Titel:
Kürzung des Ruhegehalts, Weisung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, Anweisung einer Psychotherapie zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit
Normenketten:
BayDG Art. 12, Art. 14
BayBG Art. 65 Abs. 2 S. 1
BeamtStG § 29 Abs. 4 i.V.m. Art. 77 Nr. 2 BayBG
Schlagworte:
Kürzung des Ruhegehalts, Weisung, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, Anweisung einer Psychotherapie zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 06.07.2023 – M 13L DK 20.5285
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18835
Tenor
I.Unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts München vom 6. Juli 2023 wird gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßnahme der Kürzung des Ruhegehalts um 1/10 auf die Dauer von fünf Jahren erkannt. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Kosten des Berufungsverfahrens tragen der Kläger und der Beklagte je zur Hälfte. Die Kosten des Verfahrens erster Instanz trägt der Beklagte.
Tatbestand
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Der Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das auf die mündliche Verhandlung vom 6. Juli 2023 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts, mit dem dieses ihn eines Dienstvergehens für schuldig befunden und ihm das Ruhegehalt aberkannt hat.
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1. Der 1962 geborene Beklagte ist verheiratet und kinderlos. Er trat am 1. September 1994 als Steueranwärter in den Dienst des Beklagten ein und wurde mit Wirkung vom 1. Dezember 1996 zum Steuersekretär im Beamtenverhältnis auf Probe ernannt. Die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit erfolgte am 1. September 1998. Zuletzt wurde er mit Wirkung vom 1. Oktober 2007 zum Amtsinspektor und am 1. August 2014 zum Steuerinspektor mit Amtszulage ernannt (Besoldungsgruppe A 9 + AZ). Ab 29. September 2015 war der Beklagte dauerhaft dienstunfähig erkrankt; zum 1. Januar 2018 wurde er gemäß Art. 65 Abs. 2 Satz 2 Bayerisches Beamtengesetz (BayBG) in der bis zum 31. Dezember 2024 geltenden Fassung (nunmehr Art. 65 Abs. 2 Satz 3 BayBG) i.V.m. Art. 66 BayBG in den Ruhestand versetzt.
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In den letzten periodischen Beurteilungen 2012 und 2015 erzielte der Beklagte ein Gesamturteil von 12 bzw. 11 Punkten.
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Der Beklagte ist disziplinarrechtlich vorbelastet durch eine Kürzung der Dienstbezüge für die Dauer von 12 Monaten in Höhe von 1/20, ausgesprochen mit Disziplinarverfügung vom 30. März 2017, bestandskräftig seit 8. Mai 2017. Dem lag zugrunde, dass er in erheblichem Umfang Vorgänge nicht bearbeitet und seine Arbeitsrückstände bewusst vor seinen Vorgesetzten verheimlicht hatte. Im Übrigen ist er straf- und disziplinarrechtlich nicht in Erscheinung getreten.
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2. Am 16. Februar 2016 wurde der Beklagte wegen der seit 29. September 2015 andauernden Erkrankung amtsärztlich untersucht. Dem Gutachten vom 18. Februar 2016 zufolge litt er damals unter einer Erkrankung, die sowohl mit einer Verminderung des Antriebs als auch der Konzentrationsfähigkeit sowie mit Freudlosigkeit einherging. Die Fähigkeit, Entscheidungen zu treffen und sich mit Arbeitskollegen oder Steuerpflichtigen auseinanderzusetzen, sei im derzeitigen Stadium der Behandlung ebenfalls deutlich vermindert. Einfache Tätigkeiten wie das Ordnen der eingehenden Post wären ihm stundenweise möglich; da diese wenigen leistungsstarken Stunden aber mit leistungsunfähigen Stunden wechselten, sei dies im normalen Arbeitsalltag kaum sinnvoll zu integrieren. Er sei in psychiatrischer Behandlung und seit etwa November 2015 nehme er entsprechende Medikamente ein. Wenngleich er weiterhin nicht dienstfähig sei, habe sich sein psychischer Zustand bereits gebessert, so dass bei weiterhin erfreulichem Verlauf innerhalb der nächsten drei Monate mit einer Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit gerechnet werden könne. Neben der medikamentösen Therapie seien auch psychotherapeutische Maßnahmen oder eine stationäre Rehabilitationsbehandlung im Umfang von mindestens drei bis vier Wochen sinnvoll und notwendig.
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Auf eine dienstliche Weisung hin, sich einer stationären Rehabilitationsmaßnahme im Umfang von mindestens drei bis vier Wochen zu unterziehen oder eine ambulante Psychotherapie zu beginnen, legte der Beklagte (verspätet) Bestätigungen der LechMangfall-Klinik vor, wonach er sich seit April 2016 dort in ambulanter psychiatrischer Behandlung befand. Darüber hinaus fand im Zeitraum 21. Juni bis 12. August 2016 eine teilstationäre Behandlung in der Klinik statt.
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3. In der verfahrensgegenständlichen Disziplinarklage vom 21. Oktober 2020, mit der der Kläger beantragt, dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen, wird ihm vorgeworfen, sich im Anschluss an die vorerwähnte teilstationäre Behandlung entgegen entsprechenden dienstlichen Weisungen keiner psychotherapeutischen Behandlung mehr unterzogen und damit schuldhaft gegen die Pflicht zur Gesunderhaltung (§ 34 Satz 1 BeamtStG) und gegen die Pflicht, sich geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zur Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu unterziehen (§ 29 Abs. 4 BeamtStG, Art. 77 Nr. 2 BayBG), verstoßen zu haben. Darüber hinaus wird ihm zur Last gelegt, entgegen Art. 65 Abs. 2 BayBG bzw. § 29 Abs. 5 BeamtStG, Art. 77 Nr. 2 BayBG Anordnungen einer amtsärztlichen Untersuchung nicht nachgekommen zu sein. Im Einzelnen handelt es sich um folgende Anschuldigungspunkte:
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Auf einen entsprechenden Untersuchungsauftrag der Dienstvorgesetzten des Beklagten an die Medizinische Untersuchungsstelle der Regierung von Oberbayern hin wurden dem Beklagten mit Schreiben vom 1. und 22. Dezember 2016 sowie 25. Januar 2017 Fragebögen zur Vorbereitung der Überprüfung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Überprüfung der Dienstfähigkeit zugesandt, die er unbeantwortet ließ. Mit Schreiben vom 3. Februar 2017 wurde er deshalb durch seine Dienstvorgesetzte auf die Verpflichtung zur Mitwirkung und mögliche disziplinarrechtliche Folgen bei weiterer Verzögerung des Vorgangs hingewiesen. Dem für den 11. Mai 2017 von der Medizinischen Untersuchungsstelle anberaumten Untersuchungstermin sei der Beklagte dennoch unentschuldigt ferngeblieben. Auch einen für den 6. Juli 2017 vorgesehenen Nachholtermin habe er unentschuldigt nicht wahrgenommen, obwohl er unter Androhung disziplinarrechtlicher Folgen mit Schreiben vom 24. Mai 2017 angewiesen worden war, sich einer Untersuchung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit im Rahmen der Überprüfung der Dienstfähigkeit zu unterziehen. Mit Schreiben vom 14. Juli 2017, zugestellt am 19. Juli 2017, wurde der Beklagte unter Hinweis auf seine beamtenrechtliche Mitwirkungspflicht und auf die möglichen Folgen gemäß Art. 65 Abs. 2 BayBG sowie unter Androhung disziplinarrechtlicher Maßnahmen dienstlich angewiesen, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen und alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Den für den 21. September 2017 anberaumten Untersuchungstermin habe der Beklagte wiederum unentschuldigt nicht wahrgenommen.
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Mit Schreiben vom 20. Oktober 2017, zugestellt am 21. Oktober 2017, wurde der Beklagte unter Hinweis auf mögliche disziplinarrechtliche Maßnahmen dienstlich angewiesen, am 27. Oktober 2017 zu einem Personalgespräch im Bayerischen Landesamt für Steuern zu erscheinen. Auch diesen Termin habe er unentschuldigt nicht wahrgenommen.
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Mit Schreiben vom 19. Dezember 2017, zugestellt am 22. Dezember 2017, wurde der Beklagte unter Hinweis auf seine Gesunderhaltungspflicht und unter Androhung disziplinarrechtlicher Maßnahmen angewiesen, die bereits mit Schreiben vom 28. April 2016 angewiesene Psychotherapie fortzuführen und hierüber vierteljährlich (erstmals zum 1.4.2018) Nachweise vorzulegen. Nachdem er dem nicht nachkam, wurde er mit Schreiben vom 20. April 2018, zugestellt am 21. April 2018, hieran erinnert und erneut eine entsprechende dienstliche Weisung ausgesprochen. Hierauf habe der Beklagte ohne rechtfertigenden Grund sowie schuldhaft zu keiner Zeit reagiert.
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Mit Schreiben vom 4. Dezember 2019, zugestellt am 5. Dezember 2019, wurde der Beklagte unter Hinweis auf seine beamtenrechtlichen Pflichten sowie mögliche disziplinarrechtliche Folgen dienstlich angewiesen, sich zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit bzw. einer möglichen Reaktivierung einer amtsärztlichen Begutachtung zu unterziehen, alle erforderlichen Unterlagen vorzulegen und im Vorfeld die Fragebögen der Medizinischen Untersuchungsstelle auszufüllen und dort einzureichen. Auch dieser Weisung sei der Beklagte jedoch grundlos nicht nachgekommen; weder habe er die Fragebögen eingereicht noch den für den 4. März 2020 anberaumten Untersuchungstermin oder den Nachholtermin am 20. Mai 2020 wahrgenommen.
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4. Mit seiner gegen das Urteil eingelegten Berufung beantragt der Beklagte,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 6. Juli 2023 aufzuheben und von einer Aberkennung oder Kürzung des Ruhegehalts abzusehen, hilfsweise, das Ruhegehalt nach dem Ermessen des Gerichts, maximal um 20%, zu kürzen.
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Das gesamte Disziplinarverfahren habe daran gelitten, dass der Beklagte aufgrund der bereits amtsärztlich festgestellten psychischen Erkrankung die Tragweite sowohl des gesamten Vorgangs als auch seines Fehlverhaltens nicht erkannt habe und auch nicht habe erkennen können. Der Beklagte sei ausweislich des Entlassungsberichts der G.-Klinik vom 15. Dezember 2023 auch aus einer stationären psychotherapeutischen Krankenhausbehandlung, der er sich im Zeitraum vom 15. November bis 20. Dezember 2023 unterzogen habe, arbeitsunfähig entlassen worden.
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die Berufung zurückzuweisen.
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Mit Beweisbeschluss vom 9. Oktober 2024 hat der Senat zur Klärung der Frage, ob sein Gesundheitszustand es dem Beklagten deutlich erschwert hat, eine psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen und sich einer angeordneten amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, sowie der Frage, ob eine psychotherapeutische Behandlung voraussichtlich geeignet gewesen wäre, die Dienstfähigkeit des Beklagten wiederherzustellen, Beweis erhoben durch Einholung eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens. Mit der Erstellung des Gutachtens wurde Herr PD Dr. P., Ärztlicher Direktor im Bezirkskrankenhaus Kaufbeuren, beauftragt. Das Gutachten vom 16. März 2025 kommt zusammenfassend zu dem Ergebnis, dass im in Rede stehenden Zeitraum beim Beklagten eine affektive Erkrankung in Gestalt einer rezidivierenden und teilweise chronifizierten depressiven Störung mit gewissen Schwankungen der Ausprägungsgrade, jedoch maximal mittelgradiger Schwere, vorlag (ICD10: F32.1/F33.1). Auch aktuell sei ein chronifiziert wirkendes, mittelgradiges depressives Syndrom zu diagnostizieren. Aus der Vorgeschichte sei abzuleiten, dass sich mindestens seit dem Jahr 2011 eine depressive Entwicklung unter vermehrter beruflicher Belastung eingestellt habe. Darüber hinaus liege nebendiagnostisch eine zwanghafte Persönlichkeitsstörung vor (ICD 10: F60.5), die durch Gefühle von Zweifel, Perfektionismus und übertriebene Gewissenhaftigkeit gekennzeichnet sei. Die Persönlichkeitsstörung sei nicht ursächlich für die vorgeworfenen Verfehlungen gewesen, zumal eine solche eher als förderlich zu werten sei, Anordnungen und Regeln nachzukommen. Die Weisungen des Klägers habe der Beklagte nicht gelesen, da er ab August 2016 insbesondere dienstliche Schreiben ungeöffnet im Schrank abgelegt habe. Die Termine beim Amtsarzt hätte der Beklagte nach gutachterlicher Einschätzung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wahrgenommen, wenn er die Schreiben geöffnet und gelesen hätte. Dass er bei Kenntnis der entsprechenden Weisung eine psychotherapeutische Behandlung nachhaltig durchgeführt hätte, erscheine hingegen zweifelhaft. Die Fähigkeit des Beklagten, seine Pflicht zum Öffnen der Schreiben und zur Befolgung der Weisungen einzusehen, sei durch die depressive Störung nicht deutlich beeinträchtigt gewesen. Auch habe die depressive Symptomatik es ihm zwar erschwert, die entsprechenden Schreiben zu öffnen und den Weisungen zu folgen; allerdings sei diese Erschwernis nicht als deutlich zu werten, sondern durch eine zumutbare und umsetzbare Willensanstrengung des Beklagten zu überwinden gewesen. Die Grundlage dieses Verhaltens scheine auch weniger in der akuten depressiven Erkrankung zu liegen, sondern eher als individuelles Verhaltens- und Reaktionsmuster in herausfordernden Situationen generell angelegt zu sein, das jedoch nicht die Ausprägung einer spezifischen Persönlichkeitsstörung erfülle und damit für sich genommen keinen Krankheitswert aufweise. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte durch die Aufnahme einer psychotherapeutischen Behandlung ab Dezember 2017 die Dienstfähigkeit wiedererlangt hätte, sei allerdings als gering zu bewerten. Angesichts der grundlegenden Risikofaktoren für die Chronifizierung der depressiven Störung, nämlich der beschriebenen vermeidenden Verhaltensmuster ohne Störungscharakter sowie der zwanghaften Persönlichkeitsstörung und der im Jahr 2017 bereits gegebenen beruflichen Umstände, wäre eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit trotz umfassender durchgeführter Behandlungsmaßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu erreichen gewesen.
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Hinsichtlich weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die vorgelegten Disziplinar- und Personalakten verwiesen.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Berufung des Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (Art. 58 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG), ist teilweise begründet und führt zur Kürzung seines Ruhegehalts im tenorierten Umfang.
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1. Hinsichtlich des erstmals in der Klageschrift formulierten Vorwurfs, der Beklagte sei der dienstlichen Weisung vom 4. Dezember 2019, sich zur Überprüfung seiner Dienstfähigkeit bzw. einer möglichen Reaktivierung einer amtsärztlichen Begutachtung zu unterziehen, grundlos und unentschuldigt nicht nachgekommen, liegt ein wesentlicher und nicht behebbarer Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens vor. Dieser Vorwurf, der weder Gegenstand der Einleitungsverfügung vom 25. Oktober 2017 noch der Ausdehnungsverfügung vom 19. Februar 2019 sein und auch in der abschließenden Anhörung vom 25. November 2019 noch keine Erwähnung finden konnte, war damit nicht Gegenstand des behördlichen Disziplinarverfahrens. Er durfte daher nicht zum Gegenstand der Disziplinarklage gemacht werden und darf damit der Urteilsfindung gem. Art. 63 Abs. 1 i.V.m. Art. 58 Abs. 2 Satz 1 BayDG nicht zugrunde gelegt werden (vgl. OVG SH, U.v. 1.3.2024 – 14 LB 1/23 – BeckRS 2024, 15446 Rn. 123; SächsOVG, U.v. 3.6.2016 – 6 A 64/15.D – juris Rn. 47).
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Die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens nach Art. 21 Abs. 1 BayDG, die aktenkundig zu machen ist, ist konstitutiv für die Einbeziehung neuer Vorwürfe in das behördliche Disziplinarverfahren und eröffnet dem Beamten die im BayDG vorgesehenen Verfahrensrechte. Anhand der Ausdehnungsverfügung bzw. des Ausdehnungsvermerks kann im Nachhinein der Zeitpunkt nachvollzogen (vgl. BVerwG, B.v. 27.10.2016 – 2 B 66.16 – juris Rn. 8; B.v. 18.11.2008 – 2 B 63.08 – NVwZ 2009, 399/400 Rn. 6 f.; SächsOVG, B.v. 14.7.2021 – 12 B 5/21.D – BeckRS 2021, 22644 Rn. 18) und die Geltung von Maßnahmeverboten bestimmt werden (Art. 16 Abs. 4 Nr. 2 BayDG).
22
Die unterbliebene förmliche Ausdehnung kann vorliegend nicht als unwesentlicher bzw. unerheblicher Verfahrensfehler eingestuft werden (vgl. auch VGH BW, U.v. 13.2.2023 – DL 16 S 821/22 – BeckRS 2023, 6767 Rn. 44). Auch in Anbetracht dessen, dass der Beklagte zu den sonstigen Vorwürfen vor Erhebung der Disziplinarklage geschwiegen und die diesbezüglichen Schreiben der Disziplinarbehörde nicht gelesen hat, ist nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließen, dass er sich bei ordnungsgemäßer Ausdehnung auf und Unterrichtung gem. Art. 22 Abs. 1 BayDG über diesen Vorwurf noch vor der Disziplinarklageerhebung anders bzw. überhaupt verteidigt und so den Umfang der Disziplinarklageerhebung beeinflusst hätte (vgl. BVerwG, U.v. 24.6.2010 – 2 C 15.09 – BVerwGE 137, 192 = NVwZ-RR 2010, 814 Rn. 19; B.v. 28.3.2013 – 2 B 113.12 – BeckRS 2013, 50102 Rn. 9; SächsOVG, U.v. 3.6.2016 – 6 A 64/15.D – juris Rn. 45; OVG SH, U.v. 1.3.2024 – 14 LB 1/23 – BeckRS 2024, 15446 Rn. 121; NdsOVG, U.v. 14.6.2023 – 3 LD 2/21 – BeckRS 2023, 16914 Rn. 59).
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Der Kläger kann den Mangel des behördlichen Verfahrens im vorliegenden Berufungsverfahren nicht mehr beseitigen, so dass eine entsprechende Fristsetzung gemäß Art. 53 Abs. 3 BayDG nicht in Betracht kam (vgl. BVerwG, B.v. 26.9.2014 – 2 B 14.14 – BeckRS 2014, 57154 Rn. 5; SächsOVG, U.v. 7.2.2025 – 12 A 52/23.D – BeckRS 2025, 3292 Rn. 23; SächsOVG, U.v. 3.6.2016 – 6 A 64/15.D – juris Rn. 46; OVG SH, U.v. 1.3.2024 – 14 LB 1/23 – BeckRS 2024, 15446 Rn. 122). Eine Ausdehnung des Disziplinarverfahrens ist gemäß Art. 21 Abs. 1 Satz 1 BayDG ausdrücklich nur bis zur, aber nicht durch die Erhebung der Disziplinarklage möglich, so dass der Vorwurf nur durch Nachtragsdisziplinarklage (Art. 51 BayDG) unter vorheriger Durchführung der erforderlichen behördlichen Verfahrensschritte in das gerichtliche Disziplinarverfahren hätte einbezogen werden können. Im Berufungsverfahren ist dies allerdings nicht mehr möglich (Art. 63 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Eine Behebung durch das gerichtliche Verfahren scheidet nach der Konzeption des Art. 53 Abs. 3 BayDG aus.
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Einer Rüge des Verfahrensmangels durch den Beklagten nach Art. 53 Abs. 1 BayDG bedurfte es nicht. Aus der Systematik der Vorschrift folgt als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, dass sich die Rügeobliegenheit nur auf behebbare Mängel bezieht (Urban/Wittkowski, BDG, 2. Auflage 2017, § 55 Rn. 10). Denn bei nicht behebbaren wesentlichen Verfahrensfehlern, die das gesamte Disziplinarverfahren betreffen, muss die Disziplinarklage von Amts wegen nach Art. 57 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, Art. 58 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 BayDG abgewiesen werden (vgl. Weiß in GKÖD Bd. II, Disziplinarrecht des Bundes und der Länder, Stand Mai 2025, § 55 BDG Rn. 20).
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2. Soweit dem Beklagten in der Disziplinarklage vorgeworfen wird, die ihm mit Schreiben der Medizinischen Untersuchungsstelle vom 1. und 22. Dezember 2016 sowie 25. Januar 2017 übersandten Fragebögen zur Vorbereitung der Überprüfung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit nicht ausgefüllt zurückgesandt zu haben, dem für den 11. Mai 2017 von der Medizinischen Untersuchungsstelle anberaumten Untersuchungstermin zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung trotz Hinweises auf seine Mitwirkungspflichten mit Schreiben vom 3. Februar 2017 ferngeblieben zu sein, den von der Medizinischen Untersuchungsstelle für den 6. Juli 2017 festgesetzten Untersuchungstermin entgegen der dienstlichen Weisung vom 24. Mai 2017 nicht wahrgenommen zu haben und entgegen der Weisung vom 20. Oktober 2017 dem für den 27. Oktober 2017 anberaumten Personalgespräch ferngeblieben zu sein, begründet dies keine Dienstpflichtverletzung und ist daher nicht disziplinarisch zu ahnden.
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2.1 Wie bereits das Verwaltungsgericht ausgeführt hat, stellt es regelmäßig kein disziplinarrechtlich zu ahndendes Dienstvergehen dar, wenn ein Beamter während einer ärztlich bescheinigten Arbeitsunfähigkeit nicht zu einem dienstlichen Gespräch erscheint. Dies gilt auch im vorliegenden Fall. Ausweislich des Schreibens vom 20. Oktober 2017 sollte das vorgesehene Gespräch der Vorbereitung des Verfahrens zur Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit dienen. Da der Beklagte aber nicht verpflichtet war, Einzelheiten seiner Erkrankung dem Dienstherrn gegenüber zu offenbaren und das Verfahren zur Ruhestandsversetzung, insbesondere die erforderliche vorherige Anhörung, auch schriftlich durchgeführt werden konnte, bestand keine Verpflichtung zur Teilnahme an diesem Gespräch.
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2.2 Den genannten Terminen zur Durchführung einer amtsärztlichen Untersuchung lag keine rechtmäßige Untersuchungsanordnung zugrunde.
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Aufgrund des Eingriffs in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG und des Rechts auf körperliche Unversehrtheit aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG (vgl. BVerfG, B.v. 21.10.2020 – 2 BvR 652/20 – juris Rn. 32; BVerwG, U.v. 30.5.2013 – 2 C 68.11 – juris Rn. 22) muss der Beamte der Weisung des Dienstherrn, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nur dann Folge leisten, wenn ein hinreichender Anlass für die Untersuchungsanordnung besteht und wenn diese in ihrem Umfang nicht über das Maß hinausgeht, welches für die Feststellung der Dienstfähigkeit des Beamten erforderlich ist. Sowohl Anlass als auch Art und Umfang der durchzuführenden Untersuchung sind – insbesondere, um dem Beamten effektiven Rechtsschutz noch vor dem Untersuchungstermin zu ermöglichen – in der Untersuchungsanordnung zu benennen (BVerfG, B.v. 21.10.2020 a.a.O. juris Rn. 35; BVerfG, B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – juris Rn. 25; BVerwG, U.v. 30.5.2013 a.a.O. juris Rn. 23).
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Den an den Beklagten gerichteten Aufforderungen, sich zur Klärung seiner Dienstfähigkeit einer amtsärztlichen Begutachtung zu unterziehen und zur Vorbereitung Fragebögen zu seiner gesundheitlichen Verfassung auszufüllen, liegt ein Untersuchungsauftrag vom 29. November 2016 zugrunde, aus dem, wenngleich er keinen ausdrücklichen Hinweis auf die Art der Untersuchung enthält, insbesondere hinreichend ersichtlich ist, dass eine Untersuchung auf psychiatrischem Fachgebiet durchgeführt werden sollte (s. Gliederungspunkt 8., in dem auf die bereits festgestellte psychische Erkrankung verwiesen wird). Dieser Untersuchungsauftrag wurde dem Beklagten nach Aktenlage allerdings nie übermittelt.
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Den Schreiben der Medizinischen Untersuchungsstelle vom 1. Dezember und 22. Dezember 2016 sowie 25. Januar 2017, mit denen dem Beklagten Fragebögen zur Vorbereitung der Überprüfung seiner gesundheitlichen Leistungsfähigkeit übersandt wurden, war weder ein Untersuchungsauftrag noch eine an den Beklagten gerichtete Weisung beigefügt. Dem Schreiben des Finanzamts vom 3. Februar 2017 war ebenfalls weder ein Untersuchungsauftrag beigefügt noch wurde auf einen solchen verwiesen; Art und Umfang der Untersuchung gingen hieraus nicht hervor.
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Der Weisung vom 24. Mai 2017 war eine Ergänzung des Untersuchungsauftrags vom 25. November 2016 beigegeben; jedoch enthielt dieses Schreiben gleichen Datums lediglich eine aktualisierte Übersicht der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Beklagten seit dem letzten Untersuchungsauftrag vom 25. November 2016 verbunden mit der Bitte, ihn zeitnah zur Untersuchung einzubestellen. Art und Umfang der angestrebten Begutachtung waren für den Beklagten daher aus diesem Schreiben ebenfalls nicht ersichtlich.
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Grundsätzlich sind Beamte aufgrund ihrer Weisungsgebundenheit (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) zwar verpflichtet, einer dienstlichen Anordnung nachzukommen. Da eine Untersuchungsanordnung, mit welcher der Beamte aufgefordert wird, sich einer körperlichen Untersuchung nebst Befragung zur gesundheitlichen, persönlichen und sozialen Situation im dienstlichen und im privaten Umfeld zu unterziehen, in den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG eingreift (vgl. BVerfG, B.v. 21.10.2020 – 2 BvR 652/20 – juris Rn. 32), begeht der Beamte aber nur dann ein Dienstvergehen, wenn er einer rechtmäßigen Weisung, sich amtsärztlich untersuchen zu lassen, nicht nachkommt (BVerfG, B.v. 14.1.2022 – 2 BvR 1528/21 – juris Rn. 30; nach a.A. lässt die Rechtswidrigkeit der Anordnung die Folgepflicht nicht grundsätzlich entfallen, so dass sie die disziplinarrechtliche Ahndung nicht von vornherein ausschließt, aber im Rahmen der Bemessungsentscheidung nach § 13 BDG zu berücksichtigen ist und regelmäßig die Sanktionslosigkeit der Nichtbefolgung zur Folge hat, vgl. BVerwG, B.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 26 und 29 unter Verweis auf BVerfG, B.v. 7.11.1994 – 2 BvR 1117/94 u.a. – NVwZ 1995, 680; OVG Bremen, U.v. 9.8.1988 – 2 BA 4/88 – NVwZ-RR 1989, 564).
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3. Zur Überzeugung des Senats steht jedoch fest, dass der Beklagte ohne rechtfertigenden Grund und schuldhaft gegen die Weisung vom 14. Juli 2017, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, verstoßen hat. Darüber hinaus ist er den dienstlichen Weisungen vom 19. Dezember 2017 und 20. April 2018, die bereits mit Schreiben vom 28. April 2016 angewiesene Psychotherapie fortzuführen und hierüber vierteljährlich (erstmals zum 1.4.2018) Nachweise vorzulegen, rechtswidrig und schuldhaft nicht nachgekommen.
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3.1 In der Weisung vom 14. Juli 2017 wurde hinsichtlich der Darstellung des Sachverhalts und der gestellten Fragen, die Art und Umfang der amtsärztlichen Untersuchung vorgaben, auf „die Anlage“ verwiesen. Beigefügt war ein an die Medizinische Untersuchungsstelle gerichteter Untersuchungsauftrag gleichen Datums, in dem als Anlass der Untersuchung die seit 29. September 2015 andauernde Dienstunfähigkeit des Beklagten benannt und im Übrigen auf die Ausführungen und Fragen der Leiterin des Finanzamts vom 25. November 2016 und 24. Mai 2017 verwiesen wurde. Mithin war zwar auch dieser Anordnung der ursprüngliche und weiterhin aktuelle Untersuchungsauftrag vom 25. November 2016, der die zu beantwortenden Fragen festlegte, nicht beigegeben. Da in dem als Anlage beigefügten Schreiben an die Medizinische Untersuchungsstelle vom 14. Juli 2017 hinsichtlich der zu beantwortenden Fragen auf den Untersuchungsauftrag vom 25. November 2016 verwiesen wird, wäre es dem Beklagten aber möglich gewesen, sich eigeninitiativ um die Übermittlung des Untersuchungsauftrags zu bemühen, um die zu beantwortenden Fragen und den mitgeteilten Sachverhalt in Erfahrung zu bringen. Hinzu kommt, dass für den Beklagten bereits aufgrund der Feststellungen im amtsärztlichen Gutachten vom 18. Februar 2016 ersichtlich war, dass eine Untersuchung auf psychiatrischem Fachgebiet durchgeführt werden sollte. In einer Gesamtschau waren sowohl Anlass als auch Art und Umfang der durchzuführenden Untersuchung für den Beklagten hinreichend erkennbar.
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Der Verstoß gegen die Weisung ist dem Beklagten subjektiv vorwerfbar. Zwar hat er die Anordnung, sich einer amtsärztlichen Begutachtung zu unterziehen, nicht zur Kenntnis genommen, weil er ab August 2016 insbesondere sämtliche Schreiben seines Dienstherrn ungeöffnet im Schrank ablegte. Nach den überzeugenden und widerspruchsfreien Feststellungen des vom Senat hinzugezogenen Sachverständigen hätte sich der Beklagte allerdings mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der angeordneten amtsärztlichen Untersuchung unterzogen, sofern er das entsprechende Schreiben gelesen hätte. Der Senat schließt sich auch der Bewertung des Gutachters an, dass sein Gesundheitszustand es dem Beklagten erschwert hat, die Schreiben zu öffnen, die Erschwernis allerdings als nicht deutlich zu bewerten ist, sondern durch eine zumutbare und umsetzbare Willensanstrengung des Beklagten zu überwinden gewesen wäre. Denn zum einen war der Ausprägungsgrad der depressiven Symptomatik im streitgegenständlichen Zeitraum nicht als schwer, sondern als mittelgradig zu beurteilen. Der Beklagte litt zwar unter einem durch die depressive Erkrankung deutlich verminderten Antrieb, so dass er nach eigenen Angaben die mit seinen Behandlern in der Tagesklinik vereinbarte Tagesstruktur nur ca. sechs Wochen aufrechterhalten konnte, ihm die eigenständige Ausführung von Aktivitäten bisweilen schwerfiel und beispielsweise keine Urlaubsreisen mehr unternahm. In den Jahren 2016, 2017 und 2018 und damit auch in dem Zeitraum, in dem die in Rede stehende Weisung erfolgte, nahm er jedoch regelmäßig und stets pünktlich Termine bei seinem Hausarzt wahr, mit dem er bis zu dreißigminütige Gespräche führte. Zum Tagesablauf seit Entlassung aus der Tagesklinik im Jahr 2016 beschrieb der Beklagte, er sei in der Regel mit der Ehefrau um 6:00 Uhr aufgestanden, wenn sie Spätschicht gehabt habe, habe er auch Frühstück gemacht, dann habe er Zeitung gelesen, sich bisweilen wieder hingelegt und manchmal ein wenig im Haushalt gemacht, nachmittags sei er mit dem Hund spazieren gegangen und ca. alle zwei Tage habe er 30 – 40 Minuten online Mahjong gespielt. Er fahre Auto, allerdings nicht zu lange Strecken. In der testpsychologischen Basisuntersuchung zeigten sich zwar deutliche Einschränkungen in der Verarbeitungsgeschwindigkeit und der Aufmerksamkeit, im Übrigen, beispielsweise im figuralen Langzeitgedächtnis, den kognitiven Fähigkeiten und den Exekutivfunktionen kognitive Flexibilität, Planungsfähigkeit und verbales Arbeitsgedächtnis, aber weitgehend unauffällige Ergebnisse. Dies macht deutlich, dass weder eine erhebliche depressionsbedingte Denkeinengung noch eine derart ausgeprägte Antriebsstörung vorlagen, dass der Beklagte nicht in der Lage gewesen wäre, seine Obliegenheit zum Öffnen der Schreiben des Dienstherrn einzusehen und zu befolgen. Die nach Einschätzung des Gutachters bestehende, auf die berufliche Situation bezogene Denkeinengung hat nach dem vorstehend Ausgeführten nicht zu einer massiven Beeinträchtigung der Lebensführung geführt, da der Beklagte im in Rede stehenden Zeitraum zwar in eingeschränktem Umfang, aber doch Alltagsaktivität entfalten konnte. Zum anderen hat der Sachverständige festgestellt, dass das Verhalten des Beklagten, die Schreiben ungeöffnet im Schrank abzulegen, zu einem erheblichen Teil auch als individuelles Verhaltens- und Reaktionsmuster in herausfordernden Situationen angelegt zu sein scheint, welches jedoch nicht die Ausprägung einer spezifischen Persönlichkeitsstörung erreicht und damit für sich genommen keinen Krankheitswert aufweist. So ergeben sich schon aus den Jahren vor 2012 Hinweise darauf, dass der Beklagte auf Überlastung nicht mit Offenheit anderen Personen gegenüber, einem Hilfeersuchen oder Beschwerden reagiert, sondern Akten im Arbeitsumfeld einfach unbearbeitet durchgewunken oder im Schrank abgelegt hat. Diese in der Struktur der Primärpersönlichkeit grundangelegten Verhaltensmuster wurden nach der nachvollziehbaren Einschätzung des Gutachters durch die depressive Erkrankung zwar nochmals verstärkt, beispielsweise durch die in der Depression aggravierten Selbstzweifel und Schamgefühle. Aus gutachterlicher Sicht war aber auch in einer Gesamtbewertung festzustellen, dass diese Erschwernis insbesondere im Hinblick auf das Öffnen der Schreiben vorhanden, aber nicht deutlich war, weder im Sinne einer strafrechtlichen Bewertung der Schuldfähigkeit noch in dem Sinne, dass das Verhaltensmuster nicht durch eine zumutbare Willensanstrengung zu überwinden gewesen wäre.
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Damit hat der Beklagte gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1, § 35 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, Art. 65 Abs. 2 Satz 1 BayBG ein innerdienstliches Dienstvergehen begangen.
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3.2 Die Weisungen vom 19. Dezember 2017 und 20. April 2018, dass der Beklagte sich erneut in psychotherapeutische Behandlung zu begeben habe, sind rechtmäßig ergangen, so dass der Beklagte durch den vorwerfbaren Verstoß hiergegen ein weiteres Dienstvergehen begangen hat.
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Beamte, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt worden sind, sind nach § 29 Abs. 4 BeamtStG grundsätzlich verpflichtet, sich auf Weisung des Dienstherrn geeigneten und zumutbaren Maßnahmen zur Wiederherstellung ihrer Dienstfähigkeit zu unterziehen. Nach Art. 77 Nr. 2 BayBG gilt es als Dienstvergehen, wenn ein Ruhestandsbeamter einer solchen Weisung schuldhaft nicht nachkommt.
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Die Weisungen waren in formeller Hinsicht aus sich heraus verständlich und der Beklagte konnte ihnen Anlass und Zweck entnehmen. Zugleich wurde er auf seine Gesunderhaltungspflicht und mögliche disziplinarrechtliche Folgen hingewiesen.
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In materieller Hinsicht waren die Weisungen ebenfalls nicht zu beanstanden. Für den Kläger stand nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 18. Februar 2016 fest, dass der Beklagte an einer psychischen Erkrankung mit depressiver Symptomatik litt. Aufgrund dieser Erkrankung war der Beklagte weiterhin dienstunfähig. Die Eignung der angeordneten psychotherapeutischen Maßnahme zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit war im Zeitpunkt der Weisungen nicht ausgeschlossen. Geeignet ist eine Rehabilitationsmaßnahme bereits dann, wenn die Möglichkeit eines Erfolgs der angeordneten Maßnahme besteht (OVG LSA, U.v. 4.6.2024 – 10 L 13/23 – BeckRS 2024, 15764 Rn. 60; SächsOVG, U.v. 26.11.2021 – 12 A 96/21.D – juris Rn. 68; BayVGH, B.v. 14.6.2011 – 3 ZB 10.2232 – juris Rn. 4 m.w.N.). Die Feststellung des gerichtlich bestellten Sachverständigen, die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte durch eine psychotherapeutische Behandlung ab Dezember 2017 die Dienstfähigkeit wiedererlangt hätte, sei als gering zu bewerten, schließt daher die Eignung der angeordneten Maßnahme zumindest im Zeitraum Anfang bis Mitte 2018 noch nicht aus. Nach dem amtsärztlichen Gutachten vom 18. Februar 2016 erschien die Wiederherstellung der Dienstfähigkeit bei Aufnahme einer Psychotherapie möglich („Bei weiterhin erfreulichem Verlauf kann innerhalb der nächsten drei Monate mit einer Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit gerechnet werden (…) Eine Psychotherapie und eine stationäre Rehabilitationsbehandlung werden als erfolgsversprechend angesehen und sowohl vom Gutachter als auch vom behandelnden Psychiater befürwortet“). Zwar wurde der Beklagte aus der Behandlung in der Tagesklinik in dienstunfähigem Zustand entlassen; die Symptomatik wurde damals aber als deutlich gebessert, fast remittiert eingeschätzt und auch nach den Empfehlungen der Behandler in der Tagesklinik erschien die Aufnahme einer Psychotherapie sinnvoll. Gegenteilige fachärztliche Einschätzungen hatte der Beklagte nicht vorgelegt; ebenso wenig ist er gegen die Weisungen vorgegangen. In dem hier primär maßgeblichen Zeitraum des Ergehens der beiden Weisungen Ende 2017 bis Mitte 2018 war mithin eine negative Eignungsprognose noch nicht angezeigt.
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Die angewiesene Behandlung war dem Beklagten auch zumutbar. Über die gesondert zu prüfende Zumutbarkeit einer Rehabilitationsmaßnahme ist anhand einer Abwägung nach den Umständen des Einzelfalls zu entscheiden, wobei der voraussichtliche Nutzen der Maßnahme ihren eventuellen Risiken für den Ruhestandsbeamten gegenüber zu stellen ist (vgl. SächsOVG, U.v. 26.11.2021 -12 A 96/21.D – juris Rn. 68). Medizinische Risiken einer Psychotherapie sind weder geltend gemacht noch ersichtlich, ebenso wenig eine Form der Behandlung, die zur Überwindung der gesundheitlichen Ursache der Dienstunfähigkeit ebenso geeignet gewesen wäre, den Beamten aber weniger belastet hätte (vgl. BVerwG, B.v. 4.1.2023 – 2 B 22.22 – juris Rn. 16).
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Die Nichtbefolgung der Weisungen ist dem Beklagten individuell vorwerfbar, da der Ausprägungsgrad der depressiven Störung nach den überzeugenden Feststellungen des Sachverständigen im in Rede stehenden Zeitraum als mittelgradig, nicht als schwer zu bezeichnen war und der Gesundheitszustand, insbesondere die depressive Erkrankung, es dem Beklagten lediglich erschwert hat, die betreffende Post zu öffnen und eine psychotherapeutische Behandlung aufzunehmen, die Erschwernis aber aus gutachterlicher Sicht nicht als deutlich zu werten ist. Diesbezüglich wird auf obige Ausführungen unter Rn. 35 Bezug genommen. Der Beklagte hat auch im Zeitraum ab Anfang 2018 eingeschränkt Alltagsaktivitäten ausgeführt; insbesondere hat er über die bereits genannten Tätigkeiten hinaus seinen Angaben gegenüber dem Gutachter zufolge ab Dezember 2017 wieder wöchentlich die Musikprobe der örtlichen Musikkapelle besucht sowie mit dieser jährlich fünf bis sechs Auftritte absolviert.
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4. Die vor und nach der Versetzung in den Ruhestand begangenen Pflichtenverstöße führen nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens zu einer Ahndung durch eine einheitliche Disziplinarmaßnahme (BVerwG, B.v. 6.6.2013 – 2 B 50.12 – juris Rn. 14). Im Rahmen der dem Gericht obliegenden Maßnahmebemessung ist die Kürzung des Ruhegehalts nach Art. 12 BayDG um 1/10 für die Dauer von fünf Jahren geboten.
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4.1 Welche Disziplinarmaßnahme angemessen und erforderlich ist, richtet sich nach Art. 14 BayDG. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Bewertung ist die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrecht zu erhalten. Aus Art. 14 Abs. Abs. 1 BayDG folgt die Verpflichtung des Gerichts, über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Würdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall be- und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Beamte, die durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren haben, sind gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen; Ruhestandsbeamten wird das Ruhegehalt aberkannt, wenn sie, wären sie noch im Dienst, aus dem Beamtenverhältnis hätten entfernt werden müssen (Art. 14 Abs. 2 Satz 2 BayDG). Die Schwere des Dienstvergehens beurteilt sich zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Pflichten, der Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße sowie den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale), zum anderen nach Form und Gewicht des Verschuldens und den Beweggründen des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) sowie nach den unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich und für Dritte. Das Bemessungskriterium „Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit“ erfordert eine Würdigung des Fehlverhaltens des Beamten im Hinblick auf seinen allgemeinen Status, seinen Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung und seine konkret ausgeübte Funktion. Die Berücksichtigung des Persönlichkeitsbilds ist Ausdruck des Schuldprinzips und für die Bewertung bedeutsam, ob der Beamte trotz des Dienstvergehens weiterhin im Beamtenverhältnis tragbar ist.
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4.2 Den Ausgangspunkt der Erwägungen zur Bestimmung der angemessenen Disziplinarmaßnahme bildet vorliegend die Weigerung des Beklagten, sich einer weiteren psychotherapeutischen Behandlung zu unterziehen, als schwerste Verfehlung (vgl. BVerwG, B.v. 26.10.2021 – 2 B 12.21 – juris Rn. 12). Ein Regelmaß zur Bemessung der Disziplinarmaßnahme gibt es hinsichtlich dieser Dienstpflichtverletzung nicht, sondern es sind stets die Umstände des Einzelfalls maßgeblich.
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Das dem Beklagten vorgehaltene Dienstvergehen wiegt schwer. Die Treuepflicht und die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz sowie zur Befolgung von Weisungen gebieten es dem Beamten, dem Dienstherrn seine ganze Arbeitskraft zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, demgemäß diese Arbeitskraft auch voll zu erhalten bzw. alles zur unverzüglichen Wiederherstellung zu tun. Die Erhaltung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit als Voraussetzung für die Erfüllung der ihm nach dem Beamtenverhältnis obliegenden Pflichten ist auf dessen Substanz von erheblichem Einfluss: Ohne körperlich und geistig jederzeit voll einsetzbare Mitarbeiter ist die Verwaltung außerstande, die ihr im Interesse der Allgemeinheit auferlegten Verpflichtungen zu erfüllen. Die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes ist durch körperlich bzw. geistig oder seelisch nicht oder nur beschränkt einsetzbare Beamte gefährdet. Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten oder im gegebenen Fall durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stellt daher eine Pflichtverletzung mit erheblichem disziplinaren Gewicht dar.
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Dieses Gewicht wird hier allerdings durch die aller Voraussicht nach fehlenden Auswirkungen auf den dienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit erheblich gemindert. Der vom Senat hinzugezogene Sachverständige ist zu der Einschätzung gelangt, dass die Wahrscheinlichkeit, dass der Beklagte durch eine psychotherapeutische Behandlung im Zeitraum ab Dezember 2017 die Dienstfähigkeit wiedererlangt hätte, als gering zu bewerten sei. Dies wird schlüssig und überzeugend damit begründet, dass der Beklagte bereits 2016 eine sechswöchige psychotherapeutische Behandlung in einer Tagesklinik durchgeführt hatte, die nicht zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit geführt hat. Nach den Feststellungen des Gutachters ist hierbei zwar mit zu berücksichtigen, dass der Beklagte entgegen den Empfehlungen der Behandler in der Tagesklinik keine Psychotherapie aufnahm. Allerdings ist aus gutachterlicher Sicht auch davon auszugehen, dass sich das Krankheitsbild der depressiven Störung spätestens Anfang 2017 soweit chronifiziert hatte, dass die Behandlungsmöglichkeiten und -aussichten doch erheblich eingeschränkt waren. Angesichts der grundlegenden Risikofaktoren für die Chronifizierung der Störung, nämlich der beschriebenen vermeidenden Verhaltensmuster ohne Störungscharakter sowie der zwanghaften Persönlichkeitsstörung und der im Jahr 2017 bereits gegebenen beruflichen Umstände, wäre aus gutachterlicher Sicht eine Wiederherstellung der Dienstfähigkeit trotz umfassender durchgeführter Behandlungsmaßnahmen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht mehr zu erreichen gewesen. Auch nach gegenwärtiger Gutachtenssituation scheint eine Reaktivierung des Beklagten ausgeschlossen. Bei einer derartigen Sachlage kommt, sofern nicht erheblich erschwerende Umstände hinzutreten, die Verhängung der Höchstmaßnahme nicht in Betracht, da das Pflichtenmahnungsbedürfnis für die Verhängung einer Disziplinarmaßnahme deutlich reduziert ist und die Disziplinarmaßnahme im Wesentlichen nur generalpräventive Zwecke erfüllt (VG München, U.v. 30.9.2014 – M 13 DK 14.1356 – juris Rn. 73; vgl. auch BVerwG, U.v. 7.9.1993 – 1 D 12.93 – juris Rn. 7; B.v. 7.7.1995 – 1 DB 14.95 – juris Rn. 22). Nicht außer Acht bleiben darf des Weiteren, dass sich der Beklagte vor den in Rede stehenden Weisungsverstößen bereits erfolglos einer psychotherapeutischen Behandlung unterzogen hatte und damit zumindest der ersten entsprechenden dienstlichen Weisung nachkam.
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Den Ausgangspunkt der Erwägungen bildet daher die Kürzung des Ruhegehalts im mittleren Bereich, da die begangene Pflichtverletzung dennoch schwer wiegt und im Falle von Ruhestandsbeamten auch generalpräventive Erwägungen sowie die Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes wesentliche Bemessungskriterien sind. Wie bereits ausgeführt ist die Erhaltung bzw. Wiederherstellung der Arbeitskraft für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung allgemein von wesentlicher Bedeutung. Wenngleich im konkreten Fall ein Schaden für die Funktionsfähigkeit der Verwaltung nicht eingetreten ist, darf ein (Ruhestands) Beamter nicht vorschnell und insbesondere nicht ohne die Einholung fachärztlichen Rates von der Erfolglosigkeit einer angeordneten Rehabilitationsmaßnahme ausgehen, sondern hat Anordnungen zur Durchführung zumutbarer Therapien grundsätzlich nachzukommen. Tut er dies nicht, gefährdet dies nicht nur die Funktionsfähigkeit der Verwaltung, sondern schadet auch dem Ansehen sowie der Integrität des Beamtentums.
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4.3 Mildernd ist im Rahmen der Maßnahmebemessung zu berücksichtigen, dass die andauernde depressive Erkrankung des Beklagten letztlich durch eine berufliche Belastungs- und Überforderungssituation ausgelöst wurde. Des Weiteren sind trotz der festgestellten Arbeitsrückstände, die durch die bereits seit 2010 bestehende Überforderungssituation entstanden waren, die langjährigen dienstlichen Leistungen des Beklagten – beginnend mit seiner Ernennung zum Steuersekretär z. A. zum 1. Dezember 1996 – positiv hervorzuheben. Ausweislich der dienstlichen Beurteilungen hat der Beklagte während seiner Dienstzeit teils erheblich über dem Durchschnitt liegende Leistungen erbracht, wobei durchgängig die Qualität seiner Arbeit und seine gründliche Arbeitsweise hervorgehoben und sehr gut bewertet wurden, wenngleich dies teilweise etwas zu Lasten des Arbeitstempos bzw. der erledigten Fallzahlen ging. Seit der Beurteilung 2002 erzielte er stets ein Gesamturteil von elf oder zwölf Punkten, was erheblich über den Anforderungen liegende Leistungen bedeutet (Nr. 3.2.2 Satz 1 und 2 Abschnitt 3 VV-BeamtR – allgemeine Beurteilungsrichtlinien). Zwar ist eine langjährige Beachtung der Dienstpflichten für sich genommen in der Regel nicht geeignet, schwerwiegende Pflichtverstöße in einem „milderen Licht“ erscheinen zu lassen (BVerwG, B.v. 23.1.2013 – 2 B 63.12 – juris Rn. 13). Gleichwohl kommt den langjährigen dienstlichen Leistungen des Beklagten als Teilaspekt des maßgeblichen Gesamtbildes durchaus Gewicht zu.
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4.4 Erschwerend wirkt sich die Weigerung des Beklagten, sich einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen, als weitere festgestellte Dienstpflichtverletzung aus. Allerdings ist auch insoweit zu berücksichtigen, dass die Weigerung letztlich ohne dienstliche Auswirkungen blieb, da – wie bereits festgestellt – als Ergebnis dieser Untersuchung aller Voraussicht nach ohnehin die fortwährende Dienstunfähigkeit festgestellt worden wäre (vgl. auch BVerwG, U.v. 14.3.2019 – 2 VR 5.18 – juris Rn. 28). Auf der anderen Seite fällt ins Gewicht, dass die Nichtteilnahme an der amtsärztlichen Untersuchung wohl einzig in der beharrlichen Weigerung des Beklagten begründet ist, dienstliche Schreiben überhaupt zur Kenntnis zu nehmen – der Sachverständige hat insoweit überzeugend festgestellt, dass sich der Beklagte der angeordneten amtsärztlichen Untersuchung unterzogen hätte, wenn er das entsprechende Schreiben zur Kenntnis genommen hätte. Es wäre dem Beklagten auch unter Berücksichtigung seiner Erkrankung möglich und zumutbar gewesen, die dienstliche Post zu öffnen (s.o.). Die Erreichbarkeit des Beamten für den Dienstherrn und die Kenntnisnahme dienstlicher Schreiben ist Bestandteil der Treuepflicht des Beamten und im Beamtenverhältnis unabdingbar.
51
Als weiterer erschwerender Gesichtspunkt ist die disziplinarische Vorbelastung mit der Disziplinarmaßnahme der Kürzung der Dienstbezüge vom 30. März 2017, deren Vollzug zum Zeitpunkt der Begehung des neuerlichen Dienstvergehens noch nicht beendet war, herauszustellen.
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4.5 Unter Würdigung des Dienstvergehens sowie in einer Gesamtschau der be- und entlastenden Gesichtspunkte hält der Senat als Disziplinarmaßnahme die Kürzung des Ruhegehalts (Art. 6 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. Art. 12 BayDG) im höchstmöglichen zeitlichen Umfang für geboten.
53
Während die Dauer der Gehaltskürzung durch die Schwere des Dienstvergehens bestimmt wird, sind für die Festlegung des Kürzungsbruchteils die wirtschaftlichen Verhältnisse des Beamten maßgebend (stRspr BVerwG, U.v. 21.3.2001 – 1 D 29.00 – juris Rn. 18; U.v. 7.12.1983 – 1 D 51.83 – juris Rn. 12). In Anwendung dieser höchstrichterlichen Rechtsprechung (BVerwG, U.v. 21.3.2001 a.a.O. juris Rn. 20) ist der Kürzungsumfang auf ein Zehntel des Ruhegehalts festzusetzen. Nach der Rechtsprechung des Senats (BayVGH, U.v. 14.10.2015 – 16a D 14.351 – BeckRS 2015, 56200 – Rn. 82) gelten diese Grundsätze auch bei Ruhestandsbeamten. Besondere finanzielle Belastungen sind weder geltend gemacht noch ersichtlich.
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5. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus Art. 72 Abs. 1, Abs. 4 Satz 1 BayDG i.V.m. § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO.
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Das Urteil wird mit seiner Zustellung rechtskräftig (Art. 64 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BayDG, § 125 Abs. 1, § 116 Abs. 3 VwGO).