Titel:
Erschließungsbeitragsrecht, Anlagenbegriff, Natürliche Betrachtungsweise, Erschließungseinheit
Normenketten:
KAG Art. 5a
BauGB § 127 Abs. 2 Nr. 1
BauGB § 130 Abs. 2 S. 3
Schlagworte:
Erschließungsbeitragsrecht, Anlagenbegriff, Natürliche Betrachtungsweise, Erschließungseinheit
Vorinstanz:
VG Ansbach, Urteil vom 27.02.2025 – AN 3 K 23.1826
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18860
Tenor
I. Der Antrag der Kläger auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 27. Februar 2025 – AN 3 K 23.1826 – wird abgelehnt.
II. Die Kläger haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.
III. Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 21.136,92 € festgesetzt.
Gründe
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Der Antrag der Kläger, die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts zuzulassen, hat keinen Erfolg. Die fristgerecht geltend gemachten Zulassungsgründe liegen nicht vor oder sind bereits nicht ausreichend dargelegt (§ 124a Abs. 5 Satz 2 VwGO).
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Die beklagte Stadt zog die Kläger für die erstmalige endgültige Herstellung der Erschließungsanlage „südliche Verbindungsstraße zwischen Kappelbergsteig und Mariensteig“ (im Folgenden: Verbindungsstraße) als Eigentümer eines Anliegergrundstücks zu einem Erschließungsbeitrag in Höhe von insgesamt 21.136,92 € heran. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht mit dem angegriffenen Urteil vom 27. Februar 2025 für unbegründet erachtet und abgewiesen. Bei der abgerechneten Straße handele es sich bei natürlicher Betrachtungsweise um eine selbstständige Erschließungsanlage. Die Bildung einer Erschließungseinheit mit der Erschließungsanlage „Kappelbergsteig“ scheide aus, da sie gegen das Verbot der Mehrbelastung der Hauptstraße verstoßen würde. Gleiches gelte für die Bildung einer Erschließungseinheit mit der Erschließungsanlage „Mariensteig“.
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Die hiergegen gerichteten Rügen der Kläger greifen nicht durch.
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1. An der Richtigkeit des angegriffenen Urteils bestehen keine ernstlichen Zweifel im Sinn von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.
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Dieser Zulassungsgrund läge vor, wenn vom Rechtsmittelführer ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung des Verwaltungsgerichts mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt würden (vgl. zu diesem Maßstab BVerfG, B.v. 10.9.2009 – 1 BvR 814/09 – NJW 2009, 3642 m.w.N.). Die Richtigkeitszweifel müssen sich auf das Ergebnis der Entscheidung beziehen; es muss also mit hinreichender Wahrscheinlichkeit anzunehmen sein, dass die Berufung zu einer Änderung der angefochtenen Entscheidung führen wird (vgl. BVerwG, B.v. 10.3.2004 – 7 AV 4.03 – NVwZ-RR 2004, 542 f.; BayVGH, B.v. 15.2.2018 – 6 ZB 17.2521 – juris Rn. 4). Das ist nicht der Fall.
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Die Kläger sind der Ansicht, die Verbindungsstraße sei nicht selbstständig, sondern müsse gemeinsam mit dem Kappelbergsteig und Mariensteig abgerechnet werden; denn sie werde von diesen beiden Straßen eingeklammert. Das ergebe sich auch aus dem rechtskräftigen Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2021 – AN 3 K 21.676, wo „für das gleiche Bebauungsplangebiet und für die gleiche Gesamterschließungsanlage“ ausgeführt worden sei, dass die Voraussetzungen für eine Ermessensreduzierung auf Null zur Bildung einer Erschließungseinheit zwischen Kappelbergsteig und Mariensteig gegeben seien.
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Diese Argumentation kann nicht überzeugen und begründet weder tatsächliche noch rechtliche Zweifel an der angegriffenen Entscheidung.
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a) Das Verwaltungsgericht ist von dem einschlägigen erschließungsbeitragsrechtlichen Anlagenbegriff ausgegangen (dazu etwa BayVGH, B.v. 28.4.2022 – 6 ZB 21.2951 – juris Rn. 7 m.w.N.) und hat nach der danach grundsätzlich maßgeblichen natürlichen Betrachtungsweise festgestellt, dass die Verbindungsstraße eine selbstständige Erschließungsanlage im Sinn von Art. 5a KAG i.V.m. § 127 Abs. 2 Nr. 1 BauGB (sog. Anbaustraße) darstellt. Der Senat teilt diese Bewertung mit Blick auf den Straßenverlauf und die Verbindungsfunktion. Trotz ihrer eher geringen Länge von etwa 60 m kann die Straße gerade wegen ihrer Verbindungsfunktion erschließungsbeitragsrechtlich kein unselbstständiges Anhängsel des Kappelbergsteigs oder des Mariensteigs sein (vgl. BayVGH, U.v. 23.4.2017 – 6 B 14.2720 – juris Rn. 22 zu einer 30 m langen Verbindungsstraße). Dass Anlieger des Kappelbergsteigs und des Mariensteigs die Verbindungsstraße nutzen, um zu ihren Grundstücken zu fahren, ist ebenso unerheblich wie (geplante) Streckenführungen für Busse.
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b) Ebenfalls zutreffend hat das Verwaltungsgericht entschieden, dass eine gemeinsame Abrechnung der Verbindungsstraße mit dem Kappelbergsteig und/oder dem Mariensteig, die jeweils ebenfalls eine eigenständige Erschließungsanlage bilden, aus Rechtsgründen ausscheidet. Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2021 – AN 3 K 21.676 – steht dazu nicht in Widerspruch.
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Nach § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB kann der Erschließungsaufwand – abweichend von der gesetzlichen Regel der Einzelabrechnung – für mehrere Anlagen, die für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit bilden, insgesamt ermittelt werden. Die Gemeinde darf also nicht etwa beliebig eine Erschließungseinheit bilden. Sie kann nach ihrem Ermessen vielmehr (nur) entscheiden, dass sie eine tatsächlich vorhandene Erschließungseinheit in Ausnahme von der allgemeinen Regel einer Einzelabrechnung insgesamt abrechnen will.
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Zur Annahme einer solchen Erschließungseinheit reicht es nicht aus, dass mehrere selbstständige Anlagen – wie hier – miteinander verbunden sind und ein siedlungsmäßig oder sonst sichtbar abgrenzbares System etwa innerhalb eines Baugebiets darstellen. Erforderlich ist nach dem Gesetzeszweck vielmehr ein besonderer funktionaler Zusammenhang. Den tragenden Grund für die Erschließungseinheit bildet nämlich das gemeinsame Angewiesensein aller Anlieger auf die Benutzung der Hauptstraße. Er bewirkt, dass die durch die Hauptstraße erschlossenen Grundstücke keinen höheren Sondervorteil genießen als die durch die Nebenstraße erschlossenen Grundstücke. Diese durch die Hauptstraße vermittelte Vorteilsgemeinschaft rechtfertigt eine gemeinsame Ermittlung und Verteilung des Erschließungsaufwands mit dem Ziel, die Beitragsbelastung zugunsten der Anlieger der regelmäßig aufwändigeren Hauptstraße zu nivellieren.
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Mehrere Anlagen bilden nur dann im Sinn des § 130 Abs. 2 Satz 3 BauGB „für die Erschließung der Grundstücke eine Einheit“, wenn sie in einem besonderen funktionalen Zusammenhang stehen. Eine derartige Erschließungseinheit kann nach ständiger Rechtsprechung aus einer Hauptstraße und einer von ihr abzweigenden selbstständigen Nebenstraße – Stich- oder Ringstraße – bestehen (vgl. BayVGH, B.v. 2.3.2017 – 6 ZB 16.1888 – juris Rn. 14). Den tragenden Grund für die Erschließungseinheit bildet insoweit das gemeinsame Angewiesensein aller Anlieger auf die Benutzung der Hauptstraße. Es bewirkt, dass die durch die Hauptstraße erschlossenen Grundstücke keinen höheren Sondervorteil genießen als die durch die Nebenstraße erschlossenen Grundstücke. Diese durch die Hauptstraße vermittelte Vorteilsgemeinschaft rechtfertigt eine gemeinsame Ermittlung und Verteilung des Erschließungsaufwands mit dem Ziel, die Beitragsbelastung zugunsten der Anlieger der regelmäßig aufwändigeren Hauptstraße zu nivellieren. Dagegen darf die gemeinsame Abrechnung nicht zu einer Mehrbelastung der Anlieger der Hauptstraße führen. Diese ist nicht vorteilsgerecht, weil die Nebenstraße ihrerseits den von der Hauptstraße erschlossenen Grundstücken keinen über den Gemeinvorteil hinausgehenden Sondervorteil bieten kann (BVerwG, U.v. 12.5.2016 – 9 C 11.15 – juris Rn. 20). Die Bildung einer Erschließungseinheit beinhaltet somit ein Verbot der Mehrbelastung zum Nachteil der Anlieger der Hauptstraße. Eine gemeinsame Abrechnung als Erschließungseinheit scheidet aus, wenn sie für die Anlieger der Hauptstraße im Vergleich zu einer Einzelabrechnung zu einer höheren Belastung führen würde (BayVGH, U.v. 14.12.2020 – 6 B 20.1619 – juris Rn 25 m.w.N.; Schmitz, Erschließungsbeiträge, 2018, § 10 Rn. 25).
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Mit Blick auf die Verbindungsstraße fehlt es schon an dem besonderen funktionalen Zusammenhang zwischen der Verbindungsstraße (Neben straße) und dem Kappelbergsteig und/oder dem Mariensteig (Hauptstraße) als zwingende gesetzliche Voraussetzung für eine gemeinsame Abrechnung. Selbst wenn diese Straßen als Erschließungseinheit anzusehen wären, würde die von den Klägern gewünschte gemeinsame Abrechnung jedenfalls deshalb ausscheiden, weil sie nach den unbestrittenen Feststellungen des Verwaltungsgerichts für die Anlieger der Hauptstraße (Kapellbergsteig oder Mariensteig) zu einer höheren Beitragsbelastung führen würde als bei einer Einzelabrechnung.
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2. Die Rechtssache weist keine besonderen tatsächlichen oder rechtlichen Schwierigkeiten auf, die eine Zulassung der Berufung rechtfertigen (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO). Die entscheidungserheblichen Fragen lassen sich aus den oben genannten Gründen ohne weiteres in dem vom Verwaltungsgericht entschiedenen Sinn beantworten, ohne dass es weiterer Klärung in einem Berufungsverfahren bedarf.
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3. Die Berufung ist nicht wegen der geltend gemachten grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Um diesen Zulassungsgrund dazulegen, muss der Rechtsmittelführer eine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage formulieren, zudem ausführen, weshalb diese Frage für den Rechtsstreit entscheidungserheblich ist, ferner erläutern, weshalb die formulierte Frage klärungsbedürftig ist, und schließlich darlegen, weshalb ihr eine über die einzelfallbezogene Rechtsanwendung hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. BayVGH, B.v. 22.3.2022 – 6 ZB 22.184 – juris Rn. 16). Dem entspricht der Zulassungsantrag nicht. Die Formulierung „Fragen der richtigen Bestimmung der Erschließungseinheiten“ beinhaltet keine konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage, deren Klärung es in einem Berufungsverfahren bedürfte.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47, 52 Abs. 3 GKG.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO). Mit ihm wird das Urteil des Verwaltungsgerichts rechtskräftig (§ 124a Abs. 5 Satz 4 VwGO).