Titel:
Nachbarklage (erfolglos), Stützmauer, aufgesetztes Zaunelement, Hanglage, Anschüttung am Hang, Gebäudegleiche Wirkung (verneint)
Normenketten:
BayBO Art. 6
BayVwVfG Art. 37
Schlagworte:
Nachbarklage (erfolglos), Stützmauer, aufgesetztes Zaunelement, Hanglage, Anschüttung am Hang, Gebäudegleiche Wirkung (verneint)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1891
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.
III. Die Kostenentscheidung ist für den Beklagten ohne, für den Beigeladenen gegen Sicherheitsleistung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrags vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger darf die Vollstreckung durch den Beklagten durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Der Kläger wendet sich gegen eine dem Beigeladenen erteilte Baugenehmigung, welche u.a. die Errichtung einer Stützwand auf dem Grundstück Fl.Nr. 236, Gem. O. … (im Folgenden: Baugrundstück) zum Gegenstand hat.
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Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus und Nebengebäuden bebauten Anwesens Fl.Nr. 237/1, Gem. O. … (im Folgenden: Nachbargrundstück), welches im Westen an das Baugrundstück angrenzt. Das ebenfalls mit einem Wohnhaus bebaute Baugrundstück liegt vom Geländeniveau her teilweise um ca. 2,5 m höher als das Nachbargrundstück. Das Gelände fällt nach Westen ab.
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Mit Baugenehmigung vom .. April 2022, dem Kläger zugestellt am .. April 2022, genehmigte der Beklagte (Landratsamt T.) dem Beigeladenen die Errichtung einer Stützwand, den Neubau von Lärmschutzwänden sowie einer Gartenhütte und eines Schwimmbeckens auf dem Baugrundstück nach Plan-Nr. … Nach den genehmigten Bauzeichnungen soll u.a. an der westlichen Grundstücksseite zum Nachbargrundstück hin in einem Abstand von 1,81 m bis 0,54 m zur Grundstücksgrenze eine 2 m hohe Stützmauer (gemessen ab dem Urgelände; das Gelände wird teilweise modelliert) errichtet werden. An der Stützmauer wird eine L-förmige Absturzsicherung (Zaun) mit einer Höhe von 1 m angebracht, welche um ca. 0,6 m weiter nach Osten versetzt ist. Hinter der Stützmauer wird das Gelände am Hang angeschüttet.
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Am 9. Mai 2022 hat der Kläger hiergegen durch seinen Bevollmächtigten Klage erhoben und beantragt,
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Der Bescheid des Landratsamts Traunstein vom …04.2022 (Az: ...) wird aufgehoben, soweit nach dem mit Genehmigungsvermerk vom …04.2022 versehenen Bauvorlagen im westlichen Bereich des Baugrundstücks zum klägerischen Grundstück FlNr. 237/1 der Gem. O. … hin die Errichtung einer Stützwand mit Geländeauffüllung und aufgesetzter Einfriedung vorgesehen ist.
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Das genehmigte Vorhaben sei teilbar. Es verstoße im bezeichneten Umfang gegen Abstandsflächenvorschriften, weil es sich bei der Stützmauer mit Einfriedung nicht um eine nach Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 BayBO privilegierte Anlage handele. Zudem seien die Bauvorlagen unbestimmt, da keine Ausführungen zur Ausgestaltung der Einfriedung enthalten seien. Selbst wenn diese licht- und luftdurchlässig ausgeführt werden solle, sei beabsichtigt, hinter der Stützwand innerhalb der Abstandsflächen eine für den längeren Aufenthalt von Menschen bestimmte Fläche aufzuschütten.
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Der Beklagte beantragt,
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Abwehransprüche des Klägers seien nicht gegeben, weil dieser sich treuwidrig verhalte. Ein so nicht genehmigtes und auch nicht genehmigungsfähiges Nebengebäude verletze den Beigeladenen in den Abstandsflächen. Durch die aufgeschüttete Fläche entstehe lediglich neues Gelände im Sinne eines Gartens und keine bauliche Anlage, die Abstandsflächen auslöse.
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Der Beigeladene beantragt ebenfalls,
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Von dem klägerischen Grundstück gingen Abstandsflächenverletzungen zulasten des Beigeladenen aus. Hinsichtlich der gerügten Unbestimmtheit stelle sich die Frage, welche subjektiven Rechte dadurch verletzt sein sollten.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des schriftsätzlichen Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg. Die Baugenehmigung vom 4. April 2022 verletzt – soweit sie angefochten wurde – keine nachbarschützenden Vorschriften, die im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind und auf die sich der Kläger berufen kann, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO i.V.m. Art. 59 BayBO.
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I. Die Klage ist zulässig.
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Insbesondere wurde mit Eingang der Klage am 9. Mai 2022 bei Gericht die Klagefrist des § 74 Abs. 1 Satz 2 VwGO i.V.m. §§ 57 Abs. 2 VwGO; 222 Abs. 1 ZPO, 187 ff BGB gewahrt (der 7. Mai 2022 war ein Samstag).
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Überdies war hier die bloße Anfechtung eines Teils der Baugenehmigung, nämlich soweit die Stützmauer inmitten steht, zulässig. Soweit eine einheitliche Baugenehmigung getrennt voneinander genehmigungsfähige Gebäude bzw. Bauteile betrifft, sie also rechtlich und tatsächlich teilbar ist und die Teilbarkeit auch nach dem Willen des Bauantragstellers angenommen werden kann, ist eine Teilanfechtung möglich (vgl. SächsOVG, B.v. 13.8.2012 – 1 B 242/12 – NVwZ-RR 2013, 14; VG München, B.v. 10.3.2014 – M 8 SN 14.495 – BeckRS 2014, 50030; Edenharter in: BeckOK, Stand: 1.10.2023, Art. 66 Rn. 115 m.w.N.). Erforderlich ist, dass im Fall einer Teilaufhebung ein sinnvoller und selbstständig realisierbarer Genehmigungsumfang verbleibt. Dies ist hier der Fall. Die streitgegenständliche Baugenehmigung hat mehrere selbstständig umsetzbare Einzelvorhaben – nämlich die Errichtung von Swimmingpool, Saunahäuschen, Schallschutz- und Stützwand – sozusagen als „Sammelgenehmigung“ zum Gegenstand. Der beigeladene Bauherr ist der Teilanfechtung durch den Kläger zudem nicht entgegengetreten.
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II. Die Klage ist unbegründet.
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1. Dritte können sich gegen eine Baugenehmigung nur dann mit Aussicht auf Erfolg zur Wehr setzen, wenn die angefochtene Baugenehmigung rechtswidrig ist und diese Rechtswidrigkeit zumindest auch auf der Verletzung von im Baugenehmigungsverfahren zu prüfenden Normen beruht, die gerade dem Schutz des betreffenden Nachbarn zu dienen bestimmt sind (vgl. BayVGH, B.v. 21.7.2020 – 2 ZB 17.1309 – juris Rn. 4).
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2. Die Baugenehmigung verstößt – soweit sie angefochten ist – nicht gegen drittschützende Vorschriften des Bauordnungsrechts, welche im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren zu prüfen sind, insbesondere nicht gegen die Vorschriften des Abstandsflächenrechts, Art. 59 Satz 1 Nr. 1 Buchst. b BayBO i.V.m. Art. 6 BayBO. Die Stützmauer mit aufgesetztem Zaunelement besitzt – auch bei Berücksichtigung der vorgesehenen Geländemodellierung am Hang – keine Abstandsflächenrelevanz, Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 BayBO. Die streitgegenständliche Baugenehmigung ist auch – soweit sie angefochten ist – nicht zulasten des Klägers i.S.d. Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG unbestimmt.
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2.1. Nach Art. 6 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 BayBO sind bei den Außenwänden von Gebäuden Abstandsflächen, die auf dem Grundstück selbst liegen müssen, freizuhalten. Dies gilt entsprechend für Anlagen, von denen Wirkungen wie von Gebäuden ausgehen, gegenüber Gebäuden und Grundstücksgrenzen, Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO. Aus der Freistellung von Stützmauern bis zu einer Höhe von zwei Metern in Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 BayBO ergibt sich, dass eine mittlere Höhe von über zwei Metern im Regelfall eine gebäudeähnliche Wirkung auslöst (BayVGH, B.v. 29.4.2020 – 15 ZB 18.946 – juris Rn. 12, zu geschlossenen Einfriedungen). Allerdings lässt sich nicht allgemein bestimmen, ob eine Anlage oder Einrichtung gebäudeähnliche Wirkungen hat, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts (BayVGH, B.v. 12.11.2001 – 2 ZB 99.3484 – BayVBl 2003, 120; Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2024, Art. 6 Rn. 40).
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2.2. Die streitgegenständliche Stützmauer übersteigt eine Höhe von 2,0 m, jeweils gemessen ab dem „Urgelände“ nicht (vgl. die genehmigten Bauzeichnungen, insbesondere den „Längsschnitt“) und ist damit abstandsflächenrechtlich privilegiert, Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 BayBO.
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Die Tiefe der Abstandsflächen bemisst sich nach der Wandhöhe, wobei die Wandhöhe hier das Maß von der Geländeoberfläche bis zum oberen Abschluss der Wand ist, Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1, Satz 2 Alt. 2 BayBO. Abzustellen ist – auch bei Niveauunterschieden – auf die Geländeoberfläche des Baugrundstücks und nicht des Nachbargrundstücks. Dabei ist grundsätzlich von der natürlichen Geländeoberfläche als Bezugspunkt auszugehen. Aufschüttungen und Abgrabungen sind – auch wenn sie rechtmäßig im Zuge des Bauvorhabens vorgenommen werden – insoweit regelmäßig nicht maßgeblich (vgl. BayVGH, U.v. 8.6.2010 – 9 B 08.3162 – juris Rn. 17).
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2.3. Das Aufsetzen des Zaunelementes zur Absturzsicherung und die Geländemodellierung führen nicht dazu, dass die Anlage aus dem Anwendungsbereich des abstandsflächenrechtlichen Privilegierungstatbestands herausfällt. Eine gebäudegleiche Wirkung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO ist nicht auszumachen.
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2.3.1. Die Ausgestaltung des Zauns lässt sich gerade auch hinsichtlich seiner abstandsflächenrelevanten Merkmale den Bauzeichnungen entnehmen. Die Baugenehmigung ist insoweit nicht unbestimmt, Art. 37 Abs. 1 BayVwVfG.
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Der Nachbar hat grundsätzlich keinen materiellen Anspruch darauf, dass der Bauantragsteller einwandfreie Bauvorlagen einreicht. Eine Baugenehmigung ist nur dann aufzuheben, wenn sich wegen Fehlens oder Unvollständigkeit der Bauvorlagen Gegenstand und Umfang der Baugenehmigung nicht eindeutig feststellen lassen und aus diesem Grund eine Verletzung von Nachbarrechten nicht ausgeschlossen werden kann (BayVGH, B.v. 23.7.2012 – 2 ZB 12.1209 – juris Rn. 6). Maßgebend sind die Umstände des Einzelfalls.
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Die Beschaffenheit des streitgegenständlichen Zauns bzw. der Absturzsicherung, welche mit der Stützmauer verbunden werden soll, kann den Bauzeichnungen zum einen im „Längsschnitt“, als auch zum anderen farbig visualisiert in der Ansicht „Südwest“ entnommen werden. Es handelt sich um eine licht- und luftdurchlässige Ausführung mit einzelnen Pfosten, an die in regelmäßigen Abständen Querstreben angebracht werden. Die Zwischenräume sind offen. Weitergehende Ausführungen zur Ausgestaltung der Einfriedung waren nicht veranlasst, die Bauzeichnungen sind insoweit eindeutig.
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2.3.2. Zweifelsohne ist das Zaunelement mit einer Höhe von 1,0 m (Schnitt S1) für sich genommen nicht abstandsflächenpflichtig, denn offene Einfriedungen sind grundsätzlich aufgrund ihrer Lichtdurchlässigkeit nicht abstandsflächenrelevant (vgl. BayVGH, B.v. 5.2.2015 – 2 CS 14.2456 – BeckRS 2015, 42391 Rn. 36).
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Eine Abstandsflächenpflicht entsteht auch nicht durch die Verbindung mit der Stützmauer. Im Unterschied zur Formulierung in Art. 57 Abs. 1 Nr. 7 BayBO („Mauern und Einfriedungen“) ist in Art. 6 Abs. 7 Nr. 3 BayBO ausdrücklich von „geschlossenen“ Einfriedungen die Rede. Dies verdeutlicht, dass bei einer in der Höhe nicht einheitlich aufgebauten Einfriedung abstandsflächenrechtlich nur die Höhe des unteren, „geschlossenen“ Teils anzurechnen ist, nicht aber zusätzlich die Höhe eines darauf gesetzten licht- und luftdurchlässigen Zauns. Entsprechendes gilt für eine auf eine Stützmauer aufgesetzte Umwehrung (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 29 m.w.N.). Auf die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts – im wesentlichen Belichtung, Besonnung und Belüftung – nach umstrittener Ansicht (vgl. zum Streitstand: BayVGH, U.v. 31.7.2020 – 15 B 19.832 – juris Rn. 22) auch die Gewährleistung eines dem nachbarlichen „Wohnfrieden“ dienenden Sozialabstands – hat das Zaunelement aufgrund seiner filigranen Ausgestaltung und Lichtdurchlässigkeit keinerlei Auswirkungen.
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2.3.3. Auch die geplante Geländemodellierung hinter der Stützmauer mit aufgesetztem Zaunelement führt nicht dazu, dass die Abstandsflächenprivilegierung entfällt. Dabei kann offenbleiben, ob die Stützmauer und die geplanten Anschüttungen zur Nivellierung des Hangs eine funktionale Einheit i.S.d. Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 BayBO bilden oder die Modellierung des natürlichen Geländes auf einer Breite und Tiefe von im Mittel etwa einem Meter (vgl. Schnitte S1- S3) bereits keine abstandsflächenrelevante Aufschüttung darstellt.
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Erdaufschüttungen (vgl. Art. 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 BayBO) können nach der Rechtsprechung zwar im Einzelfall unter Berücksichtigung der Zielsetzungen des Abstandsflächenrechts gebäudegleiche Wirkung haben (vgl. BayVGH, B.v. 12.11.2001 – 2 ZB 99.3484 – juris Rn. 11 ff.). Anders verhält es sich aber, wenn eine Stützmauer der Sicherung der Aufschüttung vor dem Abrutschen auf das Nachbargrundstück dient. In diesem Fall bilden Stützmauer und Aufschüttung eine funktionelle Einheit, die in ihrer Gesamtheit der Privilegierung des Art. 6 Abs. 7 Satz 1 Nr. 3 Alt. 1 BayBO unterliegen, da es für den Nachbarn abstandsflächenrechtlich keine Bedeutung hat, was sich unmittelbar hinter der durchgehenden Stützmauer befindet. Als Stützmauern (mit dahinter liegender Aufschüttung) privilegiert sind allerdings nur solche Anlagen, die erforderlich sind, um eine angemessene und zulässige Nutzung des Baugrundstücks zu ermöglichen (vgl. BayVGH, B.v. 22.2.2017 – 15 CS 16.1883 – juris Rn. 26 u. 28 m.w.N.).
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So liegt es hier. Dem Bauherrn kommt ein beachtliches Interesse daran zu, sein von der Hanglage geprägtes Wohngrundstück und die Anschüttung durch die Errichtung einer (neuen) Stützmauer vor einem Abrutschen auf das Nachbargrundstück zu sichern und insbesondere die gärtnerisch genutzten Freiflächen im rückwärtigen Bereich dadurch einer sinnvollen Nutzung zuzuführen bzw. diese zu erhalten.
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Die geplante Aufschüttung hinter der Stützmauer hat zudem keine spürbaren Auswirkungen auf die Schutzgüter des Abstandsflächenrechts, insbesondere nicht auf die Belichtung, Besonnung und Belüftung des Nachbargrundstücks. Die vorhandene Geländesituation – bereits jetzt besteht zwischen den Grundstücken ein Niveauunterschied von bis zu 2,5 m (vgl. Schnittzeichnungen S1 – S3), auch eine (abgängige) Stützmauer ist schon vorhanden – wird durch das Vorhaben nicht zulasten des Nachbargrundstücks verändert oder gar verschärft. Die Geländehöhe des Baugrundstücks bleibt vielmehr im Wesentlichen unverändert. Stützmauer und Einfriedung bleiben aufgrund der vorgenommenen Geländeanpassung über 2/3 ihrer Länge sogar unter dem Niveau einer fiktiven, sich 2 m über das Urgelände erhebenden Mauer (vgl. „Längsschnitt“, dort eingezeichnete Linie „2 m über Urgelände“) zurück. Der Anschüttung kommt bei einer Breite von ca. 1 m im Mittel (vgl. die genehmigten Schnittzeichnungen) zudem kein eigenständiges abstandsflächenrechtliches Gewicht zu, zumal die geplante Stützmauer durch die Anschüttung an keiner Stelle überragt wird, bzw. das angeschüttete Gelände im nördlichen Bereich (zwischen Schnitt S2 und Schnitt S3) sogar deutlich unter dem Niveau der Oberkante der Stützmauer liegt.
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Etwas anderes gilt auch nicht bei Berücksichtigung der Überlegungen des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 22. Februar 2017 (15 CS 16.1883 – juris Rn. 26), ob einer Aufschüttung für den Fall, dass auf dieser eine Terrasse errichtet wird, die für den längeren Aufenthalt von Menschen bestimmt ist und daher den Wohnfrieden auf dem Nachbargrundstück beeinträchtigen würde, eine gebäudegleiche Wirkung i.S.d. Art. 6 Abs. 1 Satz 2 BayBO zukommen kann. Selbst wenn man den sozialen Wohnfrieden als ein Schutzgut des Abstandsflächenrechts sehen wollte, sind diese Überlegungen auf den vorliegenden Fall schon deswegen nicht übertragbar, weil hier keine neue, dem längeren Aufenthalt von Menschen zu dienen bestimmte Fläche geschaffen wird, die aufgrund ihrer Lage auf einer Aufschüttung geeignet ist, den sozialen Wohnfrieden des Nachbargrundstücks zu beeinflussen. Es handelt sich vorliegend vielmehr um eine „gewöhnliche“ Hanglage, bei der das Oberliegergrundstück durch eine Stützmauer abgefangen und zur sinnvollen Nutzbarkeit des Hausgartens unmittelbar hinter der Mauer quasi in der „Schräge“ angeschüttet wird. Bei unterschiedlichen Geländehöhen gleicht die BayBO den „Nachteil“ des Unterliegergrundstücks jedoch regelmäßig durch die Vorschrift des Art. 6 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 2 BayBO aus, wonach die Abstandsfläche abstandsflächenpflichtiger Gebäude und Anlagen senkrecht zur Wand gemessen wird(vgl. zur Lage der Abstandsflächen bei Niveauunterschieden zwischen Bau- und Nachbargrundstück: BayVGH, B.v. 9.10.2012 – 15 CS 12.1852 – juris Rn. 10; Kraus in: Busse/Kraus, Bayerische Bauordnung, Stand: Dezember 2024, Art. 6 Rn. 162). Eine weitergehende Anpassung der durch die Hanglage verursachten Nachteile ist dagegen nicht vorgesehen, zumal jedes Hanggrundstück eine „gute“ und eine „schlechte“ Seite hat. Mit der Geländeauffüllung geht hier auch keine unzumutbare Intensivierung der bereits vorhandenen Nutzungsmöglichkeiten des Freigeländes einher. Eine besondere – über die aus der vorgegebenen Grundstückssituation hinausgehende – Belastungswirkung zulasten des Nachbargrundstücks ist nicht auszumachen. An der Nutzbarkeit der Freiflächen im Garten des Baugrundstücks zum (längeren) Aufenthalt von Menschen und am bereits vorhandenen Niveauunterschied ändert sich durch die maßvolle Geländemodellierung nichts.
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2.4. Soweit der Beklagte und der Beigeladene darauf abstellen, dass dem Kläger aufgrund eines eigenen Abstandsflächenverstoßes unzulässige Rechtsausübung vorzuwerfen sei (§ 242 BGB; vgl. hierzu: BayVGH, B.v. 30.12.2008 – 1 CE 08.3253 – juris Rn. 10), kommt es darauf nicht mehr an.
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2.5. Die Verletzung weiterer, im vereinfachten bauaufsichtlichen Genehmigungsverfahren zu prüfender drittschützender Normen des Bauplanungs- und Bauordnungsrechts ist weder dargetan noch ersichtlich.
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II. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
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Es entspricht der Billigkeit (§ 162 Abs. 3 VwGO) dem Kläger auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen, weil dieser sich seinerseits mit der Antragstellung einem Kostenrisiko ausgesetzt hat (vgl. § 154 Abs. 3 VwGO).
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3. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.