Titel:
Ausweisung, Falschangaben, Zielstaatsbezogene Gefahren
Normenketten:
AufenthG § 53 ff
GG Art. 6
AsylG § 42 Satz 1
Schlagworte:
Ausweisung, Falschangaben, Zielstaatsbezogene Gefahren
Rechtsmittelinstanz:
VGH München, Beschluss vom 21.07.2025 – 19 ZB 25.892
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18851
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
3. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festgesetzten Kosten abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleiche Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Klägerin begehrt die Aufhebung der Ausweisungsverfügung und die Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis.
2
Die am …1961 geborene Klägerin und deren am … 1955 geborener Ehemann, …, sind armenische Staatsangehörige. Sie schlossen am … vor dem Standesamt in … in Armenien, die Ehe und haben vier gemeinsame Kinder.
3
Die Klägerin reiste nach ihren Angaben mit einem volljährigen Sohn und einer damals noch minderjährigen Tochter am 23. April 2001 in das Bundesgebiet ein und beantragte für sich und ihre Kinder Asyl, unter Verwendung folgender Aliasidentitäten: …, geb. …1960, aserbaidschanische Staatsangehörigkeit; …, geb. …1980, aserbaidschanische Staatsangehörigkeit (Sohn) und …, geb. …1989, aserbaidschanische Staatsangehörigkeit (Tochter). Im Rahmen der persönlichen Anhörung vor dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (heute Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden Bundesamt) gab die Klägerin an, aserbaidschanische Staatsangehörige mit armenischer Volkszugehörigkeit zu sein. Mit Bescheid vom 21. September 2001 lehnte das Bundesamt die Asylanträge vollumfänglich ab. Auf die hiergegen erhobene Klage wurde das Bundesamt mit Urteilen vom 21. November 2001 (AN 15 K 01.31592, AN 15 K 01.31593) verpflichtet, Abschiebungshindernisse nach § 53 Abs. 4 AuslG festzustellen. Das Bundesamt stellte daraufhin mit Bescheiden vom 18. Januar 2002 fest, dass die Voraussetzungen des § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich Aserbaidschans bei der Klägerin und deren Kindern vorliegen.
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Der Ehemann der Klägerin reiste im Juni 2002 mit zwei erwachsenen Söhnen in das Bundesgebiet ein und beantragte am 13. Juni 2002 Asyl, unter Verwendung folgender Aliasidentitäten:
…, geb. …1956 in …; …, geb. …1980 in … und …, geb. …1982 in …
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Auch der Ehemann der Klägerin gab an, dass er und seine Söhne aserbaidschanische Staatsangehörige mit armenischer Volkszugehörigkeit seien. Mit Bescheiden vom 16. Dezember 2002 lehnte das Bundesamt die Asylanträge des Ehemanns der Klägerin und der Söhne vollumfänglich ab. Mit Urteil des Verwaltungsgerichts Ansbach vom 31. März 2004 wurde das Bundesamt verpflichtet, auch bei dem Ehemann der Klägerin und den beiden erwachsenen Söhnen ein Abschiebungshindernis gemäß § 53 Abs. 4 AuslG hinsichtlich Aserbaidschans festzustellen und die Abschiebungsandrohungen aufzuheben (AN 15 K 02.32840, AN 15 K 02.32841). Die von dem Bundesamt beantragte und zugelassene Berufung wurde mit Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 20. Februar 2006 (Az. 9 B 04.30561) zurückgewiesen. Daraufhin stellte das Bundesamt mit Bescheiden vom 26. Oktober 2006 fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG im Hinblick auf das Herkunftsland Aserbaidschan bei dem Ehemann der Klägerin und den Söhnen vorliegen.
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Der Klägerin wurde auf entsprechenden Antrag erstmals am 4. September 2006 eine Aufenthaltserlaubnis erteilt, wegen der Passlosigkeit in Form eines Ausweisersatzes. Auch der Ehemann der Klägerin erhielt, erstmals am 7. November 2006, eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 25 Abs. 3 AufenthG in Form eines Ausweisersatzes.
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In der Folgezeit wurde die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin wiederholt verlängert. Bei Antragstellung wurde die Klägerin stets unter Verwendung standardisierter Antragsformulare auf die Möglichkeit einer Ausweisung bzw. auf die Geltendmachung von Ausweisungsinteressen bei unvollständigen oder unrichtigen Angaben hingewiesen. Zuletzt wurden die Aufenthaltserlaubnis der Klägerin und ihrer Familienangehörigen bis zum 22. Januar 2023 verlängert. Der Klägerin wurde erstmals am 26. März 2007 auch ein Reiseausweis für Ausländer ausgestellt, der wiederum zuletzt bis 22. Januar 2023 verlängert wurde.
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Nachdem der Sohn der Klägerin unter der Aliasidentität … in das Priorisierungsverfahren des Polizeipräsidiums Mittelfranken für Intensiv- und Serientäter aus dem Kreis der Zuwanderer aufgenommen und durch ein dort initiiertes Personenfeststellungsverfahren in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Landeskriminalamt im Jahr 2021 die armenische Staatsangehörigkeit des Sohnes mit den Personalien …, geb. … 1981, festgestellt worden war, erstattete die Beklagte Strafanzeige gegen die Klägerin und deren Familienangehörige. Im Rahmen des polizeilichen Ermittlungsverfahrens räumte die Klägerin ein, aus Angst abgeschoben zu werden, falsche Personalien verwendet zu haben.
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Im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen wurde die wahre Identität der Klägerin ermittelt, und zwar …, geboren am … 1961.
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Am 30. August 2022 legte die Klägerin ihren armenischen Reisepass mit der Dokumentennummer …, gültig vom 3. Mai 2022 bis 3. Mai 2032, vor und beantragte am 8. November 2022, erstmals unter Verwendung der rechtmäßigen Identität, die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ohne Angabe eines Aufenthaltszwecks. Vorgelegt wurden auch die armenische Geburtsurkunde des Ehemanns der Klägerin und die Eheurkunde mit Apostille und Übersetzung. Der Klägerin wurde eine Fiktionsbescheinigung gemäß § 81 Abs. 4 AufenthG ausgestellt, die zuletzt bis 14. Juli 2025 verlängert wurde.
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Das Amtsgericht … verhängte mit Strafbefehl vom 15. September 2022, Az. …, rechtskräftig seit 8. Dezember 2022, eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in drei Fällen. Dem Strafbefehl lagen die wiederholten, bewusst wahrheitswidrigen Angaben der Klägerin zu deren Identität und Staatsangehörigkeit gegenüber der Ausländerbehörde zugrunde.
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Am 5. März 2024 und am 14. Juni 2024 wiederholte die Klägerin den Antrag auf Verlängerung ihrer Aufenthaltserlaubnis und gab dabei an, Grundsicherung und Rente zu beziehen.
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Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge leitete auf Grund der nunmehr feststehenden armenischen Staatsangehörigkeit der Klägerin und ihrer Familienangehörigen Aufhebungsverfahren ein (Az. … und Az. …*).
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Mit unanfechtbarem Bescheid vom 16. April 2024 wurde die mit Bescheid vom 18. Februar 2002 nach altem Recht getroffene Feststellung, dass ein Abschiebungshindernis nach § 53 Abs. 4 AuslG vorliegt, zurückgenommen. Unter Ziffer 2 wurde der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt und es wurde in Ziffer 3 festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Klägerin habe bei Antragstellung falsche Identitäts- und Herkunftsangaben gemacht und über ihre wahre Identität und Staatsangehörigkeit getäuscht. Als armenische Staatsangehörige könnten ihr Abschiebungsverbote hinsichtlich Aserbaidschans nicht zustehen. Die Rücknahme erfolge mit Wirkung für die Vergangenheit. Der Bescheid ist seit 4. Mai 2024 unanfechtbar.
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Mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 wurde die Klägerin zu der beabsichtigten Maßnahme angehört. Die Klägerin ließ durch ihren Bevollmächtigten mit Schreiben vom 5. Dezember 2023 ausführen, dass sie aus medizinischen Gründen in das Bundesgebiet eingereist sei. Sie lebe seit über 22 Jahren mit ihrer Familie hier. Sie habe zehn Enkelkinder, fünf lebten in Österreich. Sie habe viel Lebensfreude, spreche sehr gut Deutsch und sei fest integriert. Der Klägerbevollmächtigte führte ergänzend aus, dass der Sohn der Klägerin, …, an einer psychischen Erkrankung leide und einen gesetzlichen Betreuer habe. Die Klägerin und deren Ehemann kümmerten sich um diesen und versorgten ihn. Eine Trennung würde zu einer Verschlimmerung dessen Krankheitsbildes führen. Auch habe die Klägerin in Armenien keine Familie mehr und keine Möglichkeit zu wohnen. Im Übrigen leide ihr Ehemann an verschiedenen Krankheiten, wie insulinpflichtigem Diabetes Mellitus Typ I mit fortgeschrittenen Sekundärerkrankungen wie Polyneuropathie und chronischer Niereninsuffizienz, diabetischem Fußsyndrom, coronarer Herzerkrankung mit rezidivierenden Stenokardien, chronischem Schmerzsyndrom bei weit fortgeschrittenen degenerativen Veränderungen der gesamten Wirbelsäule, Bandscheibenvorfall HWK 6/7, Polyarthrose, bekannter lumbaler Spinalkanalstenose, schwerem depressiven Syndrom mit Angst- und Unruhezuständen, ausgeprägtem Erschöpfungssyndrom, arteriellem Hypertonus mit rezidivierenden hypertensiven Krisen, chronischer Refluxerkrankung bei axialer Hiatushernie, Cervikobrachialgie links am ehesten Dermatom C7, lateraler BSV HWK 6/7 links, breitbasiger Bandscheibenprotrusion HWK 5/6, arterieller Hypertonie, ASS Dauertherapie bei Z.n. Stent-Implantation cardial 2016 und UE links 2018. Er habe einen Grad der Behinderung von 70 und das Merkzeichen G. Sämtliche Erkrankungen könnten in Armenien nicht ausreichend behandelt werden. Auch habe die Klägerin nicht die ausreichenden finanziellen Mittel. Sie wäre in Armenien schlichtweg dem Tod geweiht. Entsprechende Arzt- und Befundberichte aus den Jahren 2024 und 2023 über die stationären Krankenhausaufenthalte im Krankenhaus …, den …, dem … Krankenhaus und den weiterbehandelnden Ärzten wurden vorgelegt. Auch wurde eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung und ein vorläufiger Entlassungsbericht des Bezirksklinikums … vom 7. August 2024 hinsichtlich des Sohnes … vorgelegt, wonach dieser dort wegen paranoider Schizophrenie und wahnhafter Störung in der Zeit vom 1. Juli 2024 bis 7. August 2024 behandelt und im stabilen Zustand entlassen worden sei.
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Mit Bescheid vom 19. Juni 2024 wies die Beklagte die Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland aus (Ziffer 1), erließ in Ziffer 2 ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot für den Fall der Ausreise bzw. Abschiebung, lehnte in Ziffer 3 die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis ab und forderte die Klägerin in Ziffer 4 auf, das Bundesgebiet bis spätestens 19. Juli 2024 zu verlassen. In Ziffer 5 wurde die Abschiebung insbesondere nach Armenien angedroht.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Klägerin auszuweisen sei. Es läge ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG vor, da sie falsche und unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels gemacht habe. Sie habe in insgesamt zehn Verwaltungsverfahren zur Erteilung und Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis bzw. zur Erteilung einer Niederlassungserlaubnis falsche Angaben gegenüber der Beklagten gemacht. Auch lägen vertypte Ausweisungsinteressen gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG auf Grund der verhängten Geldstrafe in dem Strafbefehl vom 15. September 2023 wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in drei Fällen, nämlich am 10. Dezember 2018, 18. Dezember 2018 und 24. November 2020, vor. Auch bei den Vorspracheterminen am 9. August 2007, 17. März 2009, 30. Januar 2011, 23. Januar 2013, 22. Dezember 2014 sowie am 22. Dezember 2016 habe die Klägerin falsche Angaben gemacht und daher den Straftatbestand des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG erfüllt. Im Übrigen habe die Klägerin bereits im Asylverfahren falsche Angaben gemacht. Vertypte Bleibeinteressen lägen nicht vor. Sämtliche Kinder der Klägerin seien volljährig. Die Klägerin und ihr Ehemann seien beide im Besitz der armenischen Staatsangehörigkeit. Die vorzunehmende Interessenabwägung falle zu Lasten der Klägerin aus. Sie sei insbesondere auch keine faktische Inländerin, da sie nicht nachhaltig in die Lebensverhältnisse der BRD integriert und unumkehrbar von den Lebensverhältnissen ihres Herkunftsstaates entwurzelt sei. Insbesondere sei zu berücksichtigen, dass der Aufenthalt der Klägerin im Bundesgebiet ausschließlich auf falschen Angaben zur Identität und Herkunft beruhe. Auf den Fortbestand des Aufenthaltsrechts nach Aufdeckung der Falschangaben habe die Klägerin nicht vertrauen dürfen. Im Übrigen sei die Klägerin auch nicht integriert. Durch die Verwendung der Aliasidentität über einen Zeitraum von rund 21 Jahren habe sie gezeigt, dass sie nicht gewillt ist, die deutsche Rechtsordnung zu achten. Sie sei nicht wirtschaftlich integriert, sondern im Bezug öffentlicher Leistungen. Sonstige durchgreifende schützenswerte persönliche Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht. Auch habe die Klägerin über 40 Jahre und somit den überwiegenden Teil ihres Lebens in Armenien verbracht, so dass eine Entfremdung nicht ersichtlich sei. Die Ausweisung sei generalpräventiv zu verfügen. Es bestehe insbesondere ein besonderes öffentliches Interesse, andere Ausländer von Taten wie die der Klägerin abzuschrecken. Es bestehe ein besonders öffentliches Interesse, Falschangaben im Rahmen des Asylverfahrens zu unterbinden. Die Ausweisungsinteressen seien insbesondere gegenwärtig. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot sei im Ermessen auf fünf Jahre zu befristen. Auch sei die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis abzulehnen. Nach Rücknahme der Feststellung von Aufenthaltsverboten durch das Bundesamt lägen bereits die besonderen Erteilungsvoraussetzungen des § 25 Abs. 3 AufenthG nicht vor. Im Übrigen sei der Lebensunterhalt nicht eigenständig gesichert und es lägen Ausweisungsinteressen vor.
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Mit Schriftsatz ihres Bevollmächtigten vom 12. Juli 2024 hat die Klägerin hiergegen Klage erhoben und beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. Juni 2024 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin eine Aufenthaltserlaubnis zu erteilen.
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Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse vorläge. Die Klägerin lebe seit über 23 Jahren mit ihrem Mann und der gesamten Familie im Bundesgebiet. Sie habe zehn Enkelkinder und viel Lebensfreude. Sie spreche sehr gut Deutsch. Überdies sei der Sohn der Klägerin, …, geb. … 1981, psychisch erkrankt. Die Trennung von der Mutter würde dem Kind erheblichen Schaden zufügen. Mit der Versorgung des behinderten Kindes lägen gewichtige humanitäre Gründe vor. Gleichzeitig hat die Klägerin beantragt, im einstweiligen Rechtsschutz die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid der Beklagten wiederherzustellen.
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Mit Schriftsatz vom 17. Juli 2024 hat die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen und den Antrag abzulehnen und im Wesentlichen auf den streitgegenständlichen Bescheid Bezug genommen.
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Mit Bescheid vom 20. November 2024 hat die Beklagte den Ehemann der Klägerin aus der Bundesrepublik Deutschland ausgewiesen (Ziffer 1), in Ziffer 2 wurde ein auf fünf Jahre ab Ausreise bzw. Abschiebung befristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet, in Ziffer 3 wurde der Antrag auf Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt, in Ziffer 4 wurde er aufgefordert, das Bundesgebiet bis spätestens 20. Dezember 2024 zu verlassen. In Ziffer 5 des Bescheids wurde für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise des Ehemanns, die Abschiebung insbesondere nach Armenien angedroht.
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Mit Schriftsatz vom 18. Dezember 2024 hat die Regierung von Mittelfranken mitgeteilt, dass sie sich als Vertretung des öffentlichen Interesses am Verfahren beteiligen werde.
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Mit Schriftsatz vom 12. März 2025 hat die Beklagte ergänzend ausgeführt, dass insbesondere ein zwingendes Angewiesensein des Sohnes … auf die Unterstützung der Klägerin und deren Ehemann mit den vorgelegten Attesten nicht dargetan sei, auch wenn bei dem Sohn paranoide Schizophrenie und wahnhafte Störung diagnostiziert worden seien. Der Sohn sei verheiratet und habe ein 16-jähriges Kind, so dass die familiäre Hilfeleistung auch durch andere Familienmitglieder erbracht werden könne. Der Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis stehe im Übrigen, neben § 11 Abs. 1 Satz 2 AufenthG, die fehlende Sicherung des Lebensunterhalts entgegen, ein Ausnahme von der Regel liege nicht vor, auch fiele das Ermessen, von den allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen abzusehen, zu Lasten der Klägerin aus. Auf § 42 Satz 1 AsylG werde im Hinblick auf den Vortrag zielstaatsbezogener Abschiebungsverbote hingewiesen.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten, die beigezogenen Behördenakten, auch in den Verfahren betreffend den Ehemann der Klägerin unter den Az.: AN 5 K 24.3179 und AN 5 S 24.3178, sowie die Sitzungsniederschrift verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Klage ist unbegründet, da der streitgegenständliche Bescheid vom 19. Juni 2024 nicht rechtswidrig ist und die Klägerin nicht in ihren Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 VwGO).
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Die in Ziffer 1 des Bescheids verfügte Ausweisung ist rechtlich nicht zu beanstanden. Gemäß § 53 Abs. 1 AufenthG wird ein Ausländer, dessen Aufenthalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung, die freiheitliche demokratische Grundordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, ausgewiesen, wenn die unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise mit den Interessen an einem Verbleib des Ausländers ergibt, dass das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt. Dies ist hier der Fall.
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Die Klägerin hat ein vertyptes schwerwiegendes Ausweisungsinteresse im Sinne des § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG verwirklicht, indem sie wiederholt, am 29. November 2005, 9. August 2007, 17. März 2009, 30. Januar 2011, 23. Januar 2013, 22. Dezember 2014, 22. Dezember 2016, 10. Dezember 2018, 18. Dezember 2018 sowie am 24. November 2020, bewusst wahrheitswidrig, falsche Angaben gegenüber der Beklagten gemacht hat, um eine Aufenthaltserlaubnis bzw. Niederlassungserlaubnis zu erlangen. Nach § 54 Abs. 2 Nr. 8a AufenthG wiegt das Ausweisungsinteresse im Sinne von § 53 Abs. 1 AufenthG schwer, wenn der Ausländer in einem Verwaltungsverfahren, das von Behörden eines Schengen-Staates durchgeführt wurde, im In- oder Ausland falsche oder unvollständige Angaben zur Erlangung eines deutschen Aufenthaltstitels, eines Schengen-Visums, eines Flughafentransitvisums, eines Passersatzes, der Zulassung einer Ausnahme von der Passpflicht oder der Aussetzung der Abschiebung gemacht hat, soweit der Ausländer zuvor auf die Rechtsfolgen solcher Handlungen hingewiesen wurde.
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Die Klägerin wurde stets bei Antragstellung, am 29. November 2005, 9. August 2007, 17. März 2009, 30. Januar 2011, 23. Januar 2013, 22. Dezember 2014, 22. Dezember 2016, 10. Dezember 2018, 18. Dezember 2018 sowie am 24. November 2020 daraufhin gewiesen, dass sie bei falschen oder unvollständigen Angaben zum Zweck der Erlangung des Aufenthaltstitels ausgewiesen werden könne.
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Im Fall der Klägerin besteht auch ein schwerwiegendes Ausweisungsinteresse gemäß § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG, da sie mit den wiederholten, falschen Angaben zu ihrer Identität und Herkunft gegenüber der Beklagten zur Erlangung eines Aufenthaltstitels einen nicht nur vereinzelten oder geringfügigen Verstoß gegen Rechtsvorschriften begangen hat. Wegen dieser der Klägerin vorgeworfenen Straftaten wurde von dem Amtsgericht … mit Strafbefehl vom 15. September 2022, AZ. …, rechtskräftig seit 8. Dezember 2022, eine Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen wegen Verstoßes gegen das Aufenthaltsgesetz in drei Fällen (betreffend die Falschangaben gegenüber der Beklagten am 10. Dezember 2018, 18. Dezember 2018 und 24. November 2020) verhängt. Entscheidend ist insoweit nur, dass der Rechtsverstoß nicht unbeachtlich ist, wobei § 54 Abs. 2 Nr. 10 AufenthG dabei so zu verstehen ist, dass ein Rechtsverstoß nur dann unbeachtlich ist, wenn er vereinzelt und geringfügig ist, er hingegen immer beachtlich ist, wenn er vereinzelt, aber nicht geringfügig, oder geringfügig, aber nicht vereinzelt ist. Eine Vorsatztat – wie vorliegend – kann grundsätzlich nicht als geringfügig angesehen werden (Bergmann/Dienelt/Bauer, 14. Aufl. 2022, AufenthG § 54 Rn. 95 m.w.N.).
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Der weitere Aufenthalt der Klägerin gefährdet auch die öffentliche Sicherheit und Ordnung im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG. Diese Bewertung wird von generalpräventiven Erwägungen getragen. Das Bundesverwaltungsgericht hat u.a. in den Urteilen vom 12. Juli 2018 und 9. Mai 2019 entschieden, dass sich auch mit generalpräventiven Gründen ein Ausweisungsinteresse begründen lässt (BVerwG, U.v. 12.7.2018 – 1 C 16.17 – juris Rn. 16; BVerwG, U.v. 9.5.2019 – 1 C 21.18 – juris Rn. 17). Dem Gedanken der Generalprävention liegt zugrunde, dass – über eine ggf. erfolgte strafrechtliche Sanktion hinaus – ein besonderes Bedürfnis besteht, durch die Ausweisung andere Ausländer von Taten ähnlicher Art und Schwere abzuhalten. Erforderlich ist regelmäßig, dass eine Ausweisungspraxis, die an die Begehung ähnlicher Taten anknüpft, geeignet ist, auf potentielle weitere Täter abschreckend zu wirken. Bei der generalpräventiven Aufenthaltsbeendigung ist besonders sorgfältig das Gewicht der mit ihr verfolgten, im öffentlichen Interesse liegende Ziele zu ermitteln. Hierzu gehört auch für die Verwaltungsgerichte eine genaue Kenntnisnahme und Würdigung des der Aufenthaltsbeendigung zugrundeliegenden Tatgeschehens und seiner strafgerichtlichen Bewertung (BVerfG, B.v. 21.3.1985 – 2 BvR 1642/83 – juris Rn. 24). Zudem gehört die Klägerin nicht zu den durch § 53 Abs. 3 oder Abs. 3a AufenthG privilegierten Personengruppen, so dass auch insoweit das Abstellen auf generalpräventive Gründe nicht ausgeschlossen ist.
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Die generalpräventiven Erwägungen der Beklagten sind im konkreten Fall nicht zu beanstanden. Es erscheint sachgerecht, dass bewusst falsche Angaben zur Herkunft und Identität im Rahmen des Asylverfahrens und in der Folgezeit gegenüber der Ausländerbehörde auch ausländerrechtliche Konsequenzen haben. Die Klägerin hat durch die falschen Angaben einen Schutzstatus im Bundesgebiet erschlichen und sich hier über 20 Jahre – seit 2006 zu Unrecht mit Aufenthaltserlaubnis – aufgehalten, so dass von einem schwerwiegenden und beharrlichen Verstoß gegen die Rechtsordnung auszugehen ist. Es ist sachgerecht, diesem Verhalten mit einer generalpräventiv motivierten Ausweisung zu begegnen. Insofern ist nicht zu beanstanden, wenn die Beklagte im streitgegenständlichen Bescheid ausführt, dass ein gewichtiges öffentliches Interesse der Bundesrepublik Deutschland an der Einhaltung der Rechtsvorschriften bestehe und anderen Ausländer deutlich vor Augen geführt werden solle, dass ein Verhalten, wie von der Klägerin gezeigt, trotz bzw. gerade wegen des langjährigen, erschlichenen Aufenthalts, nicht hingenommen werde. Es besteht ein besonderes Bedürfnis, durch die Ausweisung andere Ausländer von einem gleichartigen Verhalten abzuhalten.
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Die bei Vorliegen einer tatbestandsmäßigen Gefährdungslage nach § 53 Abs. 1 AufenthG unter Berücksichtigung aller sonstigen Umstände des Einzelfalles vorzunehmende Abwägung der Interessen an der Ausreise der Klägerin mit den Interessen an einem weiteren Verbleib im Bundesgebiet ergibt, auch unter Berücksichtigung des Art. 6 GG, des Art. 8 EMRK und des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes, dass das öffentliche Interesse an ihrer Ausweisung überwiegt. Die streitgegenständliche Ausweisung der Klägerin ist weder unter Berücksichtigung der in § 53 Abs. 2 AufenthG – allerdings nicht abschließend – aufgeführten Umstände noch mit Blick auf die Anforderungen der wertentscheidenden Grundsatznormen des Art. 6 Abs. 1 GG und des Art. 8 EMRK unverhältnismäßig.
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Dem schwerwiegenden Ausweisungsinteresse steht im vorliegenden Fall ein vertyptes (besonders) schwerwiegendes Bleibeinteresse gemäß § 55 Abs. 1 bzw. 2 AufenthG nicht entgegen, insbesondere nicht nach § 55 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG, wonach das Bleibeinteresse im Sinne des § 53 Abs. 1 AufenthG besonders schwer wiegt, wenn der Ausländer eine Aufenthaltserlaubnis besitzt und sich seit fünf Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat. Dies setzt nämlich voraus, dass die Aufenthaltserlaubnis zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung über die Ausweisung tatsächlich vorhanden und damit bereits erteilt ist. Eine Fiktionsbescheinigung, wie sie die Klägerin bis zur Ablehnung ihres Verlängerungsantrags durch den streitgegenständlichen Bescheid vom 19. Juni 2024 besaß, steht dem Besitz einer Aufenthaltserlaubnis gemäß § 55 Abs. 3 AufenthG gerade nicht gleich, vgl. BVerwG, U.v. 16.11.2023 – 1 C 32.22 – juris Rn. 14, Bay VGH, B.v. 20.2.2025 – 19 ZB 23.116 – juris Rn. 26).
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In nicht zu beanstandender Weise hat die Beklagte in die vorzunehmende Abwägung eingestellt, dass der Klägerin, trotz des geltend gemachten, langen Aufenthalts im Bundesgebiet von über 20 Jahren, eine soziale und wirtschaftliche Integration in keiner Weise gelungen ist. Sie hat während ihres Aufenthalts fortlaufend Sozialleistungen in Anspruch genommen und nimmt dies auch gegenwärtig, wobei sie in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, nunmehr in Teilzeit von 80 Stunden im Monat eine Beschäftigung in der Küche eines Altenheims aufgenommen zu haben. Sonstige Integrationsfaktoren, wie etwa Kontakte im Bundesgebiet über die Kernfamilie hinaus, sind nicht ersichtlich. Zudem kommt eine nach Art. 8 Abs. 1 EMRK schützenswerte Verwurzelung eines Ausländers grundsätzlich nur auf der Grundlage eines rechtmäßigen Aufenthalts und eines schutzwürdigen Vertrauens auf den Fortbestand des Aufenthalts in Betracht (vgl. BVerwG, U.v. 26.10.2010 – 1 C 18.09 – juris Rn. 14; ebenso BayVGH, B.v. 3.7.2017 – 19 CS 17.551 – juris Rn. 11 m.w.N.) – was vorliegend aufgrund der Falschangaben zur Identität und Staatsangehörigkeit bereits im Asylverfahren und gegenüber der Beklagten während des gesamten Aufenthalts im Bundesgebiet von über 20 Jahren gerade nicht der Fall ist. Die Beklagte hat im Rahmen der Interessenabwägung auch die familiären Bindungen der Klägerin im Bundesgebiet zu ihrem Ehemann, den vier Kindern und Enkelkindern gesehen. Weder Art. 6 GG noch Art. 8 EMRK begründen jedoch einen unmittelbaren Anspruch auf Aufenthalt im Bundesgebiet; die in Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 GG enthaltene wertentscheidende Grundsatznorm, nach welcher der Staat die Familie zu schützen und zu fördern hat, verpflichtet die Ausländerbehörde lediglich, bei der Entscheidung über ein Aufenthaltsbegehren die bestehenden familiären Bindungen des Ausländers an Personen, die sich berechtigterweise im Bundesgebiet aufhalten, zu berücksichtigen und entsprechend dem Gewicht dieser Bindungen in ihren Erwägungen zur Geltung zu bringen (vgl. BVerfG, B.v.5.6.2013 – 2 BvR 586/13 – juris Rn. 12).
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Erfüllt die Familie die Funktion einer Beistandsgemeinschaft, weil ein Familienmitglied auf die Lebenshilfe eines anderen Familienmitglieds angewiesen ist, und kann dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden, so kann dies zur Unverhältnismäßigkeit aufenthaltsbeendender Maßnahmen führen (vgl. BVerfG, B.v. 17.5.2011 – 2 BvR 2625/10 – juris Rn. 5). Nachdem der Ehemann der Klägerin ebenfalls armenischer Staatsangehöriger ist und auch ihm gegenüber von der Beklagten mit Bescheid vom 20. November 2024 die Ausweisung verfügt und die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis abgelehnt wurde, er somit vollziehbar ausreisepflichtig ist, steht eine Trennung von diesem schon nicht im Raum. Im Übrigen sind sämtliche Kinder der Klägerin volljährig und haben eigene Familien. Zwar lebt der Sohn …, der laut vorläufigem Entlassungsbericht des Bezirksklinikums … vom 7. August 2024 dort vom 1. Juli 2024 bis 7. August 2024 wegen einer paranoiden Schizophrenie und wahnhafter Störung behandelt wurde, in einem gemeinsamen Haushalt mit der Klägerin und deren Ehemann. Es ist jedoch nicht ersichtlich, welche Unterstützungsleistung die Klägerin tatsächlich erbringt. Es ist nicht nachgewiesen, dass deren Sohn gerade auf deren Lebenshilfe angewiesen ist und dieser Beistand nur in Deutschland erbracht werden kann, zumal der Sohn der Klägerin nach deren Angaben in der mündlichen Verhandlung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit nachgeht, verheiratet ist und selbst einen 17-jährigen Sohn hat, zu dem er intensiven Kontakt pflegt. Bei dem Sohn … ist als gesetzlicher Betreuer auch nicht etwa die Klägerin oder deren Ehemann bestellt und offensichtlich gelingt es der Klägerin auch nicht, die Medikamenteneinnahme bei ihrem Sohn zu gewährleisten, nachdem dieser – wie von dem Klägerbevollmächtigen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt – im Hinblick auf die fehlende Medikamentencompliance aufgrund eines Beschlusses des Betreuungsgerichts ab dem 27. März 2025 zwangsweise eingewiesen wird. Bei dem Vortrag, dass der Ehemann der Klägerin wegen seiner Erkrankungen und der unerreichbaren medizinischen Versorgung eine Rückkehr nach Armenien unzumutbar sei, handelt es sich um ein zielstaatsbezogenes Vorbringen, das aufgrund der bestandskräftigen Entscheidung des Bundesamtes vom 16. April 2024 nach § 42 Satz 1 AsylG vorliegend nicht berücksichtigungsfähig ist (vgl. BayVGH, B.v. 19.10.2023 – 19 ZB 23.1183 – juris Rn. 34). Nachdem die Klägerin im Übrigen mit ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern bis zu ihrem 40. Lebensjahr in Armenien gelebt hat, ist davon auszugehen, dass sie mit der Kultur und der Sprache des Landes bestens vertraut ist, so dass es ihr gelingen wird, auch mit finanzieller Unterstützung ihrer Kinder, sich dort wieder zu integrieren. Die Kammer kommt damit im Rahmen einer Gesamtabwägung – unter Berücksichtigung des verfassungsmäßigen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes und unter Berücksichtigung von Art. 6 GG und Art. 8 EMRK – zu dem Ergebnis, dass vorliegend das öffentliche Interesse an der Ausreise überwiegt.
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Auch das von der Beklagten in Ziffer 2 des gegenständlichen Bescheids angeordnete und auf die Dauer von 5 Jahren ab Verlassen des Bundesgebiets befristete Einreise- und Aufenthaltsverbot begegnet keinen Bedenken. Nach § 11 Abs. 1 Satz 1 AufenthG ist gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot hat nach § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG zur Folge, dass der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet und das Hoheitsgebiet der anderen Mitgliedstaaten der Europäischen Union oder der anderen Schengen-Staaten einreisen noch sich darin aufhalten darf, noch darf selbst im Falle eines Anspruchs nach dem Aufenthaltsgesetz ein Aufenthaltstitel erteilt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist gemäß § 11 Abs. 2 Satz 3 und Satz 4 AufenthG von Amts wegen zu befristen, wobei die Frist mit der Ausreise zu laufen beginnt. Über die Länge der Frist, die nach § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten darf, wird nach § 11 Abs. 3 Satz 1 AufenthG nach Ermessen entschieden. Es bedarf der prognostischen Einschätzung im Einzelfall, wie lange das Verhalten des Betroffenen das öffentliche Interesse an der Gefahrenabwehr zu tragen vermag. Die sich an der Erreichung des Ausweisungszwecks orientierende Sperrwirkung muss sich dabei an höherrangigem Recht, d.h. verfassungsrechtlichen Wertentscheidungen und den Vorgaben aus Art. 8 EMRK messen und gegebenenfalls relativieren lassen (vgl. BayVGH, U.v. 25.8.2014 – 10 B 13.715 – juris Rn. 56). Gemessen an diesen Vorgaben sind Ermessensfehler insoweit nicht ersichtlich. Die Beklagte hat das Gewicht des Ausweisungsgrundes und den mit der Ausweisung verfolgten Zweck herausgearbeitet und ist beanstandungsfrei zu dem Ergebnis gekommen, dass eine Befristung von 5 Jahren angemessen ist.
37
Die Beklagte hat überdies in Ziffer 3 des streitgegenständlichen Bescheids unter Verweis auf § 11 Abs. 1 Satz 3 AufenthG und den bestandskräftigen Bescheid des Bundesamtes vom 16. April 2024 die Verlängerung der humanitären Aufenthaltserlaubnis, insbesondere nach § 25 Abs. 3 AufenthG in nicht zu beanstandender Weise abgelehnt. Im Übrigen ergibt sich bei der Klägerin, wie oben ausgeführt, weder aus Art. 6 Abs. 1, 2 GG im Hinblick auf ihren im Bundesgebiet lebenden, volljährigen Sohn … noch aus Art. 8 Abs. 1 und 2 EMRK im Hinblick auf den langen Aufenthalt im Bundesgebiet ein rechtliches Ausreisehindernis gemäß § 25 Abs. 5 Satz 1 AufenthG. Die Beklagte hat überdies die Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis – nachdem die Klägerin fortlaufend Sozialleitungen in Anspruch genommen hat und nimmt – mangels Vorliegens der allgemeinen Erteilungsvoraussetzung des gesicherten Lebensunterhalts gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG sowie – in Anbetracht des Strafbefehls Amtsgerichts Nürnberg vom 15. September 2022 und der wiederholten Verwirklichung des Straftatbestands des § 95 Abs. 2 Nr. 2 AufenthG – aufgrund des Vorliegens von Ausweisungsinteressen gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG abgelehnt.
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Stellt sich die Ablehnung der Verlängerung der Aufenthaltserlaubnis der Klägerin als rechtmäßig dar, bestehen auch gegen die in Ziffern 4 und 5 verfügten ausländerrechtlichen Annexentscheidungen gemäß §§ 58 und 59 AufenthG keine rechtlichen Bedenken.
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Im Übrigen folgt das Gericht gemäß § 117 Abs. 5 VwGO den Gründen der angefochtenen Verfügungen und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer weiteren Darstellung der Gründe ab.
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Die Klage war somit vollumfänglich abzuweisen.
41
Die Kostenfolge beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt auf § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.