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VG München, Beschluss v. 14.07.2025 – M 1 S 25.3925
Titel:

Eilantrag, Einreichung durch einen Anwalt, Elektronische Übermittlung, Einfache E-Mail

Normenketten:
VwGO § 55a
VwGO § 55d
ERVV § 4
Schlagworte:
Eilantrag, Einreichung durch einen Anwalt, Elektronische Übermittlung, Einfache E-Mail
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18887

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Beigeladenen tragen ihre außergerichtlichen Kosten selbst.
III. Der Streitwert wird auf 25.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Die Antragstellerin sucht Eilrechtsschutz im Zusammenhang mit ihrer Klage (M 1 K 25.277), welche sie gegen eine den Beigeladenen erteilte Baugenehmigung erhoben hat.
2
Sie ist Eigentümerin des Grundstücks FlNr. … Gem. …, das sie Dritten überlassen hat, welche dort einen Einzel- und Großhandel für Fisch (Handelsgesellschaft … GmbH) betreiben. Das Vorhabengrundstück FlNr. … Gem. … ist unmittelbar nördlich davon gelegen.
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Mit Bescheid vom 18. Dezember 2024 erteilte das Landratsamt R. den Beigeladenen die Baugenehmigung zur Nutzungsänderung von Werkstätten und Lagerflächen in eine Asylunterkunft nebst Errichtung von Sanitärcontainern. Gegen die Baugenehmigung hat die Antragstellerin am 16. Januar 2025 Klage (M 1 K 25.277) beim Verwaltungsgericht München erhoben.
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Mit E-Mail vom 1. Juli 2025, 6:41 Uhr, übersandte der Prozessbevollmächtigte der Antragstellerin über sein E-Mail-Account des Anbieters „Googlemail“ einen elektronisch signierten Schriftsatz im pdf-Format an die E-Mail-Adresse der Poststelle des Verwaltungsgerichts München mit dem Antrag,
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dem Beklagten zu verbieten, keine Menschen in das Flüchtlingsheim, FlNr. … (Am E. 10) in … … … … einzuquartieren.
6
Am Ende des Schriftsatzes findet sich die Bitte des Prozessbevollmächtigten um E-Mails an seine E-Mail-Adresse des Anbieters „googlemail“, weil „der beA“ noch nicht funktioniere. Mit am 9. Juli 2025 beim Verwaltungsgericht München eingegangenem, handschriftlich unterschiebenem Brief übersandte der Prozessbevollmächtigte den Schriftsatz postalisch.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird ergänzend auf die Gerichtsakte Bezug genommen.
II.
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Der Antrag war abzulehnen, weil er nicht wirksam erhoben worden ist.
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Nach dem seit dem 1. Januar 2022 geltenden § 55d VwGO sind vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen, die durch (u.a.) einen Rechtsanwalt eingereicht werden, als elektronisches Dokument zu übermitteln. Die aktive Nutzungspflicht der elektronischen Form ist nicht von einem weiteren Umsetzungsakt abhängig und gilt für sämtliche Verfahren. Sie bezieht sich auf alle an das Gericht adressierten Schriftsätze, Anträge und Erklärungen. Eine herkömmliche Einreichung – etwa auf dem Postweg oder per Telefax – ist prozessual unwirksam. Nur dann, wenn eine Übermittlung aus technischen Gründen vorübergehend nicht möglich ist, bleibt die Übermittlung nach den allgemeinen Vorschriften zulässig (§ 55d Satz 3 VwGO). Die vorübergehende Unmöglichkeit ist bei der Ersatzeinreichung oder unverzüglich danach glaubhaft zu machen (zum Ganzen: BayVGH, B.v. 1.12.2022 – 1 CE 22.1943 – juris Rn. 8).
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1. Diesen Anforderungen genügen weder das am 1. Juli 2025 per E-Mail übersandte Dokument noch das am 9. Juli 2025 bei Gericht eingegangene Schriftstück.
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1.1 Gemäß § 55a Abs. 3 VwGO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg im Sinne von § 55a Abs. 4 VwGO eingereicht werden. Hinsichtlich der technischen Rahmenbedingungen für die Übermittlung elektronischer Dokumente an (u.a.) die Gerichte der Länder gelten zudem die Anforderungen der Verordnung über die technischen Rahmenbedingungen des elektronischen Rechtsverkehrs und über das besondere elektronische Behördenpostfach (Elektronischer-Rechtsverkehr-Verordnung – ERVV).
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Diesen Anforderungen genügt der am 1. Juli 2025 über den E-Mail-Anbieter „googlemail“ an die Poststelle des Verwaltungsgerichts versendete Antragsschriftsatz des Prozessbevollmächtigten nicht.
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Dabei kann dahinstehen, ob es sich bei der vorgenommenen Signatur um eine einfache Signatur (§ 55a Abs. 3 Alt. 2 VwGO) oder eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 55a Abs. 3 1 Alt. 1 VwGO) handelt. Die Voraussetzungen an eine wirksame elektronische Einreichung durch den Prozessbevollmächtigten der Antragstellerin sind weder in dem einen noch in dem anderen Fall eingehalten.
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Handelte es sich um eine qualifizierte elektronische Signatur (§ 55a Abs. 3 Alt. 1 VwGO), so wären, wenngleich § 55a Abs. 3 Alt. 1 VwGO hierzu keine Vorgaben enthält, für die Übermittlung des elektronischen Dokuments an das Verwaltungsgericht die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 ERRV einzuhalten. Danach gilt für die Übermittlung eines elektronischen Dokuments – auch wenn es mit der qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen ist – an (u.a.) die Gerichte der Länder, dass diese entweder auf einem sicheren Übermittlungsweg (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 ERRV) oder an das für den Empfang elektronischer Dokumente eingerichtete Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach des Gerichts über eine Anwendung, die auf OSCI oder einem diesen ersetzenden, dem jeweiligen Stand der Technik entsprechenden Protokollstand beruht (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 ERRV), erfolgen muss (vgl. Schoch/Schneider/Ulrich, 46. EL August 2024, VwGO § 55a Rn. 81). Die an die Poststelle des Verwaltungsgerichts adressierte einfache E-Mail fällt offensichtlich unter keine der beiden Varianten.
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1.2 Die Übermittlung der Antragsschrift war auch nicht deswegen ausnahmsweise nach den allgemeinen Vorschriften zulässig, § 55d Satz 3 VwGO, weil der Prozessbevollmächtigte glaubhaft gemacht hätte, dass die elektronische Übermittlung vorübergehend aus technischen Gründen nicht möglich gewesen sei.
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Es fehlt bereits an der Glaubhaftmachung, dass die elektronische Übermittlung aufgrund technischer Gründe vorübergehend unmöglich war, § 55d Satz 4 VwGO.
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Selbst wenn man die Bitte des Prozessbevollmächtigten, E-Mails an seine E-Mail-Adresse erhalten zu wollen, weil sein elektronisches Anwaltspostfach (beA) noch nicht funktioniere, zugleich als Glaubhaftmachung im oben genannten Sinne verstehen wollte, genügte diese den Anforderungen an die Glaubhaftmachung nicht. Die Glaubhaftmachung i.S.d. § 294 ZPO erfordert eine aus sich heraus verständliche, geschlossene Schilderung der tatsächlichen Abläufe und Umstände, die zur vorübergehenden Unmöglichkeit der elektronischen Übermittlung aus technischen Gründen geführt hat (BGH, B.v. 21.9.2022 – XII ZB 264/22 – juris Rn. 15) und welche Maßnahmen seitens des Prozessbevollmächtigten zur Behebung des technischen Problems getroffen worden sind (BayVGH, B.v. 1.7.2022 – 15 ZB 22. 286 – juris Rn. 14). Die pauschale Mitteilung, dass das beA noch nicht funktioniere, genügt diesen Anforderungen offensichtlich nicht, lässt sie doch jegliche Sachverhaltsinformationen dazu, weshalb das beA noch nicht funktioniere, missen. Ebenso fehlt es an jeglicher Darlegung, welche Anstrengungen seitens des Prozessbevollmächtigten unternommen worden sind, die technische Verfügbarkeit des beA schnellstmöglich wiederherzu- bzw. sicherzustellen.
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2. Der den nicht disponiblen (BayVGH, B.v. 24.2.2022 – 15 ZB 22.30186 – juris Rn. 3) gesetzlichen Formanforderungen nicht genügende Antrag war daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen.
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3. Die Festsetzung des Streitwerts folgt §§ 40, 53 Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nrn. 1.5, 9.6.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der bei Stellung des gerichtlichen Eilantrags maßgeblichen Fassung von 2025.