Inhalt

VG München, Beschluss v. 21.01.2025 – M 20 P 24.1505
Titel:

(Landes) Personalvertretungsrecht, Mitbestimmung bei Weiterbeschäftigung durch Entfristung befristeter Arbeitsverhältnisse (bejaht), Begriff der Einstellung i.S.v. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG, Anwendbarkeit der Rspr. des BVerwG und BAG

Normenkette:
BayPVG Art. 75 Abs. 1 S. 1 Nr. 1
Schlagworte:
(Landes) Personalvertretungsrecht, Mitbestimmung bei Weiterbeschäftigung durch Entfristung befristeter Arbeitsverhältnisse (bejaht), Begriff der Einstellung i.S.v. Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG, Anwendbarkeit der Rspr. des BVerwG und BAG
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1892

Tenor

Es wird festgestellt, dass bei der Entfristung von zuvor befristeten Arbeitsverhältnissen von Lehrpersonen (m/w/d) der Hochschule für den öffentlichen Dienst der Antragsteller gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG zu beteiligen ist.

Gründe

I.
1
Der Antragssteller, Gesamtpersonalrat der Hochschule für den öffentlichen Dienst in Bayern (HföD) begehrt die Feststellung, dass er bei einer Entfristung von zuvor befristeten Arbeitsverhältnissen zu beteiligen ist.
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Hintergrund ist eine am 1. Oktober 2021 im Fachbereich Sozialverwaltung erfolgte, auf zwei Jahre bis zum 30. September 2023 befristete Einstellung von vier hauptamtlichen Lehrpersonen als Tarifbeschäftigte. Bei dieser erstmaligen Einstellung wurde der Antragsteller beteiligt. Die Befristung resultierte aus einem erkennbaren Mehrbedarf an hauptamtlichen Lehrpersonal, wobei jedoch aufgrund der verfügbaren Haushaltsmittel zunächst nur befristete Beschäftigungsmöglichkeiten eingegangen werden konnten. Insofern enthielt die Beteiligung des Gesamtpersonalrats den Hinweis seitens des Dienststellenleiters, eine anschließende Weiterbeschäftigung könne leider nicht in Aussicht gestellt werden. Mit dem Haushalt 2023 wurde jedoch die Möglichkeit der unbefristeten Beschäftigung geschaffen und die Arbeitsverhältnisse der vier Lehrpersonen zum 1. Juni 2023 ohne erneute Beteiligung des Antragstellers in unbefristete Arbeitsverhältnisse umgewandelt. Hiervon erfuhr der Antragsteller im Rahmen eines Monatsgesprächs am 12. September 2023.
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Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 21. März 2024 im Wege eines personalvertretungsrechtlichen Beschlussverfahrens begehrt der Antragsteller nunmehr die Feststellung der Mitbestimmungspflichtigkeit solcher Entfristungen. Auf die Ausführungen zur Begründung im Schriftsatz vom 21. März 2024 sowie in der Anhörung am 21. Januar 2025 wird Bezug genommen.
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Der Antragsteller beantragt,
Es wird festgestellt, dass bei der Entfristung von zuvor befristeten Arbeitsverhältnissen von Lehrpersonen (m/w/d) der Hochschule für den öffentlichen Dienst in München gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG der Antragsteller personalvertretungsrechtlich zu beteiligten ist.
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Der Dienststellenleiter als Beteiligter zu 1) beantragt,
den Antrag abzulehnen,
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und hat schriftsätzlich am 17. Juni 2024 sowie in der mündlichen Verhandlung am 21. Januar 2025 Stellung genommen. Ein Mitbestimmungsrecht bei der Entfristung eines Arbeitsverhältnisses sei abzulehnen. Die Umwandlung eines Zeitarbeitsvertrags in einen Arbeitsvertrag auf unbestimmte Zeit stelle weder tatsächlich noch rechtlich eine Einstellung dar und sei auch nicht mit einer solchen gleichzusetzen, weil hierbei keine (erneute) Eingliederung in die Dienstgemeinschaft erfolge. Dies entspräche auch der Rechtsauffassung des Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und für Heimat nach erfolgter Rücksprache. Im Rahmen der Mitbestimmung bei der Einstellung habe der Antragsteller bereits geprüft, ob sich die einzustellenden Lehrpersonen in die Dienststelle eingliedern, ohne den Betriebsfrieden zu gefährden oder sonstige Versagungsgründe gemäß Art. 75 Abs. 2 BayPVG vorliegen, zudem die Auswahlentscheidungen kontrolliert; nur darauf beziehe sich der Mitbestimmungstatbestand der Einstellung in Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG, dem zwangsläufig stets auch eine gewisse Prognoseentscheidung hinsichtlich des Einfügens in die Dienststelle immanent sei. Die Eingliederung der Lehrkräfte setze sich nahtlos fort. Insofern fehle es für eine erneute Mitbestimmung am Schutzzweck des Beteiligungstatbestands. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die schriftsätzlichen Ausführungen verwiesen.
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Im Übrigen wird auf die Gerichtsakte sowie die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.
II.
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Der zulässige Antrag ist begründet.
9
Die Entfristung von zuvor befristeten Arbeitsverhältnissen stellt sich durch die damit einhergehende Weiterbeschäftigung und Verfestigung der Eingliederung des Beschäftigten in die Dienststelle als eine mitbestimmungspflichtige Maßnahme i.S.e. Einstellung gemäß Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG dar.
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Zwar unterliegt der arbeitsvertragliche Aspekt der Befristung bzw. Entfristung als solcher nicht Mitbestimmung (std. Rspr.; BVerwG, B.v. 8.8.2018 – 5 PB 1.18 – beck-online Rn. 7; Ballerstedt u.a., Bayerisches Personalvertretungsgesetz, Stand März 2024, Art. 75 Rn. 25c ff.).
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Aus der Weiterbeschäftigung durch die Entfristung folgt jedoch eine – fortgesetzte und nunmehr auf unbestimmte Zeit angelegte – Eingliederung des Beschäftigten in die Dienststelle, aus der sich einer Einstellung entsprechend ein kollektivrechtlicher Mitbestimmungszweck ergibt. Insoweit liegt eine veränderte Situation zur erstmaligen Einstellung mit einer nur vorübergehenden zeitlichen Eingliederung des Beschäftigten in die Dienststelle vor, aus der sich eine neue Auswahlsituation gegenüber der Ersteinstellung mit womöglich neuen Versagungsgründen ergeben haben kann (vgl. a. Altvater, BPersVG, 11. Auflage, § 78 Rn 39 m.w.N., BVerwG, B.v. 13.2.1979 – 6 P 48.78 – beck-online). So ist auch ist nicht auszuschließen, dass bei einer nur befristet erfolgten Einstellung Bedenken im Hinblick auf eine – längerfristige – Eingliederung in die Dienststelle zurückgestellt wurden oder außer Betracht blieben, welche sich im Falle der Entfristung nunmehr stellen.
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Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat hierzu in seiner Entscheidung vom 28. Juli 2008, in der er sich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Begriff der Einstellung im Bundespersonalvertretungsgesetz angeschlossen hat, ausgeführt – und damit seine Rechtsprechung im Beschluss vom 21. Mai 1971 – Nr. 1 X 70 – (Die Personalvertretung 7/1972 Bl. 180 f) nicht fortgeführt -:
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„Im Hinblick auf den originären Regelungsgehalt des Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayPVG folgt der Senat der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Auslegung des § 78 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 – 1. Alternative – RhPfPersVG (BVerwGE 128, 212), des § 77 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a HessPersVG (BVerwG vom 21.3.2007 PersR 2007, 309) sowie des § 75 Abs. 1Nr. 1 BPersVG (BVerwGE 114, 308; 108, 347). In seinem Urteil vom 21. März 2007 (RdNr. 10) interpretiert das Bundesverwaltungsgericht den Begriff der Einstellung dahingehend, dass hierunter die Eingliederung des Betreffenden in die Dienststelle zu verstehen ist, was zum einen durch die tatsächliche Aufnahme der vorgesehenen Arbeit im Rahmen der Arbeitsorganisation der Dienststelle geschehe. Zum anderen sei ein rechtliches Band erforderlich, durch welches ein Weisungsrecht der Dienststelle, verbunden mit entsprechenden Schutzpflichten und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des Dienstleistenden, verbunden mit entsprechenden Schutzrechten, begründet werden. Außer der Begründung eines Beamtenverhältnisses oder dem Abschluss eines Arbeitsvertrags kämen als Grundlage hierfür auch mehrseitige Rechtsbeziehungen in Betracht. Der personalvertretungsrechtliche Einstellungsbegriff erfasst dabei nicht die einzelnen Modalitäten des Arbeitsverhältnisses, so dass dessen spätere Änderung unbeschadet des Eingreifens spezieller Mitbestimmungstatbestände ebenfalls nicht mitbestimmungspflichtig ist (BVerwGE 114,308 m. w. N.). In der Rechtsprechung sowohl des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwGE 108,347) als auch des Bundesarbeitsgerichts (vom 28.4.1998 – 1 ABR 63/97 – juris –) ist außerdem anerkannt, dass trotz einer vorangegangenen (d. h. erstmaligen) Eingliederung in die Dienststelle bei besonderen Fallgestaltungen mitbestimmungspflichtige Vorgänge vorliegen, die als „Einstellung“ im Sinne des Personalvertretungsrechts gewertet werden können. So hat das Bundesverwaltungsgericht (a. a. O.) die Beurteilung einer Verlängerung sowie der Entfristung eines befristeten Beschäftigungsverhältnisses als Einstellung vom Zweck der Beteiligung des Personalrats bei der Einstellung von Beschäftigten abgeleitet, der darin liege, die allgemeinen, im Versagungskatalog des § 77 Abs. 2 BPersVG zum Ausdruck gekommenen Interessen der von ihm vertretenen Beschäftigten der Dienststelle zu wahren. Diese Interessen habe der Personalrat bei der Ersteinstellung nur im Hinblick auf das konkret beabsichtigte Beschäftigungsverhältnis geprüft; bei den erwähnten Änderungen des Arbeitsverhältnisses stelle sich die Frage nach möglichen Zustimmungsverweigerungsgründen neu und möglicherweise unter anderen Gesichtspunkten. Das Bundesarbeitsgericht sieht nicht nur in der erstmaligen Eingliederung in den Betrieb eine mitwirkungspflichtige Einstellung im Sinne von § 99 BetrVG. Es folgert aus Sinn und Zweck des Mitbestimmungsrechts, dass dann eine erneute Beteiligung des Betriebsrats geboten ist, wenn sich die Umstände der Beschäftigung aufgrund der neuen Vereinbarung grundlegend ändern, insbesondere, wenn Zustimmungsverweigerungsgründe erwachsen könnten, die bei der Ersteinstellung nicht voraussehbar gewesen seien und deshalb bei der ursprünglichen Zustimmungsentscheidung nicht hätten berücksichtigt werden können (vgl. z. B. BAG vom 28.4.1998 1 ABR 63/97 – juris –).“
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(BayVGH, B.v. 28.7.2008 – 17 P 06.3244 – beck-online Rn. 30)
15
Soweit vorgetragen wird (vgl. auch Ballerstedt, a.a.O. Rn. 26a), die Rechtsprechung zum Bundespersonalvertretungsgesetz oder Betriebsverfassungsgesetz sei auf das Bayerische Personalvertretungsgesetz nicht übertragbar, vermag das Gericht dem aufgrund des gleichen Wortlauts (§ 78 BPersVG und § 99 BetrVG) und gleicher Zweckrichtung nicht zu folgen (so auch LAG Rheinland-Pfalz, U.v. 24.4.2024 – 7 Sa 203/23 – beck-online Rn. 43, wobei der rheinl.-pfälzische Gesetzgeber in § 78 Abs. 2 Nr. 2 LPersVG jedoch zusätzlich eine Mitbestimmung bei Zeit- und Zweckbefristungen, mit Ausnahme im Hochschulbereich, geregelt hat). Im Übrigen hat sich der Bayerische Verwaltungsgerichtshof in der zuvor zitierten Entscheidung gerade ausdrücklich der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts angeschlossen (BayVGH a.a.O.). Letzteres hat mit Beschluss vom 8. August 2018 nochmals herausgestellt, dass die Umwandlung eines befristeten in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis als Einstellung anzusehen ist, sich die Mitbestimmung bei Einstellungen hingegen nicht auf die Befristung des Arbeitsverhältnisses bezieht (BVerwG, B.v. 8. August 2018 – 5 PB 1.18 – beck-online Rn. 8). Das OVG Lüneburg differenziert insoweit folgerichtig zwischen einer – zu verneinenden – Mitbestimmungspflicht in Bezug auf die Frage der Befristung als solcher gegenüber einer zu bejahenden Mitbestimmung bei einer Weiterbeschäftigung (OVG Lüneburg, B.v. 12.11.2019 – 18 LP 3/18 – beck-online). Den kritischen Stimmen zur Bejahung einer Mitbestimmungspflicht bei der Entfristung zuvor befristeter Arbeitsverhältnisse (vgl. insoweit insbesondere Ballerstedt, a.a.O.) folgt das Gericht daher nicht.
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Keiner näheren Klärung bedarf – trotz des Globalcharakters des Feststellungsbegehrens –, ob eine Mitbestimmung dann bereits „verbraucht“ sein könnte, wenn bei der erstmaligen Einstellung eines Beschäftigten eine zeitlich unbefristete Einstellung durch den Dienststellenleiter ausdrücklich beabsichtigt ist, er aber beispielsweise aufgrund ausgeschöpfter Personalstellen und Haushaltsmittel zunächst eine befristete Lösung wählen muss. Hierbei dürfte es auf die etwaigen genauen Umstände des Einzelfalls angekommen, deren abstrakte Klärung in jedem Einzelfall das allgemeine Feststellungsbegehren vorliegend nicht zugänglich ist. Aufgrund der ausdrücklichen Hinweise in der vergangenen Beteiligung des Antragstellers zur befristeten Einstellung, eine anschließende Weiterbeschäftigung könne leider nicht in Aussicht gestellt werden, kann jedenfalls nicht angenommen werden, der Antragsteller habe bei Ausübung seines Mitbestimmungsrechts bereits eine auf Dauer angelegte Eingliederung der Beschäftigten in die Dienststelle vor Augen gehabt und geprüft. Da sich die Zustimmung des Personalrats auf den jeweils konkret vorgelegten Tatbestand bezieht, ist eine nachträgliche Änderung des Sachverhalts in Form einer unbefristeten Einstellung gegenüber einer zunächst befristeten nicht mehr von der ursprünglich erteilten Zustimmung gedeckt (vgl. BVerwG, B.v. 13.2.1979 – 6 P 48.78 – beck-online).
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Dem Antrag war daher stattzugeben.
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Eine Kostenentscheidung ist nicht verlasst. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei.