Inhalt

VG München, Beschluss v. 14.07.2025 – M 1 S 25.3385
Titel:

Klage einer Standortgemeinde, Flüchtlingsunterkunft, Veränderungssperre, Befristung der Baugenehmigung, Dringlichkeit, Planungshoheit der Gemeinde

Normenkette:
BauGB § 246 Abs. 14
Schlagworte:
Klage einer Standortgemeinde, Flüchtlingsunterkunft, Veränderungssperre, Befristung der Baugenehmigung, Dringlichkeit, Planungshoheit der Gemeinde
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18900

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladene trägt ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf EUR 7.500,- festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin begehrt als Standortgemeinde die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen eine der Beigeladenen erteilte Nutzungsänderungsgenehmigung eines Gewerbeobjekts in eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge auf FlNr. …, Gem. … (im Folgenden: Baugrundstück).
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Die Umbauarbeiten sind bereits teilweise ins Werk gesetzt.
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Am 8. April 2024 beantragte die Beigeladene die Erteilung einer Baugenehmigung für die Nutzungsänderung eines Gewerbeobjekts (E+I) in eine Gemeinschaftsunterkunft mit 101 Betten nach PlanNr. … Auf zwei Stockwerken sollen 17 (EG) bzw. 19 (OG) Mehrbettzimmer entstehen, zusätzlich hierzu sechs (EG) bzw. sieben (OG) Aufenthaltsräume sowie pro Stockwerk u.a. je zwei Gemeinschaftssanitärräume sowie je eine Gemeinschaftsküche (Gesamtnutzfläche 2014,8 m²).
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Am 30. April 2024 beschloss die Antragstellerin für das Baugrundstück und seinen Umgriff einen Bebauungsplan (Nr. … „…  … … …“) im beschleunigten Verfahren aufzustellen. Der Bebauungsplan umfasst im Wesentlichen das Baugrundstück sowie das jeweils westlich und östlich angrenzende Anwesen (FlNrn. … … und …). Der derzeit als faktisches Gewerbegebiet einzustufende Umgriff solle als Gewerbestandort gesichert werden, sodass beabsichtigt sei, die Zulässigkeit von Anlagen für soziale Zwecke auszuschließen. Zugleich beschloss die Antragstellerin den Erlass einer Veränderungssperre für das Plangebiet und verweigerte im Hinblick auf die Veränderungssperre das Einvernehmen. Aufstellungsbeschluss und Veränderungssperre wurden am 3. Mai 2024 ortsüblich bekannt gemacht.
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Nach Anhörung der Antragstellerin und erneuter Verweigerung des gemeindlichen Einvernehmens erteilte der Antragsgegner am 17. Juli 2024, ergänzt mit Bescheid vom 31. Juli 2024, eine unbefristete Baugenehmigung ( …) zur beantragten Nutzungsänderung nach § 246 Abs. 14 BauGB.
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Mit Beschluss vom 17. März 2025 (M 1 SN 24.6951) hat das Gericht die aufschiebende Wirkung der von der Antragstellerin hiergegen am 30. Juli 2024 erhobenen Klage (M 1 K 24.4560 – das Verfahren wurde zwischenzeitlich eingestellt) im Wesentlichen mit der Begründung angeordnet, dass nicht ersichtlich sei, weshalb die Erteilung einer unbefristeten Baugenehmigung i.S.v. § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB in zeitlicher Hinsicht erforderlich sei. Auf die Entscheidung und ihre Begründung wird verwiesen.
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Mit Bescheid vom 24. März 2025 hob der Antragsgegner die Baugenehmigung vom 17. Juli 2024 nebst Ergänzungsbescheid vom 31. Juli 2024 auf. Die Erteilung der Baugenehmigung sei rechtswidrig gewesen, die Aufhebung der Baugenehmigung erfolge im Einverständnis der Beigeladenen.
8
Unter dem 26. März 2025 hörte der Antragsgegner die Antragstellerin erneut zur beabsichtigten Abweichung von der Satzung über die Veränderungssperre mit Monatsfrist an. Die Baugenehmigung solle nunmehr auf 10 Jahre befristet werden.
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Mit Beschluss des Gemeinderats vom 8. April 2025, dem Antragsgegner übermittelt mit E-Mail vom 23. April 2025, versagte die Antragstellerin das gemeindliche Einvernehmen zum Vorhaben mit Hinweis auf die Veränderungssperre. Das Vorhaben stehe im Widerspruch zu den Zielsetzungen des künftigen Bebauungsplanes. Eine Laufzeit von 10 Jahren sei unverhältnismäßig.
10
Am 6. Mai 2025 erteilte der Antragsgegner der Beigeladenen die bis 30. März 2035 befristete (C.) Genehmigung zur Nutzungsänderung eines Gewerbeobjekts in eine Gemeinschaftsunterkunft für das Baugrundstück nach Maßgabe der eingereichten Bauvorlagen (A.) unter Abweichung von den Vorschriften des Baugesetzbuches und den aufgrund des Baugesetzbuches erlassenen Vorschriften (B.) unter der Auflage, dass vier Kfz-Stellplätze und 34 Fahrradstellplätze herzustellen und der Nutzungseinheit auf Dauer zuzuordnen seien (D.) nach § 246 Abs. 14 BauGB. Die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre könne nicht zugelassen werden, da das Vorhaben nicht mit der zugrundeliegenden Planungskonzeption vereinbar sei. Die Unterkunftsmöglichkeit werde dringend benötigt. Die Standortentscheidung begründe sich im Wesentlichen mit der objektiven Geeignetheit des Grundstücks und dem Fehlen weiterer Immobilienangebote im Landkreis. In Bayern seien die Unterbringungsmöglichkeiten für Asylbewerber mit rund 94% stark ausgelastet. Von einer Entspannung der Situation sei nicht auszugehen. Der Landkreis bilde mit einer Erfüllungsquote von 75,48% (Stand 28. April 2024) das Schlusslicht der oberbayerischen Landkreise. Seit März 2022 müssten zudem Schulturnhallen für die Erstunterbringung genutzt werden. Die Antragstellerin sei mit 168 untergebrachten Flüchtlingen Untererfüllerin. Bei einer prozentualen Verteilung nach Einwohnerzahl müsse sie noch 31 Personen aufnehmen, bei einer Unterbringungsquote des Landkreises von 100% sogar 93. Das Vorhaben biete für 101 Flüchtlinge Platz und sei, da es an anderen geeigneten Unterkünften fehle, alternativlos. Die Befristung der Baugenehmigung auf 10 Jahre sei auch unter Berücksichtigung der kommunalen Planungshoheit verhältnismäßig. Die Eigentümerin sei zur Verpachtung nur bereit, wenn der Vertrag auf entsprechende Zeit geschlossen werde. Die Unterkunft betreffe nur ein Teil des Geltungsbereichs des in Aufstellung befindlichen Bebauungsplans, der im Übrigen umgesetzt werden könne. Die Bauherrin könne das Grundstück auch ungenutzt lassen und nicht zur Verwirklichung eines gewerblichen Vorhabens verpflichtet werden. Das öffentliche Interesse an einer gleichmäßigen Verteilung der Flüchtlinge über den Landkreis und an der staatlichen Aufgabenerfüllung zur Unterbringung von Flüchtlingen überwiege die Belange der Gemeinde, von einem Eingriff in die Planungshoheit verschont zu bleiben.
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Mit am 3. Juni 2025 bei Gericht eingegangenem Schriftsatz erhob die Antragstellerin Anfechtungsklage gegen den Bescheid vom 6. Mai 2025 (M 1 K 25.3384), über die bisher noch nicht entschieden worden ist.
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Weiterhin beantragt sie:
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Die aufschiebende Wirkung der Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht München gegen den Baugenehmigungsbescheid des Landratsamts R. vom 06.05.2025, Az.: …- …  …, wird angeordnet.
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Die Baugenehmigung sei rechtswidrig und verletze die Antragstellerin in ihrer Selbstverwaltungshoheit. Es werde in Abrede gestellt, dass die Unterkunft angesichts der sinkenden Zugangszahlen und des Kurswechsels der neuen Bundesregierung dringend für ca. 10 Jahre benötigt werde. Jedenfalls sei die Baugenehmigung unter einer Überdehnung des Anwendungsbereichs des § 246 Abs. 14 BauGB ergangen. Es fehle eine Begründung, weshalb auch bei Anwendung der § 246 Abs. 8-13 BauGB dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten nicht oder nicht rechtzeitig hätten bereitgestellt werden können sowie eine Auseinandersetzung mit etwaigen Alternativlösungen. Jedenfalls aber hätte für ein auf drei Jahre befristetes Vorhaben eine Ausnahme von der Veränderungssperre erlassen werden können. Es sei nichts dafür ersichtlich, warum eine Befristung auf drei Jahre nicht ausgereicht hätte, um den derzeitigen Unterbringungsbedarf zu decken. Die Eingriffsintensität wachse mit steigender Befristungsdauer. Es werde bestritten, dass die Grundstückseigentümerin andernfalls nicht zu einer Vermietung des Grundstücks bereit gewesen wäre, zumal dies einen so weitreichenden Eingriff in die Planungshoheit nicht zu rechtfertigen vermöge. Der Antragsgegner hätte der Grundstückseigentümerin bessere Konditionen bieten müssen. Die Antragstellerin sei in der Vergangenheit bereit gewesen sei, den Antragsgegner bei der Unterbringung zu unterstützen und komme ihrer aus § 5 Abs. 3 DVAsyl folgenden Mitwirkungspflicht mehr als ausreichend nach. Es sei dem Antragsgegner verwehrt, sich darauf zu berufen, dass Anlagen für soziale Zwecke im Gewerbegebiet ausnahmsweise zulässig seien. Diese Begründung lasse die planerische Entscheidung der Antragstellerin außer Acht. Unklar sei, ob geprüft worden sei, ob die Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse gewahrt seien bzw. die angrenzenden Gewerbetreibenden keine Einschränkungen hinnehmen müssten.
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Der Antragsgegner beantragt unter Verweis auf den Baugenehmigungsbescheid,
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den Antrag abzulehnen.
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Die Beigeladene äußerte sich in der Sache nicht.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, auch im Verfahren der Hauptsache (M 1 K 25.3384) und in den Verfahren M 1 SN 24.6951 und M 1 K 24.4560 sowie die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Der zulässige, insbesondere – im Hinblick auf die gemäß § 212a Abs. 1 BauGB entfallene aufschiebende Wirkung der in der Hauptsache erhobenen Anfechtungsklage – statthafte Antrag hat in der Sache keinen Erfolg. Das Vollzugsinteresse des Antragsgegners überwiegt das Aussetzungsinteresse der Antragstellerin, weil die angefochtene Baugenehmigung nach summarischer Prüfung die Antragstellerin nicht in ihren Rechten verletzt, § 113 Abs. 1 VwGO.
I.
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Das Gericht hat im Rahmen der nach § 80a Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 Alt. 1 VwGO vorzunehmenden eigenen Ermessensentscheidung abzuwägen, ob die Interessen, die für einen sofortigen Vollzug des angefochtenen Verwaltungsakts sprechen, oder diejenigen, die für die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung streiten, höher zu bewerten sind. Im Rahmen dieser Interessenabwägung sind auch die Erfolgsaussichten des Rechtsbehelfs in der Hauptsache zu berücksichtigen. Diese sind ein wesentliches, aber nicht das alleinige Indiz für und gegen den gestellten Antrag. Wird der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf bei der im einstweiligen Rechtsschutzverfahren nur möglichen summarischen Prüfung voraussichtlich erfolgreich sein (weil er zulässig und begründet ist), so wird regelmäßig nur die Wiederherstellung bzw. Anordnung der aufschiebenden Wirkung in Betracht kommen. Wird dagegen der in der Hauptsache erhobene Rechtsbehelf voraussichtlich keinen Erfolg haben (weil er unzulässig oder unbegründet ist), so ist dies ein starkes Indiz für die Ablehnung des Eilantrags. Sind schließlich die Erfolgsaussichten offen, findet eine allgemeine, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der für und gegen den Sofortvollzug sprechenden Interessen statt (vgl. BayVGH, B.v. 18.9.2017 – 15 CS 17.1675 – juris Rn. 11; B.v. 7.11.2022 – 15 CS 22.1998 – juris Rn. 25; BVerwG, B.v. 11.11.2020, 7 VR 5.20 – juris Rn. 8).
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Aufgrund der subjektiven Ausrichtung des verwaltungsgerichtlichen Rechtsschutzes hat eine gegen die einem Dritten erteilte Baugenehmigung gerichtete Klage nicht schon dann Erfolg, wenn die Baugenehmigung objektiv rechtswidrig ist, weil sie gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt, die im einschlägigen Genehmigungsverfahren zu prüfen waren. Vielmehr ist erforderlich, dass die Baugenehmigung den Dritten in Rechten verletzt, die gerade auch seinen Schutz bezwecken, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Vorliegend wendet sich die Antragstellerin als Standortgemeinde gegen die streitgegenständliche Baugenehmigung und kann sich in diesem Rahmen auf ihre Planungshoheit (Art. 28 Abs. 2 GG, Art. 11 Abs. 1 BV) berufen.
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Maßgeblich für die Beurteilung, ob die Erteilung der Baugenehmigung unter Abweichung von der Veränderungssperre gemäß § 246 Abs. 14 BauGB im Hinblick auf öffentliche Rechte der Antragstellerin als Standortgemeinde zu Recht erfolgt ist, ist die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Bescheiderlasses (VG München, B.v. 3.3.2025 – 11 SN 24.7851 – juris Rn. 41).
II.
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Nach diesem Maßstab wird die Klage in der Hauptsache voraussichtlich keinen Erfolg haben. Nach summarischer Prüfung ist kein Verstoß gegen das Selbstverwaltungsrecht der Antragstellerin feststellbar.
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1. Der angegriffene Bescheid leidet nach summarischer Prüfung nicht an einem Begründungsmangel, Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG. Daher kann offenbleiben, ob sich die Antragstellerin insoweit grundsätzlich auf die Einhaltung von Verfahrensvorschriften berufen kann.
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Nach Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG sind in der Begründung des Verwaltungsakts die wesentlichen tatsächlichen und rechtlichen Gründe mitzuteilen, die die Behörde zur Entscheidung bewogen haben. Dem genügt der angegriffene Bescheid. Er lässt sowohl die Rechtsgrundlage (§ 246 Abs. 14 BauGB) sowie die Substitution des Sachverhalts und alle für die Entscheidung des Antragsgegners wesentlichen Erwägungen erkennen. Einer darüber hinausgehenden Begründung, insbesondere hinsichtlich der Subsidiarität des Anwendungsbereichs von § 246 Abs. 14 BauGB bedurfte es nicht, zumal hier aufgrund der gegebenen bauplanungsrechtlichen Situation – in Aufstellung befindlicher Bebauungsplan, der Anlagen für soziale Zwecke nach § 8 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 3 BauNVO ausschließt und mit Veränderungssperre gesichert wurde – eine Genehmigung des Vorhabens nach den § 246 Abs. 8-13 BauGB, denen andere städtebauliche Ausgangslagen zugrunde liegen, offensichtlich ausscheidet. Art. 39 Abs. 1 Satz 2 BayVwVfG verlangt weder eine Begründung in allen Einzelheiten noch ist erforderlich, alle denkbaren Fragen anzusprechen (vgl. Schuler-Harms in: Schoch/Schneider, Verwaltungsrecht, Stand: November 2024, § 39 Rn. 56).
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2. Eine Verletzung der in Art. 28 Abs. 2 Satz 1 GG, Art. 11 Abs. 2 Satz 2 BV verankerten Planungshoheit der Antragstellerin ist nach summarischer Prüfung nicht ersichtlich.
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2.1. Nach § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB kann, soweit auch bei Anwendung der von § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht oder nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können, bei Aufnahmeeinrichtungen, Gemeinschaftsunterkünften oder sonstigen Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende bis zum Ablauf des 31. Dezember 2027 von den Vorschriften dieses Gesetzbuchs oder den aufgrund dieses Gesetzbuchs erlassenen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden.
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Die in § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB vorgesehene, sehr weitgehende Abweichungsbefugnis muss in zweierlei Hinsicht erforderlich sein: zunächst wird vorausgesetzt, dass auch bei Anwendung der in § 246 Abs. 8 bis 13 BauGB vorgesehenen Instrumentarien dringend benötigte Unterkunftsmöglichkeiten im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen sollen, nicht rechtzeitig bereitgestellt werden können. Ist dies zu bejahen, kann inhaltlich jedoch nicht unbegrenzt, sondern nur im erforderlichen Umfang abgewichen werden. Zur Prüfung der Erforderlichkeit sind – vergleichbar zu § 37 BauGB – die widerstreitenden öffentlichen Belange, auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen, für jeden Einzelfall zu gewichten, schließlich sind auch die jeweils konkreten Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse zu beachten (s. zum Ganzen: Blechschmidt in Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Kratzberger, BauGB, Stand: November 2024, § 246 Rn. 97 ff. wie auch die Gesetzesbegründung in BT-Drs. 18/6185, dort S. 55). Dabei können insbesondere die konkrete Lage und Größe des Vorhabens, das Bestehen von Alternativstandorten sowie die Befristung der Baugenehmigung bzw. die Nutzungsdauer berücksichtigt werden (Battis/Mitschang/Reidt, NVwZ 2015, 1633).
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2.2. Das Vorhaben kann nicht nach den allgemein geltenden bauplanungsrechtlichen Vorschriften zugelassen werden. Insbesondere scheidet eine Ausnahme von der Veränderungssperre nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB aus, da das Vorhaben mit dem Sicherungszweck der Veränderungssperre nicht vereinbar ist.
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2.2.1. Der Anwendungsbereich von § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB ist auch dann nicht eröffnet, wenn das Vorhaben auf andere Weise nach den Vorschriften des Bauplanungsrecht verwirklicht werden könnte. Ein Rückgriff auf § 246 Abs. 14 BauGB ist daher insbesondere für die Erteilung einer Ausnahme von der Veränderungssperre nicht nötig, wenn die Voraussetzungen für eine Befreiung von den Festsetzungen des (künftigen) Bebauungsplans vorliegen (BayVGH, B.v. 24.6.2024 – 9 CS 24.458 – BeckRS 2024, 15418 Rn. 19).
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Nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB kann von der Veränderungssperre eine Ausnahme zugelassen werden, wenn überwiegende öffentliche Belange nicht entgegenstehen. Damit soll der Besonderheit von Einzelfällen innerhalb des räumlichen Geltungsbereichs einer Veränderungssperre Rechnung getragen werden, für die ausnahmsweise der auf das Gebiet bezogene und den Erlass der Veränderungssperre rechtfertigende Sicherungszweck ein Verbot nicht erfordert (Mitschang in: Battis/Krautzberger/Löhr, Baugesetzbuch, 15. Auflage 2022, § 14 Rn. 18). Der praktisch wichtigste öffentliche Belang ist die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung. Maßgeblich ist der konkrete Sicherungszweck der Veränderungssperre. Ein Vorhaben, das mit diesem nicht vereinbar ist, insbesondere der beabsichtigten Planung widerspricht oder sie wesentlich erschweren würde, darf im Wege der Ausnahme nicht zugelassen werden. Andernfalls würde die Veränderungssperre ihre Aufgabe nicht erfüllen können (BVerwG, U. v. 9.8.2016 – 4 C 5/15 – NVwZ-RR 2017, 717).
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2.2.2. Vorliegend widerspricht die genehmigte Gemeinschaftsunterkunft als Anlage für soziale Zwecke gemäß § 8 Abs. 3 Nr. 2 Alt. 3 BauNVO (vgl. BayVGH, B.v. 5.3.2015 – 1 ZB 14.2373 – juris Rn. 3 m.w.N.) der beabsichtigten Planung der Antragstellerin. Das Vorhaben steht dieser sogar diametral entgegen.
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Soweit die Antragstellerin auf die Entscheidung des Bayerische Verwaltungsgerichtshofs vom 24. Juni 2024 (9 CS 24.458 – juris Rn. 13 ff.) abstellt, ist dies unbehelflich. In dieser Einzelfallentscheidung wird ausgeführt, dass für lediglich befristete Baugenehmigungen ohne über die Frist hinausgehenden Bestandsschutz der Grundsatz, dass einer beabsichtigten Planung entgegenstehende Vorhaben nicht im Wege einer Ausnahme von der Veränderungssperre zulassungsfähig sein können, unter Berücksichtigung der Vorschrift des § 246 Abs. 12 BauGB differenziert zu sehen sei. Es sei darauf abzustellen, ob ein solches Vorhaben die beabsichtigte Planung und deren Verwirklichung wesentlich erschwere. In dem im o.g. Beschluss zu entscheidenden Fall, der eine auf drei Jahre befristete Baugenehmigung für die Errichtung von Wohncontainern zum Gegenstand hat, hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof angenommen, dass dies nicht der Fall sei und hierbei wesentlich auf die gesetzgeberische Wertung des § 246 Abs. 12 BauGB abgestellt. Gleichzeitig hat er nicht ausgeschlossen, dass auch eine befristete Baugenehmigung die Planung vereiteln oder wesentlich erschweren könnte (BayVGH, a.a.O., Rn. 14).
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Vorliegend ist bereits fraglich, ob bei einer vorgesehenen Befristung von etwa 10 Jahren der Zeitrahmen einer vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in seiner Entscheidung angenommenen „Zwischennutzung“ (§ 246 Abs. 12 BauGB lässt nur bis auf längstens drei Jahre befristete Vorhaben zu) nicht gesprengt wird, da das Vorhaben sowohl wegen Widerspruchs zu beabsichtigten Planung unzulässig ist, als auch die beabsichtigte Planung und ihre Verwirklichung wesentlich erschwert. Zwar muss die Antragstellerin insoweit in ihrer Planung keine Rücksicht auf das Vorhaben nehmen, als dass dieses nach Ablauf der Frist keinen Bestandsschutz mehr genießt. Allerdings ist das Vorhaben hier bis zum 30. März 2035 befristet, mithin wird der Beigeladenen eine Rechtsposition eingeräumt, die zeitlich deutlich über die Regeldauer einer Veränderungssperre (§ 17 Abs. 1 BauGB) hinausgeht. Allein aufgrund der Zeitdauer wird die Umsetzung der von der Antragstellerin beabsichtigten Planung wesentlich erschwert, sodass der Weg über § 14 Abs. 2 BauGB nicht gangbar ist.
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2.3. Die Voraussetzungen von § 246 Abs. 8-13 BauGB liegen offensichtlich ebenfalls nicht vor. Insbesondere ist eine Genehmigung nach § 246 Abs. 10 BauGB nicht möglich, da nach der planerischen Entscheidung der Antragstellerin am betreffenden Standort im „modifizierten Gewerbegebiet“ Anlagen für soziale Zwecke nicht als Ausnahme zugelassen werden können.
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2.4. Die streitgegenständliche Unterkunftsmöglichkeit wird im Gebiet der Gemeinde, in der sie entstehen soll, dringend benötigt, § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB.
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2.4.1. Vor dem Hintergrund der Dringlichkeit der Unterbringung sind keine übersteigerten Anforderungen an die Erforderlichkeitsprüfung zu stellen – eine sich aus der örtlichen Situation ergebende Plausibilität der Erforderlichkeit ist zur Vermeidung eines ausufernden Gebrauchs der Ausnahmevorschrift ausreichend, im Hinblick auf die gemeindliche Planungshoheit aber auch erforderlich (VG Würzburg, B.v. 12.06.2024 – W 5 S 24.502 – juris Rn. 49). Dabei kommt der Bedarfsdeckung ein höheres Gewicht zu als einer erschöpfenden Subsidiaritätsprüfung, die den durch die angestrebte Bedarfsdeckung gezogenen Zeithorizont und die Möglichkeiten der Verwaltung zu ihrer Durchführung zu berücksichtigen hat (VG Würzburg, a.a.O.; OVG Hamburg, B.v. 9.5.2016 – 2 Bs 38/16 – juris Rn. 7).
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Im Rahmen der summarischen Prüfung des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens ist daher ausreichend, dass die Entscheidung für das Grundstück im Gebiet der Antragstellerin nicht willkürlich erscheint. Die Frage, welche Parameter für die konkrete Standortwahl im Einzelnen bestehen und ob diese zum maßgeblichen Zeitpunkt eingehalten waren, ist im Verfahren der Hauptsache – gegebenenfalls durch Beweiserhebung – zu klären (vgl. VG München, B.v. 5.6.2025 – M 1 S 25.3165 – n.v.; VG Schwerin, B.v. 29.8.2023 – 2 B 1269/23 – KommJur 2023, 368).
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Betrachtungsgebiet ist die Gemeinde, unabhängig davon, wer der Träger der Unterkunft ist. Eine besondere Ortsgebundenheit wird nicht verlangt. Im Gebiet der Gemeinde entstehen sollen die Unterkünfte nicht nur dann, wenn die Gemeinde, sondern auch, wenn etwa der Bund oder das Land Träger der Einrichtung sind (VG Würzburg, B.v. 12.6.2024 – W 5 S 24.502 – juris Rn. 44). Alternativstandorte o.ä. wurden von der Antragstellerin nicht aufgezeigt.
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2.4.2. Für eine willkürliche Standortwahl gibt es keine Anhaltspunkte, diese ist im Gegenteil nach summarischer Prüfung plausibel.
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Der bayerische Verordnungsgeber der DVAsyl hat auf die Festlegung fester Gemeindequoten verzichtet und die Verteilungsquoten nach § 3 DVAsyl nur landkreisbezogen festgelegt. Die Kreisverwaltungsbehörden entscheiden, abhängig von den Gegebenheiten vor Ort, bei der Wahrnehmung der ihnen obliegenden gesetzlichen Aufgabe der Flüchtlingsunterbringung eigenverantwortlich über die Verteilung und Unterbringung innerhalb ihres Gebiets. Hieran gemessen bestehen aus Sicht der Kammer keine Zweifel daran, dass die streitgegenständliche Unterkunft dringend benötigt wird. Auf die entsprechenden Ausführungen des Landratsamts im angegriffenen Bescheid wird Bezug genommen. Insbesondere ist von Bedeutung, dass danach der Landkreis regierungsbezirksweit eine Erfüllungsquote von lediglich 75,48% (Stand 28.4.2024) vorweisen kann und dies auch nur unter Heranziehung mehrerer landkreiseigener Schulturnhallen.
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Darüber hinaus hat der Antragsgegner im angegriffenen Bescheid darauf hingewiesen, dass die Antragstellerin derzeit – ausgehend von einer anteiligen Verteilung von Geflüchteten auf die Städte und Gemeinden im Landkreis – Untererfüllerin ist und im Rahmen der Standortentscheidung zudem auf die – im Rahmen der summarischen Prüfung nachvollziehbare – objektive Geeignetheit des Grundstücks abgestellt. Sofern sich die Antragstellerin darauf beruft, dass sie den Antragsgegner in der Vergangenheit bei der Verteilung von Flüchtlingen unterstützt habe, hat dies auf die gegenwärtige Situation keinen Einfluss.
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2.4.3. Die Unterkunft wird auch im Hinblick auf den zeitlichen Rahmen dringend benötigt. Der Antragsgegner hat den Bedenken des Gerichts in Bezug auf eine unbefristete Baugenehmigung (M 1 SN 24.6951) mit der Befristung bis zum 30. März 2035 auf ca. 10 Jahre Rechnung getragen.
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Mit ihrem Verweis auf aktuelle Entwicklungen hinsichtlich der Zuzugszahlen – die, ebenso wie die politische Ausrichtung der jeweiligen Regierung oder die von der Antragstellerin bemühten „weltpolitischen Ereignisse der vergangenen Wochen und Monate“ stets nur eine Momentaufnahme darstellen – vermag die Antragstellerin nicht durchzudringen. Die Beurteilung, ob eine Unterkunft „dringend“ im Sinne von § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB benötigt wird, wird regelmäßig eine im Einzelfall nachvollziehbare Prognose erfordern, in die viele Faktoren einfließen. Auch hier gilt jedoch, dass an die Bedarfsprüfung keine übersteigerten Anforderungen zu stellen sind. Es ist durchaus plausibel, dass im betroffene Landkreis bis zum 30. März 2035 ein Unterbringungsbedarf in einer Gemeinschaftsunterkunft besteht. Nach § 53 Abs. 1 AsylG sollen alle Ausländer, die einen Asylantrag gestellt haben und nicht mehr verpflichtet sind, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen (vgl. § 47 Abs. 1 AsylG) in der Regel in Gemeinschaftsunterkünften untergebracht werden. Dort haben Flüchtlinge regelmäßig zumindest während der Dauer des Asylverfahrens, das sich teilweise über Jahre hinweg erstrecken kann, den Wohnsitz zu nehmen (vgl. § 60 Abs. 2 AsylG). Hinzu kommen etwa „Fehlbeleger“ und nachgeborene Kinder, die in den Zuzugszahlen nicht abgebildet werden. Die Belegung von Gemeinschaftsunterkünften erfolgt also weitestgehend „abgekoppelt“ von aktuellen Flüchtlingszahlen.
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Die Antragstellerin lässt darüber hinaus außer Acht, dass die staatliche Unterbringungsverpflichtung für Flüchtlinge und Asylberechtigte nicht nur den Personenkreis der Asyl-Erstantragsteller umfasst. Vielmehr kann beispielsweise auch nach Durchführung eines Asylverfahrens eine Unterbringungsverantwortung fortwirken bzw. zur Vermeidung von Obdachlosigkeit erforderlich sein (s. zum Ganzen die Darstellung in Jäde/ Dirnberger, BauGB, 10. Auflage 2022, § 246 Rn. 21). Entsprechend gilt § 246 Abs. 14 Satz 1 BauGB ausweislich seines Wortlauts nicht nur für Aufnahmeeinrichtungen und Gemeinschaftsunterkünfte, sondern auch für sonstige Unterkünfte für Flüchtlinge oder Asylbegehrende. Zudem ist neben den neuen Aufnahme- und Unterbringungsverpflichtungen weiterhin der Ausgleich des infolge der landkreisbezogenen Quotenuntererfüllung aufgelaufenen „Negativsaldos“ zu berücksichtigen (vgl. auch VG Würzburg, B.v. 12.06.2024 – W 5 S 24.502 – juris Rn. 51). Allein aus einer – möglicherweise – reduzierten Zahl von Erstanträgen kann daher nicht geschlossen werden, dass der Bedarf nicht mehr dringend sei.
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Die im Bescheid genannte Begründung, dass die Eigentümerin der Immobilie nur bereit sei, die Immobilie zu verpachten, wenn der Vertrag auf entsprechend lange Zeit abgeschlossen werde, ist, einen wirtschaftlich denkenden Eigentümer zugrunde gelegt, in sich schlüssig, zumal die Umnutzung des Objekts nicht unbeträchtliche Baukosten und weitere Investitionen nach sich zieht. Es ist nachvollziehbar, dass sich der Antragsgegner, der sich hinsichtlich der Unterbringung der Geflüchteten zum einen in einer schwierigen Lage und schwachen Verhandlungsposition befindet und zum anderen zu einer sparsamen Haushaltsführung verpflichtet ist (Art. 55 Abs. 1 Satz 1 LKrO) an den wirtschaftlichen Gegebenheiten des Immobilienmarktes orientieren muss. Vor diesem Hintergrund ist nicht nachvollziehbar, welche „besseren Konditionen“ der Antragsteller der Beigeladenen hätte bieten sollen.
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2.5. Das Vorhaben wahrt nach summarischer Prüfung die bauplanungsrechtlichen Anforderungen an gesunde Wohnverhältnisse.
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Diese Zulässigkeitsvoraussetzung ist auf die Abwehr städtebaulicher Missstände beschränkt. Es handelt sich um eine äußerste Grenze der Zulässigkeit der Bebauung (BVerwG, U.v. 12.12.1990 – 4 C 40/87 – NVwZ 1991, 879 zu § 34 BauGB). Hinsichtlich der Einzelheiten der Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse kann auf die Begriffsbestimmung in § 136 Abs. 3 BauGB zurückgegriffen werden (Söfker/Hellriegel in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg/Krautzberger, Baugesetzbuch, Stand: November 2024, § 34 Rn. 66).
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Diesen Standard berücksichtigend, führt das Vorhaben nicht zu derartigen städtebaulichen Missständen, insbesondere nicht hinsichtlich gesundheitsschädlicher Immissionen. Die Schwelle zur Gesundheitsgefahr unterliegt für schädliche Umwelteinwirkungen in Form von Immissionen keinen starren Grenzen, wird aber unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in der Regel bei Außen-Lärmimmissionen ab 70 dB(A) am Tag und 60 dB(A) in der Nacht angenommen (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2017 – 3 A 1.16 – juris Rn. 17; B.v. 15.7.2022 – 7 B 16.21 – juris Rn. 13; OVG MV, B.v. 13.11.2023 – 3 M 459/23 OVG – LSK 2023, 46640). Dafür, dass die untergebrachten Personen am konkreten Standort solchen Lärmwerten ausgesetzt sein würden, ergeben sich nach Aktenlage keinerlei Anhaltspunkte. Im Gegenteil befindet sich in den vorgelegten Behördenakten eine Stellungnahme des Sachgebiets Immissionsschutz vom 5. Dezember 2024, wonach keine immissionsschutzfachlichen Bedenken gegen das beantragte Vorhaben sprechen.
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2.6. Auch im Übrigen erweist sich die Abweichung unter Berücksichtigung und Gewichtung der widerstreitenden (bodenrechtlichen) öffentlichen Belange, auch unter Würdigung der gemeindlichen Interessen, als erforderlich und verhältnismäßig.
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Die Abweichungsentscheidung mit Befristung der Baugenehmigung auf einen Zeitraum von etwa 10 Jahren bis zum 30. März 2035 stellt sich insbesondere im Hinblick auf die Planungshoheit der Antragstellerin nicht als unverhältnismäßig dar.
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§ 246 Abs. 14 BauGB sieht – im Gegensatz zu den Absätzen 12 und 13 – zumindest seinem Wortlaut nach gerade keine Befristung vor. Da die streitgegenständliche Baugenehmigung gleichwohl zeitlich befristet ist, kann offenbleiben, ob es im Rahmen der verfassungskonformen Anwendung des § 246 Abs. 14 BauGB regelmäßig einer Befristung der aufgrund der Ausnahmevorschrift erteilten Genehmigungen bedarf.
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Die streitgegenständliche Baugenehmigung führt nicht zu einer dauerhaften Einschränkung, vielmehr ist der Eingriff in die gemeindliche Planungshoheit auf einen relativ überschaubaren Zeitrahmen begrenzt. Die künftige Verwirklichung der Planziele ist während des Genehmigungszeitraums zwar erschwert, jedoch nicht dauerhaft beeinträchtigt. Das Baugrundstück betrifft nur einen Teil des Planaufstellungsgebietes, im Übrigen kann die Planung sofort ins Werk gesetzt werden. Interessierte Gewerbetreibende können sich ungeachtet des Vorhabens entsprechend der gemeindlichen Planung im künftig überplanten Bereich ansiedeln, zumal sich u.a. aus § 246 Abs. 11 BauGB ergibt, dass Unterkünften für Flüchtlinge und Asylbegehrende ebenso wie betrieblichen Wohnungen nach § 8 Abs. 3 Nr. 1 BauNVO im Hinblick auf den ihnen zumutbaren Lärm nur das Schutzniveau eines Gewerbegebiets zukommt (BayVGH, B.v. 24.06.2024 – 9 CS 24.458 – BeckRS 2024, 15418 Rn. 22; VG Düsseldorf, B.v. 10.9.2024 – 28 L 2250/24 – NVwZ-RR 2025, 224). Einschränkungen für bereits ansässige Betriebe sind aufgrund dessen ebenfalls nicht zu befürchten.
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Angesichts des hohen Unterbringungsdrucks des Antragsgegners und der gesamtgesellschaftlichen Aufgabe, Flüchtlingen durch Bereitstellung von angemessenen Unterkünften ein – wenn auch gegebenenfalls nur geringes Maß – an eigenständiger Lebensführung zu ermöglichen, erscheint der relativ geringfügige Eingriff in die Planungshoheit der Antragstellerin – die von ihr vorgesehene Planung kann für ein singuläres Grundstück für den überschaubaren Zeitraum von ca. 10 Jahren nicht umgesetzt werden – zumutbar.
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Soweit die Antragstellerin darüber hinaus vorträgt, dass der Antragsgegner das Vorhaben mit einer Befristung von drei Jahren hätte genehmigen können und müssen, verkennt sie, dass nicht etwaige Alternativgenehmigungen Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens sind, sondern die Frage, ob die erteilte Baugenehmigung mit der gewählten Befristung Rechte der Antragstellerin verletzt (vgl. zu Alternativstandorten bei der Nachbarklage: BayVGH, B.v. 25.8.2015 – 1 CS 15.1411 – BeckRS 2015, 51961).
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2.7. Die Ermessensausübung ist, soweit sie im Hinblick auf § 114 Satz 1 VwGO einer gerichtlichen Überprüfung zugänglich ist, nicht zu beanstanden.
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Die diesbezüglichen Ausführungen in den Gründen des Bescheids lassen nicht erkennen, dass die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten oder vom Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden ist.
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2.8. Die Übernahme einer Rückbauverpflichtung war gemäß § 246 Abs. 14 Satz 7 BauGB nicht erforderlich.
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II. 1. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, wobei es der Billigkeit entsprach, die Beigeladene ihre außergerichtlichen Kosten selbst tragen zu lassen, hat sie sich doch mangels Antragstellung keinem Kostenrisiko ausgesetzt (vgl. §§ 154 Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO).
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2. Die Festsetzung des Streitwerts folgt §§ 40, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 9.10 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der bei Stellung des gerichtlichen Eilantrags maßgeblichen Fassung von 2013 (und nicht in der kurz vor der gerichtlichen Entscheidung am 1. Juli 2025 bekanntgemachten neuen Fassung des Streitwertkatalogs 2025; ebenso BayVGH, B.v. 15.1.2014 – 4 C 14.580 – juris Rn. 1; U.v. 12.11.2014 – 4 BV 13.1239 – juris Rn. 41; NdsOVG, B.v. 15.7.2014 – 7 OA 17/14 – juris Rn. 4; SächsOVG, B.v. 19.3.2014 – 5 E 15/12 – juris Rn. 3; HessVGH, B.v. 30.11.2015 – 8 A 889/13 – juris Rn. 68; a.A. OVG Hamburg, B.v. 24.3.2015 – 1 SO 117/14 – juris).