Inhalt

OLG München, Beschluss v. 01.08.2025 – 34 Wx 153/25 e
Titel:

Aufgebotsverfahren, Gewillkürte Verfahrensstandschaft, Verzichtserklärung, Kraftloserklärung, Abgabe einer Löschungsbewilligung, Grundpfandrechte, Grundschuldbrief, Entstehen einer Eigentümer-Grundschuld, Grundschulden, Grundschuldgläubiger, Rückgewähranspruch, Bausparkassen, Grundpfandrechtsgläubiger, Grundstückseigentümer, Antragsberechtigung, Eintragung im Grundbuch, Löschungsfähige Quittung, Willenserklärungen, Antragsberechtigte, Grundbuchrecht

Normenketten:
BGB § 1168 Abs. 1, Abs. 2
FamFG § 434, § 467 Abs. 2, § 468
ZPO § 265 Abs. 2, § 266 Abs. 1
Leitsätze:
1. Die für die Begründung einer gewillkürten Verfahrensstandschaft im Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Grundpfandrechtsbriefs erforderliche Ermächtigung durch den Rechtsinhaber kann auch durch eine Verzichtserklärung erfolgen. 
2. Hierzu muss die Verzichtserklärung weder unwiderruflich noch in grundbuchtauglicher Form abgegeben werden. 
3. Ein Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Grundpfandrechtsbriefs kann nach Veräußerung des belasteten Grundbesitzes vom vormaligen Eigentümer in gesetzlicher Verfahrensstandschaft weitergeführt werden. 
4. Im Aufgebotsverfahren führt ein anfänglicher Mangel der Antragsberechtigung nicht zur Zurückweisung, wenn der Mangel im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag behoben ist. 
Schlagworte:
Grundschuldbrief, Aufgebotsverfahren, Verfahrensstandschaft, Verzichtserklärung, Antragsberechtigung, Eigentümerwechsel, Grundbuchverfahren
Vorinstanz:
AG Memmingen, Beschluss vom 09.04.2025 – 62 II 4/25
Fundstelle:
BeckRS 2025, 19312

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerinnen wird der Beschluss des Amtsgerichts Memmingen vom 9.4.2025 aufgehoben.
II. Die Sache wird an das Amtsgericht zurückverwiesen.

Gründe

I.
1
Die Beteiligten begehren die Kraftloserklärung eines Grundschuldbriefs im Wege des Aufgebotsverfahrens.
2
Im Grundbuch war seit 9.4.2024 die Beteiligte zu 2 als Eigentümerin von Grundbesitz aufgrund Erbfolge eingetragen. In Abt. III war seit 6.3.1992 unter Nr. 1 eine Grundschuld über 60.000 DM für eine Bausparkasse eingetragen.
3
Mit notarieller Urkunde vom 23.12.2024 überließ die Beteiligte zu 2 den Grundbesitz der Beteiligten zu 1 zu Alleineigentum.
4
Zu weiterer notarieller Urkunde vom 19.2.2025 versicherten die Beteiligten an Eides statt, ihnen sei nicht bekannt, wo sich der Grundschuldbrief befinde. Sie erklärten, nach Angabe des Gläubigers sei der Brief nach vollständiger Tilgung der gesicherten Verbindlichkeiten an den Eigentümer übersandt worden. Es werde ihrerseits vermutet, dass dieser anschließend versehentlich vernichtet wurde. Über die näheren Umstände des Verlusts sei nichts bekannt; Unterlagen seien nicht mehr vorhanden. Eine beglaubigte Abschrift der Verzichtserklärung des im Grundbuch eingetragenen Grundpfandrechtsgläubigers solle vom Notar dieser Urkunde zu Beweiszwecken beigefügt und hierzu gegebenenfalls angefordert werden. Die Beteiligten beantragten, den Grundpfandrechtsbrief für kraftlos zu erklären. Die Durchführung des erforderlichen Aufgebotsverfahrens werde beantragt. Mit Schreiben vom 24.2.2025 übermittelte der Notar die Urkunde dem Amtsgericht mit dem Antrag, das Aufgebotsverfahren zu eröffnen.
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Am 12.3.2025 wurde die Beteiligte zu 1 anstelle der Beteiligten zu 2 als Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
6
Das Amtsgericht wies den Antrag mit Beschluss vom 9.4.2025, zugestellt am 11.4.2025, zurück. Gemäß § 467 Abs. 2 FamFG sei derjenige zur Stellung des Antrags berechtigt, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann. Bei Grundpfandrechtsbriefen sei dies grundsätzlich der Inhaber des dinglichen Rechts. Bei dem Aufgebot verlorener oder vernichteter Grundpfandrechtsbriefe sei jedoch auch eine gewillkürte Verfahrensstandschaft des Grundstückseigentümers anerkannt, wenn diesem vom Grundpfandrechtsgläubiger die Löschungsbewilligung in grundbuchmäßiger Form überlassen worden sei. Nach Ansicht des Gerichts genüge hingegen die Vorlage einer Verzichtserklärung nicht, da Wirksamkeitsvoraussetzung die Eintragung in das Grundbuch sei, § 1168 Abs. 2 BGB, welcher auf Grundschulden entsprechend anwendbar sei. Nachdem der Verzicht eine einseitige, nicht formbedürftige Willenserklärung, darstelle, die vorbehaltlich § 875 Abs. 2 BGB frei widerruflich sei, könne die Aushändigung einer nicht formbedürftigen Verzichtserklärung gerade nicht mit der Konstellation der Aushändigung einer Löschungsbewilligung in grundbuchmäßiger Form gleichgesetzt werden. Die Aushändigung der Bewilligung habe nämlich die Bindung an die sachlichrechtliche Erklärung zur Folge. Für die Berechtigung zur Antragstellung sei Voraussetzung immer, dass der Antragsteller vom tatsächlichen Rechtsinhaber wirksam ermächtigt worden ist, das Recht im eigenen Namen geltend zu machen, und er daran ein eigenes rechtliches Interesse hat. Gerade weil die Verzichtserklärung eine einseitige, nicht formbedürftige Willenserklärung, darstelle, die vorbehaltlich § 875 Abs. 2 BGB frei widerruflich sei, erachte das Gericht diese für die Voraussetzung einer wirksamen Ermächtigung, mit der Grundschuld beliebig zu verfahren, nicht als ausreichend.
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Mit im Postwege übermitteltem Schreiben vom 14.4.2025, dem eine beglaubigte Abschrift der Verzichtserklärung der Bausparkasse vom 3.2.2025 in öffentlich beglaubigter Form beigefügt war, legte der Urkundsnotar Beschwerde ein und beantragte, den Beschluss aufzuheben und das Aufgebotsverfahren durchzuführen. Das Amtsgericht verwechsle die formelle und die materielle Rechtslage. Im vorliegenden Fall sei der durch die Grundschuld gesicherte Anspruch durch Erfüllung erloschen. Dadurch sei ein Rückgewähranspruch entstanden. Der Anspruch richte sich nach der Wahl des Gläubigers auf Übertragung auf den Eigentümer oder an einen Dritten, auf Verzicht nach § 1168 BGB oder Aufhebung gemäß §§ 1183, 875 BGB. Die Abgabe einer Löschungsbewilligung sei zwar im formellen Grundbuchrecht erforderlich. Materiellrechtlich handle es sich jedoch um eine Aufhebung des Grundpfandrechts durch Vereinbarung. § 875 Abs. 1 Satz 1 BGB regle, dass zur Aufhebung eines Rechts an einem Grundstück, soweit das Gesetz nicht ein anderes vorschreibt, die Erklärung des Berechtigten, dass er das Recht aufgebe, und die Löschung des Rechts im Grundbuch erforderlich ist. Da im vorliegenden Fall ein Grundschuldbrief fehle, könne die Löschung nicht vollzogen werden. Damit komme es nicht zum Erlöschen des Grundpfandrechts. Die Erklärung nach § 875 BGB bedürfe keiner Form. Sie werde nach Abs. 2 nur bindend, wenn sie dem Grundbuchamt oder dem Eigentümer gegenüber in der den Verfahrensvorschriften der Grundbuchordnung entsprechenden Form abgegeben wurde. Nichts anderes gelte aber für den Verzicht. § 1168 Abs. 2 Satz 2 BGB verweise auf § 875 Abs. 2 BGB. Danach sei ein in der Form des § 29 GBO abgegebener Verzicht, der dem Eigentümer ausgehändigt worden ist, nicht mehr widerruflich. Ebenso wie die Löschung der Grundschuld zur materiellen Wirksamkeit nach § 875 Abs. 1 Satz 1 BGB des Vollzugs im Grundbuch bedürfe, bedürfe auch der Verzicht nach § 1168 Abs. 2 Satz 1 BGB der Eintragung im Grundbuch. Es sei daher festzuhalten, dass sowohl der Verzicht auf ein Grundpfandrecht als auch dessen Aufhebung materiellrechtlich formfrei möglich seien, beide Rechtsinstitute dem Eigentümer gegenüber bindend seien, wenn diesem eine entsprechende Erklärung in der Form des § 29 GBO ausgehändigt ist, und beide Rechtsinstitute jeweils wie im gesamten Immobiliarsachenrecht der Eintragung im Grundbuch bedürften. Die vom Amtsgericht demgegenüber mit anderen Wirkungen qualifizierte Löschungsbewilligung vermöge also genauso wenig die materielle oder die formelle Rechtslage umzugestalten wie der Verzicht. Letztlich komme es hierauf auch gar nicht an, da weder die nicht vollzogene Löschungsbewilligung noch der nicht vollzogene Verzicht aus der Sicht des Eigentümers etwas anderes zum Ausdruck brächten als dass der Gläubiger keine Rechte mehr aus dem im Grundbuch eingetragenen Recht und dem verlorengegangenen Grundpfandrechtsbrief herzuleiten beabsichtige und zugleich deutlich mache, dass der Eigentümer damit verfahren könne, wie er wolle. Nichts anderes sei aber mit der gewillkürten Verfahrensstandschaft gemeint. Nicht die Umgestaltung der formellen oder materiellen Grundbuchrechtslage sei entscheidend, sondern die Erklärung des Gläubigers, dass er den Eigentümer (konkludent) ermächtige, das Aufgebotsverfahren durchzuführen. Dies drücke der Verzicht sogar noch besser aus, weil der Gläubiger dadurch deutlich mache, dass er die gesamte Verantwortung für das zu löschende Grundpfandrecht und den verlorengegangenen Brief dem Eigentümer zuweise.
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Das Amtsgericht half mit Beschluss vom 25.4.2025 nicht ab und legte die Sache dem Oberlandesgericht vor. Die Beschwerde sei nicht formgerecht eingereicht worden. Gemäß § 64 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG seien bei Gericht schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen durch einen Notar als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die Beschwerde sei daher bereits unzulässig. Darüber hinaus sei sie auch unbegründet. Der Beschwerde werde aus den im angefochtenen Beschluss genannten Gründen nicht abgeholfen.
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Auch aufgrund der Beschwerdebegründung sei eine Änderung der Entscheidung nicht möglich.
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Daraufhin übersandte der Urkundsnotar am 30.4.2025 dem Amtsgericht die Beschwerdeschrift erneut, nun als elektronisches Dokument und mit einem Begleitschreiben, allerdings zu einem unzutreffenden Aktenzeichen.
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Mit Beschluss vom 5.5.2025 verwarf der Senat die Beschwerde vom 14.4.2025 als unzulässig.
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Am 23.5.2025 ging die am 30.4.2025 an das Amtsgericht erneut übersandte Beschwerdeschrift zusammen mit dem Begleitschreiben beim Oberlandesgericht ein.
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Mit Schreiben vom 11.7.2025 legte der Urkundsnotar ein Schreiben der Bausparkasse vom 30.6.2025 vor. Diesem zufolge liegen dort Unterlagen zur Geschäftsbeziehung nicht mehr vor. Grundsätzlich erteile die Bausparkasse nach deren Ablauf Löschungsbewilligung und sende diese zusammen mit dem Grundschuldbrief an den Eigentümer. Da es sich um eine Briefgrundschuld handle, wäre auch eine privatschriftliche Abtretung an ein ablösendes Kreditinstitut denkbar oder eine Abtretung des Rückgewähranspruchs. Das Aufgebotsverfahren für den Brief könne scheitern, weil nicht klar sei, wem das Grundpfandrecht derzeit zustehe und wer antragsberechtigt sei. Antragsberechtigt sei derjenige, der ein Recht aus der Urkunde geltend machen könne. Diesbezüglich sei es aber denkbar und angesichts der banküblichen Praxis auch wahrscheinlich, dass sie in Erfüllung der Sicherungsabrede den Grundschuldbrief an den Grundstückseigentümer zurückgesandt hätten. Rechtsfolge sei dann das Entstehen einer Eigentümergrundschuld entsprechend § 1143 BGB. Dann aber sei sie nicht mehr Inhaberin des dinglichen Rechts und dementsprechend nicht antragsberechtigt für ein Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Grundpfandrechtsbriefs. Sie könne auch nicht versichern, dass keine Abtretungen oder anderen Verfügungen stattgefunden hätten und lediglich der Brief nicht vorhanden sei. Auch die Erteilung einer Zweitlöschungsbewilligung komme nicht in Betracht, weil wegen der nicht vorhandenen Akte gerade nicht nachvollzogen werden könne, ob im Vorfeld über den Rückgewähranspruch verfügt und dies angezeigt oder der Rückgewähranspruch in anderer Form erfüllt worden sei. Hinzu trete, dass die Beteiligten den sich aus dem Sicherungsvertrag ergebenden Rückgewähranspruch in Form der Löschungsbewilligung geltendmachen würden. Dieser Anspruch stehe dem Sicherungsnehmer zu. Neben dem schuldrechtlichen Rückgewähranspruch gebe es einen dem Eigentümer zustehenden Anspruch aus § 1169 BGB. Den Verzicht habe sie ausgesprochen, weil Anspruchsinhaber insoweit der Eigentümer sei.
II.
14
Die erneute Beschwerde ist zulässig und begründet.
15
1. Die neuerliche Übersendung der Beschwerdeschrift vom 14.4.2025 an das Amtsgericht am 30.4.2025 ist nicht als bloße Wiederholung der ursprünglichen Rechtsmitteleinlegung zum Zwecke der Heilung des Formmangels zu werten, sondern als Einlegung einer selbständigen Beschwerde. Denn mit der Vorlage an das Rechtsmittelgericht gemäß § 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 FamFG, die hier am 25.4.2025 erfolgt ist, ist die Sache dort und nicht mehr beim Ausgangsgericht anhängig (Musielak/Borth/Frank/Frank FamFG 7. Aufl. § 68 Rn. 4; Sternal/Sternal FamFG 21. Aufl. § 68 Rn. 40). Beim Oberlandesgericht ging die erneut eingereichte Beschwerdeschrift indes erst am 23.5.2025 ein. Zu diesem Zeitpunkt war die Beschwerde vom 14.4.2025 jedoch bereits durch den Beschluss vom 5.5.2025 verworfen.
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2. Obwohl eine selbständige Beschwerde vorliegt, sieht der Senat von einer Rückgabe an das Amtsgericht zur Durchführung des grundsätzlich erforderlichen Abhilfeverfahrens nach § 68 Abs. 1 Satz 1 Hs. 1 FamFG ab. Da das Ausgangsgericht bereits im Beschluss vom 25.4.2025 ergänzend darauf hingewiesen hatte, dass es die Beschwerde auch als unbegründet ansehe, und anlässlich der neuerlichen Rechtsmitteleinlegung kein neues Beschwerdevorbringen erfolgte, erschiene die Herbeiführung einer nochmaligen Entscheidung durch das Amtsgericht über eine Abhilfe als bloße Förmelei.
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3. Die erneute Beschwerde vom 30.4.2025 ist zulässig.
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a) Insbesondere ist sie gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft. Die Zurückweisung eines Antrags auf Durchführung des Aufgebotsverfahrens nach § 434 Abs. 1 FamFG erfolgt durch einen Beschluss nach § 38 Abs. 1 Satz 1 FamFG, der mit der Beschwerde angefochten werden kann (BeckOGK/Stegbauer FamFG 1.6.2025 § 434 Rn. 13; MüKoFamFG/Dörndorfer 3. Aufl. § 434 Rn. 20; Prütting/Helms/Holzer FamFG 6. Aufl. § 434 Rn. 10; Sternal/Zimmermann § 434 Rn. 8).
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b) Die Beschwerde wurde auch, wie in § 64 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 14b Abs. 1 Satz 1 FamFG vorgeschrieben, als elektronisches Dokument und innerhalb der Monatsfrist des § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt.
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c) Die Beteiligten sind zudem gemäß § 59 Abs. 2 FamFG beschwerdeberechtigt. Hierfür genügt, da in erster Instanz ihr Antrag aus verfahrensrechtlichen Gründen zurückgewiesen wurde, die darin begründete formelle Beschwer, unabhängig davon, ob die Beteiligten sachlich zur Antragstellung befugt waren (vgl. BGH NJW-RR 1998, 361/362; OLG Karlsruhe NJOZ 2023, 167; OLG Düsseldorf FGPrax 2013, 134; Senat NJW-RR 2011, 1092; BeckOGK/Fritzsche FamFG § 59 Rn. 44; MüKoFamFG/Fischer 4. Aufl. § 59 Rn. 114; Musielak/Borth/Frank/Frank § 59 Rn. 18; Prütting/Helms/Abramenko § 59 Rn. 19; Sternal/Jokisch § 59 Rn. 40).
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4. Das Rechtsmittel hat auch in der Sache zumindest vorläufig Erfolg. Beide Beteiligte sind antragsbefugt.
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Im Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Grundpfandrechtsbriefs ist gemäß § 467 Abs. 2 FamFG derjenige zur Stellung des einleitenden Antrags im Sinne von § 434 Abs. 1 FamFG berechtigt, der das Recht aus der Urkunde geltend machen kann, also der Inhaber des dinglichen Rechts. Vorliegend trägt allerdings keine der Beteiligten vor, sie habe die ursprünglich für die Bausparkasse bestellte Grundschuld erworben. Mangels eigener Berechtigung kommt somit lediglich eine Antragstellung in gewillkürter oder gesetzlicher Verfahrensstandschaft in Betracht.
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a) Die grundsätzliche Möglichkeit einer gewillkürten Verfahrensstandschaft in Antragsverfahren im Bereich der freiwilligen Gerichtsbarkeit ist allgemein anerkannt. Sie setzt eine Ermächtigung durch den Rechtsinhaber und ein schutzwürdiges Interesse an der Geltendmachung des Rechts voraus (OLG Bamberg NJOZ 2025, 707; Senat BeckRS 2017, 118274 Rn. 13; BeckOGK/Fritzsche FamFG § 59 Rn. 25; MüKoFamFG/Ulrici 4. Aufl. § 23 Rn. 27; Prütting/Helms/Ahn-Roth § 23 Rn. 5a; Sternal/Sternal § 23 Rn. 60). Dementsprechend wird im Aufgebotsverfahren zur Kraftloserklärung eines Grundpfandrechtsbriefs eine gewillkürte Verfahrensstandschaft des Eigentümers des belasteten Grundstücks angenommen, wenn der Rechtsinhaber ihm eine Löschungsbewilligung (OLG Karlsruhe NJOZ 2023, 167/168; OLG Düsseldorf FGPrax 2013, 134; Senat FGPrax 2011, 47 f.; BeckOGK/Stegbauer FamFG § 467 Rn. 5.2; Prütting/Helms/Holzer § 467 Rn. 7; Sternal/Giers § 467 Rn. 2; Heinemann NotBZ 2009, 300/310) oder eine löschungsfähige Quittung (OLG Düsseldorf a.a.O.; BeckOGK/Stegbauer a.a.O.; Sternal/Giers a.a.O.; Heinemann a.a.O.) erteilt hat.
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Die Erklärung des Verzichts auf das Grundpfandrecht nach § 1168 Abs. 1 BGB anders zu behandeln, besteht kein Anlass (BeckOGK/Stegbauer a.a.O.). Zwar ist gemäß Abs. 2 Satz 1 der vorgenannten Bestimmung für die materiellrechtliche Wirkung des Verzichts die Eintragung im Grundbuch, die hier nicht erfolgt ist, wie das Amtsgericht insofern zutreffend ausführt, konstitutiv (BGH NJW-RR 1988, 1146/1148). Darauf kommt es für die Frage der Verfahrensstandschaft aber nicht an. Entscheidend ist insoweit vielmehr, dass der Inhaber des Grundpfandrechts mit der Erklärung zum Ausdruck bringt, dass der Eigentümer mit diesem nach Belieben verfahren kann (OLG Karlsruhe NJOZ 2023, 167/168; OLG Düsseldorf FGPrax 2013, 134 f.; BeckOGK/Stegbauer a.a.O.). Dies ist indes bei der Verzichtserklärung ebenso der Fall wie bei der Erteilung einer Löschungsbewilligung oder einer löschungsfähigen Quittung. Hier wie dort macht der Inhaber des Grundpfandrechts deutlich, dass er an dessen weiterem Schicksal kein Interesse hat und dieses dem Grundstückseigentümer überantwortet. Für den Verzicht ergibt sich dies unmittelbar aus der Regelung in § 1168 Abs. 1 BGB, wonach der Eigentümer das Grundpfandrecht erwirbt. Ohne Relevanz ist insoweit die Frage der Widerruflichkeit des Verzichts. Denn die Unwiderruflichkeit der Ermächtigung zur Verfahrensführung ist in keinem Fall Voraussetzung für deren Wirksamkeit (vgl. BGH NJW 2015, 2425; Musielak/Voit/Weth ZPO 22. Aufl. § 51 Rn. 26a). Die Ermächtigung muss auch nicht in grundbuchtauglicher Form erteilt werden. Zwar wird dies durch eine missverständliche Passage in einem Leitsatz zu einer früheren Entscheidung des Senats (FGPrax 2011, 47) nahegelegt, die in der Literatur zum Teil aufgegriffen wurde (Sternal/Sternal § 23 Rn. 60; Sternal/Giers § 467 Rn. 2). Den Gründen jenes Beschlusses ist ein solches Formerfordernis jedoch nicht zu entnehmen. Es wäre auch nicht zu rechtfertigen. Die Vorschrift des § 29 GBO gilt im Aufgebotsverfahren nach §§ 466 ff. FamFG nicht, sie erlangt erst Bedeutung im gegebenenfalls anschließenden Grundbuchverfahren. Die zur Begründung einer gewillkürten Verfahrensstandschaft notwendige Ermächtigung ist vielmehr formlos möglich (BeckOGK/Fritzsche FamFG § 59 Rn. 25; Musielak/Voit/Weth § 51 Rn. 26). Im Übrigen ist auch die Verzichtserklärung als solche grundsätzlich formfrei (Grüneberg/Herrler BGB 84. Aufl. § 1168 Rn. 2; MüKoBGB/Lieder 9. Aufl. § 1168 Rn. 9).
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Es ist auch davon auszugehen, dass bei Erklärung des Verzichts die Bausparkasse Gläubigerin der Grundschuld und somit berechtigt war, die Beteiligte zur Beantragung des Aufgebotsverfahrens in gewillkürter Verfahrensstandschaft zu ermächtigen. Insoweit reicht gemäß § 468 Nr. 2 FamFG die Glaubhaftmachung aus, das heißt die überwiegende Wahrscheinlichkeit des fraglichen Sachverhalts (BGH NJW-RR 2007, 776; Senat BeckRS 2017, 118274 Rn. 13; BeckOGK/Prinz FamFG § 31 Rn. 32; MüKoFamFG/Ulrici § 31 Rn. 10; Sternal/Sternal § 31 Rn. 4). Vorliegend war ausweislich des Grundbuchs die Bausparkasse Inhaberin der Grundschuld gewesen. Dass sie ihre Berechtigung verloren hätte, ist eine lediglich theoretische Möglichkeit, für die hier keine konkreten Anhaltspunkte bestehen. Eine Grundschuld geht gemäß § 1192 Abs. 1 i.V.m. § 1143 BGB nur dann auf den Grundstückseigentümer über und wird dort zur Eigentümergrundschuld, wenn der Eigentümer auf das dingliche Recht leistet und die Grundschuld damit ablöst. Bei der Leistung des persönlichen Schuldners auf die Forderung hingegen erlischt diese zwar gemäß § 362 Abs. 1 BGB, die Grundschuld bleibt hiervon jedoch aufgrund der fehlenden Akzessorietät zur Forderung unberührt, sie wird lediglich Gegenstand eines Löschungsanspruchs des Grundstückseigentümers gegen den Grundschuldgläubiger (BGH NJW-RR 2003, 11/12; verkannt von OLG Düsseldorf FGPrax 2019, 287/288), der dem durch Erteilung einer Löschungsbewilligung nachkommt. Der letztgenannte Verfahrensgang ist der in der Praxis übliche (OLG Bamberg NJOZ 2025, 707/708; OLG Karlsruhe NJOZ 2023, 167/168; Senat BeckRS 2017, 118274 Rn. 17). Anhaltspunkte für eine abweichende Handhabung im vorliegenden Fall existieren nicht, vielmehr bestätigt auch die Bausparkasse in dem Schreiben vom 30.6.2025 ausdrücklich, dass sie in der Regel so vorgeht. Ebensowenig bestehen Anhaltspunkte für eine anderweitige Verfügung über die Grundschuld. Dass die Bausparkasse als Berechtigte eine solche getätigt hätte, ist nach dem oben Ausgeführten fernliegend. Der Wirksamkeit einer Verfügung durch den hierzu nicht berechtigten Grundstückseigentümer nach Erhalt des Grundschuldbriefs stünde entgegen, dass die Voraussetzungen eines gutgläubigen Erwerbs gemäß § 892 i.V.m. §§ 1192 Abs. 1, 1155 BGB nicht gegeben sind. Hierzu hätte es einer auf den eingetragenen Grundschuldgläubiger zurückführenden Reihe öffentlich beglaubigter Abtretungserklärungen bedurft (OLG Bamberg a.a.O.; OLG Karlsruhe a.a.O.; Senat a.a.O.), die vorliegend nicht ersichtlich ist.
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Die Verzichtserklärung der Bausparkasse vom 3.2.2025 begründete somit eine gewillkürte Verfahrensstandschaft der Beteiligten zu 2, die ihr die Befugnis verschaffte, das Aufgebot zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs zu beantragen.
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b) Diese Befugnis verlor die Beteiligte zu 2 auch nicht durch die Eintragung der Beteiligten zu 1 an ihrer Stelle im Grundbuch am 12.3.2025. Zwar ist es das Eigentum am belasteten Grundstück, welches das für eine gewillkürte Verfahrensstandschaft erforderliche schutzwürdige Interesse an der Beantragung des Aufgebots zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs begründet. Nach der Wertung der §§ 265 Abs. 2 Satz 1, 266 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist jedoch die im Laufe des Verfahrens erfolgte Veräußerung des Gegenstands, auf dem die für die Antragsberechtigung entscheidende Sachbefugnis fußt, ohne Bedeutung. Der vormalige Eigentümer kann das Verfahren dann in gesetzlicher Prozessstandschaft weiterbetreiben. Dieser Grundsatz findet auch im Aufgebotsverfahren Anwendung (BGH NJW-RR 2009, 660 zu § 984 ZPO a.F.) und beansprucht insbesondere im Rahmen von § 467 Abs. 2 FamFG Geltung (BeckOGK/Stegbauer FamFG § 467 Rn. 5.2; a.A. Heinemann NotBZ 2009, 300/310). Dass vorliegend somit gewillkürte und gesetzliche Verfahrensstandschaft kombiniert werden, stößt auf keine durchgreifenden Bedenken. Die gesetzliche Verfahrensstandschaft ermöglicht die Fortführung des Verfahrens trotz des Verlusts der Sachbefugnis. Ob letztere unmittelbar aus einer dinglichen Berechtigung an dem betroffenen Gegenstand oder ihrerseits auf einer gewillkürten Verfahrensstandschaft beruhte, macht keinen Unterschied (vgl. Senat FGPrax 2011, 47/48).
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c) Von einer gewillkürten Verfahrensstandschaft ist auch bei der Beteiligten zu 1 auszugehen.
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Ihre nunmehrige Stellung als Eigentümerin des belasteten Grundstücks begründet wie anfänglich bei der Beteiligten zu 2 ein schutzwürdiges Interesse an der Durchführung des Aufgebotsverfahrens zur Kraftloserklärung des Grundschuldbriefs. Dass diese Voraussetzung und damit auch die Verfahrensbefugnis bei Stellung des Antrags durch die Beteiligte zu 1 noch nicht vorlag, ist unschädlich. Es besteht kein Grund, im Aufgebotsverfahren einen anfänglichen Mangel der Antragsberechtigung zum Anlass für eine Zurückweisung zu nehmen, wenn der Mangel im Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag behoben ist (BeckOGK/Stegbauer FamFG § 434 Rn. 10.1; Sternal/Zimmermann § 434 Rn. 4; a.A. MüKoFamFG/Dörndorfer § 434 Rn. 4; Heinemann NotBZ 2009, 300/302). Eine solche Handhabung widerspräche dem Grundsatz der Verfahrensökonomie, da der mittlerweile Antragsbefugte den Antrag sogleich erneut stellen könnte (BeckOGK/Stegbauer a.a.O.).
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Die Verzichtserklärung der Bausparkasse gilt auch zugunsten der Beteiligten zu 1 in ihrer Eigenschaft als Erwerberin des Grundbesitzes. Da die Bausparkasse mit ihrer Erklärung deutlich machte, dass sie am weiteren Schicksal des Grundpfandrechts kein Interesse hatte, ist anzunehmen, dass die darin liegende Ermächtigung nicht auf den zum Zeitpunkt der Abgabe im Grundbuch eingetragenen Eigentümer beschränkt war, sondern gegebenenfalls auch für dessen Rechtsnachfolger gelten sollte.
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d) Gemäß § 69 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat das Beschwerdegericht grundsätzlich in der Sache selbst zu entscheiden. Da das Amtsgericht den Antrag allerdings deshalb zurückgewiesen hat, weil es die Beteiligten nicht für antragsberechtigt hielt, hat es – aus seiner Sicht folgerichtig – nicht geprüft, ob im Übrigen die Voraussetzungen für die Durchführung des Aufgebotsverfahrens vorliegen. Eine vollumfängliche Sachentscheidung durch den Senat wäre daher mit dem Verlust einer Tatsacheninstanz verbunden (vgl. Senat FGPrax 2011, 47/48). Deshalb ist eine Zurückverweisung an das Amtsgericht nach § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG angezeigt (vgl. MüKoFamFG/Fischer 4. Aufl. § 69 Rn. 68 f.).
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5. Eine Entscheidung über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens unterbleibt, weil die Beteiligten diese als Beschwerdeführer gemäß § 22 Abs. 1 GNotKG zunächst schon von Gesetzes wegen zu tragen haben, ihre diesbezügliche Haftung aufgrund des Erfolgs des Rechtsmittels jedoch gemäß § 25 Abs. 1 GNotKG wiederum von Gesetzes wegen erloschen ist.
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Daher bedarf es auch keiner Geschäftswertfestsetzung.