Inhalt

VGH München, Beschluss v. 14.07.2025 – 15 CS 25.1102
Titel:

Baugenehmigungspflicht bei nachträglicher Errichtung eines Lagerplatzes für vorhandenen Betrieb

Normenkette:
BayBO Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 lit. b, Art. 76 S. 2
Leitsatz:
Ist ein nachträglich errichteter Lager- und Abstellplatz nach dem Betriebskonzept und der Nutzung des Bauherrn einem vorhandenen Betrieb räumlich und funktional zugeordnet, handelt es sich nicht um einen nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. b BayBO verfahrensfreien, selbständigen Lager- und Abstellplatz, sondern um eine Erweiterung des vorhandenen Betriebes und einen unselbständigen Lager- und Abstellplatz. (Rn. 16 – 17)
Schlagworte:
Abänderungsantrag, Nutzungsuntersagung, Bauaufsicht, Baugenehmigungspflicht, verfahrensfreie Bauvorhaben, Lager- und Abstellplatz, nachträgliche Errichtung, Selbstständigkeit, funktionale und räumliche Betriebszugehörigkeit
Vorinstanz:
VG Regensburg, Beschluss vom 20.05.2025 – RO 7 S 25.722
Fundstelle:
BeckRS 2025, 18802

Tenor

I. Die Beschwerde wird zurückgewiesen.
II. Der Antragsteller trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
III. Der Streitwert wird für das Beschwerdeverfahren auf 2.500 Euro festgesetzt.

Gründe

I.
1
Der Antragsteller begehrt die Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 20. August 2024 und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die sofort vollziehbare Nutzungsuntersagung des Landratsamts vom 30. April 2024.
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Im Zuge von Nachbarbeschwerden stellte das Landratsamt bei mehreren Baukontrollen fest, dass auf dem nördlich des bestehenden Kfz-Betriebs des Antragstellers gelegenen Grundstück eine große Anzahl Fahrzeuge abgestellt ist und sich über die gesamte Grundstücksaußenfläche verteilt diverse Lagerungen verschiedenster Gegenstände und Materialien fanden. Mit sofort vollziehbarem, zwangsgeldbewehrtem Bescheid vom 30. April 2024 untersagte das Landratsamt dem Antragsteller die Nutzung dieses Grundstücks als Lager- und Abstellplatz. Hiergegen erhob der Antragsteller Klage (Az. RO 7 K 24.1250), über die noch nicht entschieden ist. Einen Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz (Az. RO 7 S 24.1513) vom 27. Juni 2024 lehnte das Verwaltungsgericht mit Beschluss vom 20. August 2024 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Nutzung des Grundstücks als Lager- und Abstellplatz formell baurechtswidrig ist. Die Nutzung sei auch nicht offensichtlich genehmigungsfähig, da sich das Vorhaben nicht evident nach der Art der baulichen Nutzung in die Eigenart der näheren Umgebung einfüge und nicht beurteilt werden könne, ob die derzeitige Nutzung den immissionsschutzrechtlichen Anforderungen genüge.
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Nach Änderung der Bayerischen Bauordnung zum 1. Januar 2025, wonach sonstige Lager- und Abstellplätze und deren Zufahrten, außer im Außenbereich, nunmehr unabhängig von deren Größe verfahrensfrei sind, beantragte der Antragsteller die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 20. August 2024 und die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Nutzungsuntersagung vom 30. April 2024. Das Verwaltungsgericht lehnte den Antrag mit Beschluss vom 20. Mai 2025 ab. Zur Begründung wurde ausgeführt, dass die Vorschrift zur Verfahrensfreiheit nicht anwendbar ist, weil es sich bei dem Lager- und Abstellplatz um einen unselbständigen Teil eines genehmigungspflichtigen Gesamtvorhabens handelt. Der Lager- und Abstellplatz sei als Teil des südlich angrenzenden Kfz-Betriebs des Antragstellers zu qualifizieren. Ermessensfehler seien weiterhin nicht ersichtlich. Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Antragstellers.
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Er ist der Ansicht, die Anordnung der sofortigen Vollziehung genüge bereits nicht dem Begründungserfordernis, weil sie größtenteils formelhaft sei und sich nicht auf den Einzelfall der abwägungsrelevanten Umstände beziehe. Das vom Antragsteller vorgelegte Lärmgutachten sei nicht anerkannt worden und es seien keine Umstände für eine den Ausnahmecharakter wahrende Begründung ersichtlich. Der Lager- und Abstellplatz sei nach der Gesetzesänderung verfahrensfrei, so dass keine formelle Illegalität mehr gegeben sei. Die tatsächliche Nutzung bestehe in einem tagsüber genutzten Kunden- und Mitarbeiterparkplatz, dem Abstellen von Unfallfahrzeugen, einem Traktor und einem LKW, die alle zwei Wochen zu betrieblichen Zwecken benötigt würden, und der Lagerung von Altreifen und Brennholz. Der Lager- und Abstellplatz sei ein selbständiges Einzelvorhaben, das in keinem engen baulichen und zeitlichen Zusammenhang mit dem baulich abgeschlossenen Kfz-Betrieb stehe. Vielmehr könne auch im Zusammenhang mit bestehenden baulichen Anlagen von einem selbständigen Einzelbauvorhaben ausgegangen werden. Der Lagerplatz befinde sich auf einer anderen Flurnummer und sei erst nachträglich durch den Abriss eines Wohngebäudes entstanden. Auch nach der Konzeption des ursprünglichen Bauherrn des Kfz-Betriebes bestehe kein Zusammenhang mit diesem. Da ein faktisches Gewerbegebiet vorliege, sei die Nutzung auch offensichtlich genehmigungsfähig und im Übrigen von der bestehenden Baugenehmigung gedeckt.
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Der Antragsteller hat beantragt,
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den Beschluss des Verwaltungsgerichts vom 20. Mai 2025 aufzuheben und die aufschiebende Wirkung seiner Anfechtungsklage gegen den Bescheid des Landratsamts vom 30. April 2024 wiederherzustellen.
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Der Antragsgegner hat beantragt,
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die Beschwerde zu verwerfen.
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Die Beschwerde sei unzulässig, da der Antragsteller dieselben rechtlichen und tatsächlichen Gesichtspunkte vortrage, die er bereits erstinstanzlich in seinem Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage angeführt habe, ohne diese in eine Beziehung zu den Entscheidungsgründen des Verwaltungsgerichts zu setzen. Im Übrigen sei die Beschwerde auch unbegründet. Es bestehe regelmäßig ein öffentliches Interesse am Erlass einer Nutzungsuntersagung, wenn deren Voraussetzungen vorlägen; an die Begründung seien insofern geringe Anforderungen zu stellen. Unabhängig davon sei der Sofortvollzug ausreichend begründet und dabei nicht nur auf Lärmimmissionen, sondern auch auf die Ordnungsfunktion abgestellt worden. Bei dem Lager- und Abstellplatz handle es sich auch nicht um ein selbständiges Einzelvorhaben, da der Antragsteller selbst einräume, den Platz betrieblich zu nutzen. Eine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit und das Vorliegen eines faktischen Gewerbegebiets würden lediglich behauptet.
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Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten in beiden Instanzen und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.
II.
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Die Beschwerde bleibt erfolglos. Sie ist dahingehend auszulegen (§ 122 Abs. 1, § 88 VwGO), dass der Antragsteller die Aufhebung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts vom 20. Mai 2025 und die Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses vom 20. August 2024 mit dem Ziel begehrt, dass die aufschiebende Wirkung seiner Klage gegen die Nutzungsuntersagung vom 30. April 2024 wiederhergestellt wird.
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Bei summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage, wie sie das Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes kennzeichnet, hat das Verwaltungsgericht den Antrag des Antragstellers auf Abänderung des Beschlusses vom 20. August 2024 und Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Nutzungsuntersagung vom 30. April 2024 nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu Recht abgelehnt. Die allein zu prüfenden Beschwerdegründe (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 und 6 VwGO) rechtfertigen keine Abänderung des verwaltungsgerichtlichen Beschlusses. Die vorzunehmende Abwägung der gegenseitigen Interessen geht zulasten des Antragstellers aus.
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1. Soweit der Antragsteller die formelle Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs beanstandet, genügt er nicht den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO. Das Verwaltungsgericht hat bereits im Beschluss vom 20. August 2024 (Az. RO 7 S 24.1513; BA S. 8) auf den Vortrag des Antragstellers im Antrag vom 27. Juni 2024 ausführlich dargestellt, dass die Anordnung des Sofortvollzugs dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Hiermit setzt sich der Antragsteller nicht auseinander. Die nahezu wortgleiche Wiederholung des erstinstanzlichen Vorbringens mit der Beschwerdebegründung vom 20. Juni 2025, ohne auf die Erwägungen des Verwaltungsgerichts einzugehen, genügt nicht (vgl. BayVGH, B.v. 3.12.2024 – 15 CS 24.1568 – juris Rn. 11).
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2. Das Verwaltungsgericht ist auch zutreffend von einer Genehmigungspflicht und fehlenden Genehmigung des Lager- und Abstellplatzes ausgegangen.
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Der Antragsteller ist der Ansicht, dass der Lager- und Abstellplatz durch die Änderung des Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. b BayBO, wonach Lager- und Abstellplätze seit 1. Januar 2025 (vgl. GVBl. 2024, 605) unabhängig von deren Größe – außer im Außenbereich – verfahrensfrei sind, nicht mehr formell rechtswidrig sei und deshalb die maßgeblich auf die formelle Rechtswidrigkeit gestützte Nutzungsuntersagung keinen Bestand mehr haben könne. Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht darauf abgestellt, dass sich die Genehmigungspflicht des Kfz-Betriebes des Antragstellers auf dem südlich angrenzenden Grundstück auf den unselbständigen Lager- und Abstellplatz erstrecke. Dies ist nicht zu beanstanden.
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Die Verfahrensfreiheit nach Art. 57 Abs. 1 Nr. 15 Buchst. b BayBO gilt nur für selbständige Lager- und Abstellplätze (Lechner/Busse in Busse/Kraus, BayBO, Stand Jan. 2025, Art. 57 Rn. 335; Weinmann in Spannowsky/Manssen, Beck’scher Onlinekommentar Bauordnungsrecht Bayern, Stand 1.5.2025, Art. 57 Rn. 19). Eine Baugenehmigungspflicht besteht somit, wenn der Lagerplatz integrierter Bestandteil einer gewerblichen Nutzung und als Gesamtvorhaben baugenehmigungspflichtig ist (Lechner/Busse in Busse/Kraus, a.a.O., Art. 57 Rn. 325). Dies gilt unabhängig davon, dass die Errichtung des ursprünglichen Kfz-Betriebes abgeschlossen war und der Lagerplatz erst nachträglich durch Erweiterung hinzugekommen ist (vgl. BayVGH, B.v. 2.11.2009 – 9 ZB 08.3021 – juris Rn. 2; Weinmann in Spannowsky/Manssen, a.a.O., Art. 57 Rn. 210).
17
Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf abgestellt, dass es sich bei dem Lager- und Abstellplatz zusammen mit dem Kfz-Betrieb des Antragstellers um eine Nutzungseinheit handelt und der Lager- und Abstellplatz nicht selbständig ist. Die Unselbständigkeit des Lager- und Abstellplatzes ergibt sich schon aus dem eigenen Vortrag des Antragstellers, wonach die tatsächliche Nutzung in einem Kunden- und Mitarbeiterparkplatz für seinen Kfz-Betrieb sowie dem Abstellen von Unfall-Kfz, einem Traktor und einem Lkw, die zu betrieblichen Zwecken benötigt werden, und der Lagerung von u.a. Altreifen besteht. Das Verwaltungsgericht (BA S. 6) geht somit zutreffend von einer räumlichen und funktionalen Eingliederung (vgl. BVerwG, U.v. 15.11.1991 – 4 C 17.88 – juris Rn. 12) des Lager- und Abstellplatzes in den vorhandenen Kfz-Betrieb des Antragstellers aus. Dem tritt die Beschwerde auch nicht substantiiert entgegen. Nicht maßgeblich ist, wie der Antragsteller meint, dass die Errichtung des Kfz-Betriebes zum Zeitpunkt der Errichtung des Lager- und Abstellplatzes bereits abgeschlossen war und nach der ursprünglichen Konzeption des Bauherrn des Kfz-Betriebes kein Zusammenhang bestand. Denn nach dem Betriebskonzept und der vom Antragsteller angegebenen Nutzung des Lager- und Abstellplatzes handelt es sich bei dem Lager- und Abstellplatz offensichtlich um eine Erweiterung seines vorhandenen Kfz-Betriebes und nicht um einen selbständigen Lager- und Abstellplatz.
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2. Unabhängig davon, muss der Antragsteller bei Vorliegen eines verfahrensfreien Vorhabens gleichwohl die materiell-rechtlichen Anforderungen einhalten (Art. 55 Abs. 2 BayBO). Entgegen der Ansicht des Antragstellers liegt auch keine offensichtliche Genehmigungsfähigkeit des Lager- und Abstellplatzes vor.
19
Der – nicht weiter substantiierte – Vortrag, die Umgebung stelle ein faktisches Gewerbegebiet gem. § 34 Abs. 2 BauGB i.V.m. § 8 BauNVO dar, während das Landratsamt im Bescheid vom 30. April 2024 (S. 6) und das Verwaltungsgericht im Beschluss vom 20. August 2024 (Az. RO 7 S 24.1513, BA S. 12 ff.) von einem faktischen Mischgebiet ausgehen, zeigt, dass die planungsrechtliche Einstufung streitig ist. Damit kann nicht ohne ins einzelne gehende Prüfung beurteilt werden, ob die beanstandete Nutzung bauplanungsrechtlich zulässig ist, und somit auch nicht von offensichtlicher Genehmigungsfähigkeit ausgegangen werden (vgl. BayVGH, B.v. 1.10.2024 – 15 CS 24.1320 – juris Rn. 21).
20
Mit dem weiteren Vortrag, die Nutzung des Lager- und Abstellplatzes sei bereits von der bestehenden Baugenehmigung des Kfz-Betriebes gedeckt, wiederholt der Antragsteller wiederum lediglich seinen erstinstanzlichen Vortrag, ohne sich mit der ausführlichen Begründung des Verwaltungsgerichts (vgl. B.v. 20.8.2024 – RO 7 S 24.1513 – BA S. 11, auf den das Verwaltungsgericht im angefochtenen B.v. 20.5.2025 ausdrücklich Bezug nimmt [BA S. 7]) auseinanderzusetzen. Dies genügt den Darlegungsanforderungen des § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO nicht.
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Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 Satz 1, § 52 Abs. 2, § 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG i.V.m. Nr. 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Sie folgt der Festsetzung des Verwaltungsgerichts, gegen die keine Einwendungen erhoben wurden.
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Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).