Inhalt

VGH München, Beschluss v. 23.07.2025 – 20 N 20.1014
Titel:

Normenkontrollantrag gegen Regelungen der 3. BayIfSMV (insbesondere Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, der Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie der Maskenpflicht im Nahverkehr)

Normenketten:
VwGO § 47 Abs. 2 S. 1
3. BayIfSMV § 2, § 4 Abs. 2, § 7 Abs. 2, § 8 S. 1
GG Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1, Abs. 2, Art. 3 Abs. 1, Art. 8, Art. 11 Abs. 1, Art. 80 Abs. 1 S. 2, Art. 103 Abs. 2
IfSG § 2 Nr. 3a, § 28, § 32
Leitsätze:
1. Soweit der Antragsteller sich gegen die Beschränkung der Gottesdienste und anderer religiösen Zusammenkünfte, der Untersagung des Betriebs von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken sowie die Regelungen der allgemeinen Ausgangsbeschränkung wendet, ist sein Antrag unzulässig, weil er diesbezüglich keine ihn betreffenden, gewichtigen Grundrechtseingriffe dargelegt hat; insbesondere ist dann ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtwidrigkeit der Norm darzulegen, wenn diese nicht mehr in Kraft ist (ebenso BVerwG BeckRS 2022, 43974). (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr, die dazu dienen sollten, die Verbreitung der COVID-19-Krankheit und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, waren verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahmen sowie zur Zweckerreichung geeignet und erforderlich und auch angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinn. (Rn. 21) (Rn. 24) (Rn. 36) (Rn. 40) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Corona-Pandemie, Normenkontrolle, Darlegung eines gewichtigen Interesses an einer nachträglichen Feststellung, Fortsetzungsfeststellungsinteresse, Gefahrenabwehr, Normenkontrollantrag, Bundesrepublik Deutschland, SARS-CoV-2, Versammlungsfreiheit, Wiederholungsgefahr, Ausgangsbeschränkung, Grundrechtseingriff, Infektionsschutzmaßnahmen, Maskenpflicht, Verhältnismäßigkeitsprüfung
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18868

Tenor

I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
III. Der Streitwert wird auf 5.000, – Euro festgesetzt.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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1. Mit seinem Normenkontrollantrag nach § 47 VwGO begehrt der Antragsteller die Feststellung, dass §§ 2, 4 Abs. 2 bis 5, 7 Abs. 2 bis 4, § 8 Satz 1 3. BayIfSMV (3. BayIfSMV) vom 1. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 239) unwirksam war. Die Normen sind mit Ablauf 10. Mai 2020 außer Kraft getreten (§ 12 Satz 1 3. BayIfSMV).
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2. Der Antragsteller hat am 3. Mai 2020 einen Antrag nach § 47 Abs. 1 VwGO gestellt und zuletzt mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 31. Januar 2025 sinngemäß beantragt,
Es wird festgestellt, dass §§ 2, 4 Abs. 2 bis 5, 7 Abs. 2 bis 4, § 8 Satz 1 3. BayIfSMV vom 1. Mai 2020 (BayMBl. 2020 Nr. 239) unwirksam waren.
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Er trägt zur Begründung seines Antrags im Wesentlichen vor, er sei unter anderem als Leiter von kostenpflichtigen Seminaren und Einzelkursen zu den Themen Krisen-, Konflikt- und Stressmanagement beruflich tätig. Die von ihm geleiteten Seminare und Einzelkurse fänden für gewöhnlich unten anderem in Bayern statt. Der Antragsteller sei nicht bei den Fremdveranstaltern angestellt, sondern werde als Leiter der Seminare angefragt und gebucht. Aufgrund der Corona-Krise hätten Veranstaltungen und Seminare abgesagt werden müssen. Hierbei sei ein Schaden in Höhe von damals ca. 65.000 Euro (330,00 Euro pro Person; angemeldete Personen: ca. 400; abzgl. Kosten und Anteil von 40 Prozent für die M. GmbH) entstanden.
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Das notwendige Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei hierbei aufgrund des Präjudizinteresses, der evidenten Wiederholungsgefahr sowie Grundrechtseingriffen – den massivsten in der Bundesrepublik Deutschland – offensichtlich gegeben. Der Antragsgegner behaupte wiederholt, ein individuelles Fortsetzungsfeststellungsinteresse sei nicht ausreichend geltend gemacht worden. Diesseits stelle sich die Frage, wie der Antragsgegner erwarten könne, dass der Antragsteller bis ins kleinste Detail erlittene Einschränkungen nachweisen könne, wenn er selbst Jahre nach Pandemiebeginn immer noch nicht in der Lage sei, dieselben Auswirkungen gesamtgesellschaftlich zu erfassen, geschweige denn nachvollziehbar darzulegen, wie er zu seinen Entscheidungen gekommen sei.
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Der Normenkontrollantrag sei auch begründet. Es habe an einer verfassungsrechtlich tragbaren, hinreichend bestimmten und parlamentarisch gedeckten gesetzlichen Grundlage für die angegriffenen Vorschriften gefehlt. Bei grundrechtsrelevanten und entsprechend intensiven Eingriffsakten wie hier hätte es dabei eines förmlich-parlamentarischen Gesetzes bedurft, das bereits selbst hinreichend bestimmt die Voraussetzungen und die Rechtsfolgen des Eingriffs regele. Für die angegriffenen Maßnahmen hätte zwar grundsätzlich die Ermächtigungsgrundlage der §§ 32 Satz 1, 28 Abs. 1 IfSG angedacht werden können. Allerdings genügten diese Vorschriften zumindest für die hier in Rede stehenden Vorschriften nicht den inhaltlichen Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie an formell-gesetzliche Vorschriften. Die durch die angegriffenen Bestimmungen in Anspruch genommene Allgemeinheit hätte auf der Grundlage des § 28 Abs. 1 IfSG nicht – auch nicht unter Verweis auf den sog. Nichtstörer – zur Gefahrenabwehr herangezogen werden können. Die Regelungen verstießen auch gegen den strikten Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 103 Abs. 2 GG. Die in Rede stehenden Regelungen hätten zudem gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstoßen. Die ergriffenen Maßnahmen seien bereits nicht erforderlich, jedenfalls aber nicht verhältnismäßig im engeren Sinne gewesen. Die grundrechtseinschränkenden Maßnahmen mögen vielleicht am Anfang wegen der unsicheren Datenlage für einen sehr begrenzten Übergangszeitraum zulässig gewesen sein, um sich Zeit zu verschaffen und eine valide Datengrundlage zu generieren. Das normative Schutzkonzept habe der Landesverordnungsgeber nicht folgerichtig entwickelt; er durchbreche es selbst an verschiedenen Stellen und stellte damit das Konzept insgesamt infrage. Problematisch sei, dass der PCR-Test bereits nicht dazu geeignet gewesen sei, nur infektiöse Patientinnen zuverlässig zu identifizieren. Die seitens des RKI vermittelten Fallzahlen könnten nicht mit „Neuinfektionen“ gleichgesetzt werden. Die Schätzungen zur Sterblichkeit und zum erwarteten Bedarf an Intensivbetten hätten nicht auf wissenschaftlich fundierten Prognosen beruht, weshalb die Erwägungen des Verordnungsgebers fehlgegangen seien und daher keine Grundlage mehr für die ergriffenen Maßnahmen hätten darstellen können. Ferner hätte bei der Risikoprognose auch die Dunkelziffer berücksichtigt werden müssen. Bei den positiv gemeldeten Fällen habe es sich schließlich nicht um eine Vollerhebung gehandelt. Unbekannt sei u.a. deshalb auch, ob es eine sog. Übersterblichkeit gegeben habe. Sähe man die Prognosen als ausreichende Grundlage, um eine Erforderlichkeit anzunehmen, hätte das Ziel, Infektionen zu reduzieren, auch durch weniger einschneidende Grundrechtseingriffe wie Maskentragepflicht, Beschränkung der Regelungen auf besonders gefährdete Menschen, Ausweitung der Testkapazitäten, Regeln zur Hygiene und Steuerung des Zutritts erreicht werden können. Die Maßnahmen seien auch nicht angemessen gewesen. Es habe sich vorliegend nicht um bloße Unannehmlichkeiten gehandelt, die den Verordnungsadressaten aufgebürdet worden seien, sondern um tiefgehende Eingriffe in die Kernbereiche gleich mehrerer Grundrechte. So hätten die drohenden wirtschaftlichen, sozialen und medizinischen Folgen der Schutzmaßnahmen bei einer Abwägung deren prognostizierten Erfolg überwogen. Darüber hinaus seien die Maßnahmen auch gleichheitswidrig gewesen. Das Gesamtregelungskonzept stelle sich als gleichheitswidrig und mithin verfassungswidrig dar. Es sei u.a. nicht einzusehen, warum die Gastronomie geschlossen gehalten wurde, währenddessen andere Bereiche wie z.B. der Einzelhandel mit Beschränkungen öffnen durfte.
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Die fehlende aktenmäßige Dokumentation durch den Antragsgegner erweise, dass keine Rechtsgüterabwägung durch den Antragsgegner stattgefunden habe. Hiermit liege ein Verstoß gegen das Legalitätsprinzip vor. Eine Auswertung der Krisenstabsprotokolle des RKI sei erforderlich – und auch von Amts wegen geboten – da sich der Senat in seiner Rechtsprechung durchgängig auf die öffentlich verlautbarten Äußerungen des RKI angesichts der gesetzlich hervorgehobenen Position (§ 4 Abs. 1 und Abs. 2 IfSG) gestützt habe. Der Senat habe jene Verlautbarungen auch regelmäßig für die Begründung der vermeintlichen (in der Regel angenommenen) Rechtmäßigkeit der angeordneten Grundrechtseingriffe im Rahmen der Corona-Krise herangezogen. Die RKI-Krisenstabsprotokolle zeigten, dass die Maßnahmen in erster Linie auf politischen Entscheidungen beruhten und nicht auf wissenschaftlichen Erkenntnissen. In diesem Zusammenhang beantrage der Antragsteller die Protokolle, Tagesordnungen, Teilnehmerlisten und sonstige Notizen des RKI-Corona-Krisenstabs zur Corona-Pandemie vom Januar 2020 bis Juli 2023 beizuziehen, insbesondere sämtliche Dokumente und Notizen, die sich mit der Änderung der Risikobewertung am 17. März 2020 von „mäßig“ auf „hoch“ befassten, darunter auch Schriftwechsel innerhalb des RKI sowie zwischen dem RKI und dem Bundesgesundheitsministerium sowie ggf. weiteren Behörden der Bundesregierung, beizuziehen. Daran, dass es zu der von Gesetzes wegen erforderlichen Rechtsgüterabwägung gekommen sei, bestünden weiterhin erhebliche Zweifel. Bestätigung finde diese etwa in dem Beschluss des Ministerrats vom 5. Mai 2020. Dort sei auf Seite 2 zu lesen, dass das „Primat des Infektionsschutzes“ gelte. An dem Antrag Herrn Ministerpräsidenten Dr. M3. S., acht Ministerinnen und Minister der Bayerischen Staatsregierung sowie den ehemaligen Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit als Zeugen heranzuziehen, werde zumindest solange festgehalten, wie keine vollständige Akten vorgelegt würden. Es seien nicht etwaige „Motive“, die den Antragsteller interessierten, sondern die Frage, ob die Regierung innerhalb des ihr rechtlich zugestandenen Ermessensspielraums agiert habe und gewissenhaft die vorgesehene Interessensabwägung durchgeführt habe oder sich von sachfremden Gründen habe leiten lassen. Dies sei insbesondere deshalb relevant, weil es bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Maßnahmen auf die ex-ante-Perspektive ankomme. Welche Erkenntnisse damals wirklich vorgelegen hätten, lasse sich daher nur ermitteln, wenn diejenigen, die die Vorschriften tatsächlich konzipiert hätten, befragt würden.
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4. Der Antragsgegner tritt dem Antrag entgegen und beantragt,
den Antrag abzulehnen.
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Zur Begründung trug der Antragsgegner im Wesentlichen vor, der Normenkontrollantrag sei bereits unzulässig, da u.a. ein tiefgreifender Grundrechtseingriff nicht vorliege. Er sei aber auch unbegründet. Zur Beurteilung der damaligen Lage werde auf den Täglichen Lagebericht zur Coronavirus-Krankheit-2019 (COVID-19) vom 21. April 2020 (abrufbar unter: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020- 04-21-de.pdf? blob=publicationFile#:~:text=Mit%20Stand%2021.04.2020%20(9,%25)%20Betten%20sind%20aktuell%20frei) verwiesen. Es habe damals bereits 38.310 bestätigte Fälle in Bayern gegeben. Bayern sei dabei das Land mit der höchsten 100.000-Einwohner-Inzidenz bundesweit gewesen und habe die Regionen mit den bundesweit höchsten Neuinfektionsraten aufgewiesen (S. 2 f. des Lageberichts). Bayern sei somit in besonderer Weise betroffen gewesen. Angesichts eines zu befürchtenden exponentiellen Verlaufs des Infektionsgeschehens, einer Vielzahl klinischer Verläufe mit Todesfolge oder schwerwiegenden Gesundheitsschäden und der Tatsache, dass weder ein Impfstoff noch eine spezifische Therapie zur Verfügung gestanden hätten, könne nicht bestritten werden, dass Kranke und Krankheitsverdächtige sowie auch Ausscheider und Ansteckungsverdächtige festgestellt worden seien und die tatbestandlichen Voraussetzungen von § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG vorgelegen hätten. Mit einer Wiederzulassung sämtlicher organisierter Zusammenkünfte von Menschen wäre das Gesamtkonzept der Verordnung weniger wirkungsvoll gewesen. Von dem Antragsteller vorgeschlagene weniger belastende Maßnahmen wie Hygieneregeln, die Einhaltung von Mindestabständen oder eine Maskentragepflicht hätten nicht die gleiche Wirkung gehabt.
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Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Gründe

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Der Antrag, über den der Senat nach § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss entscheidet, ist nur zum Teil zulässig, im Übrigen unbegründet, weil die von Antragsteller in zulässiger Weise angegriffenen Vorschriften der Dritten Bayerischen Infektionsschutzmaßnahmenverordnung (3. BayIfSMV) wirksam waren.
A.
11
Der Normenkontrollantrag ist nur zum Teil zulässig. Soweit der Antragsteller sich gegen die Beschränkung der Gottesdienste und anderer religiösen Zusammenkünfte (§ 2), der Untersagung des Betriebs von Hotels und Beherbergungsbetrieben und die Zurverfügungstellung jeglicher Unterkünfte zu privaten touristischen Zwecken (§ 4 Abs. 3 Satz 1) sowie die Regelungen der allgemeinen Ausgangsbeschränkung (§ 7 Abs. 2 bis 4 der 3. BayIfSMV wendet, ist sein Antrag unzulässig, weil er diesbezüglich keine ihn betreffende, gewichtigen Grundrechtseingriffe dargelegt hat.
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Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann den Normenkontrollantrag jede natürliche oder juristische Person stellen, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Zwar geht § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO vom Regelfall der noch geltenden Rechtsvorschrift aus (vgl. auch § 47 Abs. 5 Satz 2 VwGO). Ist die angegriffene Norm während der Anhängigkeit des Normenkontrollantrags außer Kraft getreten, bleibt er aber zulässig, wenn der Antragsteller weiterhin geltend machen kann, durch die zur Prüfung gestellte Norm oder deren Anwendung in seinen Rechten verletzt (worden) zu sein. Darüber hinaus muss er ein berechtigtes Interesse an der Feststellung haben, dass die Rechtsvorschrift rechtswidrig war (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – BVerwGE 177, 60 Rn. 9 m. w. N.). Ein Rechtsschutzbedürfnis besteht trotz Erledigung unter anderem neben einer Wiederholungsgefahr dann fort, wenn ein gewichtiger Grundrechtseingriff von solcher Art geltend gemacht wird, dass gerichtlicher Rechtsschutz dagegen typischerweise nicht vor Erledigungseintritt erlangt werden kann (stRspr des BVerwG, Urteile v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – BVerwGE 177, 60 Rn. 13, v. 16.5.2023 – 3 CN 4.22 – juris Rn. 16, – 3 CN 5.22 – NVwZ 2023, 1846 Rn. 15 und – 3 CN 6.22 – NVwZ 2023, 1830 Rn. 14 sowie v. 21.6.2023 – 3 CN 1.22 – NVwZ 2023, 1840 Rn. 13). Nachdem eine konkrete Wiederholungsgefahr im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats nicht dargetan wurde, kommt hier allein in Betracht, dass der Antragsteller Beeinträchtigungen seiner grundrechtlichen Freiheiten geltend macht, die ein Gewicht haben, das die nachträgliche Klärung der Rechtmäßigkeit der Verordnungsregelungen rechtfertigt (BVerwG, B. v. 5.1.2024 – 3 BN 2.23 – juris). Dies ist von den vom Antragsteller aus einer ex-post-Perspektive darzulegen.
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1. Der Antragsteller hat keinen gewichtigen Grundrechtseingriff durch die Beschränkung von Gottesdiensten und anderen religiösen Zusammenkünften glaubhaft dargelegt. Zwar behauptet der Antragsteller, dass er im verfahrensgegenständlichen Zeitraum Mitglied der römisch-katholischen Kirche gewesen sei und regelmäßig, insbesondere an hohen Festtagen römisch-katholische Gottesdienste in Bayern besucht habe. Dieser Vortrag des Antragstellers ist jedoch im Hinblick auf seine Äußerungen auf seiner Homepage (https://mindflowacademy.de/s/Mindflow/mindflow_tom) nicht glaubwürdig. Dort äußert sich der Antragsteller: „Was mich an der Kirche störte? Wir gingen voller Energie zum Gottesdienst und verließen das Gebäude energiearm. Die Menschen verlieren in der Kirche die Erdung, ihnen wird die Energie genommen, und dadurch sind sie manipulierbar. Ich spürte, dass ich glücklich hineinging und mit schlechter Laune herauskam (Hervorhebungen durch den Antragsteller).“ Anders ausgedrückt auf einer anderen Homepage des Antragstellers (https://www.mindflow.de/tombio): „Kirchliche Zweifel und persönliche Rebellion. Die Vorbereitung und Teilnahme an der Kommunion offenbarte Toms kritische Haltung gegenüber der Kirche. Er erlebte den Gottesdienst als energieraubend und fühlte sich durch die kirchlichen Strukturen manipuliert, was ihn dazu brachte, seine Zeit in der Kirche bewusst zu begrenzen und eigenständige Entscheidungen gegen die erzkonservative kirchliche Erziehung zu treffen.“ Angesichts dieser Äußerungen kann dem Antragsteller nicht abgenommen werden, dass er tatsächlich beabsichtigt hätte, im streitgegenständlichen Zeitraum an Zusammenkünften der katholischen Kirche teilzunehmen. Dass er an Zusammenkünften anderer Glaubensgemeinschaften habe teilnehmen wollen, hat der Antragsteller nicht vorgetragen.
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2. Zwar mag es sein, dass der Antragsteller Hotels und Beherbergungsbetriebe, insbesondere deren Tagungsräume und Übernachtungsangebote, für die von ihm veranstalteten Seminare und Einzelkurse zur Krisen-, Konflikt- und Stressbewältigung genutzt hatte. Der Antragsgegner weist jedoch zu Recht darauf hin, dass die Tätigkeit des Antragstellers bereits durch das speziellere Veranstaltungsverbot des § 1 Abs. 1 3. BayIfSMV, welches der Antragsteller in einem gesonderten Normenkontrollverfahren (20 N 25.957) angegriffen hatte, untersagt war. Inwieweit der Antragsteller über das Veranstaltungsverbot hinaus durch das Verbot des § 2 Abs. 3 2. BayIfSMV beschwert worden ist, hat er nicht dargelegt und ist auch nicht ersichtlich.
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3. Soweit sich der Antragsteller gegen die in § 7 Abs. 2 bis 4 3. BayIfSMV geregelte „Allgemeine Ausgangsbeschränkung“ wendet, konnte der Senat im Normenkontrollverfahren des Antragstellers gegen die im wesentlichen gleichlautende Vorschrift des § 5 Abs. 2 und 3 2. BayIfSMV auf der Grundlage des Vortrages des Antragstellers keinen gewichtigen Grundrechtseingriff erkennen. Nachdem der Antragsteller im streitgegenständlichen Verfahren hierzu nichts weiter vorgetragen hat, gelten um unnötige Wiederholungen zu vermeiden, die Ausführungen des Senates im Beschluss vom 10. März 2025 (Az.: 20 N 25.72) und des Beschlusses vom 28. April 2020 (Az. 20 NE 20.849) entsprechend.
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Mit der vom Senat gefundenen Auslegung des § 5 Abs. 2 und 3 der 2. BayIfSMV und damit auch des § 7 Abs. 2 bis 4 3. BayIfSMV hat sich die Antragsteller lediglich insoweit auseinandergesetzt, dass diese Auslegung nicht mehr dem Verordnungsgeberwillen entsprochen hätte, da dadurch letztlich alles zu einem triftigen Grund und das Verbot absolut konturlos geworden war. Dass der Antragsteller trotz dieser vom Senat gefundenen Auslegung gewichtig in seinen Grundrechten betroffen gewesen wäre, sei es dadurch, dass die Infektionsschutz- und Vollzugsbehörden sich nicht an diese Auslegung gehalten hätten, oder sei es dadurch, dass trotz dieser Auslegung dennoch gewichtig in seine Grundrechte eingegriffen worden wäre, lässt sein Vortrag völlig offen. Insoweit verbleibt es bei theoretischen oder angeblich die Allgemeinheit betreffenden Ausführungen, die ein individuelles Feststellungsinteresse des Antragstellers nicht begründen können (vgl. dazu Schübel-Pfister, NJW 2024, 419/420 f. m.w.N.).
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Betreffend der Untersagung von Gastronomiebetrieben (§ 4 Abs. 2 3. BayIfSMV) und der Beschränkung der Öffnung von Ladengeschäften des Einzelhandels sowie der Dienstleistungsbetriebe (§ 4 Abs. 2 bis 5 3. BayIfSMV) weist dagegen der Antragsteller zu Recht darauf hin, dass das Bundesverwaltungsgericht auch für Besucher von geschlossenen Einrichtungen und Betrieben im Rahmen der Zulässigkeit es ausreichen lässt, dass der Antragsteller in seiner allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG betroffen war und nach seinem Vorbringen die Maßnahmen erheblich in die Gestaltung seines Alltags- und Privatlebens eingegriffen haben. Dies hat der Antragsteller im ausreichendem Maß vorgetragen. Der Besuch von Einzelhandels- und auch Gastronomiebetrieben erfolgt regelmäßig und auch spontan, so dass keine besonderen Anforderungen an die Darlegung des Feststellungsinteresses gestellt werden können.
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Auch ist es zwar zutreffend, dass die beanstandeten Maskenpflichten im Einzelhandel und im Nahverkehr (§ 8 Satz 1 3. BayIfSMV) nur an ausgewählten öffentlichen Orten Geltung beanspruchten, an der sich die Normadressaten regelmäßig nur vorübergehend aufhielten, und der Antragsteller keine besonderen individuellen Umstände dargelegt hat, die den mit ihrer Erfüllung einhergehenden Beeinträchtigungen ein besonders Gewicht verliehen. Allerdings handelt es sich bei dem öffentlichen Personenverkehr und den Lebensmittelgeschäften jeweils um Räume, die die Betroffenen regelmäßig nur unter erheblichen Einschränkungen meiden konnten, um einer Geltung der Maskenpflicht zu entgehen. Der Aufenthalt an diesen Orten war überdies zwar nur vorübergehender, aber regelmäßiger Natur. Das Abstandsgebot und die Maskenpflicht trafen die Betroffenen daher fortgesetzt über einen längeren Zeitraum, so dass auch hier ein gewichtiger Grundrechtseingriff angenommen werden kann (VGH BW, U. v. 26.2.2025 – 1 S 1186/23 – BeckRS 2025, 8529 Rn 36).
B.
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Der Normenkontrollantrag ist im Übrigen unbegründet, weil die zulässiger Weise angegriffenen Normen der 3. BayIfSMV rechtmäßig waren.
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1. § 32 Satz 1 des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. 2000 I 1045) i. d. F. des Gesetzes zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona- Krise (Corona -Steuerhilfsgesetz) vom 19. Juni 2020 (BGBl. 2020 I 1385) ermächtigt die Landesregierungen, unter den Voraussetzungen, die für Maßnahmen (u.a.) nach § 28 IfSG maßgebend sind, auch durch Rechtsverordnungen entsprechende Gebote und Verbote zur Bekämpfung übertragbarer Krankheiten zu erlassen. Gemäß § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG in der bei Erlass und während der Geltung der Verordnung zuletzt durch das Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite vom 27. März 2020 (BGBl. 2020 I 587) geänderten Fassung dieser Vorschrift trifft die zuständige Behörde, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, die notwendigen Schutzmaßnahmen, insbesondere die in den §§ 29 bis 31 IfSG genannten, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist; sie kann insbesondere Personen verpflichten, den Ort, an dem sie sich befinden, nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte oder öffentliche Orte nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zu betreten. Nach § 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG kann die zuständige Behörde unter den Voraussetzungen von Satz 1 Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen von Menschen beschränken oder verbieten und Badeanstalten oder in § 33 genannte Gemeinschaftseinrichtungen oder Teile davon schließen. Die Grundrechte der Freiheit der Person (Art. 2 Abs. 2 GG), der Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), der Freizügigkeit (Art. 11 Abs. 1 GG) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1GG) werden insoweit eingeschränkt (§§ 28 Abs. 1 Satz 4, 32 Satz 3 IfSG).
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Die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr, die dazu dienen sollten, die Verbreitung der COVID-19-Krankheit und eine Überlastung des Gesundheitssystems zu verhindern, konnte unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht eine notwendige Schutzmaßnahme i.S.v. § 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG sein (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – BverwGE 177, 60).
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2. Die infektionsschutzrechtliche Generalklausel des § 32 Satz 1 IfSG i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG war beim Erlass der Vorschriften und während der Geltungsdauer der Regelungen eine verfassungsgemäße Grundlage für die angegriffenen Maßnahmen. Die Generalklausel genügte in der maßgeblichen Zeit sowohl den Anforderungen des Bestimmtheitsgebots (Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG) als auch denen des Parlamentsvorbehalts als einer Ausformung des Demokratie- und Rechtsstaatsprinzips (BVerwG, U. v. 16.5.2023 – 3 CN 5.22 – NVwZ 2023,1846; U. v. 22.11.2022 – 3 CN 2.21 – juris). § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG i. d. F. vom 27. März 2020 war eine verfassungsgemäße Grundlage für den Erlass von Infektionsschutzmaßnahmen (BVerwG, U. v. 21.6.2023 – 3 CN 1.22 – BVerwGE 179, 168-186).
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Die Voraussetzungen, unter denen nach diesen Vorschriften Verbote zur Bekämpfung einer übertragbaren Krankheit erlassen werden können, lagen vor. Bei Erlass der Verordnung waren unstreitig – auch in Bayern – Kranke festgestellt worden. Regelungen zur Beschränkung von Kontakten und zur Beschränkung von Einrichtungen und Betrieben, die – wie hier – unabhängig von einem Krankheits- oder Ansteckungsverdacht in der betroffenen Einrichtung oder in dem jeweiligen Betrieb zur Verhinderung der Verbreitung einer übertragbaren Krankheit angeordnet werden, können notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 Satz 1 und 2 IfSG sein (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – NVwZ 2023, 1000 Rn. 21 ff.). Notwendige Schutzmaßnahmen in diesem Sinne müssen an dem Ziel ausgerichtet sein, die Verbreitung der Krankheit zu verhindern, und sie müssen verhältnismäßig sein, das heißt geeignet und erforderlich, den Zweck zu erreichen, sowie verhältnismäßig im engeren Sinne (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 2.21 – NVwZ 2023, 1011 Rn. 12).
24
3. Die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflichten, insbesondere im Nahverkehr, waren verhältnismäßig und damit notwendige Schutzmaßnahme im Sinne von § 32 Satz 1 i. V. m. § 28 Abs. 1 IfSG.
25
a) Der Verordnungsgeber verfolgte mit der Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, der Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr ein Ziel, das mit dem Zweck der Verordnungsermächtigung im Einklang stand.
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Der 3. BayIfSMV vom 1. Mai 2020 lagen u.a. die Ergebnisse der Telefonschaltkonferenz der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und Regierungschefs der Länder vom 30. April 2020 zugrunde (https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/archiv-bundesregierung/telefonschaltkonferenz-der-bundeskanzlerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-am-30-april-2020-1749798). Danach sei es noch zu früh, um anhand der gemeldeten Neuinfektionen beurteilen zu können, ob sich die Öffnungsmaßnahmen trotz der Hygieneauflagen verstärkend auf das Infektionsgeschehen ausgewirkt hätten. Diese Beurteilung und die damit verbundene Entscheidung, ob ein weiterer größerer Öffnungsschritt möglich sei, sollte am 6. Mai in einer weiteren Besprechung der Bundeskanzlerin mit den Regierungschefinnen und -chefs der Länder erfolgen. Deswegen blieben die gemeinsamen Beschlüsse sowie die begleitenden ChefBK/CdS-Beschlüsse sowie die Entscheidungen des Corona-Kabinetts weiter gültig. In der Telefonschaltkonferenz vom 6. Mai 2020 wurden dann weitere Öffnungsschritte beschlossen (vgl. https://www.bundesregierung.de/breg-de/service/archiv-bundesregierung/telefonschaltkonferenz-der-bundeskanzlerin-mit-den-regierungschefinnen-und-regierungschefs-der-laender-am-06-mai-2020-1750988).
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Diese Ziele entsprachen dem Zweck der Verordnungsermächtigung, übertragbare Krankheiten zu bekämpfen (§ 32 Satz 1 IfSG) und ihre Verbreitung zu verhindern (§ 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG).
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b) Die Annahme des Verordnungsgebers, dass dieses Ziel ohne die erlassenen Verbote und Einschränkungen gefährdet und die Gefahr wegen einer möglichen Überlastung des Gesundheitssystems dringlich war, hatte eine tragfähige tatsächliche Grundlage (vgl. zu diesem Erfordernis: BVerfG, B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – BVerfGE 159, 223 Rn. 177; BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – NVwZ 2023, 1000 Rn. 52).
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Exemplarisch heißt es im Situationsbericht des R. K.-Instituts (RKI) vom 3. Mai 2020 (https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Situationsberichte/2020-05-03-de.pdf? blob=publicationFile):
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„Es handelt sich weltweit und in Deutschland um eine sehr dynamische und ernst zu nehmende Situation. Bei einem Teil der Fälle sind die Krankheitsverläufe schwer, auch tödliche Krankheitsverläufe kommen vor. Die Anzahl der neu übermittelten Fälle in Deutschland ist rückläufig. Die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland wird derzeit insgesamt als hoch eingeschätzt, für Risikogruppen als sehr hoch. Die Wahrscheinlichkeit für schwere Krankheitsverläufe nimmt mit zunehmendem Alter und bestehenden Vorerkrankungen zu. Diese Gefährdung variiert von Region zu Region. Die Belastung des Gesundheitswesens hängt maßgeblich von der regionalen Verbreitung der Infektion, den vorhandenen Kapazitäten und den eingeleiteten Gegenmaßnahmen (Isolierung, Quarantäne, physische Distanzierung) ab und kann örtlich sehr hoch sein. Diese Einschätzung kann sich kurzfristig durch neue Erkenntnisse ändern.“
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In Bayern wurden dabei regelmäßig die bundesweit höchsten Inzidenzen ausgewiesen. Die Risikobewertung des RKI veränderte sich während der Geltungsdauer der Norm nur unmaßgeblich.
32
Soweit der Antragsteller einwendet, dass die Fallzahlen des RKI zum Nachweis der vom Gesetz erforderlichen Neuinfektionen nicht geeignet gewesen seien, so greift dieser Einwand nicht durch. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen keine Zweifel, dass die in Deutschland durchgeführten PCR-Tests, deren Ergebnisse in die Einschätzungen des R.-K.-Instituts zur Gefahrenlage und zur Wirksamkeit der Impfstoffe einfließen, geeignet sind, verlässliche Indikatoren für Infektionen mit SARS-CoV-2 zu liefern. Es leuchtet nämlich ein, dass der Nachweis einer erheblichen Konzentration an für SARS-CoV-2 typischen Nukleotidsequenzen ein Indikator für die Wirksamkeit des Virus in einem Organismus ist. Sie bilden – wie vom R.-K.-Institut angenommen – den „Goldstandard für den Nachweis von SARS-CoV-2“ (BVerwG, B. v. 7.7.2022 – 1 WB 2.22 – BVerwGE 176, 138 Rn 153). Der Umstand, dass ein positiver PCR-Test nicht notwendigerweise bedeutete, dass ein Patient im Zeitpunkt der Testung (noch) infektiös, also ansteckend, war, ändert nichts daran, dass die seinerzeit täglich in sehr großer Zahl durchgeführten PCR-Tests Rückschlüsse darauf zuließen, wie weit sich das Virus ausgebreitet hatte und in welchem Umfang weitere Infektionen drohten (OVG NRW, U. v. 24.9.2024 – 13 D 236/20.NE – BeckRS 2024, 29552).
33
Dass das RKI eine selbstständige Bundesoberbehörde im Sinne des Art. 87 Abs. 3 Satz 1 GG ist und damit gegenüber der Bundesregierung bzw. dem Gesundheitsminister weisungsgebunden, ändert an dieser Beurteilung nichts. Zunächst einmal durfte sich der Antragsgegner auf die damaligen offiziellen Stellungnahmen des RKI stützen, da dieses durch die Entscheidung des Gesetzgebers dazu berufen war, die Erkenntnisse zu einer übertragbaren Krankheit durch Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung der Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland und durch die Auswertung verfügbarer Studien aus aller Welt fortlaufend zu aktualisieren. Anhaltspunkte dafür, dass es diese Aufgabe nicht erfüllte, fehlten (VGH BW, U. v. 11.4.2024 – 1 S 278/23 – BeckRS 2024, 12539 Rn 125). Das RKI ist gemäß § 4 IfSG die nationale Behörde zur Vorbeugung übertragbarer Krankheiten sowie zur frühzeitigen Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung von Infektionen (Absatz 1 Satz 1). Es arbeitet u. a. mit wissenschaftlichen Einrichtungen und Fachgesellschaften, mit ausländischen Stellen und internationalen Organisationen sowie mit der Weltgesundheitsorganisation zusammen (Absatz 1 Satz 3, Absatz 3 Satz 1). Zu seinen Aufgaben gehört die Erstellung von Empfehlungen und sonstigen Informationen zur Vorbeugung, Erkennung und Verhinderung der Weiterverbreitung übertragbarer Krankheiten (Absatz 2 Nr. 1). Es wertet die Daten zu meldepflichtigen Krankheiten und Nachweisen von Krankheitserregern infektionsepidemiologisch aus (Absatz 2 Nr. 2) und stellt die Ergebnisse der Auswertungen u. a. den obersten Landesgesundheitsbehörden und den Gesundheitsämtern zur Verfügung (Absatz 2 Nr. 3 Buchst. c und d). Das RKI ist eine infektionsepidemiologische Leit- und Koordinierungsstelle (vgl. Entwurf eines Gesetzes zur Neuordnung seuchenrechtlicher Vorschriften <Seuchenrechtsneuordnungsgesetz – SeuchRNeuG>, BT-Drs. 14/2530 S. 45). Durch seine Aufgabe, die Erkenntnisse zu einer übertragbaren Krankheit durch Erhebung, Auswertung und Veröffentlichung der Daten zum Infektionsgeschehen in Deutschland und durch die Auswertung verfügbarer Studien aus aller Welt fortlaufend zu aktualisieren, verfügt es über eine besondere fachliche Expertise bei der Risikoeinschätzung und -bewertung einer übertragbaren Krankheit (BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – juris Rn 56).
34
Für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der angegriffenen Vorschriften kommt es allein darauf an, ob der Verordnungsgeber im fraglichen Zeitraum ihrer Geltung die von ihm bejahte Gefahrenlage aufgrund der damaligen offiziellen Stellungnahmen des RKI i.S.v. § 4 Abs. 2 Nr. 1 IfSG annehmen konnte. Eine nachträgliche abweichende Einschätzung anderer Sachverständiger oder die Berufung auf spätere Studien kann hieran nichts ändern. Denn – wie stets im Recht der Gefahrenabwehr (vgl. nur Graulich, in: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 7. Aufl., E Rn. 126 ff.; BVerwG, Beschluss vom 06.03.2008 – 7 B 13.08 – juris Rn. 9) – die ex ante rechtmäßig prognostizierte Gefahr entfällt selbst dann nicht, wenn ex post festgestellt wird, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Gefahrenlage bestand. Für die Beurteilung der Gefahrenlage stellt folglich das materielle Recht, hier das Infektionsschutzrecht, auf die zum damaligen Zeitpunkt vorhandenen und dem Verordnungsgeber verfügbaren Informationen und Erkenntnismöglichkeiten ab (BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – juris Rn. 57; BVerfG, B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u.a. – juris Rn. 171, 185, 204). Soweit der Antragsteller in diesem Zusammenhang bemängelt, dass der Antragsgegner es unterlassen habe, seine Entscheidungsfindung hinreichend aktenmäßig zu dokumentieren, wird darauf hingewiesen, dass zum damaligen Zeitpunkt keine Begründungspflicht für Verordnungen nach § 32 IfSG existierte und nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgericht auch der prozessuale Vortrag des Verordnungsgebers einzubeziehen ist, der seine Beweggründe und Einschätzungen wiedergibt (vgl. nur BVerwG, U. v. 18.4.2024 – 3 CN 8.22 – juris). Deshalb musste auch der Beweisanregung des Antragstellers, die damaligen Kabinettsmitglieder der Bayerischen Staatsregierung hierzu zu befragen, nicht nachgegangen werden.
35
Im Übrigen weist das RKI zu Recht darauf hin, dass während der COVID-19-Pandemie im Zuge des RKIinternen Lage- bzw. Krisenmanagements Besprechungen durchgeführt worden seien, in denen die Lage bewertet und RKI-Aktivitäten koordiniert wurden. Zu diesen Treffen seien Protokolle angefertigt worden. Als interne Arbeitsdokumente hätten sie dazu gedient, den Informationsfluss und die Abstimmung innerhalb des RKI sicherzustellen. Die Protokolle spiegelten den offenen wissenschaftlichen Diskurs wider, in dem verschiedene Perspektiven angesprochen und abgewogen würden. Die Bewertungen reflektierten den Stand des Wissens und auch der öffentlichen Debatte im Krisenstab zum jeweiligen Zeitpunkt. Einzelne Äußerungen im Rahmen solcher Diskussionen stellten nicht zwangsläufig eine abschließende wissenschaftliche Bewertung oder die abgestimmte Position des RKI dar. Die Krisenstabs-Protokolle seien daher nicht zu verwechseln mit offiziellen Veröffentlichungen oder Empfehlungen (https://www.rki.de/SharedDocs/FAQs/DE/COVID-19-Pandemie/Protokolle/FAQ-Liste-Krisenstab.html#entry_16925118; https://www.rki.de/SharedDocs/FAQs/DE/COVID-19-Pandemie/Protokolle/FAQ-Liste-Krisenstab.html#entry_16925130). Die beantragte Beiziehung der Protokolle zu den Gerichtsakten war nicht notwendig, weil diese mittlerweile öffentlich zugänglich sind.
36
c) Der Antragsgegner hat die angegriffenen Ge- und Verbote der 3. BayIfSMV als geeignet ansehen dürfen, um das mit der Verordnung verfolgte Ziel zu erreichen.
37
aa) Für die Eignung reicht es aus, wenn die Verordnungsregelungen den verfolgten Zweck fördern können. Bereits die Möglichkeit der Zweckerreichung genügt (stRspr, vgl. BVerfG, B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – BVerfGE 159, 223 Rn. 185; BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – NVwZ 2023, 1000 Rn. 59, jeweils m. w. N.).
38
bb) Ausgehend von der Beurteilung des RKI zur Übertragbarkeit des Virus waren die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr geeignet, physische Kontakte zwischen Menschen zu reduzieren, um weitere Infektionen mit dem hochansteckenden Virus SARS-CoV-2 einzudämmen und damit den Erhalt der Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens und insbesondere der Krankenhäuser zur Behandlung schwer- und schwerstkranker Menschen sicherzustellen. Dies gilt im Übrigen allgemein für Maßnahmen, um Ansammlungen zu verhindern (§ 28 Abs. 1 Satz 2 IfSG) und damit auch allgemein die Mobilität innerhalb der Bevölkerung zu reduzieren. Durch die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe kam es zur Kontaktreduzierung im öffentlichen und privaten Raum.
39
Hinsichtlich der Pflicht zum Tragen von Mund-Nasen-Bedeckungen war die Schutzfunktion der sog. Community-Masken jedenfalls plausibel und ihre Verwendung als Baustein neben anderen Maßnahmen zur Reduktion der Ausbreitungsgeschwindigkeit des Virus geeignet (Stellungnahme des R.-K.-Instituts v. 30.4.2020 https://www.rki.de/SharedDocs/FAQ/NCOV2019/FAQ_Liste_Infektionsschutz.html mit Verweis auf „Mund-Nasen-Bedeckung im öffentlichen Raum als weitere Komponente zur Reduktion der Übertragungen von Covid-19” Epid Bull 19/2020, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20_MNB.pdf? blob=publicationFile; vgl. auch BayVGH, B. v. 7.5.2020 – 20 NE 20.971 – juris Rn 16).
40
d) Die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr waren zur Zweckerreichung erforderliche Maßnahmen.
41
aa) An der Erforderlichkeit einer Maßnahme fehlt es, wenn dem Verordnungsgeber eine andere, gleich wirksame Maßnahme zur Erreichung des verfolgten Zwecks zur Verfügung steht, die weniger in die Grundrechte der Betroffenen eingreift und Dritte und die Allgemeinheit nicht stärker belastet. Die sachliche Gleichwertigkeit der alternativen Maßnahme zur Zweckerreichung muss dafür in jeder Hinsicht eindeutig feststehen (stRspr, vgl. BVerfG, B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – BVerfGE 159, 223 Rn. 203 m. w. N.; BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – NVwZ 2023, 1000 Rn. 63).
42
Bei der Beurteilung der Erforderlichkeit hatte der Verordnungsgeber angesichts der auch im hier maßgeblichen Zeitraum noch fehlenden Erfahrungen mit dem SARS-CoV-2-Virus und den Wirkungen von Schutzmaßnahmen einen tatsächlichen Einschätzungsspielraum, der sich darauf bezog, die Wirkung der von ihm gewählten Maßnahmen im Vergleich zu anderen, weniger belastenden Maßnahmen zu prognostizieren (vgl. BVerfG, U. v. 16.5.2023 – 3 CN 6.22 – Rn. 65; B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781.21 u. a. – BVerfGE 159, 223 Rn. 204). Ein solcher Spielraum hat jedoch Grenzen. Die Einschätzung des Verordnungsgebers muss auf ausreichend tragfähigen Grundlagen beruhen. Das Ergebnis der Prognose muss einleuchtend begründet und damit plausibel sein (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – NVwZ 2023, 1000 Rn. 64). Das unterliegt der gerichtlichen Überprüfung (vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 2.21 – NVwZ 2023, 1011 Rn. 17 ff.).
43
Im vorliegenden Fall kamen als mildere Maßnahmen Beschränkungen in Betracht, wie z.B. Abstandsgebote, Hygieneregeln, Maskenpflichten sowie personelle, zeitliche und örtliche Beschränkungen (so etwa Kersten/Rixen, Der Verfassungsstaat in der Corona-Krise, 2. Auflage 2021, V.3. unter Hinweis auf VG Hamburg, B. v. 16.4.2020 – 17 E 1648/20 – BeckRS 2020, 9930, Rn. 13 ff). Stehen dem Verordnungsgeber bei der Bekämpfung einer pandemischen Infektionslage abgestufte, unmittelbar wirkende Bekämpfungsmaßnahmen zur Verfügung, so ist er nicht verpflichtet, bei der Bekämpfung einer bedrohlichen übertragbaren Krankheit und den Unsicherheiten über den Erfolgseintritt der möglichen Bekämpfungsmaßnahmen, im Zweifel die den Einzelnen weniger belastende Maßnahme auszuwählen. Dies liegt innerhalb des Spielraumes des Verordnungsgebers. Letztlich ist entscheidend, dass das Ziel, durch eine erhebliche Reduzierung der Kontakte in der Bevölkerung insgesamt das Infektionsgeschehen aufzuhalten und eine Überforderung des Gesundheitssystems zu verhindern, ohne breit angelegte Infektionsschutzmaßnahmen jedenfalls aus damaliger Sicht nicht zu erreichen gewesen war (vgl. zur Erforderlichkeit von Versammlungsverboten: BVerwG, U. v. 21.6.2023 – 3 CN 1.22 – juris Rn 38ff; zur Erforderlichkeit von Gastonomieschließungen im Frühjahr 2020: BayVGH, B. v. 10.3.2025 – 20 N 21.2746 – juris Rn 50). Bloße Empfehlungen zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung und Abstandsgebote sind nicht gleich geeignet, um die Zahl der Neuinfektionen zu reduzieren (zur Maskenpflicht im Schulunterricht: BayVGH; B. v. 17.12.2024 – 20 N 20.2027 – juris Rn 57). Dies gilt vor allem für den Bereich des Nahverkehrs, wo das Abstandsgebot aus tatsächlichen Gründen oftmals nur schwer eingehalten werden kann.
44
d) Die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr waren angemessen und damit verhältnismäßig im engeren Sinne.
45
aa) Die Angemessenheit und damit die Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne erfordern, dass der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zu der Schwere des Eingriffs stehen (stRspr, vgl. BVerfG, B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – BVerfGE 159, 223 Rn. 216 m. w. N.). In einer Abwägung sind Reichweite und Gewicht des Eingriffs in Grundrechte einerseits und die Bedeutung der Maßnahme für die Zweckerreichung andererseits gegenüberzustellen. Angemessen ist eine Maßnahme dann, wenn bei der Gesamtabwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht sowie der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt wird. Dabei ist ein angemessener Ausgleich zwischen dem Gewicht des Eingriffs und dem verfolgten Ziel sowie der zu erwartenden Zielerreichung herzustellen (stRspr, vgl. BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 1.21 – NVwZ 2023, 1000 Rn. 75 m. w. N.).
46
bb) Die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr waren schwere Eingriffe in die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG und in die Berufsfreiheit als Berufsausübungsregelung der Einzelhändler und Dienstleister. Durch die Maskenpflichten wurde zudem in das allgemeine Persönlichkeitsrecht (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG) eingegriffen. Das Gewicht der Grundrechtseingriffe wurde dadurch erhöht, dass Infektionsmaßnahmen bereits schon aufgrund der Allgemeinverfügung vom 16. März 2020 (Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums für Gesundheit und Pflege und des Bayerischen Staatsministeriums für Familie, Arbeit und Soziales vom 16.03.2020, Az. 51-G8000-2020/122-67) bestanden, die zwischenzeitlich so umfangreich angelegt waren, dass sie zu einem sog. Lockdown führten.
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cc) Den durch die Untersagung von Gastronomieeinrichtungen, die Beschränkung des Einzelhandels und der Dienstleistungsbetriebe sowie die Maskenpflicht im Nahverkehr bewirkten, gewichtigen Grundrechtseingriffen standen Gemeinwohlbelange von überragender Bedeutung gegenüber. Ziel der Verordnung war es, die Ausbreitung des SARS-CoV-2-Virus und der dadurch verursachten bedrohlichen COVID-19-Erkrankung (vgl. § 2 Nr. 3a IfSG) zu verlangsamen und damit die Bevölkerung vor Lebens- und Gesundheitsgefahren zu schützen. Die Rechtsgüter Leben und Gesundheit haben eine überragende Bedeutung (Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG; stRspr, vgl. BVerfG, B. v. 19.11.2021 – 1 BvR 781/21 u. a. – BVerfGE 159, 223 Rn. 231 m. w. N.; BVerwG, U. v. 22.11.2022 – 3 CN 2.21 – NVwZ 2023, 1011 Rn. 32). Der Verordnungsgeber durfte bei Erlass der Maßnahmen davon ausgehen, dass dringlicher Handlungsbedarf bestand. Das RKI schätzte die Gefahr für die Gesundheit der Bevölkerung in Deutschland als hoch ein. In die Prüfung der Angemessenheit ist über die Bedeutung des verfolgten Zwecks hinaus einzustellen, in welchem Maße er durch die in Rede stehende Maßnahme gefördert wird. Der Verordnungsgeber durfte zugrunde legen, dass die Maßnahmen einen qualitativ und quantitativ erheblichen Beitrag zur Erreichung des Ziels leisten konnte, physische Kontakte zu reduzieren und dadurch die Verbreitung von COVID-19 zu verhindern.
48
Zudem muss vergegenwärtigt werden, dass auf der Grundlage des damaligen wissenschaftlichen Kenntnisstandes keineswegs geklärt war, auf welche Weise und mit welcher Wahrscheinlichkeit sich das Coronavirus ausbreitet und zukünftig ausbreiten wird (vgl. Mitteilungen des Arbeitskreises Blut des Bundesministeriums für Gesundheit S. 2, https://www.rki.de/DE/Content/Kommissionen/AK_Blut/Stellungnahmen/download/COVID.pdf? blob=publicationFile). Relativ bald wurde jedoch von einer hohen Infektiosität des Virus ausgegangen (COVID-19: Jetzt handeln, vorausschauend planen Strategie-Ergänzung zu empfohlenen Infektionsschutzmaßnahmen und Ziel vom 19. März 2020 S. 1, https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/12_20.pdf? blob=publicationFile). Hinzu kommt, dass im Geltungszeitraum der streitgegenständlichen Regelung eine erhebliche Knappheit an medizinischer Mund-Nase-Bedeckungen, herrschte. Diese sollten vorrangig für das medizinische und pflegerische Personal bereitgestellt werden (vgl. hierzu Ergänzung zum Nationalen Pandemieplan – COVID-19 – neuartige Coronaviruserkrankung S. 24/25, https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Ergaenzung_Pandemieplan_Covid.pdf? blob=publicationFile;). Mund-Nasen-Schutz und FFP2-/FFP3-Masken waren auch später ein essenzieller Bestandteil einer sicheren Arbeitssituation in Krankenhäusern und bei der Pflege von Erkrankten und hilfsbedürftigen Menschen und mussten prioritär in diesen Bereichen eingesetzt werden (https://www.rki.de/DE/Content/Infekt/EpidBull/Archiv/2020/Ausgaben/19_20.pdf? blob=publicationFile).
49
e) Soweit sich der Antragsteller noch auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes berufen hat, weil einzelne Bereiche wie z.B. die Gastronomie und der Einzelhandel ungleich behandelt wurden, greift diese Rüge nicht durch.
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Art. 3 Abs. 1 GG gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Der Gleichheitssatz ist verletzt, wenn eine Gruppe von Normadressaten oder Normbetroffenen im Vergleich zu einer anderen anders behandelt wird, obwohl zwischen beiden Gruppen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die unterschiedliche Behandlung rechtfertigen können. Dabei verwehrt Art. 3 Abs. 1 GG dem Normgeber nicht jede Differenzierung. Differenzierungen bedürfen jedoch stets der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (vgl. BVerwG, U. v. 16.5.2023 – 3 CN 6.22 – BVerwGE 178, 322 Rn. 75 und vom 18.4.2024 – 3 CN 7.22 – juris Rn. 14, jeweils m. w. N.).
51
Insoweit benennt der Antragsteller bereits nicht vergleichbare Sachverhalte. Letztlich sind bestehende Ungleichbehandlungen, wie z.B. zwischen den Bereichen der Gastronomie und des Einzelhandels aber auch sachlich gerechtfertigt, weil der Handel der Versorgung der Bevölkerung mit Lebensmitteln, Bedarfsgegenständen und sonstigen Waren und Gütern dient. Die Vor-Ort-Gastronomie und das Angebot von Übernachtungen für touristische Zwecke dienen dagegen im Wesentlichen der Freizeitgestaltung (BVerwG, U. v. 16.5.2023 – 3 CN 6.22 – BVerwGE 178, 322 Rn. 84).
52
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Die Festsetzung des Streitwertes ergibt sich aus § 52 Abs. 2 GKG.
53
4. Die Revision wird nicht zugelassen.