Titel:
wasserrechtliche Planfeststellung, Planergänzung, Verbandsklage einer Naturschutzvereinigung, FFH-Verträglichkeitsprüfung, Auswirkungen eines Hochwasserschutzdeichs auf eine Kiesbank, hydrodynamisch-numerisches Modell, Artenschutz (Zweitbescheid)
Normenketten:
WHG § 68 Abs. 3
BNatSchG § 34 Abs. 1 und 2, § 44
UmwRG § 6
Schlagworte:
wasserrechtliche Planfeststellung, Planergänzung, Verbandsklage einer Naturschutzvereinigung, FFH-Verträglichkeitsprüfung, Auswirkungen eines Hochwasserschutzdeichs auf eine Kiesbank, hydrodynamisch-numerisches Modell, Artenschutz (Zweitbescheid)
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18867
Tenor
I. Die Klage wird abgewiesen.
II. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
1
Der Kläger, ein anerkannter Naturschutzverein, wendet sich gegen den Planfeststellungsbeschluss des Landratsamts K. vom 12. September 2018 in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses vom 10. April 2024 für die Errichtung einer Hochwasserschutzanlage (Ortsschutzdeich) für den Ortsteil Staubing der Stadt Kelheim.
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Der Senat hat den Planfeststellungsbeschluss auf die Klage des Klägers mit Urteil vom 15. März 2021 (Az. 8 A 18.40041) für rechtswidrig und nicht vollziehbar erklärt, weil die FFH-Verträglichkeit hinsichtlich einer Kiesinsel in der Donau nicht untersucht worden war. Im Übrigen wurde die Klage des Klägers rechtskräftig abgewiesen.
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Zur Behebung des festgestellten Mangels führte das Landratsamt ein ergänzendes Verfahren mit Öffentlichkeitsbeteiligung durch. Am 10. April 2024 erging der Planergänzungsbeschluss, der dem Kläger am 16. April 2024 zugestellt wurde.
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Am 13. Mai 2024 erhob der Kläger Klage. Er rügt Verstöße gegen das Habitatschutz- und Artenschutzrecht. Die Hydraulik- und Habitatmodellierung sei fehlerbehaftet. Die FFH-Verträglichkeitsprüfung hätte wegen der heterogenen Morphologie der Kiesbank anhand einer 3D-Modellierung erfolgen müssen. Die Hochwasserereignisse HQ100 und HQextrem seien nicht untersucht worden. Der unterstellte Rückstaueffekt an der Weltenburger Enge verringere sich langfristig infolge einer Sohlvertiefung. Die spezielle artenschutzrechtliche Prüfung sei betreffend durchziehende Limikolen fehlerhaft. Ein ortsnaher Hochwasserschutz mit Mauer oder Spundwand sowie die Absiedlung der hochwasserbetroffenen Anwesen stellten zumutbare Alternativen dar.
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den Planfeststellungsbeschluss vom 12. September 2018 in Gestalt des Änderungsbescheides vom 10. April 2024 aufzuheben,
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hilfsweise festzustellen, dass der Planfeststellungsbeschluss rechtswidrig und nicht vollziehbar ist,
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wiederum hilfsweise den Beklagten zu verpflichten, den Planfeststellungsbeschluss um geeignete Nebenbestimmungen zum Schutz der Donau-Kiesbank in Höhe Staubing im FFH-Gebiet Nr. 7136-30401 zu ergänzen.
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Der Beklagte beantragt,
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Er verteidigt den Planfeststellungsbeschluss in seiner ergänzten Fassung und tritt dem Vorbringen des Klägers im Einzelnen entgegen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf den Inhalt der beigezogenen Behördenakten und der Gerichtsakten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet.
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A. Die Klage ist in vollem Umfang zulässig.
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Dem Aufhebungsantrag steht die Rechtskraft des im Vorprozess (Az. 8 A 18.40041) ergangenen Senatsurteils vom 15. März 2021 nicht entgegen. Mit dem Urteil hat der Senat den Antrag des Klägers auf Aufhebung des ursprünglichen Planfeststellungsbeschlusses vom 12. September 2018 abgewiesen. Die Abweisung eines Aufhebungsbegehrens setzt grundsätzlich voraus, dass nach Art. 75 Abs. 1a Satz 2 BayVwVfG die Heilung der festgestellten Rechtsfehler in einem ergänzenden Verfahren tatsächlich möglich erscheint. Es ist nicht von vornherein ausgeschlossen, dass an dieser Einschätzung nach einem Heilungsversuch in einem ergänzenden Verfahren aufgrund neuer rechtlicher oder tatsächlicher Entwicklungen und Erkenntnisse nicht mehr festgehalten werden kann. Eine nachgeholte FFH-Verträglichkeitsprüfung kann solche Erkenntnisse zu Tage zu fördern. Mit einem erneuten Aufhebungsantrag kann daher geltend gemacht werden, dass nach Abschluss des ergänzenden Verfahrens eine Heilung ausgeschlossen erscheint (vgl. BVerwG, U.v. 7.10.2021 – 4 A 9.19 – UPR 2022, 98 = juris Rn. 16; U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – DVBl 2021, 451 = juris Rn. 9).
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B. Die Klage ist aber unbegründet.
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Die Rechtsschutzmöglichkeiten gegen eine erneute Entscheidung in einem ergänzenden Verfahren, welches zur Heilung gerichtlich festgestellter Mängel durchgeführt wurde, ist eingeschränkt. So kann grundsätzlich nur ein im Ausgangsverfahren obsiegender Kläger gegen die Entscheidung im ergänzenden Verfahren geltend machen, die vom Gericht festgestellten Mängel seien weiterhin nicht behoben (stRspr, vgl. BVerwG, U.v. 14.12.2022 – 9 A 18.21 – BVerwGE 177, 279 = juris Rn. 15; U.v. 8.1.2014 – 9 A 4.13 – BVerwGE 149, 31 = juris Rn. 28, jeweils m.w.N.).
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I. Verfahrensfehler hinsichtlich des Planergänzungsbeschlusses macht der Kläger nicht geltend; solche sind für den Senat auch nicht zu erkennen.
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II. Der Planfeststellungsbeschluss in der Fassung des Planergänzungsbeschlusses leidet – im Rahmen seiner Anfechtbarkeit – nicht an materiellen Fehlern.
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1. Das Vorhaben steht nicht im Widerspruch zum Habitatschutzrecht.
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Nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BNatSchG sind Projekte vor ihrer Zulassung auf ihre Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen eines Natura 2000-Gebiets zu überprüfen, wenn sie einzeln oder im Zusammenwirken mit anderen Projekten oder Plänen geeignet sind, das Gebiet erheblich zu beeinträchtigen und – wie hier – nicht unmittelbar der Verwaltung des Gebiets dienen. Ergibt die Prüfung der Verträglichkeit, dass das Projekt zu erheblichen Beeinträchtigungen des Gebiets in seinen für die Erhaltungsziele oder den Schutzzweck maßgeblichen Bestandteilen führen kann, ist es unzulässig (vgl. § 34 Abs. 2 BNatSchG). Abweichend davon darf es nur nach Maßgabe von § 34 Abs. 3 bis 5 BNatSchG zugelassen werden. § 34 BNatSchG setzt insoweit Art. 6 Abs. 3 und 4 der RL 92/43/EWG (FFH-Richtlinie) in nationales Recht um.
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Die Verträglichkeitsprüfung ist nicht auf ein – wissenschaftlich nicht nachweisbares – „Nullrisiko“ auszurichten. Ein Projekt ist vielmehr zulässig, wenn nach Abschluss der Verträglichkeitsprüfung unter Berücksichtigung der besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse, d.h. nach Ausschöpfung aller wissenschaftlichen Mittel und Quellen kein vernünftiger Zweifel verbleibt, dass erhebliche Beeinträchtigungen vermieden werden. Die Prüfung darf nicht lückenhaft sein und muss vollständige, präzise und endgültige Feststellungen enthalten. Soweit sich Unsicherheiten über Wirkungszusammenhänge auch bei Ausschöpfung der einschlägigen Erkenntnismittel nicht ausräumen lassen, ist es zulässig, mit Prognosewahrscheinlichkeiten und Schätzungen zu arbeiten, die kenntlich gemacht und begründet werden müssen. Zugunsten des Projekts dürfen die vom Vorhabenträger geplanten oder von der Planfeststellungsbehörde angeordneten Schutz- und Kompensationsmaßnahmen berücksichtigt werden, sofern sie sicherstellen, dass erhebliche Beeinträchtigungen verhindert werden (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 9.19 – BVerwGE 170, 210 = juris Rn. 61; U.v. 19.2.2025 – 9 A 9.23 – juris Rn. 73; EuGH, U.v. 7.12.2023 – C-434/22 – NVwZ 2024, 411 = juris Rn. 53; U.v. 7.9.2004 – C-127/02 – NuR 2004, 788 = juris Rn. 54 und 61).
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Dies zugrundegelegt ist das Vorhaben nicht nach § 34 Abs. 2 BNatSchG unzulässig. Es führt nicht zu einer erheblichen Beeinträchtigung des FFH-Gebiets „Donauauen zwischen Ingolstadt und Weltenburg“ (DE 7136-304). Die nachgeholte FFH-Verträglichkeitsprüfung betreffend die streitgegenständliche Kiesinsel in der Donau ist rechtlich nicht zu beanstanden. Sie stützt sich insbesondere auf das vom Vorhabenträger vorgelegte 2D-HN-Modell, mit dem drei Hochwasserabflüsse (HQ1, HQ10 und HQ100) hydrodynamisch-numerisch simuliert und Sohlschubspannungen mit den jeweils bewegten Korngrößen berechnet wurden (vgl. 2D-HN-Modell vom 20.3.2023 S. 24 unten). Die Untersuchung ergab eine lokale Zunahme der bewegten Korngröße um maximal 0,5 cm; wesentliche Veränderungen der Kiesbank als Folge der Hochwasserschutzmaßnahme schloss das Gutachten mit großer Sicherheit aus (vgl. 2D-HN-Modell S. 43 unten). Nach dem Ergebnis des Gutachtens, auf das sich der Planergänzungsbeschluss stützt (vgl. dort S. 5 und 10 f.), sind die Auswirkungen des Vorhabens auf die Kiesbank marginal, auf deren höchsten Bereiche beschränkt, treten nur während Hochwasserabflüssen auf und bewirken allenfalls eine sehr geringe Vergröberung des Substrats, die durch weitere hohe Abflüsse wieder ausgeglichen werden kann (vgl. FFH-Verträglichkeitsstudie vom 22.3.2023 [FFH-VS] S. 12).
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Die von dem Kläger innerhalb von zehn Wochen ab Klageerhebung gegen den Planergänzungsbeschluss (zur Anwendbarkeit des § 6 UmwRG auf neu beklagte Planergänzungsbeschlüsse vgl. BVerwG, U.v. 5.7.2022 – 4 A 13.20 – BVerwGE 176, 39 = juris Rn. 156 und 172; U.v. 4.6.2020 – 7 A 1.18 – NuR 2020, 709 = juris Rn. 11) erhobenen Einwendungen gegen das 2D-HN-Modell des Vorhabenträgers sind unberechtigt.
25
a) Ausgehend vom Modellzweck war das erstellte 2D-HN-Modell als Untersuchungsmethode ausreichend, um die Behörde in die Lage zu versetzen, die FFH-Verträglichkeit sachgerecht zu prüfen; ein 3D-Modell musste nicht erstellt werden.
26
Die Erfassungs- und Bewertungsmethode der Verträglichkeitsprüfung ist nicht normativ festgelegt. Die Methodenwahl muss aber die für die Verträglichkeitsprüfung allgemein maßgeblichen Standards der „besten einschlägigen wissenschaftlichen Erkenntnisse“ einhalten (vgl. oben Rn. 22). Untersuchungsmethoden, die in der Fachwissenschaft als überholt gelten, sind demnach unzulässig. Umgekehrt bestehen keine Einwände gegen eine fachwissenschaftlich anerkannte Untersuchungsmethode, wenn mit einer anderen, ebenfalls anerkannten Methode nicht voll übereinstimmende Ergebnisse erzielt würden (vgl. BVerwG, U.v. 12.3.2008 – 9 A 3.06 – BVerwGE 130, 299 = juris Rn. 73; B.v. 20.3.2018 – 9 B 43.16 – DVBl 2018, 1361 = juris Rn. 19; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, Stand Januar 2025, § 34 BNatSchG Rn. 21; Frenz in Frenz/Müggenborg, BNatSchG, 4. Aufl. 2024, § 34 Rn. 102 ff.).
27
Im Gutachten des Vorhabenträgers ist nachvollziehbar dargelegt, dass für den hier vorliegenden Modellzweck ein 2D-Modell notwendig und ausreichend ist. Strömungsphänomene können prinzipiell ein-, zwei- oder dreidimensional abgebildet werden. Während 1D-Modelle nur die Strömungen entlang der Hauptfließrichtung betrachten, beschreiben 2D-Modelle auch Querströmungen. Bei 3D-Modellen werden zusätzlich auch Vertikalströmungen betrachtet, die bei 2D-Modellen über die Tiefe gemittelt werden. Je mehr Raumdimensionen betrachtet werden, umso komplexer werden die Modelle. Deshalb ist es fachgerecht, nur so viele Raumdimensionen zu berücksichtigen, wie es für den Modellzweck sinnvoll und notwendig ist (vgl. Bayerisches Landesamt für Umwelt [BayLfU], Handbuch hydraulische Modellierung, Januar 2018, S. 25 f.).
28
Der Bearbeiter des vom Vorhabenträger vorgelegten Gutachtens, Dr. S., hat in der mündlichen Verhandlung plausibel dargestellt, weshalb eine 3D-Modellierung keinen Mehrwert erbringen kann. Die Kiesbank verfüge über keine Strukturen, die deutliche 3D-Effekte aufwiesen. Insofern unterscheide sich die Situation von den typischen Einsatzgebieten von 3D-Modellen wie z.B. Turbineneinläufen oder Brückenpfeilern, wo abrupte Tiefenänderungen aufträten (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2). Der amtliche Sachverständige teilt diese Einschätzung (vgl. Wasserwirtschaftsamt [WWA], Stellungnahme vom 13.11.2024, elektronische Gerichtsakte [eGA] S. 87 f.). Der Vorhalt des Fachbeistands des Klägers Prof. Dr. Dr. H., ein 2D-Modell sei bei der Beurteilung der vorhabenbedingten Auswirkungen auf die Kiesbank unzureichend, weil die Kiesbank eine sehr heterogene, variable Morphologie aufweise (vgl. Gutachten vom Juni 2025, eGA S. 129 ff. [insbesondere S. 109 und 254 des Gutachtens]), lässt nicht erkennen, weshalb vertikale Strömungen hier eine wesentliche Rolle spielen sollten (vgl. auch BayLfU, Handbuch hydraulische Modellierung S. 28; OVG LSA, U.v. 20.12.2022 – 2 K 139/19 – juris Rn. 266). Deutliche 3D-Effekte hat der Sachverständige des Vorhabenträgers trotz der unbestritten heterogenen Struktur der Kiesbank plausibel verneint (vgl. Sitzungsprotokoll S. 2 unten). Nur lokal auftretende Strömungen, die der Kläger insbesondere auf ein Foto vom Hauptpriel an der Kiesbank stützt, belegen noch keinen wesentlichen Einfluss vertikaler Strömungen. Die Modellierung ist auf einen größeren Untersuchungsraum ausgerichtet; kleinräumige Umlagerungen, die evtl. etwas ausgeprägter ausfallen können, spielen keine erhebliche Rolle (vgl. 2D-HN-Modell S. 44).
29
b) Eine zusätzliche Simulation höherer Hochwasserabflüsse (HQ130 oder HQextrem) mit Berechnung der entsprechenden Sohlschubspannung war nicht notwendig.
30
Der Einwand des Klägers, der geplante Ortsschutzdeich wirke sich auch bei Hochwasserereignissen über HQ100 auf die Strömung der Donau aus, kann im Hinblick auf den wirkungsbezogenen Projektbegriff des § 34 BNatSchG (vgl. BVerwG, U.v. 24.5.2022 – 4 BN 3.22 – ZfBR 2022, 684 = juris Rn. 6; U.v. 10.4.2013 – 4 C 3.12 – BVerwGE 146, 176 = juris Rn. 29; Korbmacher, UPR 2018, 1) nicht von vorneherein als unerheblich außer Bedacht gelassen werden, auch wenn der Planung „nur“ das Bemessungshochwasser HQ100 zugrunde liegt (vgl. Erläuterungsbericht S. 10; Plan Nr. 5 Längsschnitt Deich) und das Freibord, d.h. der vertikale Abstand zwischen der Deichkrone und dem Bemessungswasserstand von 1,0 m, lediglich der Bewältigung von Wellenauflauf und Windstau dient, d.h. keinen „Klimazuschlag“ beinhaltet.
31
Allerdings ist die Vermutung des Klägers, der Deich halte einem HQ130 oder gar HQextrem stand, durch nichts belegt. Der Beklagte ist ihr entgegengetreten und hat auf die technische Planung verwiesen, der nur ein HQ100 zugrunde liegt. Bei welchem Bemessungshochwasser der Deich überspült wird oder sonst seine Funktionsfähigkeit verliert, ist ungeklärt. Aber selbst wenn man mit dem Kläger annimmt, der Deich halte einem Hochwasserereignis HQ130 oder gar HQextrem stand, führt dies aufgrund des Einflusses der Weltenburger Enge auf den Hochwasserabfluss in der Donau zu keinem anderen Ergebnis. Der dortige Rückstaueffekt, dem die Kiesbank ihre ungewöhnliche Stabilität verdankt, bewirkt eine Verringerung des Wasserspiegelgefälles bei zunehmendem Hochwasser (vgl. 2D-HN-Modell S. 29). Daraus resultiert eine Verringerung (vgl. WWA, Stellungnahme vom 30.8.2024 S. 3 [eGA S. 93]) bzw. unwesentliche Vergrößerung der Fließgeschwindigkeit und Sohlschubspannung (vgl. 2D-HN-Modell S. 43) mit zunehmender Hochwasserlage.
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Der Einwand des Klägers, der Rückstaueffekt an der Weltenburger Enge verringere sich wegen der zunehmenden Eintiefung der Donau infolge mangelnden Geschiebenachschubs allmählich, zeigt keine Unzulänglichkeit der FFH-Verträglichkeitsprüfung auf. Zwar sind auch langfristige Effekte in die Verträglichkeitsprüfung einzubeziehen (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.2020 – 9 A 12.19 – BVerwGE 170, 33 = juris Rn. 494; Gellermann in Landmann/Rohmer, Umweltrecht, § 34 BNatSchG Rn. 22). Das Wasserwirtschaftsamt kann bislang aber keine Eintiefungstendenz erkennen (vgl. Sitzungsprotokoll S. 4; Stellungnahmen vom 13.11.2014 S. 3 und vom 30.8.2024 S. 3). Die Mutmaßung des Klägers, der Rückstaueffekt könnte – auch wenn derzeit nicht sichtbar – langfristig verloren gehen, entbehrt einer greifbaren Tatsachengrundlage. Zudem ließe sich einer etwaigen künftigen Eintiefung durch Einzelmaßnahmen entgegensteuern, z.B. mithilfe einer Durchsetzung der Geschiebedurchgängigkeit an Wasserkraftanlagen im Rahmen von Neukonzessionierungen oder Gewässerrenaturierungen zur Mobilisierung von Geschiebe (vgl. WWA, Stellungnahme vom 13.11.2024 S. 3). Auch ist eine Verbesserung der Geschiebezufuhr möglich durch Kieszugaben; entsprechende Maßnahmen werden bereits bisher als Teil eines koordinierten Geschiebemanagements durchgeführt (vgl. FFH-VS S. 14; Regierung von Niederbayern, Maßnahmen des Managementplans für das FFH-Gebiet 7136-304, Stand August 2016, S. 43 f. und 65; abrufbar unter https://www.lfu.bayern.de/natur/natura2000_managementplaene/7028_7942/doc/7136_304/texte/de7136304_t_mt_nfin_ffin.pdf).
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c) Die von dem 2D-HN-Modell ermittelte Veränderung der bewegten Korngrößen um maximal 0,5 cm ist schlüssig dargelegt; sie liegt auch auf der sicheren Seite.
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Die insgesamt überzeugende Begutachtung greift der Kläger ohne Erfolg an. Aus der gutachterlichen Stellungnahme des Fachbeistands Prof. Dr. Dr. H. vom Juni 2025 – soweit die dortigen Aussagen innerhalb der zehnwöchigen Klagebegründungsfrist (§ 6 UmwRG) vorgebrachte Einwendungen vertiefen und vom Prozessbevollmächtigten in das Klageverfahren eingeführt wurden (vgl. BVerwG, U.v. 7.7.2022 – 9 A 1.21 – BVerwGE 176, 94 = juris Rn. 15) – ergeben sich für den Senat keine Zweifel an der Tragfähigkeit der vom Vorhabenträger vorgelegten Begutachtung. Ausgehend von dem klar umrissenen Modellzweck (vorhabenbedingte Erosion der Kiesbank; nicht: detaillierte Untersuchung des Geschiebehaushalts im Donauabschnitt zwischen Vohburg und Weltenburger Enge) und der Erarbeitung des Gutachtens auf der sicheren Seite liegend (vgl. unten Rn. 35) besteht kein objektiver Anlass für aufwändige zusätzliche Datenerhebungen bzw. Modellierungen zu Gewässersohle und Geschiebetransport, die der Fachbeistand des Klägers anregt (vgl. Gutachten Prof. Dr. Dr. H. vom Juni 2025, S. 253 ff.). Die Notwendigkeit einer Erfassung weiterer Prozesse bei der Modellierung (vgl. Gutachten Juni 2025 S. 243) wurde nicht innerhalb von zehn Wochen ab Klagebegründung vorgebracht (§ 6 UmwRG). Im Übrigen wurde der „hiding-exposure-Effekt“ untersucht (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3 unten). Inwiefern für den Modellzweck aussagekräftige Ergebnisse nur mit einer Sedimenttransportmodellierung und einem physikalischen Modellversuch zu erlangen wären, erschließt sich dem Senat nicht. Soweit der Kläger eine erhöhte Erosionsgefahr auf eine Ablenkung der Hauptströmung auf die Kiesbank stützt (vgl. Strömungspfeile, Schriftsatz vom 19.7.2024 S. 10), konnte der amtliche Sachverständige das Vorbringen ohne Aussagen zur Herleitung der Strömungspfeile (wohl ohne Strömungsmodell händisch eingezeichnet) nicht nachvollziehen (vgl. WWA, Stellungnahmen vom 13.11.2024 S. 4 und vom 30.8.2024 S. 5).
35
Zudem hat der Sachverständige Dr. S. in der mündlichen Verhandlung plausibel erklärt, weshalb sein 2D-HN-Modell in mehrerlei Hinsicht auf der sehr sicheren Seite liegt (vgl. Sitzungsprotokoll S. 3). Erstens wurde der Bewegungsbeginn durch Reduzierung des Shields-Parameters von 0,047 auf 0,04 überschätzt. Die maximal bewegte Korngröße liegt damit drei bis vier Millimeter unter dem exakt berechneten Wert, was im Verhältnis zu dem ermittelten früheren Transportbeginn von maximal 0,5 cm enorm ist. Zweitens wurde die Rauheit der Gewässersohle berücksichtigt, um Unsicherheiten bei der Berechnung der Sohlschubspannung zu verringern (vgl. 2D-HN-Modell S. 11, 15, 25). Eine weitere Sicherheit ergibt sich daraus, dass Korngemische unterschiedlicher Größe, wie sie an der Kiesbank vorherrschen, stabiler sind als „Einkorngemische“, so dass der Shields-Parameter auch in dieser Hinsicht auf der sicheren Seite liegt. Diese gutachterlichen Aussagen sind für den Senat nachvollziehbar und schlüssig.
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Die Rüge der Klägerseite, im vorgelegten Gutachten des Vorhabenträgers sei nicht untersucht worden, wie sich die Sohlschuberhöhungen auf die an der Kiesbank vorherrschenden Kiesgrößen von 16 bis 31,5 mm auswirkten, verkennt die angewandte Untersuchungsmethodik. Berechnet wurde nicht das Bewegungsverhalten bestimmter Korngrößen, sondern der jeweils größte mobilisierte Korndurchmesser (vgl. 2D-HN-Modell S. 25). Auch die Befürchtung des Klägers, tiefer gelegener Feinkies könnte abgeschwemmt werden, greift zu kurz. In den tiefer gelagerten Sedimentbereichen treten geringere Strömungskräfte auf; eine deutliche Tiefenerosion hat der Sachverständige Dr. S. als äußerst unwahrscheinlich bewertet (vgl. E-Mail vom 15.2.2024 BA S. 988 f.).
37
Nach alldem durften die beteiligten Fachbehörden das 2D-HN-Modell zur Grundlage ihrer gutachterlichen Bewertungen machen (vgl. höhere Naturschutzbehörde, Stellungnahmen vom 16.6.2023 [BA S. 857 f.] und vom 21.8.2024 [eGA S. 102 f.]; untere Naturschutzbehörde, Stellungnahme vom 25.5.2023 [BA S. 783 f.], Fischereifachberatung, Stellungnahme vom 1.6.2023 [BA S. 785] und vom 29.8.2024 [eGA S. 94 f.]).
38
d) Da die Prüfung der Verträglichkeit mit den Erhaltungszielen des FFH-Gebiets „Donauauen zwischen Ingolstadt und Weltenburg“ keine erhebliche Beeinträchtigung ergeben hat, stellen sich Fragen einer Abweichungsentscheidung nach § 34 Abs. 3 BNatSchG nicht. Ob zumutbare Alternativen vorliegen, den mit dem Projekt verfolgten Zweck an anderer Stelle ohne oder mit geringeren Beeinträchtigungen zu erreichen (§ 34 Abs. 3 Nr. 2 BNatSchG), ist damit nicht Prüfungsgegenstand. Die vom Kläger hierzu vorgebrachten Erwägungen sind demgemäß rechtlich ohne Bedeutung.
39
2. Auch die klägerischen Rügen zum Artenschutz greifen nicht durch.
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a) Der Kläger kann sich auf etwaige Verstöße gegen die artenschutzrechtlichen Verbotstatbestände des § 44 BNatSchG berufen, auch wenn seine Klage gegen den ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss nur hinsichtlich habitatschutzrechtlicher Mängel erfolgreich war und im Übrigen rechtskräftig abgewiesen wurde.
41
Der Regelungsgehalt des Planergänzungsbeschlusses, der die im ursprünglichen Planfeststellungsbeschluss ausgesprochene Vorhabenzulassung bestätigt, enthält auch neue Inhalte zur speziellen artenschutzrechtlichen Prüfung für die Kiesbank (vgl. PEB S. 2, 5 und 12), die sich auf einen ergänzenden Fachbeitrag vom 22. März 2023 stützt. Insoweit wurden die Rechtschutzmöglichkeiten des Klägers im Sinne eines Zweitbescheids wiedereröffnet (vgl. BVerwG, B.v. 28.7.2014 – 7 B 22.13 – UPR 2015, 34 = juris Rn. 6; vgl. auch U.v. 21.3.2023 – 4 A 9.21 – juris Rn. 30; U.v. 27.6.2019 – 7 C 22.17 – NuR 2019, 846 = juris Rn. 31 zum Wegfall der Präklusion).
42
b) Der ergänzte Artenschutzbeitrag behandelt alle von dem Kläger angeführten Vogelarten (Flussuferläufer, Flussregenpfeifer, Kampfläufer, Austernfischer, Grünschenkel). Flussuferläufer und Flussregenpfeifer wurden eigens aufgeführt, während Kampfläufer, Austernfischer und Grünschenkel unter dem Typ „Rast- und Zugvögel“ geprüft wurden (vgl. Artenschutzbeitrag 2023 S. 8 und 11; Sitzungsprotokoll S. 2).
43
Hinsichtlich des Flussregenpfeifers hat der Kläger die gutachterliche Aussage, mehrere Hochwasserabflüsse verhinderten in den meisten Jahren über den gesamten Brutzeitraum eine erfolgreiche Brut, nicht erschüttert. Die Tatsache, dass im Jahr 2018 eine Brut aufgrund fehlender Hochwasser möglich war (vgl. Artenschutzbeitrag 2023 S. 8), genügt dafür nicht. Im Übrigen ergab die artenschutzrechtliche Prüfung, dass eine Schädigung oder Störung u.a. des Flussregenpfeifers ausgeschlossen ist. Soweit der Kläger anführt, bei einem erheblichen Substanzverlust der Kiesbank würden erfolgreiche Bruten unmöglich, weil sie dann bereits bei geringfügig erhöhten Wasserständen überflutet sei, betrifft sein Vortrag nicht die artenschutzrechtliche Prüfung, sondern die ihr zugrundeliegende Hydraulik- und Habitatmodellierung; die diesbezüglichen Einwendungen greifen – wie oben ausgeführt – nicht durch (vgl. dazu Rn. 24 ff.).
44
Die vom Kläger beanstandete Aussage im Artenschutzbeitrag 2014, regelmäßige Gastvögel (Überwinterungsgäste, auf dem Durchzug etc.) seien im Gebiet nicht zu erwarten (vgl. dort S. 66), ist überholt. Die Kiesinsel wurde seinerzeit nicht untersucht (vgl. dort S. 6). Der ergänzte Fachbeitrag nimmt etwaige Auswirkungen auf Zug- und Rastvögel in den Blick (vgl. Artenschutzbeitrag 2023 S. 11). Die Kiesinsel ist hiernach kein bedeutender Rastplatz für Vögel, auch wenn kleinere Gruppen von Wasservögeln häufig zu beobachten sind. Eine Einschränkung der Nutzbarkeit der Kiesbank für Wat- und Wasservögel wurde verneint. Die Naturschutzbehörden haben sich dieser Einschätzung angeschlossen (vgl. Stellungnahmen der höheren Naturschutzbehörde vom 21.8.2024 und 16.6.2023 sowie der unteren Naturschutzbehörde vom 25.5.2023).
45
III. Der Kläger kann auch nicht verlangen, dass der Planfeststellungsbeschluss um geeignete Nebenbestimmungen zum Schutz der Donau-Kiesbank ergänzt wird. Angesichts der marginalen Auswirkungen des Vorhabens auf die Kiesbank sind keine Vorkehrungen zum Wohl der Allgemeinheit oder zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf Rechte anderer erforderlich (vgl. Art. 74 Abs. 2 Satz 2 BayVwVfG).
46
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.
48
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.