Titel:
Keine Wertaddition bei (Fortsetzungs-)Feststellungsantrag und Anfechtung eines Kostenbescheides
Normenketten:
GKG § 39 Abs. 1, § 52 Abs. 3, § 68
ZPO § 5
Leitsätze:
1. Bei der Bestimmung des Streitwerts mehrerer Anträge in einer Klage unterbliebt eine Wertaddition, soweit die Anträge wirtschaftlich identisch sind, dh auf dasselbe wirtschaftliche Interesse des Klägers gerichtet sind und daneben keine selbstständige Beschwer begründen. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Bei einer Anfechtungsklage gegen einen Kostenbescheid ist auch die Rechtmäßigkeit der betreffenden polizeilichen Maßnahme zu prüfen, sodass an einer gesonderten Feststellung über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen regelmäßig kein weiteres wirtschaftliches Interesse besteht und eine Wertaddition des (Fortsetzungs-)Feststellungsantrages und des Anfechtungsantrages ausscheidet. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Streitwertbeschwerde, Fortsetzungsfeststellungsklage bei Sicherstellungsanordnung eines PKW, Anfechtungsklage gegen Kostenbescheid, wirtschaftliche Identität, Fortsetzungsfeststellungsklage, Sicherstellungsanordnung, Anfechtungsklage, Kostenbescheid, Wertaddition
Vorinstanz:
VG München, Beschluss vom 22.12.2022 – M 23 K 22.4082
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1931
Tenor
Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
Gründe
1
Der Kläger beantragte im Verfahren M 23 K 22.4082 zum einen festzustellen, dass die Sicherstellung seines Fahrzeugs am 14. Juli 2022 auf der Grundlage des § 25 Nr. 2 PAG rechtswidrig war, und zum anderen den Leistungsbescheid des Polizeipräsidiums M. vom 26. Juli 2022, in dem ihm Abschlepp- und Verwahrungsgebühren in Höhe von insgesamt 559,75 Euro in Rechnung gestellt wurden, aufzuheben sowie den Beklagten zur Rückzahlung des bereits gezahlten Betrags zu verurteilen.
2
Nach übereinstimmenden Erledigungserklärungen durch die Beteiligten stellte das Verwaltungsgericht das Verfahren mit Beschluss vom 22. Dezember 2022 ein, erlegte dem Beklagten die Kosten auf und setzte (in Nr. III des Beschlusses) den Streitwert auf 559,75 Euro fest.
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Am 24. Januar 2023 legte der Bevollmächtigte des Klägers Beschwerde gegen die Streitwertfestsetzung ein. Er ist der Meinung, der in der Klage enthaltene Feststellungsantrag sei mit einem Wert von 5.000,- Euro anzusetzen, und beantragt, den Streitwert auf 5.559,75 Euro festzusetzen.
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Das Verwaltungsgericht München half der Beschwerde nicht ab.
5
Der Beklagte trat der Beschwerde entgegen.
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Zu weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten verwiesen.
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Über die Streitwertbeschwerde nach § 68 GKG entscheidet der Berichterstatter als Einzelrichter (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 6 Satz 1 Halbs. 2 GKG).
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Die Beschwerde ist zulässig. Der Bevollmächtigte des Klägers ist beschwerdebefugt (§ 32 Abs. 2 Satz 1 RVG). Durch die Festsetzung eines zu niedrigen Streitwerts ist er beschwert; die Beschwerdesumme, für deren Berechnung die Differenz der aus den verschiedenen Streitwerten resultierenden Gebühren maßgeblich ist (vgl. Gebührentabelle in Anlage 2 zu § 13 Abs. 1 Satz 3 RVG), übersteigt 200,- Euro (§ 68 Abs. 1 Satz 1 GKG).
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Die Beschwerde ist jedoch nicht begründet.
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In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit ist der Streitwert, soweit nichts anderes bestimmt ist, nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG deren Höhe maßgebend. In demselben Verfahren werden die Werte mehrerer Streitgegenstände zusammengerechnet, soweit nichts anderes bestimmt ist (§ 39 Abs. 1 GKG).
11
Im Fall einer objektiven Klagehäufung bedarf es nach § 39 Abs. 1 GKG i.V.m. § 5 ZPO der Prüfung, inwieweit die in einer Klage zusammen verfolgten Begehren (§ 44 VwGO) eine selbstständige Bedeutung haben. Eine Wertaddition unterbleibt, soweit Anträge wirtschaftlich identisch sind, d.h. auf dasselbe wirtschaftliche Interesse des Klägers gerichtet sind und daneben keine selbstständige Beschwer begründen (vgl. BGH, B.v. 3.5.2022 – II ZR 41.21 – juris Rn. 2; NdsOVG, B.v. 12.8.2009 – 5 OA 298/08 – NVwZ-RR 2010, 40 = juris Rn. 3). Unter Orientierung an dieser Rechtsprechung sieht Nr. 1.1.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit die Addition der Werte mehrerer Anträge mit selbstständiger Bedeutung nur vor, wenn die Streitgegenstände jeweils einen selbstständigen wirtschaftlichen Wert oder einen selbstständigen materiellen Gehalt haben (BayVGH, B.v. 9.5.2023 – 8 C 23.761 – juris Rn. 9; BayVGH, B.v. 17.6.2010 – 11 C 10.1352 – juris Rn. 11 ff.).
12
Im vorliegenden Fall betreffen der (Fortsetzungs-)Feststellungsantrag bezüglich der Sicherstellung des Fahrzeugs und das Anfechtungsbegehren gegen den Leistungsbescheid bezüglich der Abschleppkosten des Fahrzeugs dasselbe wirtschaftliche Interesse. Da Kosten nur für rechtmäßige Polizeimaßnahmen erhoben werden dürfen (vgl. Senftl in Möstl/Schwabenbauer, Beck OK Polizei- und Sicherheitsrecht Bayern, Stand 1.3.2024, PAG Art. 28 Rn. 31, Art. 25 Rn. 30 u. 45; BVerwG, U.v. 24.5.2018 – 3 C 25.16 – BVerwGE 162, 146 = juris Rn. 11; vgl. auch BayVGH, B.v. 17.6.2010 – 11 C 10.1352 – juris Rn. 12), ist bei einer Anfechtungsklage gegen einen Kostenbescheid in jedem Fall (auch) die Rechtmäßigkeit der betreffenden polizeilichen Maßnahme zu prüfen. An einer gesonderten Feststellung über die Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit der polizeilichen Maßnahmen besteht daher regelmäßig kein weiteres wirtschaftliches Interesse.
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Somit hat das Verwaltungsgericht zu Recht den Streitwert des Verfahrens auf den Betrag des angefochtenen Leistungsbescheids festgesetzt.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Das Verfahren ist nach § 68 Abs. 3 Satz 1 GKG gebührenfrei. Kosten werden gemäß § 68 Abs. 3 Satz 2 GKG nicht erstattet. Demnach erübrigt sich die Festsetzung eines Streitwerts für das Beschwerdeverfahren.
15
Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG, § 152 Abs. 1 VwGO).