen im Jahr 2022 lasse nicht erkennen, warum diese zu einem anderem Ergebnis führten.
41
Der vom Kläger in Bezug genommene positive Lagebericht sei nicht maßgebend; er betreffe die voraussichtliche Entwicklung und basiere nicht auf feststehenden wirtschaftlichen Daten. Ebensowenig sei die Auftragslage erheblich; denn es sei nicht absehbar, wie sie sich auf die wirtschaftliche Lage auswirke, zumal kein konkreter Auftrag geschildert sei. Soweit der Kläger die Übernahme der T. GmbH positiv berücksichtigt sehen wolle, sei nicht erkennbar, dass sich dadurch die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1) verbessere. Soweit der Kläger weiterhin auf die wirtschaftliche Lage der V. SE rekurriere, sei diese nicht relevant, wie auch die Möglichkeit des Cash-Pooling nicht maßgeblich sei: allein die Möglichkeit, sich auf einfache Art und Weise Geld zu beschaffen, verbessere die finanzielle Lage selbst nicht.
42
Schließlich ergebe sich der geltend gemachte Anspruch nicht aus einer betrieblichen Übung. Eine solche entstehe nicht, wo bereits eine Rechtspflicht bestehe, auch wenn diese nur irrtümlich angenommen werde. Hier seien in der Vergangenheit die Erhöhungen erkennbar auf der Grundlage des § 16 BetrAVG erfolgt und umgekehrt nicht ersichtlich, dass die Beklagte zu 1) überobligatorische Leistungen habe erbringen wollen.
43
Gegen diese seinem anwaltlichen Vertreter am 20.09.2024 zugestellte Entscheidung hat der Kläger mit Schriftsatz vom 17.10.2024, der am selben Tag beim Landesarbeitsgericht München eingegangen ist, Berufung eingelegt, die er mit solchem vom 10.12.2024, am selben Tag bei Gericht eingegangen, innerhalb der bis 13.12.2024 verlängerten Frist begründet hat.
44
Unter teilweiser Rücknahme der uneingeschränkt eingelegten Berufung, namentlich gegenüber der Beklagten zu 2), und unter Bezugnahme auf seinen erstinstanzlichen Vortrag bleibt er dabei, dass zum 01.07.2023 die Renten hätten angepasst werden müssen und ihm daher ein Anspruch auf erhöhte Renten- und Nachzahlung zustehe.
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Anders als das Bundesarbeitsgericht als Grundsatz festlege und das Arbeitsgericht in seiner Entscheidung meine, seien im hiesigen Fall die Kriterien Eigenkapital und -Verzinsung nicht ausschlaggebend. Die Beklagte nämlich sei kein selbständiges deutsches Unternehmen, sondern lediglich eine Produktionsstätte für militärische Fahrzeuge zur Luft- und Raumfahrt der V. SE, deren Gesellschafter Deutschland, Frankreich und Spanien an günstiger Waffenlieferung und nicht an einer Eigenkapitalrendite interessiert seien. Die Durchsetzung dieses Kurses geschehe über die Sperrminorität von 26% in der V. SE, die zugleich den Aufsichtsrat für die Beklagte zu 1) stelle. Dazu passe, dass die nicht operativen Bereiche wie Personal- und Rechnungswesen, der IT-Bereich sowie die Rechtsabteilung 2016 nach Toulouse verlegt und bei der V. SE angesiedelt worden seien, so dass die Beklagte zu 1) nur mehr reine Produktionsstätte sei. Die Beklagte zu 1) unterhalte nicht einmal ein eigenes Konto. Dies entspreche insgesamt dem Charakter einer SE, die die Tochterunternehmen als bloße Satellitenstätten verstehe.
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Gleichzeitig sei die Beklagte zu 1) nicht auf Eigenkapital angewiesen, weil die V. SE dafür garantiere; die Beklagte zu 1) selbst spreche in den Lageberichten von gesicherter Liquidität. Dazu sei sie in das Cash-Pool-Verfahren eingebunden, so dass sie über liquide Mittel verfüge, die sie im übrigen auch durch immense Anzahlungen auf ihre Produkte in Höhe von ca. € 5 Mrd./Jahr erhalte. Diese Situation sei darin erkennbar, dass die Beklagte zu 1) trotz mangelnden Eigenkapitals keine Insolvenz anmelde.
47
Das Eigenkapital als Maßstab der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage passe vorliegend auch deshalb nicht, weil die V. SE selbst ein anderes Bewertungssystem benutze, wenn sie internationale Regeln (IFRS) für finanzielle Entscheidungen vorschreibe. Die Berufung der Beklagten zu 1) auf die handelsrechtlichen Ermittlungsgrößen sei daher willkürlich.
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Im Rahmen der Jahresabschlüsse seien zudem Positionen berücksichtigt, die nicht zu berücksichtigen seien.
49
So sei die über die Jahre schwankende Bewertung der Pensionsrückstellungen kein Grund, eine Erhöhung der Renten abzuschlagen. Die Deckung durch volatile Anlagen könne die Beklagte nicht anführen, weil deren Wertverlust einen nicht zu berücksichtigenden Einmaleffekt darstelle. Soweit die Verluste der Geschäftsjahre 2018/19 und 2021/2022 maßgeblich auf die unterschiedliche Bewertung der Pensionsverpflichtung zurückgingen, seien auch sie für die Prognoseentscheidung irrelevant, weil ihre Buchung als Umsatzkosten keine Auswirkung auf die Liquidität der Beklagten zu 1) habe, die diese zur Zahlung der höheren Altersrente an den Kläger nutzen könne. Nicht notwendig sei zudem, für die Pensionsrückstellungen – wie die Beklagte zu 1) es tue – den Erfüllungsbetrag der Renten anzusetzen; es sei auch ein steuerrechtlicher Teilbetrag möglich. Insgesamt sei zu beachten, dass die Rentenbelastungen der Beklagten zu 1) angesichts von gleichbleibend 18.000 Berechtigten in den letzten Jahren künstlich herbeigeführt sei, indem bei Betriebsübergängen im Konzern die Betriebsrentner jeweils auf die Beklagte abgespalten worden seien. Für die von der V. SE übernommenen Dienstleistungen im nicht-operativen Bereich seien mit € 250 Mio. überhöhte Summen angesetzt worden.
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Schließlich seien Verluste aus dem Finanzergebnis berücksichtigt worden, die für die Liquidität des Unternehmens – anders als solche im Betriebsergebnis – nicht relevant seien. Es könne aber nicht rechtens sein, dass ein Arbeitgeber die Rechtsprechung des BAG ausnutze, um keinen Inflationsausgleich an Betriebsrentner zu zahlen, obwohl er durch die Jahresfehlbeträge weder in seiner Existenz bedroht noch in seiner Zukunft dadurch beeinträchtigt werde.
51
Umgekehrt seien für eine Anpassung sprechende Umstände in der Prognose nicht berücksichtigt. Die Übernahme der S.-Sparte sei angesichts der aktuelle Sicherheitslage ein positiver Umstand und in diesem Sinne im Jahresabschluss 2023 benannt.
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Insgesamt sei zu beachten, dass die Beklagte zu 1) – ausweislich der klägerischen Aufstellung in Anlage BK4 zum Schriftsatz vom 11.12.2024 (Bl. II-460 d.A.) – seit Jahren einen gleichmäßigen Jahresumsatz von ca.€ 4,0 bis 5,5 Milliarden erziele und – entsprechend der klägerischen Aufstellung in Anlage BK5 zum Schriftsatz vom 11.12.2024 (BL. II-461 d. A.) – einen stabilen Auftragsbestand von ca. € 10,0 Milliarden im Jahr 2017 bis zu ca. € 18,0 Milliarden im Jahr 2022 gehabt habe. Dabei sei die Auftragslage aussagekräftig, weil die Beklagte zu 1) mit ihr über Anzahlungen und damit über Liquidität und zugleich über einen gesicherten Absatz verfüge. In diesem Tenor spreche auch der Lagebericht und die Jahresbilanz des Jahres 2023.
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Die Anpassungsentscheidung des Jahres 2023 selbst sei vor diesem Hintergrund falsch: Die Prognose habe nicht nur im Rückblick, sondern gerade auch mit Blick nach vorne bis 30.06.2026 geschehen müssen. Der positive Jahresabschluss 2023 aber sei nicht berücksichtigt worden, obwohl er vor der letzten mündlichen Verhandlung in erster Instanz vorgelegen sei.
54
Die Anpassungsentscheidung sei aber auch deshalb fehlerhaft, weil sie, anders als das Gesetz es fordere, nicht individuell, also für den konkreten Kläger, erfolgt sei. Die vom hiesigen Kläger geforderte Erhöhung von rund € 300 jedoch führte zu keiner Überforderung der Beklagten zu 1).
55
Die Anwendung von § 16 BetrAVG durch das Erstgericht sei fehlerhaft. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgericht liefere mit den darin festgelegten Grundsätzen zwar ein Standardwerkzeug; dieses sei jedoch im konkreten Fall nicht passend und als Richterrecht auch nicht bindend, wie überhaupt die dogmatische Einordnung der Vorschrift Schwierigkeiten bereite, weil die rasch erarbeitete Gesetzesfassung – ohne ausreichende wissenschaftliche Diskussion – erstellt worden sei und die aktuelle Rechtsprechung nur das praktische Ergebnis einer fehlenden dogmatische Begründung darstelle.
56
Das Bundesarbeitsgericht verstehe § 16 BetrAVG als Ausdruck des Grundsatzes von Treu und Glaube (§ 242 BGB) und die Anpassung als Regel. Insofern beschränke es diesen Anspruch nur dann, wenn die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens gegenüber dem Steigerungsinteresse der Betriebsrentner in Rede stehe, und mache erstere an dem Bestand der aktiven Arbeitsplätze fest. Wenn es später das Eigenkapitel als weiteres Element eingeführt habe, so sei es fälschlich so verstanden worden, dass es nicht mehr auf die Wettbewerbsfähigkeit und die Gefährdung der Arbeitsplätze ankomme. Tatsächlich müssten diese aber der Maßstab bleiben.
57
Das Arbeitsgericht habe den Sachverhalt vorliegend unzureichend aufgeklärtEs hätte sich von einem Sachverständigen erklären lassen sollen, welche Umsatzkosten angesetzt worden seien, die im angewandten Umsatzkostenverfahren nicht erkennbar seien; und warum die Pensionsrückstellungen mit ihrem Erfüllungs- und nicht mit dem niedrigeren steuerrechtlichen Teilwert in die Bilanz eingestellt seien.
58
Insgesamt sei daher zugunsten des Klägers zu entscheiden. Wenn das Berufungsgericht dies unerwartet anders sehe, so sei die Revision zuzulassen. Denn das Bundesarbeitsgericht habe bisher noch nicht über die Beurteilungsgrundsätze der wirtschaftlichen Lage eines europäischen Rüstungsunternehmens entschieden.
59
Der Kläger beantragt daher unter Zurücknahme der Berufung im übrigen:
60
Das Urteil des Arbeitsgerichts München vom 12.09.2024 – - wird wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 01.01.2025 eine monatliche Altersrente in Höhe von 2.225,18 € brutto zu zahlen.
2. Die Beklagte wird verurteilt, für die Zeit vom 01.07.2023 bis zum 31.12.2024 an den Kläger einen Betrag in Höhe von 5.961,78 € mit 5%-Punkten über dem Basiszinssatz aus einem Betrag von 331,21 EUR jeweils ab 1. eines Monats, beginnend mit dem 01.08.2023, zu zahlen.
61
Der Kläger beantragt außerdem,
die Revision für den Fall zuzulassen, soweit der Kläger vor dem Landesarbeitsgericht München unterliegt, da die Sache grundsätzliche Bedeutung hat.
62
Die Beklagte zu 1) beantragt
Zurückweisung der Berufung.
63
Sie verteidigt die erstinstanzliche Entscheidung als zutreffend. Ihre Entscheidung, die Betriebsrenten nicht zum 01.07.2023 der Inflation entsprechend zu erhöhen, entspreche unter Berücksichtigung der höchstrichterlichen Rechtsprechung billigem Ermessen und sei daher wirksam; der Kläger habe nicht die geltend gemachten Ansprüche auf Zahlung.
64
Die Ansicht des Klägers, für sie passe das Kriterium des ausreichenden Eigenkapitals nicht, weil sie ein staatliches Rüstungsunternehmen ohne Gewinnerzielungsabsicht sei, bezeichnet sie als absurd. Das Gegenteil treffe für sie als Tochter eines börsennotieren Unternehmens zu, das im Wettbewerb vor allem mit amerikanischen Firmen – im Zusammenhang mit privater Raumfahrttechnik mit R. – stehe. Eine staatliche Beteiligung an ihr bestehe auch nach klägerischem Vortrag nicht.
65
Die Angaben des Klägers zur Beherrschung durch die V. SE seien unplausibel wie falsch: Die konzernübergreifende Funktionen seien, wie der Kläger selbst ausführe, bei der Airbus Global Business Services in Lissabon angesiedelt; wie der Kläger dann dazu komme, die unternehmerischen Entscheidungsbereiche seien nach Toulouse abgegeben worden, erschließe sich nicht. Richtig sei zudem, dass unternehmerische Entscheidungen durch sie selbst getroffen würden.
66
Anders als der Kläger es schildere, bestehe keine finanzielle Garantie der V. SE für die Beklagte zu 1), wie überhaupt kein Beherrschungsvertrag zwischen den Gesellschaften existiere. Das Cash-Pool-Verfahren sei, wie das Erstgericht ausgeführt habe, nur eine Möglichkeit, leichter an Geld zu kommen; es sei nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung ebensowenig wie die Kapitalrücklage für die Rentenerhöhung heranzuziehen.
67
Für eine negative Anpassungsentscheidung sei keine Substanzgefährdung des Unternehmens nötig; um von einer Anpassung absehen zu können, müsse keine wirtschaftliche Notlage gegeben oder absehbar sein, im Zuge derer die Mehrbelastung durch eine Anpassung einen Zusammenbruch des Unternehmens verursachte.
68
Die Jahresabschlüsse seien zutreffend.
69
Die Erfassung der Rentenrückstellungen in den Jahresabschlüssen entspreche den gesetzlichen Vorgaben in § 253 Abs. 1 S. 2 HGB und sei nicht zu beanstanden.
70
Die durch andere Unternehmen der Gruppe erbrachten Dienstleistungen seien entsprechend den gesetzlichen und steuerlichen Vorschriften eingestellt. Im übrigen stimme die vom Kläger genannte Zahl nicht.
71
Die Situation der Eigenkapitalauszehrung sei einer Anpassung entgegengestanden. Dazu sei gekommen, dass die wirtschaftliche Lage zum Anpassungsstichtag geprägt gewesen sei durch zahlreiche unkalkulierbare Risikofaktoren wie die Energiekrise, Inflation und zunehmenden Markteinfluss USamerikanischer Wettbewerber.
72
Entgegen dem Verständnis des Klägers sei für die Entscheidung das Interesse der Betriebsrentner an der Kaufpreisanpassung zu berücksichtigen. Darüber hinaus seien keine individuellen Umstände darin beachtlich. Gleichzeitig sei für die anzustellende Prognose auf die Situation am Entscheidungstag abzustellen. Das schließe den Jahresabschluss des Jahres 2023 nicht mit ein, der erst nach dem Entscheidungsstichtag 01.07.2023 veröffentlicht worden sei.
73
Im Rahmen der Entscheidung sei neben dem Eigenkapital nicht zusätzlich die Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens zu prüfen. Vielmehr lasse sich vom mangelnden Eigenkapital auf fehlende Wettbewerbsfähigkeit und die Gefährdung von Arbeitsplätzen schließen.
74
Der Ansatz der Renten im Rahmen der Pensionsrückstellung erfolge schlicht und einfach aufgrund des § 253 Abs. 1 S. 2 HGB mit dem Erfüllungsbetrag: dies sei gesetzlich vorgeschrieben.
75
Die Beklage moniert zudem die Höhe der geltend gemachten Forderung. Die Höhe der derzeitigen Zahlung, von der der Kläger ausgehe, sei nicht klar; der zeitliche Bezugspunkt für den Index, anhand dessen die Erhöhung ermittelt werden solle, sei fehlerhaft; und nach höchstrichterlicher Rechtsprechung bestehe der geltend gemachte Zinsanspruch nicht.
76
Die Zulassung der Revision sieht die Beklagte zu 1) als nicht veranlasst: Alle relevanten Rechtsfragen seien in der Rechtsprechung längst entschieden.
77
Ergänzend wird wegen des weiteren Sachvortrags der Parteien und ihrer Rechtsansichten auf ihr schriftsätzliches Vorbringen samt der Anlagen, namentlich die Schriftsätze des Klägers vom 01.02.2024 (Bl. I-1 ff.d.A.), 14.06.2024 (Bl. I-290 ff.d.A.) und 02.09.2024 (Bl. I396 ff.d.A.) vor dem Arbeits- und vom 17.10.2024 (Bl. II-1 ff.d.A.), 10.12.2024 (Bl. II-31 ff.d.A.), 11.12.2024 (Bl. II-303 ff.d.A.) und 07.03.2025 (Bl. II-498 ff.d.A.) vor dem Landesarbeitsgericht, die der Beklagten vom 12.03.2024 (Bl. I-40 ff.d.A.), 25.03.2024 (Bl. I-49 ff.d.A.), 18.04.2024 (Bl. I-53 ff.d.A.), 30.07.2024 (Bl. I- 350 ff.d.A.) und 06.09.2024 (Bl. I-872 ff.d.A.) erst- und vom 08.11.2024 (Bl. II-29 f. d.A.) und 13.02.2025 (Bl. II-473 ff.d.A.) zweitinstanzlich, sowie auf den Inhalt der Sitzungsniederschriften vom 05.03.2024 und 12.09.2024 (Bl. I-38 f. und 879 ff.d.A.) vor dem Ausgangs – und vom 17.03.2025 (Bl. II-503 ff.d.A.) vor dem Berufungsgericht Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

78
Die Berufung, soweit über sie noch zu entscheiden war, ist zulässig, aber unbegründet.
I.
79
Die Berufung ist zulässig, insbesondere entspricht sie der in § 64 Abs. 6 S. 1 ArbGG i. V. m. §§ 519, 520 ZPO vorgeschriebenen Form und ist innerhalb der Monatsfrist des § 66 Abs. 1 S. 1 ArbGG mit Schriftsatz vom 17.10.2024 eingereicht und mit solchem vom 10.12.2024 innerhalb der bis 13.12.2024 verlängerten Frist begründet worden (§ 66 Abs. 1 S. 2 und 5 ArbGG). Die Einlegungsfrist lief angesichts der Zustellung der angegriffenen Entscheidung am 20.09.2024 nach §§ 222 ZPO, 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB am 20.10.2024 ab.
II.
80
Die Berufung hat in der Sache keinen Erfolg: Zutreffend und mit zutreffender und sorgfältiger Begründung, der die Kammer ausdrücklich folgt (§ 69 Abs. 2 ArbGG), hat das Arbeitsgericht München die Klage abgewiesen: Der Kläger hat keinen Anspruch auf die geltend gemachte Anpassung seiner Betriebsrente zum 01.07.2023 noch auf Nachzahlungen. Die Entscheidung der Beklagten zu 1), die Rentenzahlungen an den Kaufkraftverlust anzupassen, war angesichts ihrer wirtschaftlichen Lage ermessensfehlerfrei.
81
1. Die Beklagte war nach § 16 Abs. 1 BetrAVG verpflichtet, zum 01.07.2023 zu prüfen, ob eine Anpassung der Betriebsrente des Klägers an den Kaufkraftverlust zu erfolgen hatte.
82
a. Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Dabei kann er alle in seinem Unternehmen anfallenden Prüfungstermine eines Jahres bündeln.
83
Dies hat die Beklagte zu 1) getan und am 01.07. eines Jahres über sämtliche anstehenden Anpassungen entschieden.
84
b. Bei der Anpassungsprüfung nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber die Belange der Versorgungsempfänger sowie seine eigene wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen. Lässt die wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten nicht zu, ist der Arbeitgeber zur Anpassung nicht verpflichtet.
85
(1) Auf Seiten der Versorgungsempfängers sind deren Belange zu berücksichtigen. Sie bestehen in der Erhaltung des wirtschaftlichen Werts der ihnen zugesagten Versorgungsleistungen.
86
(a) § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG verfolgen den Zweck, eine inflationsbedingte Auszehrung der Betriebsrenten zu vermeiden und so das ursprünglich vorausgesetzte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wiederherzustellen. Aus dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust, der anhand der Veränderungen des Verbraucherpreisindexes für Deutschland zu ermitteln ist, ergibt sich der Anpassungsbedarf. Die sonstigen Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Pensionärs bleiben wie bei der Vergütungszahlung grundsätzlich außer Betracht; weitere „Belange“ sind nicht erheblich (vgl. insgesamt BAG v. 23.02.2021, 3 AZR 15/20 Rn. 133 ff. – zitiert nach juris; ErfKSteinmeyer BetrAVG § 16 Rn. 19, 22).
87
(2) Auf Seiten des Arbeitgebers ist dessen wirtschaftliche Lage in die Abwägung einzustellen.
88
Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers ist eine zukunftsbezogene Größe: Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers und setzt eine Prognose voraus.
89
(a) Beurteilungsgrundlage für die insoweit zum Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können.
90
Auf die Überprüfung der Entscheidung – nicht auf die Entscheidung selbst – kann sich die wirtschaftliche Entwicklung auch nach dem Anpassungsstichtag auswirken: Die wirtschaftlichen Daten nach dem Anpassungsstichtag bis zur letzten mündlichen Verhandlung in der Tatsacheninstanz können die frühere Prognose bestätigen oder Zweifel an ihr begründen. Dies gilt jedoch nur dann, wenn die tatsächliche Entwicklung in den wirtschaftlichen Verhältnissen des Unternehmens zum Anpassungsstichtag bereits vorhersehbar waren; spätere unerwartete Veränderungen können erst im Rahmen der nächsten Anpassungsprüfung berücksichtigt werden (BAG v. 21.02.2017, 3 AZR 455/15 Rn. 31 – zitiert nach juris).
91
(b) Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel mindestens drei Jahren ausgewertet werden. Dabei handelt es sich grundsätzlich um einen Mindestzeitraum, der nicht stets und unter allen Umständen ausreichend ist. Ausnahmsweise kann es geboten sein, auf einen längeren Zeitraum abzustellen. Dies kommt insbesondere in Betracht, wenn die spätere Entwicklung der wirtschaftlichen Lage zu berechtigten Zweifeln an der Vertretbarkeit der Prognose des Arbeitgebers führt.
92
Bei der Beurteilung der wirtschaftlichen Lage im Sinne von § 16 Abs. 1 BetrAVG können die Grundsätze herangezogen werden, die zu Eingriffen in Versorgungswerke entwickelt worden sind, die die bereits erdiente Dynamik betreffen und die dann gerechtfertigt sind, wenn sie von triftigen Gründen getragen werden. Ein solcher triftiger Grund liegt vor, wenn ein unveränderter Fortbestand des Versorgungswerks zu einer Substanzgefährdung des Versorgungsschuldners führte. Davon ist auszugehen, wenn die Kosten des bisherigen Versorgungswerks nicht mehr aus den Unternehmenserträgen und etwaigen Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens erwirtschaftet werden können, so dass eine die Entwicklung des Unternehmens beeinträchtigende Substanzauszehrung droht. Letztlich geht es um die Frage, ob dem Versorgungsschuldner im Interesse einer gesunden wirtschaftlichen Entwicklung seines Unternehmens eine Entlastung im Bereich der Versorgungsverbindlichkeiten verwehrt werden darf (BAG v. 23.02.2021, 3 AZR 15/20 Rn. 73 f.- zitiert nach juris).
93
(c) Für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers sind Eigenkapitalverzinsung und die Eigenkapitalausstattung maßgebliche Indikatoren.
94
Die wirtschaftliche Lage rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als der Arbeitgeber annehmen darf, dass es ihm mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nicht möglich sein werde, den Teuerungsausgleich aus den Unternehmenserträgen und den verfügbaren Wertzuwächsen des Unternehmensvermögens in der Zeit bis zum nächsten Anpassungsstichtag aufzubringen. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an (BAG v. 28.05.2013, 3 AZR 125/11 Rn. 40 – zitiert nach juris).
95
i. Die angemessene Eigenkapitalverzinsung besteht dabei aus einem Basiszins und einem Zuschlag für das Risiko, dem das im Unternehmen investierte Kapital ausgesetzt ist. Die höchstrichterliche Rechtsprechung sieht dabei einen Basiszins entsprechend der Umlaufrendite öffentlicher Anleihen und einen Risikozuschlag von 2% als angemessen an (BAG v. 28.05.2013, 3 AZR 125/11 Rn. 41 – zitiert nach juris).
96
ii. Von der angemessenen Eigenkapitalverzinsung ist die Substanzerhaltung zu unterscheiden, die ebenfalls eine Nichtanpassung rechtfertigen kann.
97
Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit eines Unternehmens ist nach seiner gesamtwirtschaftlichen Situation zu beurteilen. Die zu erwartenden Überschüsse sind nur ein Kriterium. Wertzuwächse sind bei der Anpassungsentscheidung nach § 16 BetrAVG nur insoweit zu berücksichtigen, als sie vom Unternehmen erwirtschaftet wurden und ohne Gefährdung der Wettbewerbsfähigkeit und der Arbeitsplätze verwertet werden können. Deshalb ist die wirtschaftliche Belastbarkeit des Unternehmens auch dann beeinträchtigt, wenn die Eigenkapitalausstattung ungenügend ist. Bei Eigenkapitalverlusten bzw. einer Eigenkapitalauszehrung muss verlorene Vermögenssubstanz wieder aufgebaut werden. Bis dahin besteht keine Verpflichtung zur Anpassung von Versorgungsleistungen (BAG v. 28.05.2013, 3 AZR 125/11 Rn. 49 – zitiert nach juris).
98
iii. Beide Berechnungsfaktoren sind auf der Grundlage der nach den handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten Jahresabschlüssen und nicht nach den nach internationalen Rechnungslegungsregeln erstellten Abschlüssen zu bestimmen.
99
Bei der Prüfung nämlich ist ein für alle Arbeitgeber einheitlich geltender Maßstab anzulegen, der die wirtschaftliche Lage objektiv wiedergibt. Demgemäß ist zum einen von Abschlüssen auszugehen, über die jeder Arbeitgeber verfügt; zum anderen müssen diese Abschlüsse nach Rechnungslegungsregeln aufgestellt worden sein, die ein den tatsächlichen wirtschaftlichen Bedingungen entsprechendes Bild der wirtschaftlichen Lage geben. Dies ist bei den nach den Rechnungslegungsregeln des HGB erstellten Jahresabschlüssen gewährleistet.
100
Demgegenüber haben die nach den Rechnungslegungsregeln der IFRS bzw. IAS erstellten Abschlüsse nicht für alle, sondern nur für kapitalmarktorientierte Unternehmen Bedeutung und dienen – anders als die handelsrechtlichen Abschlüsse – nicht dem Gläubigerschutz, sondern sollen primär Investoren oder Anteilseignern entscheidungsrelevante Erkenntnisse über die Sinnhaftigkeit eines Investments vermitteln. Insofern unterscheiden sich die internationalen Rechnungslegungsregeln grundsätzlich vom deutschen Bilanzrecht, das neben der Informationsfunktion auch die Zahlungsbemessungsfunktion betont. Diese langjährige, durch höchstrichterliche Rechtsprechung bestätigte Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs „wirtschaftliche Lage“ begründet verlässliche Kriterien und dient damit auch der Rechtssicherheit (insgesamt BAG v. 21.02.2017, 3 AZR 455/15 Rn. 36 ff. – zitiert nach juris).
101
(d) Für die Anpassungsentscheidung kommt es ausschließlich auf die tatsächliche Lage des Unternehmens an. Nicht berücksichtigungsfähig ist die – fiktive – Situation, die bestünde, wenn unternehmerische Entscheidungen anders getroffen worden wären (BAG v. 15.11.2022, 3 AZR 505/21 Rn. 41- zitiert nach juris). Der Arbeitgeber schuldet den Betriebsrentnern kein sinnvolles Wirtschaften, zumal eine Rentenerhöhung trotz tatsächlicher Substanzauszehrung die Grundlage eben dieser Rentenzahlung gefährdete.
102
(e) Abzustellen ist grundsätzlich ausschließlich auf die wirtschaftliche Lage des die Altersversorgung schuldenden Arbeitgebers bzw. seines Rechtsnachfolgers.
103
Dies gilt auch im Konzern, der eine wirtschaftliche Verbindung selbständiger Unternehmen und keine eigene Rechtspersönlichkeit ist und demnach nicht Schuldner der Betriebsrentenanpassung sein kann.
104
Nur ausnahmsweise bedarf es eines Berechnungsdurchgriffs auf die Konzernmutter, wenn den Tochterunternehmen kompensationslos Vermögenswerte entzogen werden, wofür ein Beherrschungs- oder Abführungsvertrag Indiz sein kann (BAG v. 07.06.2016, 3 AZR 193/15 Rn. 25 – zitiert nach juris; BAG v. 02.09.2014, 3 AZR 952/12 Rn. 22 – zitiert nach juris; ErfK-Steinmeyer BetrAVG § 16 Rn. 32 f.).
105
(f) Bei der notwendigen Anpassungsprüfung namentlich auch der wirtschaftlichen Lage steht dem Arbeitgeber ein Beurteilungsspielraum zu: ihm ist grundsätzlich überlassen, welche Umstände er in die Abwägung einstellt und wie er die Bewertungen vornimmt (BAG v. 23.05.2000, 3 AZR 83/99 Rn. 18 – zitiert nach juris; BAG v. 29.11.1988, 3 AZR 184/87 Rn. 24 – zitiert nach juris; ErfK-Steinmeyer § 16 BetrAVG Rn. 13).
106
(g) Maßstab der Anpassungsentscheidung ist billiges Ermessen.
107
Dem entscheidungsberechtigten Arbeitgeber steht ein Spielraum von zu wählendem Verhalten zur Verfügung. Dabei ist er an den Grundsatz der Billigkeit gebunden. Dieser soll die Austauschgerechtigkeit im Einzelfall erreichen. Dies erfordert eine umfassende Analyse und Abwägung der genannten Interessen beider Vertragsparteien unter Berücksichtigung aller tatsächlichen Umstände (MüKo-Würdinger BGB § 315 Rn. 39 ff.- zitiert nach beck-online).
108
(h) Die Anpassungsentscheidung hat ausweislich des Gesetzeswortlauts und seiner Konzeption individuell für alle Arbeitnehmenden zu erfolgen. Aus Praktikabilitätsgesichtspunkten – gerade im Hinblick auf große Unternehmen mit vielen Betriebsrentnern – ist eine Standardisierung und Generalisierung der Entscheidungskriterien für alle Betriebsrentner zulässig (ErfK-Steinmeyer BetrAVG § 16 Rn. 12; Grobys/Panzer-Heemeier, StichwortKomm. ArbR, Betriebliche Altersversorgung Rn. 193 – zitiert nach beck-online). Dies entspricht nicht zuletzt dem Gebot der Gleichbehandlung, das eine Erhöhung nur für Teile der Betriebsrentenberechtigten – etwa die Empfänger niedriger Renten – grundsätzlich ausschließt.
109
(i) Die Darlegungs – und Beweislast dafür, dass seine Anpassungsentscheidung billigem Ermessen entspricht und sich in den Grenzen des § 16 BetrAVG hält, trägt der entscheidende Arbeitgeber. Diese erstreckt sich auf alle die Anpassungsentscheidung beeinflussenden Umstände (BAG v. 23.02.2021, 3 AZR 15/20 Rn. 75 – zitiert nach juris; BAG v. 21.02.2017, 3 AZR 455/15 Rn. 42 – zitiert nach juris).
110
2. Entgegen der Ansicht des Klägers ist ein Abweichen von den genannten Grundsätzen im konkreten Fall nicht veranlasst. Vielmehr passen diese unmittelbar auf die hiesige Konstellation.
111
a. Der Konzernzusammenhang mit der V. SE, auf die der Kläger zweitinstanzlich besonders rekurriert, hat keine erkennbare Relevanz für die Bewertungsgrundsätze zur wirtschaftlichen Lage der Beklagten zu 1).
112
(1) Grundsätzlich ist auch im Konzern, wie dargestellt, auf die Situation des die Betriebsrente schuldenden Unternehmens abzustellen.
113
Nur ausnahmsweise findet ein Bewertungsdurchgriff statt, nämlich dann, wenn die wirtschaftlichen Erfolge unmittelbar aus dem Unternehmen abgezogen werden.
114
(2) Vorliegend ist derartiges nicht ersichtlich.
115
Namentlich besteht keine Gewinnabführungsabsprache zwischen der Beklagten zu 1) und der Konzernmutter.
116
Das vom Kläger in diesem Zusammenhang genannte Cash-Pool-Verfahren scheint ausweislich der vorliegenden Jahresabschlüsse nicht eine solche Wirkung zu haben: die operativen Gewinne der Beklagten zu 1) „verschwanden“ in der Vergangenheit nicht im Cash-Pool, während das Unternehmen Bilanzverluste schrieb. Die negativen Zahlen in 2019 stammen erkennbar aus operativen Verlusten. Gleichzeitig wurden Forderungen aus dem CashPool gegenüber der V. SE teilweise aufgelöst, so dass sie von € 1,5 Mrd. 2017 auf € 52 Mio. 2019 sanken. Der nachfolgende enorme Anstieg der Forderungen in 2021 und 2022 war nicht der Umleitung operativer Gewinne, sondern vielmehr der Finanzspritze durch die Gesellschafterin V. SE zuzuschreiben.
117
b. Ebensowenig ist die Prüfung der wirtschaftlichen Lage vorliegend anders als nach den genannten Grundsätzen durchzuführen, weil es sich, so der Kläger, bei der Beklagten zu 1) um ein staatliches Rüstungsunternehmen handle, das nicht auf Eigenkapital angewiesen noch daran interessiert sei, weil es den beteiligten Staaten – Deutschland, Frankreich, Spanien – primär darum gehe, billige Rüstungsgüter zu erwerben.
118
Die Bedenken greifen schon deshalb nicht, weil es sich bei der Beklagten zu 1) nicht um ein Staatsunternehmen handelt: an ihr besteht keine staatliche Beteiligung.
119
Anders als der Kläger angibt, wirtschaftet die Beklagte – entsprechend ihrer Rechtsform als GmbH – zudem mit Gewinnerzielungsabsicht, was in vielen Jahren vor 2017 erfolgreich geschah und sich durch die regelmäßigen Anpassungen der Rente auch zugunsten des Klägers ausgewirkt hat. Ein Anhaltspunkt dafür, dass die Beklagte zu 1) grundsätzlich nicht erwirtschaften müsse, was sie ausgibt, ist nicht erkennbar. Es bleibt damit bei der grundsätzlichen Frage, ob sie sich eine Anpassung der Renten leisten kann.
120
c. Die Anwendung internationaler Rechnungsregeln zur Erstellung der Abschlüsse im Q-Konzern bedingt ebensowenig eine Abkehr von der grundsätzlichen Prognose der wirtschaftlichen Lage aufgrund handelsrechtlicher Jahresabschlüsse.
121
Wie oben dargestellt, dient dies der validen Grundlage.
122
Soweit der Kläger meint, diese eigneten sich nicht, die wirtschaftliche Lage des Unternehmens bei Anpassungsprüfungen nach § 16 BetrAVG zu beurteilen, gebietet es die Rechtssicherheit, diese langjährige Rechtsprechung zur Konkretisierung des unbestimmten Rechtsbegriffs der wirtschaftlichen Lage beizubehalten. Es sind keine Gründe ersichtlich, von dieser Rechtsprechung abzuweichen (BAG v. 21.02.2017, 3 AZR 455/15 Rn. 37 f. – zitiert nach juris).
123
d. Wenn der Kläger schließlich die Grundsätze dadurch konterkariert sieht, weil die Beklagte zu 1) ohne rechtliche Verpflichtung Rentner übernommen habe und daher eine Rentnergesellschaft darstelle, trifft dieser letzte Schluss nicht zu: Die Beklagte ist, wie oben ausgeführt, nicht ausschließlich oder vor allem eine rechtliche Parkmöglichkeit für die Betriebsrentenberechtigten des Konzerns, sondern eine werbende Gesellschaft, die bis 2017 auch erfolgreich und damit zugunsten des Klägers gewirtschaftet hat.
124
3. Bei Anwendung der genannten Grundsätze hat die Beklagte zu 1) die Pflicht zur ermessensgerechten Anpassungsentscheidung erfüllt; diese ist nicht zu beanstanden.
125
a. Aufgrund der wirtschaftlichen Lage der Beklagten zu 1) in der Vergangenheit musste sie am Anpassungsstichtag, dem 01.07.2023, davon ausgehen, dass sie unter Berücksichtigung der (damals) aktuellen erheblichen Risikofaktoren wie dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine, der Inflation und der gestiegenen Energiekosten sowie amerikanischer Wettbewerber eine Rentenerhöhung bis zum nächsten Prüfungstermin nicht aus den Wertzuwächsen und den Erträgen des Unternehmens unter Wiederaufbau ihres Eigenkapitals erwirtschaften können werde.
126
(1) Die Beklagte beruft sich dazu vor allem auf Eigenkapitalauszehrung und mangelnde Eigenkapitalverzinsung in den maßgeblichen Jahren. Zutreffend hat sie dazu die Entwicklung des Zeitraums zwischen den Anpassungsentscheidungen der Jahre 2020 bis 2023 herangezogen, die der dreijährigen Mindestspanne entsprechen. In dieser Zeit bestand jeweils ein Jahresfehlbetrag, der ab 2019 das Eigenkapital aus gezeichnetem und Kapitalrücklage massiv reduzierte. Wenn dem 2021 und 2022 durch Kapitalerhöhungen durch die V. SE gegengesteuert wurde, so waren diese nicht von der Beklagten zu 1) selbst erwirtschaftet. Zudem wurden sie zwar als Kapitalrücklage gebucht und erhöhten damit das Eigenkapital, waren aber unmittelbar an den Cash-Pool zurückgeleitet, wie sich aus der bilanztechnische Aufnahme des Betrags in die Forderungen ergibt.
127
Parallel dazu war bis 2022 die Eigenkapitalverzinsung im negativen Bereich.
128
Diese Tendenz hatte sich bereits seit 2018 gezeigt und war damit schon verfestigt. Dies gilt namentlich für die Tatsache, dass, wie sich aus den Jahresabschlüssen und der vom Kläger erstellten Zusammenstellung in BK4 ergibt, die Umsatzkosten vielfach – nämlich 2018, 2019, 2021 und 2022 – die Umsatzerlöse deutlich überstiegen.
129
Wenn der Kläger moniert hat, die Zeit vor 2020 sei für die Prognose 2023 nicht heranzuziehen, so geht dies fehl: der Dreijahreszeitraum ist eine Mindestspanne; für die Prognose kann es sinnvoll sein, die Dauer einer Entwicklung zu beobachten, um sie als Tendenz festzumachen.
130
(2) Zutreffend konnte sich die Beklagte zu 1) zur Begründung auf die handelsrechtliche Jahresabschlüsse stützen.
131
Diese bilden, wie ausgeführt, eine valide Zahlengrundlage für die Prognose zur wirtschaftlichen Lage.
132
Wenn der Kläger demgegenüber angesichts der im Konzern gängigen internationalen Bilanzierungsmethoden den Rekurs darauf für willkürlich hält, greift dies nicht; denn die internationalen Rechnungslegungsregeln der IFRS bzw. IAS bieten, wie dargestellt, gerade keine dem Gläubigerschutz genügende verlässliche Grundlage.
133
(3) Entgegen der Ansicht des Klägers bedurfte es im gerichtlichen Verfahren nicht eines Sachverständigengutachtens oder einer sachverständigen Erläuterung der vorgelegten Jahresabschlüsse. Vielmehr konnte die Kammer aufgrund der eigenen Kenntnisse von Bilanzen entscheiden.
134
Etwas anderes gilt dort, wo keine handelsrechtlichen Abschlüsse vorgelegt werden. In diesem Fall besteht eine erweiterte Darlegungs- und Erläuterungslast der entsprechenden Partei, um den durch die Rechtsprechung entwickelten verlässlichen Vorgaben zu entsprechen.
135
Die Heranziehung eines Sachverständigen war hier auch nicht im Hinblick auf das in der Bilanz verwandte Umsatzkostenverfahren veranlasst. Denn dabei handelt es sich um ein zulässiges Verfahren nach § 275 HGB.
136
b. Die Einwendungen des Klägers gegen diese Einschätzung der wirtschaftlichen Lage greifen nicht.
137
(1) Soweit der Kläger anführt, die Beklagte zu 1) verfüge jährlich über Anzahlungen in Höhe von fast € 5 Mrd., so beeinflusst dieser Umstand die wirtschaftliche Lage nicht.
138
Ob das Geschäft, auf das die Anzahlungen geleistet werden, zu einem insgesamt einträglichen Jahresergebnis im Sinn eines Gewinns oder zu Verlusten führt, ergibt sich aus dem Vergleich namentlich des Umsatzerlöses und der -Kosten, wie er in der Gewinn- und Verlustrechnung erfolgt. Die Anzahlungen haben insofern im Hinblick auf die wirtschaftliche Lage keine eigene Wirkung.
139
Die Tatsache, dass durch sie eine Steigerung der Liquidität herbeigeführt wird, ändert daran nichts: Geldmittel verfügbar zu haben heißt nicht, dass diese Geldmittel auch dem Unternehmen materiell zuzurechnen sind. Dies ergibt sich, wie dargestellt, erst in der Endabrechnung. Darauf aber, dass das Unternehmen das Geld tatsächlich erwirtschaftet hat, kommt es für die Anpassungsentscheidung an, nicht auf die Verfügbarkeit der finanziellen Mittel. Der Arbeitgeber muss die Rentenanpassung nicht über Kredite finanzieren.
140
(2) Selbes gilt für die Teilnahme der Beklagten zu 1) am Cash-Pool-Verfahren des Konzerns: Allein die Tatsache, dass sie daraus Finanzmittel erhalten kann, verbessert nicht ihre wirtschaftliche Lage. Dies stellt einzig eine Steigerung der Liquidität, nicht aber eine solche der wirtschaftlichen Lage dar.
141
(3) Die Einwände des Klägers gegen die Art der Berücksichtigung der Pensionsrückstellungen in den Jahresabschlüssen greifen nicht.
142
i. Ihre Erfassung mit dem Erfüllungsbetrag/Barwert ist in § 253 Abs. 1 S. 2 HGB gesetzlich vorgeschrieben und daher nicht zu beanstanden.
143
ii. Die im Zusammenhang von Zinssenkungen erfolgte Erhöhung der Rückstellungen namentlich in 2018 und 2022 ist ebensowenig zu beanstanden.
144
Sie ist notwendig, um den Erfüllungswert im Moment der Zahlung verfügbar zu haben. Insofern hat die Beklagte damit erhebliche Mittel aufgewandt, um den Betriebsrentnern (jedenfalls) den derzeitigen Stand der Leistungen zu sichern.
145
Zinssenkungen wie dadurch bedingter Wertverlust von Anlagen, die der Deckung von Pensionszusagen dienen sollen, sind keine Einmaleffekte, sondern die in der Geldanlage angelegten Risiken, die sich jährlich verwirklichen können.
146
iii. Soweit der Kläger die Rentenrückstellungen im Rahmen der Bewertung der wirtschaftlichen Lage für die Frage der Anpassung nicht berücksichtigt sehen will, weil durch sie die Liquidität des Unternehmens nicht beeinträchtigt werde, gilt (wie oben wiederholt dargestellt) auch hier, dass die Liquidität des Unternehmens nicht unmittelbar auf dessen positive wirtschaftliche Lage schließen lässt. Es kommt für die Anpassung der Renten nicht darauf an, dass Barmittel vorhanden sind, die verteilt werden können, sondern darauf, dass diese Barmittel tatsächlich aus den Erträgen des Unternehmens und seinem Wertzuwachs stammen und insofern erwirtschaftet sind.
147
iv. Wenn der Kläger schließlich unter Hinweis auf 18.000 gegenüber der Beklagten zu 1) Pensionsberechtigte wiederholt die Übernahme nicht geschuldeter Pensionsverpflichtungen durch diese rügt und die dadurch bewirkte negative Beeinflussung ihrer wirtschaftlichen Lage als hausgemachtes Problem und deshalb als nicht berücksichtigungsfähig ansieht, verkennt er, dass es auf die tatsächlichen Umstände und nicht darauf ankommt, wie sich die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1) entwickelt hätte, wenn diese Entscheidung nicht getroffen worden wäre.
148
c. Weitere Umstände sind entgegen der Ansicht des Klägers in die prognostische Beurteilung der wirtschaftlichen Lage der Beklagten zu 1) nicht einzustellen.
149
(1) Die Angaben des Klägers, die Beklagte erziele seit Jahren einen gleichmäßigen Jahresumsatz, sie habe einen gleichmäßigen Auftragsbestand und ihre Auftragslage sichere ihr Anzahlungen und den Absatz ihrer Waren, sind ohne Relevanz.
150
Umsätze sind ebenso wie die Auftragslage keine validen Gradmesser der wirtschaftlichen Lage und Entwicklung eines Unternehmens. Sie lassen nicht sicher auf Gewinn schließen; vielmehr sind dazu die Kosten der Umsätze gegenzurechnen, die, wie sich aus den Jahresabschlüssen der Beklagten zu 1) ergibt, gerade in ihrem Fall vielfach die Erlöse aus den Aufträgen übersteigen.
151
Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang wieder auf die Anzahlungen verweist, gilt das oben Gesagte: die Anzahlung ist ohne jede Aussagekraft für den wirtschaftlichen Ertrag aus einem Auftrag oder Verkauf; die durch sie vermittelte Liquidität bedeutet nicht gleichzeitig Wirtschaftskraft.
152
(2) Die Übernahme der T. GmbH kann ebensowenig als positiver Umstand in die Prognose zur wirtschaftlichen Entwicklung herangezogen werden.
153
Es fehlt am Vortrag zu Umständen, aufgrund derer mit einer belastbaren Wahrscheinlichkeit am Stichtag 01.07.2023 von einer positiven Entwicklung dieses Geschäfts auszugehen war. Die Beklagte zu 1) ihrerseits hat umgekehrt unbestritten vorgetragen, die Sparte habe im Vorjahr noch Verluste gemacht, zumal im Juli 2023 die notwendige aufsichtsbehördliche Genehmigung für die Übernahme noch nicht vorgelegen hat.
154
(3) Die Berücksichtigung der Lageberichte, wie der Kläger sie vorschlägt, weil diese ein durchweg positives Bild der Entwicklung der Beklagten zu 1) zeichneten, scheidet ebenfalls aus.
155
Als Grundlage für eine valide Beurteilung und Prognose kommt der Lagebericht nicht in Betracht. In ihm, der kein Bestandteil des Jahresabschlusses, sondern rechtlich eigenständig ist, sind nach der gesetzlichen Vorstellung (in § 289 Abs. 1 Satz 1 HGB) der Geschäftsverlauf einschließlich des Ergebnisses und die Lage der Kapitalgesellschaft umfassend darzustellen, dass ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild vermittelt wird. Er soll die durch den Jahresabschluss vermittelten Informationen verdichten und sie sachlich und zeitlich ergänzen; außerdem die voraussichtliche Entwicklung mit ihren wesentlichen Chancen und Risiken beurteilen und erläutern. Diese Chancen und Risiken können auch auf Annahmen zur zukünftigen Marktentwicklung beruhen; ihnen liegen gerade keine feststehenden wirtschaftlichen Daten zugrunde (BAG v. 15.11.2022, 3 AZR 505/21 Rn. 44 – zitiert nach juris).
156
(4) Auch der Jahresabschluss des Jahres 2023 mit seinen wiederum gegenüber 2022 positiven Aussagen zu den wirtschaftlichen Entwicklungen, namentlich zum Jahresüberschuss und der Eigenkapitalentwicklung, konnte in der Prognose und damit in der Anpassungsentscheidung schon deshalb keine Beachtung finden, weil er erst nach dem Anpassungsstichtag im Juli 2023 vorlag.
157
Wenn der Kläger in diesem Zusammenhang immer wieder darauf rekurriert, dass der Abschluss vor der mündlichen Verhandlung in erster Instanz veröffentlicht worden sei, so ändert dies an sich nichts: für die Prognose ist auf den Stichtag abzustellen.
158
Die tatsächlich positive Entwicklung kann allenfalls die Frage stellen, ob sie bereits aus objektiven Umständen, die am Stichtag vorlagen, vorhersehbar gewesen ist. Dazu aber hat der Kläger nicht weiter vorgetragen. Die Beklagte zu 1) ihrerseits hat angegeben, 2023 habe sich ein Sondereffekt durch den Verkauf ihrer Anteile an der Holding ausgewirkt. Außerdem bleibe es bei der Eigenkapitalunterdeckung, und es sei nicht absehbar, dass diese bis 2026 getilgt sei, zumal angesichts einer Gewinnwarnung vom 24.06.2024 für den Airbuskonzern.
159
d. Die Entscheidung der Beklagten ist auch im übrigen nicht zu monieren. Insbesondere ist sie ausreichend individualisiert auf den Kläger als Berechtigten.
160
(1) Die Anpassungsentscheidung der Beklagten zu 1) kann, wie dargestellt, generalisierend erfolgen, auch wenn sie nach § 16 BetrAVG eine individuelle für jeden Rentenberechtigten ist.
161
Die wirtschaftliche Lage der Beklagten zu 1) stellt sich gegenüber allen Betriebsrentnern gleich dar. Sie ist derart, dass die Beklagte gegen weitergehende Ausgaben für Betriebsrenten entscheiden konnte. Darauf, dass es im Verhältnis zum Kläger um eine Erhöhung von „nur“ € 331 geht, kommt es daher nicht an, zumal eine isolierte Anhebung von niedrigen Renten gegen das Gleichbehandlungsgebot verstieße und unzulässig wäre.
162
(2) Dabei kommt es, wie dargestellt, für die Entscheidung nicht auf die individuellen Umstände des Klägers an. Als nachgehendes Entgelt richtet sich die Rente ebenso wie die Vergütung des aktiv Beschäftigten nicht nach den persönlichen Bedürfnissen des Zahlungsberechtigten.
III.
163
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 97, 269 Abs. 3 ZPO: Der berufungsführende Kläger hat die Kosten seines teils zurückgenommenen, teils erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.
IV.
164
Die Revision war nicht zuzulassen, insbesondere kommt dem Fall keine besondere über die Klärung der zwischen den Parteien streitigen Rechtsfragen hinausgehende Bedeutung i. S. d. § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG zu. Ein Grund, von der Auslegung durch die gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung abzuweichen, liegt nicht vor: die zu beurteilende Konstellation ist entgegen der klägerischen Ansicht keine (rechtlich) besondere.