Titel:
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Fehlende Darlegung der Antragsbefugnis
Normenkette:
VwGO § 47 Abs. 2
Schlagworte:
Fehlendes Rechtsschutzbedürfnis, Fehlende Darlegung der Antragsbefugnis
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18838
Tenor
I. Der Antrag wird abgelehnt.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.
III. Die Kostenentscheidung ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
V. Der Streitwert wird auf 15.000 Euro festgesetzt.
Gründe
1
Der Antragsteller wendet sich gegen den im beschleunigten Verfahren nach § 13b BauGB am 22. Dezember 2020 beschlossenen und zunächst am 22. Januar 2021 bekannt gemachten Bebauungsplan „H. … …“. Im Rahmen eines ergänzenden Verfahrens wurde der Bebauungsplan zuletzt am 26. November 2024 erneut beschlossen und am 2. Dezember 2024 rückwirkend zum 22. Januar 2021 bekanntgemacht.
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Das Planungsgebiet umfasst eine vormals unbebaute Fläche von ca. 25.500 m² und liegt in Verlängerung der H. …straße am nördlichen Ortsrand von B. … Der Bebauungsplan weist ein reines Wohngebiet mit insgesamt 38 Parzellen für eine dreireihige Bebauung mit Einzel-, Doppel- und Reihenhäusern aus.
3
Der Antragsteller ist Eigentümer des an der H. …straße gelegenen Grundstücks FlNr. …, Gemarkung B. …, das sich in einer Entfernung von ca. 220 m südwestlich des Plangebiets befindet und mit einem Wohngebäude bebaut ist.
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Am 21. Mai 2021 stellte er beim Verwaltungsgerichtshof einen Normenkontrollantrag und beantragt,
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Der Bebauungsplan H. … … der Antragsgegnerin, bekanntgemacht durch amtliche Bekanntmachung im Tölzer Kurier am 22. Januar 2021, wird für unwirksam erklärt.
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Zur Begründung führte er aus, der Bebauungsplan sei unwirksam. Die Auslegung im Aufstellungsverfahren sei fehlerhaft erfolgt. Zudem lägen die Voraussetzungen des § 13b Satz 1 BauGB nicht vor, da sich das Planungsgebiet nicht an den im Zusammenhang bebauten Ortsteil anschließe. Der Bebauungsplan sei zudem abwägungsfehlerhaft, da im Hinblick auf die von der Antragsgegnerin im Vorfeld eingegangenen finanziellen Verpflichtungen in Gestalt des Erwerbs von bislang landwirtschaftlichen Flächen zu Baulandpreisen und die bereits erfolgten Ausgaben für die Verfüllung des Arnoldstollens eine ergebnisoffene Abwägung nicht mehr möglich gewesen sei. Ergänzend werde auf die Einwendungen im Aufstellungsverfahren verwiesen. Diese seien nur unzureichend und ausweichend abgewogen worden.
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Die Antragsgegnerin beantragt,
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Der Normenkontrollantrag wird verworfen, hilfsweise abgelehnt.
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Der Normenkontrollantrag sei mangels Antragsbefugnis bereits unzulässig, da der Antragsteller nicht vorgetragen habe, inwieweit der Bebauungsplan seine individuellen Belange betreffen könne.
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Mit Schriftsatz vom 4. August 2023 trug der Antragsteller im Hinblick auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Juli 2023 (Az. 4 CN 3.22) ergänzend vor, dass § 13b BauGB unionsrechtswidrig sei. Der Senat hat mit Beschluss vom 23. September 2023 den Antrag des Antragstellers auf Außervollzugsetzung des Bebauungsplans abgelehnt (1 NE 23.1390). Dem Antrag fehle das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Nach Durchführung des ergänzenden Verfahrens mit erneutem Satzungsbeschluss sei ein neuer Bebauungsplan entstanden, der sich aus zwei Teilnormgebungsakten zusammensetze, während der ursprünglich Plan nicht mehr existiere, sodass für die beantragte Außervollzugsetzung des ursprünglichen Bebauungsplans kein Rechtsschutzbedürfnis erkennbar sei. Der Antrag sei aber auch mangels Antragsbefugnis unzulässig, da er eine Verletzung von eigenen Rechten nicht aufzeige.
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Die Beteiligten wurden mit Schreiben vom 6. Juni 2025 zu einer Entscheidung durch Beschluss nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO angehört. Der Antragsteller erklärte sein Einverständnis mit einer Entscheidung durch Beschluss. Die Antragsgegnerin teilte mit, dass ein weiteres ergänzendes Verfahren anhängig sei.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten sowie die vorgelegten Normaufstellungsakten Bezug genommen.
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Der Normenkontrollantrag hat keinen Erfolg.
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1. Der Senat kann durch Beschluss nach § 47 Abs. 5 Satz 1 Halbs. 2 VwGO entscheiden, da er eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält.
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Gemäß § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Urteil oder, wenn es eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält, durch Beschluss. Die Entscheidungsform des Beschlusses soll es dem Normenkontrollgericht ermöglichen, in dafür geeigneten Fällen in vereinfachter und beschleunigter Weise ohne mündliche Verhandlung über die Gültigkeit der Rechtsvorschrift zu befinden. Ob eine mündliche Verhandlung entbehrlich ist, entscheidet das Normenkontrollgericht nach richterlichem Ermessen, das an keine gesetzlich normierten Voraussetzungen geknüpft ist. Maßgeblich ist u.a., ob die entscheidungserheblichen Rechtsfragen in den Schriftsätzen der Beteiligten eingehend und ausreichend erörtert worden sind (vgl. BVerwG, U.v. 31.3.2011 – 4 BN 18.10 – juris Rn. 29). Der Senat hat bereits den Normenkontrolleilantrag (1 NE 23.1390) mangels Rechtsschutzbedürfnisses sowie mangels Antragsbefugnis abgelehnt. Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 6. Juni 2025 zu einer Entscheidung durch Beschluss angehört und hatten Gelegenheit, sich schriftsätzlich zu äußern. Einwände gegen eine Entscheidung durch Beschluss wurden nicht vorgetragen. Art. 6 Abs. 1 Satz 1 EMRK steht einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht entgegen. Aus dem Zusammenwirken von § 47 Abs. 5 Satz 1 VwGO und dieser Vorschrift folgt der Grundsatz, dass über einen Normenkontrollantrag, mit dem sich der Eigentümer eines im Plangebiet gelegenen Grundstücks gegen eine Festsetzung in einem Bebauungsplan wendet, die unmittelbar sein Grundstück betrifft, aufgrund einer mündlichen Verhandlung zu entscheiden ist (vgl. BVerwG, U.v. 16.12.1999 – 4 CN 9.98 – BVerwGE 110, 203). Für den Antragsteller, der nicht Grundstückseigentümer im Plangebiet ist, sondern sich als Plannachbar auf eine mögliche Verletzung seiner Belange im Rahmen der Abwägung beruft, gilt dieser Grundsatz allerdings nicht (vgl. BVerwG, B.v. 25.3.2019 – 4 BN 14.19 – juris Rn. 7; B.v. 3.8.2017 – 4 BN 11.17 – juris Rn. 19).
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2. Der Normenkontrollantrag ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses sowie mangels Antragsbefugnis unzulässig,
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2.1 Dem Antrag fehlt das erforderliche Rechtsschutzbedürfnis. Nach Durchführung der ergänzenden Verfahren mit jeweils erneutem Satzungsbeschluss und erneuter Bekanntmachung ist zuletzt ein neuer Bebauungsplan entstanden, der sich aus mehreren Teilnormgebungsakten zusammensetzt, während der ursprüngliche Plan nicht mehr existiert (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2021 – 4 CN 8.19 – BVerwGE 173, 75). Ein Rechtsschutzbedürfnis, den ursprünglichen Bebauungsplan für unwirksam zu erklären, besteht daher nicht (vgl. BVerwG, B.v. 12.7.2017 – 4 BN 7.17 – BauR 2017, 1677).
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2.2 Selbst wenn man den Antrag wohlwollend zu Gunsten des Antragstellers dahingehend auslegt, dass er sich mit seinem Antrag gegen den Bebauungsplan in der Gestalt des zuletzt abgeschlossenen ergänzenden Verfahrens wendet, ist der Antrag mangels Darlegung einer Antragsbefugnis nach § 47 Abs. 2 VwGO unzulässig.
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Gemäß § 47 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist im Normenkontrollverfahren jede natürliche oder juristische Person antragsbefugt, die geltend macht, durch die Rechtsvorschrift oder deren Anwendung in ihren Rechten verletzt zu sein oder in absehbarer Zeit verletzt zu werden. Ist ein Bebauungsplan Gegenstand der Normenkontrolle und ist der Betroffene – wie hier – nicht Eigentümer von Grundstücken im Plangebiet, so kann die Antragsbefugnis aus dem subjektiven Recht auf gerechte Abwägung der eigenen Belange nach § 1 Abs. 7 BauGB folgen (vgl. BVerwG, U.v. 24.9.1998 – 4 CN 2.98 – BVerwGE 107, 215). Abwägungserheblich sind dabei aber nur private Belange, die in der konkreten Planungssituation einen städtebaulich relevanten Bezug haben und schutzwürdig sind. An letzterem fehlt es bei geringwertigen oder mit einem Makel behafteten Interessen sowie bei solchen, auf deren Fortbestand kein schutzwürdiges Vertrauen besteht, oder solchen, die für die Gemeinde bei der Entscheidung über den Plan nicht erkennbar waren (vgl. BVerwG, B.v. 29.6.2015 – 4 CN 5.14 – BauR 2015, 1827; U.v. 30.4.2004 – 4 CN 1.03 – BayVBl 2005, 55). An die Geltendmachung einer Rechtsverletzung sind keine anderen Anforderungen zu stellen als an die Geltendmachung einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Darlegungspflichtig ist der Antragsteller. Er muss hinreichend substantiiert Tatsachen vortragen, die es möglich erscheinen lassen, dass die angegriffene Rechtsvorschrift seine Rechte verletzt. Die bloße Bezeichnung eigener Belange und die Behauptung, es liege eine Rechtsverletzung vor, reichen nicht aus. Die Prüfung der Antragsbefugnis ist jedoch nicht unter Auswertung des gesamten Prozessstoffes vorzunehmen. Das Normenkontrollgericht ist nicht befugt, für die Entscheidung über die Antragsbefugnis den Sachverhalt von sich aus weiter aufzuklären. Es ist allerdings verpflichtet, den Tatsachenvortrag – auch unter Würdigung widerstreitenden Vorbringens des Antragsgegners – auf seine Schlüssigkeit und voraussichtliche Belastbarkeit zu prüfen (vgl. BVerwG, B.v. 12.12.2018 – 4 BN 22.18 – ZfBR 2019, 272; B.v. 12.1.2015 – 4 BN 19.14 – juris Rn. 13; BayVGH, U.v. 14.6.2024 – 1 N 22.1031 – juris Rn. 15).
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Gemessen an diesen Maßstäben ist eine Antragsbefugnis nicht dargetan. Mit der Begründung des Normenkontrollantrags wird im Wesentlichen die Verletzung von Verfahrensrecht (§ 3 Abs. 2 Satz 1 und § 13b BauGB) bzw. eine Vorabfestlegung der Antragsgegnerin für die Abwägung geltend gemacht, ohne aufzuzeigen, dass der Antragsteller in eigenen Rechten verletzt sein könnte. Soweit er auf seine im Aufstellungsverfahren vorgetragenen Einwendungen verweist, fehlt es den dortigen Ausführungen ebenfalls an einem spezifischen Bezug zu seinem Grundstück sowie der substantiierten Darlegung der Möglichkeit der Verletzung von eigenen Belangen, zumal sich die Antragsgegnerin ausführlich in der Abwägungsentscheidung mit den vorgetragenen Einwendungen auseinandergesetzt hat. Allein die Tatsache, dass sein Grundstück an der Zufahrtsstraße zum ausgewiesenen Baugebiet liegt, ist nicht ausreichend.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt § 167 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
22
Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.
23
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 52 Abs. 1 und 8 GKG i.V.m 9.7.1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.