Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.07.2025 – 8 ZB 25.717
Titel:

Berufungszulassungsantrag (abgelehnt), Wiederherstellung eines Gewässers, Untersagung einer ackerbaulichen Nutzung

Normenketten:
VwGO § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5, § 124a Abs. 4 S. 4, Abs. 5 S. 2
GG Art. 103 Abs. 1
BV Art. 91 Abs. 1
BayWG § 100 Abs. 1 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1
Schlagworte:
Berufungszulassungsantrag (abgelehnt), Wiederherstellung eines Gewässers, Untersagung einer ackerbaulichen Nutzung
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 28.01.2025 – M 31 K 22.1501
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18873

Tenor

I. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Kläger wendet sich gegen eine Anordnung zur Wiederherstellung eines Gewässers und die Untersagung einer ackerbaulichen Nutzung auf seinen Grundstücken.
2
Der Kläger ist Eigentümer der Grundstücke FlNr. 12** und 11** Gemarkung O* … Auf den Grundstücken verläuft ein Graben (unbenanntes Gewässer 3. Ordnung), der teilweise verrohrt und ackerbaulich bewirtschaftet wurde.
3
Mit Bescheid vom 21. Februar 2022 verpflichtete das Landratsamt Dachau den Kläger, das Gewässer auf seinen Grundstücken vollständig wiederherzustellen. Die Wiederherstellung bestehe in der Freilegung des Gewässerlaufs und der Rücknahme aller Überschüttungen im Gewässer und Quell- und Feuchtbereich sowie der rückstandslosen Beseitigung aller Verrohrungen; zwei Überfahrten wurden von der Anordnung ausgenommen (Nr. 1 des Bescheids). Die Durchführung der Wiederherstellung sei dem Landratsamt innerhalb von zwei Wochen nach Fertigstellung schriftlich anzuzeigen (Nr. 2). Nach Wiederherstellung des Gewässers dürften unbeschadet etwaiger natürlicher Veränderungen keine weiteren Veränderungen am Gewässer vorgenommen werden (Nr. 3). Innerhalb einer Breite von 5 m beidseits sowohl des bestehenden wie des gemäß Nr. 1 wiederherzustellenden Gewässers sowie innerhalb des widerherzustellenden Quell- und Feuchtbereiches in einer Breite von beidseits zwischen ca. 5 m bis 20 m gemäß der roten Markierung im beiliegenden Lageplan (Anlage 1) sei ab Bestandskraft der Anordnung eine ackerbauliche Nutzung zu unterlassen (Nr. 4). Der in Nr. 4 genannte Bereich sei binnen sechs Monaten nach Wiederherstellung gemäß Nr. 1 mit gebietsheimischem Saatgut (Produktionsraum 8, Naturraum 16, Kräuteranteil mindestens 65%) einzusäen. Das zur Verwendung vorgesehene Saatgut sei vor Einsaat durch Vorlage von Belegen nachzuweisen. Der Bereich sei in diesem aufgewerteten Zustand dauerhaft zu erhalten. Ein Mulchen und der Einsatz von Spritz- und Düngemitteln seien auf dieser Fläche zu unterlassen. Der Bereich sei mindestens einmal pro Jahr zu mähen, aber nicht vor dem 15. Juni jeden Jahres. Das Mähgut sei abzutransportieren (allesamt Nr. 5). Für den Fall, dass der Kläger den o.g. Anordnungen nicht nachkommt, wurden jeweils Zwangsgelder festgesetzt (Nr. 6).
4
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14. März 2022 Klage, die das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 28. Januar 2025 abgewiesen hat. Mit seinem Vorbringen zu Nr. 1 bis 3 des Bescheids sei der Kläger nach § 6 UmwRG präkludiert. Die Klage sei aber auch in der Sache unbegründet. Bei der Verrohrung und Überdeckung des Gewässers handle es sich um einen nicht genehmigten Gewässerausbau. Das tatsächliche Bestehen des Quell- und Feuchtbereichs sei auf Grundlage der Akten erwiesen. Die Untersagung der ackerbaulichen Nutzung sei im Ergebnis ebenfalls rechtmäßig. Die Zwangsgeldandrohungen seien insbesondere hinreichend bestimmt.
5
Mit seinem Antrag auf Zulassung der Berufung verfolgt der Kläger sein Klagebegehren bezüglich der Anordnung der Wiederherstellung des Quell- und Feuchtbereichs, die dortige Untersagung der ackerbaulichen Nutzung, die Verpflichtungen, den durch heimische Einsaat aufgewerteten Zustand dauerhaft zu erhalten, einmal pro Jahr zu mähen und das Mähgut abzutransportieren sowie in Bezug auf die Zwangsgeldandrohungen weiter. Ein Quell- und Feuchtbereich sei nicht nachgewiesen; der diesbezüglich gestellte Beweisantrag sei verfahrensfehlerhaft abgelehnt worden. Das Verwaltungsgericht habe das rechtliche Gehör verletzt, indem es die Rechtsgrundlage für die Anordnungen in Nr. 5 des Bescheids ausgetauscht habe. Ohne Entschädigung sei die Verpflichtung zur Erhaltung von Flächen in dem aufgewerteten Zustand unverhältnismäßig. Die Zwangsgeldandrohungen seien unklar, widersprüchlich oder unnötig.
II.
6
A. Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg. Die von dem Kläger geltend gemachten Zulassungsgründe sind nicht hinreichend dargelegt und/oder liegen nicht vor (vgl. § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5, § 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
7
I. Aus dem Vorbringen des Klägers ergeben sich keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).
8
Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit eines Urteils im Sinne von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO liegen vor, wenn ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (vgl. BVerfG, B.v. 18.3.2022 – 2 BvR 1232/20 – NVwZ 2022, 789 = juris Rn. 23 m.w.N.) und die Zweifel an der Richtigkeit einzelner Begründungselemente auf das Ergebnis durchschlagen (vgl. BVerfG, B.v. 7.10.2020 – 2 BvR 2426/17 – NVwZ 2021, 325 = juris Rn. 34; BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – DVBl 2004, 838 = juris Rn. 9).
9
1. Ernstliche Zweifel an der Wertung des Verwaltungsgerichts, ein Quell- und Feuchtbereich sei in dem in den Anlagen 1 und 2 des Bescheids dargestellten Umfang tatsächlich vorhanden gewesen, zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
10
Das Verwaltungsgericht hat sich bei seiner Überzeugungsbildung nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO insbesondere auf die Interpretation eines Luftbilds aus dem Jahr 2003 (vgl. Behördenakte [BA] S. 16 und Anlage 2 des Bescheids) durch die in der mündlichen Verhandlung befragte Vertreterin der unteren Naturschutzbehörde gestützt (vgl. UA Rn. 45 f.). Diese hatte erläutert, die dort sichtbaren unregelmäßigen Strukturen seien eindeutig typisch für Feuchtbereiche (vgl. Sitzungsprotokoll des VG S. 4). Mit seinem Vorhalt, ein Quell- und Feuchtbereich sei nicht nachgewiesen, wendet sich der Kläger gegen die erstinstanzliche Sachverhalts- und Beweiswürdigung. Diesbezügliche (vermeintliche) Fehler sind grundsätzlich dem sachlichen Recht und nicht dem Verfahrensrecht zuzuordnen (vgl. BVerwG, B.v. 4.7.2024 – 4 B 5.24 – juris Rn. 16; U.v. 27.9.2021 – 8 C 31.20 – BVerwGE 173, 282 = juris Rn. 13); im Hinblick auf § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO sind sie im Berufungszulassungsverfahren nur einer eingeschränkten Prüfung zugänglich. Für einen Zulassungsgrund nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO genügt nicht allein der Vortrag, die Tatsachen seien anders als vom Erstgericht angenommen oder der Sachverhalt sei anders zu bewerten. Vielmehr muss der Rechtsmittelführer gute Gründe aufzeigen, dass die tatsächlichen Feststellungen des Ausgangsgerichts augenscheinlich nicht zutreffen oder gedankliche Lücken oder Ungereimtheiten aufweisen; die bloße Möglichkeit einer anderen Bewertung des Sachverhalts genügt dafür nicht (vgl. BayVGH, B.v. 8.5.2023 – 8 ZB 22.2287 – juris Rn. 13; OVG NW, B.v. 9.12.2024 – 6 A 177/22 – juris Rn. 17; VGH BW, B.v. 13.1.2025 – 11 S 1037/23 – juris Rn. 22; Happ in Eyermann, VwGO, 16. Aufl. 2022, § 124 Rn. 19).
11
Gemessen an diesen Grundsätzen zeigt der Kläger keinen relevanten Mangel der Sachverhalts- und Beweiswürdigung auf. Soweit er die abweichende Farbe der Vegetation auf dem Luftbild mit der Bewirtschaftung durch den Voreigentümer erklärt, der Gras immer im benötigten Umfang frisch abgemäht habe, fehlt eine Auseinandersetzung mit der Erwägung des Erstgerichts, das Fehlen von Fahrspuren in dem gegenständlichen Bereich spreche gegen eine Bewirtschaftung (vgl. UA Rn. 45). Dass sich der Quell- und Feuchtbereich insgesamt in einer Hanglage befindet, hat das Verwaltungsgericht erkannt; die Aussage, in einer Senke sei ein (grüner) Rest-Gewässerbereich vorhanden (vgl. UA Rn. 46; BA S. 8, 10 und 82), steht dem nicht entgegen.
12
2. Nicht ernstlich zweifelhaft ist auch, dass die angeordneten Wiederherstellungsmaßnahmen – Freilegung des Gewässerlaufs, Rücknahme aller Überschüttungen und rückstandslose Beseitigung aller Verrohrungen – hinreichend bestimmt sind.
13
a) Die Verpflichtung zur Entfernung von Überschüttungen lässt erkennen, was von dem Kläger gefordert wird. Wo Überschüttungen vorgenommen wurden, ist anhand der Bodenbeschaffenheit (Fremdmaterial) nachzuvollziehen (vgl. BA S. 58). Der Einwand des Klägers, er sei nicht in der Lage, festzustellen, ob bzw. in welchem Umfang der Voreigentümer Überschüttungen vorgenommen habe, geht deshalb fehl.
14
b) Die Verpflichtung zur Beseitigung aller Verrohrungen umfasst nicht die Entfernung einer gemeindlichen Entwässerungsleitung, die nach Aussage der Klägerseite bei der Ortseinsicht am 23. April 2025 festgestellt wurde. Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist klar erkennbar (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2006 – 6 C 19.06 – BVerwGE 126, 149 = juris Rn. 52 m.w.N.), dass der Kläger ausschließlich die Verrohrung des Gewässers, nicht aber öffentliche Entwässerungsleitungen, die in den Graben entwässern, zu beseitigen hat.
15
3. Die Wertung des Ausgangsgerichts, die Untersagung der ackerbaulichen Nutzung innerhalb des wiederherzustellenden Quell- und Feuchtbereichs in einer Breite von beidseits 5 m bis 20 m (vgl. Nr. 4 und Lageplan Anlage 1 des Bescheids) sei rechtmäßig (vgl. UA Rn. 56 ff.), greift der Zulassungsantrag nicht in der Sache, sondern allein mit einer Verfahrensrüge an (vgl. unten Rn. 27 ff.); eine Überprüfung findet deshalb im Zulassungsverfahren nur insoweit statt (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO).
16
4. Die Bewirtschaftungsvorgaben nach Nr. 5 des Bescheids (Einsaat, Erhaltung des aufgewerteten Zustands, Untersagung von Mulchen, Spritz- und Düngemitteln, Mähen [nicht vor dem 15.6], Abtransport Mähgut) beschränken das Eigentum des Klägers nicht unzumutbar, so dass sie ohne Entschädigung unverhältnismäßig wären.
17
Der Grundstückseigentümer muss Nutzungseinschränkungen im Rahmen der Sozialbindung des Eigentums (Art. 14 Abs. 2 GG) grundsätzlich entschädigungslos hinnehmen (vgl. BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 = juris Rn. 78). Jedes Grundstück wird durch seine Lage und Beschaffenheit sowie durch die Einbettung in seine Umwelt geprägt. Natur- und landschaftsschutzrechtliche Regelungen zeichnen die dem Grundstück selbst anhaftende Beschränkung der Eigentümerbefugnisse lediglich nach (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.1993 – 7 C 26.92 – BVerwGE 94,1 = juris Rn. 38; BayVGH, B.v. 9.8.2012 – 14 C 12.308 – juris Rn. 18). Der Eigentümer hat auch keinen Anspruch auf die wirtschaftlichste Nutzung des Grundstücks, wenn andere Nutzungen möglich bleiben, denn Art. 14 Abs. 1 GG schützt nicht die einträglichste Nutzung des Eigentums (vgl. BVerfG, B.v. 14.4.2010 – 1 BvR 2140/08 – NVwZ 2010, 957 = juris Rn. 19). Die Grenze der Zumutbarkeit ist erst erreicht, wenn für das Grundstück keinerlei sinnvolle Nutzung mehr besteht. Die Nutzungsbeschränkung ist dann nicht mehr zumutbar (vgl. BVerfG, B.v. 2.3.1999 – 1 BvL 7/91 – BVerfGE 100, 226 = juris Rn. 85; BVerwG, U.v. 25.10.2018 – 4 C 9.17 – BVerwGE 163, 294 = juris Rn. 29).
18
Diese Zumutbarkeitsgrenze wird bei naturschutzrechtlichen Nutzungsbeschränkungen nur selten überschritten sein (vgl. BVerwG, U.v. 25.10.2018 – 4 C 9.17 – BVerwGE 163, 294 = juris Rn. 30). Der Kläger zeigt nicht auf, inwiefern diese Voraussetzungen erfüllt wären, obwohl letztlich nur der frühere Zustand wiederhergestellt wird.
19
5. Auch hinsichtlich der angedrohten Zwangsgelder zeigt der Zulassungsantrag keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des Ersturteils auf.
20
Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 6a des Bescheids ist inhaltlich hinreichend bestimmt. Für den Kläger ist erkennbar, für welchen Verstoß gegen welche Pflicht ein Zwangsgeld in welcher Höhe angedroht ist (vgl. BVerwG, B.v. 22.2.2022 – 4 A 8.21 – juris Rn. 6). Die Behörde war nicht verpflichtet, für jede der angeordneten Wiederherstellungsmaßnahmen nach Nr. 1 des Bescheids (Freilegung des Gewässerlaufs, Rückbau von Überschüttungen, Beseitigung der Verrohrungen) eine gesonderte Zwangsgeldandrohung auszusprechen. Es handelt sich um eine einheitliche Verpflichtung, die auf eine vollständige Wiederherstellung des Gewässers gerichtet ist; das Zwangsgeld soll erkennbar (auch) dann fällig werden, wenn einzelne Wiederherstellungsmaßnahmen nicht rechtzeitig erfüllt werden (vgl. BVerwG, GB v. 26.6.1997 – 1 A 10.95 – NVwZ 1998, 393 = juris Rn. 35; BayVGH, B.v. 15.6.2021 – 9 ZB 19.2484 – juris Rn. 23). Dasselbe gilt für die Zwangsgeldandrohung in Nr. 6c des angegriffenen Bescheids.
21
Die Zwangsgeldandrohung in Nr. 6b, die sich auf das Verbot von Gewässeränderungen bezieht (vgl. Nr. 3 des Bescheids), steht nicht im Widerspruch zu der Verpflichtung, den Gewässerrandbereich einmal pro Jahr zu mähen (vgl. Nr. 5 Satz 5 und 6). Das Mähen stellt begrifflich keine „Veränderung“ des Gewässers dar.
22
Der Zulassungsantrag zeigt auch keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung in Nr. 6d auf. Der ursprüngliche Quell- und Feuchtbereich des Gewässers ist hinreichend nachgewiesen (vgl. oben Rn. 9 ff.). Die zwangsgeldbewehrte Verpflichtung, das zur Verwendung vorgesehene Saatgut vorab durch Vorlage von Belegen nachzuweisen (Nr. 5 Satz 2), hat das Verwaltungsgericht auf § 100 WHG i.V.m. Art. 58 Abs. 1 Satz 2 BayWG gestützt (vgl. UA Rn. 60 ff.). Damit setzt sich der Zulassungsantrag nicht inhaltlich auseinander (§ 124a Abs. 4 Satz 4, Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ob der Kläger einen Anlass für die Anordnung des Verbots des Mulchens und des Einsatzes von Spritz- und Düngemitteln (vgl. Nr. 5 Satz 4) gegeben hat, ist für die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldandrohung ohne Bedeutung. Die Androhung soll vorbeugend dahin wirken, dass Zwangsmaßnahmen nicht angewendet werden müssen. Dem würde es nicht gerecht, wenn eine Androhung nur unter der Voraussetzung ergehen dürfte, dass der Behörde konkrete Anhaltspunkte erkennbar geworden sind, nach denen der Betroffene seine Pflicht möglicherweise nicht freiwillig erfüllen wird (vgl. BVerwG, U.v. 19.5.1992 – 9 C 54.91 – Buchholz 402.25 § 11 AsylVfG Nr. 3 = juris Rn. 22; U.v. 4.10.1988 – 1 C 1.88 – NVwZ 1989, 762 = juris Rn. 42).
23
II. Die Berufung ist auch nicht wegen eines Verfahrensmangels zuzulassen, auf dem das Ersturteil beruhen kann (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO).
24
1. Die Ablehnung des vom Klägerbevollmächtigten in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht gestellten förmlichen Beweisantrags (§ 86 Abs. 2 VwGO) verletzt weder den Anspruch des Klägers auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG, Art. 91 Abs. 1 BV) noch die gerichtliche Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Gegen diese Gewährleistungen verstößt die Ablehnung eines förmlichen – d.h. unbedingt gestellten – Beweisantrags, wenn sie im Prozessrecht keine Stütze findet (stRspr, vgl. BVerfG, B.v. 22.9.2009 – 1 BvR 3501/08 – juris Rn. 13; BVerwG, B.v. 25.9.2024 – 9 B 24.24 – juris Rn. 6). Dies zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
25
Liegt – wie hier – bereits ein Gutachten zu einer entscheidungserheblichen Tatsache vor, steht es im Ermessen des Tatsachengerichts, ob es ein zusätzliches Sachverständigengutachten einholt (§ 98 VwGO i.V.m. § 412 Abs. 1 ZPO). Das Tatsachengericht kann sich dabei ohne Verstoß gegen seine Aufklärungspflicht auf Gutachten oder gutachterliche Stellungnahmen stützen, die eine Behörde im Verwaltungsverfahren eingeholt hat (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.2022 – 7 B 15.21 – NVwZ 2022, 1634 = juris Rn. 25; B.v. 26.6.2020 – 7 BN 3.19 – NJW 2020, 3672 = juris Rn. 5). Ein Verfahrensmangel liegt in dieser Situation nur dann vor, wenn sich dem Tatsachengericht die Einholung eines weiteren Gutachtens hätte aufdrängen müssen, weil das vorliegende Gutachten objektiv ungeeignet ist, ihm die für die richterliche Überzeugungsbildung notwendigen sachlichen Grundlagen zu vermitteln. Dies ist im Allgemeinen der Fall, wenn das vorliegende Gutachten auch für den nicht Sachkundigen erkennbare Mängel aufweist, etwa nicht auf dem allgemein anerkannten Stand der Wissenschaft beruht, von unzutreffenden tatsächlichen Voraussetzungen ausgeht, unlösbare inhaltliche Widersprüche enthält oder Anlass zu Zweifeln an der Sachkunde oder Unparteilichkeit des Sachverständigen gibt, ein anderer Sachverständiger über neue oder überlegenere Forschungsmittel oder größere Erfahrung verfügt oder wenn das Beweisergebnis durch substantiierten Vortrag eines der Beteiligten oder durch eigene Überlegungen des Gerichts ernsthaft erschüttert wird. Die Verpflichtung zur Ergänzung des Gutachtens folgt nicht schon daraus, dass ein Beteiligter dieses als Erkenntnisquelle für unzureichend hält (stRspr, vgl. etwa BVerwG, U.v. 29.2.2012 – 7 C 8.11 – BVerwGE 142, 73 = juris Rn. 37; B.v. 11.5.2023 – 7 B 13.22 – UPR 2023, 394 = juris Rn. 36).
26
Dass die gutachterliche Einschätzung der unteren Naturschutzbehörde (vgl. Sitzungsprotokoll des VG S. 4; Aktenvermerk vom 3.1.2022 BA S. 130), auf die sich das Verwaltungsgericht bei er Ablehnung des Beweisantrags gestützt hat (vgl. Sitzungsprotokoll S. 6) einen solchen Mangel aufweist, legt der Zulassungsantrag nicht dar.
27
2. Eine Verletzung des rechtlichen Gehörs ergibt sich auch nicht aus einer Unterlassung eines in der Prozesslage gebotenen richterlichen Hinweises.
28
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf seine Rechtsauffassung oder die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen. Etwas Anderes gilt zur Vermeidung einer unzulässigen Überraschungsentscheidung nur dann, wenn das Gericht seine Entscheidung auf Gesichtspunkte stützen will, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf – selbst unter Berücksichtigung der Vielfalt vertretbarer Rechtsauffassungen – nicht zu rechnen brauchte (vgl. BVerwG, B.v. 25.9.2024 – 9 B 24.24 – juris Rn. 21; BVerfG, B.v. 7.7.2021 – 1 BvR 2356/19 – NJW 2021, 3525 = juris Rn. 13). Dies zeigt der Zulassungsantrag nicht auf.
29
a) Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass ein Verwaltungsakt zu Unrecht auf die von der Behörde herangezogene Rechtsnorm gestützt ist, hat es zu prüfen, ob und ggf. in welchem Umfang der Bescheid mit Blick auf eine andere Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden kann, sofern dieser dadurch nicht in seinem Wesen verändert wird. Dies ergibt sich aus dem Grundsatz „iura novit curia“ (das Gericht kennt das Recht), der in § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO verankert ist (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19.18 – NVwZ-RR 2020, 113 = juris Rn. 24; U.v. 16.11.2015 – 1 C 4.15 – BVerwGE 153, 234 = juris Rn. 28; Bamberger in Wysk, VwGO, 4. Aufl. 2025, § 113 Rn. 20). Auch Art. 39 Abs. 1 BayVwVfG normiert für Verwaltungsakte lediglich eine formelle Begründungspflicht; aus der Regelung folgt keine Pflicht zur objektiv richtigen Begründung mit der Folge eines Rechtswidrigkeitsverdikts, falls die von der Behörde genannte Rechtsnorm nicht die materiell-rechtlich richtige ist, um ihren Entscheidungsausspruch zu tragen (vgl. BVerwG, B.v. 29.7.2019 – 2 B 19.18 – NVwZ-RR 2020, 113 = juris Rn. 24; U. Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 10. Aufl. 2023, § 39 Rn. 30).
30
Ausgehend hiervon liegt ein mit dem Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs nicht zu vereinbarendes Überraschungsurteil nicht vor. Der anwaltlich vertretene Kläger musste vielmehr damit rechnen, dass das Verwaltungsgericht nach Maßgabe der Sachaufklärungspflicht gemäß § 86 Abs. 1 VwGO alle einschlägigen Rechtsvorschriften berücksichtigt, gleichgültig, ob die Normen von der erlassenden Behörde zur Begründung des Verwaltungsakts angeführt worden sind oder nicht.
31
b) Das Verwaltungsgericht hat das rechtliche Gehör des Klägers auch nicht dadurch verletzt, dass es ihn nicht vorab darauf hingewiesen hat, der fachlichen Einschätzung der Vertreterin der unteren Naturschurschutzbehörde folgen zu wollen.
32
Aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör ergibt sich keine Pflicht des Gerichts, die Beteiligten vorab auf die beabsichtigte Würdigung des Prozessstoffs hinzuweisen. Ein Verfahrensbeteiligter muss grundsätzlich alle vertretbaren rechtlichen Gesichtspunkte von sich aus in Betracht ziehen und seinen Vortrag darauf einstellen (vgl. BVerfG, B.v. 4.3.2024 – 2 BvR 184/22 – NJW 2024, 1645 = juris Rn. 28; B.v. 15.10.2009 – 1 BvR 3474/08 – NVwZ 2009, 1489 = juris Rn. 60). Vorliegend konnte der Prozessbevollmächtigte des Klägers aus der Ablehnung des Beweisantrags auf Einholung eines (weiteren) Sachverständigengutachtens ohne Weiteres schließen, dass das Gericht der fachlichen Bewertung der unteren Naturschutzbehörde folgen wird.
33
B. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3, Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 1 GKG. Der Beschränkung des Streitgegenstands im Berufungszulassungsverfahren wurde Rechnung getragen.
34
Mit der Ablehnung des Zulassungsantrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).