Inhalt

VGH München, Urteil v. 29.01.2025 – 16a D 23.497
Titel:

Entfernung eines Polizisten aus dem Beamtenverhältnis wegen Steuerhinterziehung im Fahrzeughandel

Normenketten:
BayDG Art. 11, Art. 14
AO § 369 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1, Nr. 2, Abs. 3 S. 1, S. 2 Nr. 1, Abs. 4
BeamtStG § 34 Abs. 1 S. 1, S. 3, § 35 Abs. 1 S. 2, § 47 Abs. 1 S. 2
BeamtStG § 34 S. 1, S. 3 (idF bis 6.7.2021)
BeamtStG § 35 S. 2 (idF bis 6.12.2018)
BayBG Art. 81 Abs. 2 S. 1
BayNV § 6 Abs. 1
Leitsätze:
1. Ein Polizeiobermeister kann aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden, wenn er über einen Zeitraum von eindreiviertel Jahren 21 Einzeltaten der Steuerhinterziehung in Höhe von insgesamt 939.703,58 EUR im Rahmen eines Fahrzeughandels begangen hat, für den er zudem gänzlich oder teilweise ohne Nebentätigkeitsgenehmigung tätig war. (Rn. 41 – 45) (Rn. 50) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ein Grundsatz des Inhalts, dass die disziplinare Höchstmaßnahme von vornherein ausscheidet, wenn die hinterzogenen Steuern nicht wenigstens einen siebenstelligen Euro-Betrag erreichen, besteht nicht. (Rn. 68) (redaktioneller Leitsatz)
Schlagworte:
Entfernung aus dem Beamtenverhältnis, Polizeiobermeister (BesGr. A 8), Außerdienstliche (Umsatz-)Steuerhinterziehung, Ausübung einer ungenehmigten Nebentätigkeit, Polizist, Polizeiobermeister, Steuerhinterziehung, Autohandel, Fahrzeughandel, Umsatzsteuer, ungenehmigte Nebentätigkeit
Vorinstanz:
VG München, Urteil vom 25.01.2023 – M 19L DK 21.6305
Fundstelle:
BeckRS 2025, 1877

Tenor

I. Die Berufung wird zurückgewiesen.
II. Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Tatbestand

1
Der 1989 geborene, ledige, kinderlose und bis auf den streitgegenständlichen Vorwurf nicht straf- und disziplinarrechtlich vorbelastete Beklagte wendet sich mit seiner Berufung gegen das Urteil der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts München vom 25. Januar 2023, mit dem seine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen wurde.
2
Der Beklagte trat am 1. September 2008 als Polizeimeisteranwärter in den Dienst des Klägers. Nach bestandener Qualifikationsprüfung für den Einstieg in der zweiten Qualifikationsebene und den zwischenzeitlichen Ernennungen zum Polizeioberwachtmeister und zum Polizeimeister erfolgte zum 1. Juli 2013 seine Ernennung zum Polizeiobermeister (Besoldungsgruppe A 8) unter gleichzeitiger Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit. Zuletzt wurde der Beklagte bei der Polizeiinspektion Flughafen M. eingesetzt.
3
Im März 2009 beantragte der Beklagte die Genehmigung einer seit September 2008 ausgeübten Nebentätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der Auto-S. Fahrzeughandel GmbH, deren Tätigkeit in der beigefügten Gewerbeanmeldung mit „An- und Verkauf von gebrauchten Kraftfahrzeugen aller Art sowie gelegentlicher Einzelhandel mit Neufahrzeugen“ beschrieben wurde. Gesellschafter der GmbH waren der Beklagte und sein Bruder. Nach seiner Anhörung zur beabsichtigten Ablehnung der Genehmigung teilte der Beklagte mit Schreiben vom 20. November 2009 mit, dass er als Geschäftsführer ausgeschieden und nur noch stiller Teilhaber sei. Mit dem operativen Geschäftsverkehr habe er nichts mehr zu tun.
4
Am 11. Juli 2011 ließ der Beklagte die F. & M. GmbH in das Handelsregister eintragen, deren einziger Gesellschafter und einzelvertretungsberechtigter Geschäftsführer er zu diesem Zeitpunkt war. Der Gegenstand des Unternehmens wurde im Gesellschaftsvertrag auf den An- und Verkauf, die Vermietung von Kraftfahrzeugen und die Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen festgelegt.
5
Im September 2012 beantragte der Beklagte die Genehmigung einer Nebentätigkeit als geschäftsführender Gesellschafter der F. & M. GmbH, welche nach seinen Angaben Kraftfahrzeuge an gewerbliche Kunden vermiete und mit angestelltem Personal Personenbeförderung mit Kraftfahrzeugen (Dialysefahrten) durchführe. Seine Tätigkeit beschränke sich auf Buchführung und Controlling. Hierfür wurde ihm mit Bescheid vom 11. Oktober 2012 eine befristete Nebentätigkeitsgenehmigung erteilt, die mit Bescheid vom 17. Oktober 2013 verlängert wurde. In beiden Bescheiden wurde darauf hingewiesen, dass eine Ausübung der Nebentätigkeit nicht während Zeiten einer Dienstunfähigkeit erfolgen dürfe.
6
Der Beklagte erwarb 2012 das Eigentum an einer Immobilie in W. i.d.Opf. zu einem Kaufpreis in Höhe von 220.000 Euro. Die Immobilie wurde mit einer Grundschuld zugunsten der R...bank in Höhe von 150.000 Euro belastet. Im Jahr 2014 erzielte der Beklagte aus der Vermietung des Objekts Einnahmen in Höhe von 7.200 Euro und 2015 Einnahmen in Höhe von 17.343 Euro. Eine zweite Immobilie ersteigerte der Beklagte 2013 zu einem Preis in Höhe von 106.000 Euro. Der Verkehrswert des Objekts lag zum Zeitpunkt der Versteigerung bei 152.200 Euro. Aus der Vermietung dieser Immobilie erzielte er 2013 Einnahmen in Höhe von 20.355 Euro und 2014 Einnahmen in Höhe von 18.301 Euro. Das Grundstück wurde im ersten Rang mit einer Grundschuld in Höhe von 90.000 Euro zugunsten der U...Credit Bank belastet. Die Ansprüche aus den beiden Mietverhältnissen trat der Beklagte an seine Eltern ab, gegenüber denen er Verbindlichkeiten in Höhe von 50.000 Euro zuzüglich Zinsen hatte.
7
Ab dem 18. Januar 2014 war der Beklagte krankgeschrieben und nicht mehr aktiv im Dienst.
8
Ab April 2014 wurde das Einkommen des Beklagten durch das Finanzamt W. i.d.Opf. wegen offener Steueransprüche gepfändet.
9
Im August 2014 gründete der Beklagte die F. & M. UG (haftungsbeschränkt), deren Stammkapital er zu 100% hielt. 2016 veräußerte er seine UG-Gesellschaftsanteile an seine Mutter, blieb aber weiterhin Geschäftsführer der UG.
10
Am 19. März 2015 wurde dem Beklagten die Führung der Dienstgeschäfte verboten, da gegen ihn wegen des Verdachts, ein Tötungsdelikt begangen zu haben, straf- und disziplinarrechtlich ermittelt wurde. Das zugleich eingeleitete Disziplinarverfahren wurde mit Schreiben vom gleichen Tag bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt.
11
Am 3. Dezember 2018 wurde gegen den Beklagten Anklage erhoben wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in 33 tatmehrheitlichen Fällen. Der Beklagte habe in seiner Funktion als Geschäftsführer der F. & M. GmbH als Teil einer Umsatzsteuerbetrugskette von Januar 2012 bis November 2013 Umsatzsteuervoranmeldungen abgegeben, in welchen er zu geringe steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erklärt und zu hohe Vorsteuererstattungsbeträge geltend gemacht habe. Für Dezember 2013 sowie für Januar bis September 2014 habe er es unterlassen, Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen. Dies sei mit dem Ziel und dem Willen erfolgt, dass spätestens zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt bzw. Abgabezeitpunkt die Umsatzsteuer nicht oder nicht richtig festgesetzt wurde und für einzelne Veranlagungszeiträume zu Unrecht Vorsteuerbeträge zu erlangen, um sich so entsprechende Steuervorteile zu verschaffen. Insgesamt wurde von verkürzten Steuern bzw. erlangten ungerechtfertigten Steuervorteilen in Höhe von 1.095.384,10 Euro ausgegangen.
12
Mit Schreiben vom 16. April 2019, ausgehändigt am 4. November 2019, erfolgte die Ausdehnung des Disziplinarverfahrens auf die Steuerstraftaten, derentwegen der Beklagte angeklagt war. Das Disziplinarverfahren blieb weiterhin bis zum Abschluss des Strafverfahrens ausgesetzt.
13
Mit Schreiben vom 25. Februar 2020 wurde der Beklagte vorläufig des Dienstes enthoben. 50 vom Hundert seiner Dienstbezüge sowie die jährliche Sonderzahlung wurden einbehalten.
14
Im letzten Termin der Hauptverhandlung vor dem Landgericht Regensburg am 16. Juni 2020 räumte der Beklagte nach durchgeführter Beweiserhebung aufgrund einer Verständigung den ihm in der Anklage vom 3. Dezember 2018 zur Last gelegten Sachverhalt mit Ausnahme der Taten im Zeitraum Januar bis Dezember 2012 in objektiver und subjektiver Hinsicht mit der Maßgabe ein, dass er mit der Umsatzsteuerhinterziehung seiner Vorlieferanten rechnete und ihm dies gleichgültig war.
15
Daraufhin verurteilte das Landgericht Regensburg den Beklagten (Az. 7 KLs 157 Js 12813/17 WS), rechtskräftig seit 24. Juni 2020, wegen Steuerhinterziehung in 21 tatmehrheitlichen Fällen – davon sechs besonders schwere Fälle – zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten und einer Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 30,- Euro. Die Vollstreckung der Gesamtfreiheitsstrafe wurde zur Bewährung ausgesetzt.
16
Das Strafgericht stellte hierzu fest, dass der Beklagte als Geschäftsführer seiner mittlerweile insolventen GmbH die ihm obliegenden steuerlichen Pflichten verletzte, indem er zu Unrecht aus den Einkaufsrechnungen seiner Vorlieferanten die ausgewiesene Umsatzsteuer als Vorsteuer geltend machte sowie die sich für die GmbH ergebende Umsatzsteuerzahllast nicht abführte. Der Beklagte bezog mit der F. & M. GmbH Neu-EU-Importfahrzeuge aus Tschechien und Polen und veräußerte diese überwiegend an andere Kfz-Händler sowie an Privatpersonen. Der Beklagte handelte dabei als Bestandteil einer Umsatzsteuerbetrugskette. Dabei wurde von ihm aus Rechnungen Vorsteuer gezogen, obwohl gemäß dem gemeinsamen Plan sein Vorlieferant diesen Umsatz weder erklärte noch die Umsatzsteuer auf diese Lieferungen an das Finanzamt abführte.
17
Der Beklagte unterließ es Nettoumsätze in Höhe von 2.006.077,42 Euro für die Anmeldezeiträume Januar bis November 2013 zu erklären. Zudem machte er in den Monaten Februar, September und November 2013 unberechtigte Vorsteuerbeträge in Höhe von 4.380,24 Euro geltend. Dagegen unterließ er es, in Höhe von 33.789,99 Euro Vorsteuererstattungen zu beantragen, obwohl er hierzu berechtigt gewesen wäre. Insgesamt hinterzog bzw. verkürzte der Beklagte für die oben genannten Anmeldezeiträume Umsatzsteuer in Höhe von 351.744,97 Euro.
18
Für den Anmeldezeitraum Dezember 2013 unterließ es der Beklagte, Nettoumsätze in Höhe von 169.112,76 Euro rechtzeitig zu erklären. In Höhe von 1.202,11 Euro beantragte der Beklagte keine Vorsteuererstattung, obwohl er hierzu berechtigt gewesen wäre. Dadurch hinterzog bzw. verkürzte er für den Anmeldezeitraum Dezember 2013 Umsatzsteuer in Höhe von 30.929,32 Euro.
19
Für die Veranlagungszeiträume Januar bis September 2014 unterließ es der Beklagte zum gesetzlichen Abgabetermin die erforderlichen Umsatzsteuervoranmeldungen einzureichen. Dadurch unterließ er es, Netto-Umsätze in Höhe von insgesamt 3.126.638,49 Euro für die Anmeldezeiträume Januar bis September 2014 rechtzeitig zu erklären. In Höhe von 37.032,02 Euro beantragte er keine Vorsteuererstattung, obwohl er hierzu berechtigt gewesen wäre. Dadurch hinterzog bzw. verkürzte er für diese Anmeldezeiträume Umsatzsteuer in Höhe von 557.029,29 Euro.
20
Der Beklagte handelte jeweils in der Absicht, eine Steuerverkürzung auf Dauer zu bewirken und keine zutreffende Jahressteuererklärung abzugeben. Hinsichtlich der unberechtigt geltend gemachten Vorsteuerbeträge hielt er es jedenfalls für möglich, Steuern zu Gunsten der F. & M. GmbH zu verkürzen und nahm dies billigend in Kauf.
21
Mitte Juni 2020 waren 67.054,77 Euro der Schuld aus hinterzogenen Steuern getilgt und Beträge in Höhe von insgesamt 908.578,46 Euro offen (35.930,65 Euro für das Jahr 2012, 381.050,29 Euro für das Jahr 2013, 491.597,52 Euro für Januar bis September 2014).
22
Hinsichtlich eines weiteren Vorwurfs der Steuerhinterziehung durch falsche nachträgliche Umsatzsteuervoranmeldungen für die Veranlagungszeiträume Januar bis September 2014 stellte die Staatsanwaltschaft das Verfahren vorläufig ein. Dem Beklagten wurde insoweit vorgeworfen, dass er für die Veranlagungszeiträume Januar bis September 2014 am 25. August 2015 falsche nachträgliche Umsatzsteuervoranmeldungen durch seinen Steuerberater einreichen ließ, in welchen er (unter Angabe zutreffender Erlöse) zu hohe Vorsteuererstattungsbeträge geltend machen ließ. Das Finanzamt folgte seinen Falschangaben nicht und setzte die Steuer abweichend fest. Sein Anliegen verfolgte der Beklagte im Rechtsbehelfsverfahren weiter. Die Vorsteuerbeträge wurden ihm auch nicht im Rechtsbehelfsverfahren gewährt. Der Betrag der zu Unrecht geltend gemachten Vorsteuer belief sich in diesem Zeitraum auf 512.796,15 Euro. Davon betrafen 472.142,12 Euro den Versuch der Steuerhinterziehung und 40.654,03 Euro vollendete Steuerhinterziehung.
23
Die Staatsanwaltschaft stellte außerdem das Verfahren hinsichtlich des Vorwurfs des Missbrauchs von Ausweispapieren und hinsichtlich Urkundenfälschung im Zusammenhang mit Rechnungen anderweitig strafrechtlich verfolgter Personen ein. Dem Beklagen wurde vorgeworfen, dass er im Geflecht der Umsatzsteuerbetrugskette, an der er beteiligt war, Kopien von Ausweisdokumenten seiner Kunden und unechte Rechnungen verwendete.
24
Das Strafgericht stellte in der Hauptverhandlung auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren bezüglich der in der Anklage erhobenen Vorwürfe der Hinterziehung von Umsatzsteuer betreffend die Veranlagungszeiträume Januar bis Dezember 2012 ein. Der Vorwurf war darauf gerichtet, dass der Beklagte jeweils in der Absicht Steuern zu verkürzen von Januar 2012 bis Dezember 2012 Umsatzsteuervoranmeldungen für die jeweiligen Voranmeldungszeiträume einreichte, in welchen er zu geringe steuerbare und steuerpflichtige Umsätze erklärte und zu hohe Vorsteuererstattungsbeträge geltend machte. Das Finanzamt sei seinen bewussten Falschangaben gefolgt und habe die Steuer antragsgemäß zu niedrig festgesetzt. Er habe Umsätze in Höhe von 272.517,20 Euro verschwiegen und zu Unrecht Vorsteuer in Höhe von 31.970,08 Euro geltend gemacht. Daraus ergebe sich ein Steuerhinterziehungsbetrag in Höhe von insgesamt 81.729,63 Euro.
25
Mit Schreiben vom 27. April 2021 setzte der Kläger das Disziplinarverfahren fort, dehnte es auf nebentätigkeitsrechtliche Verstöße aus und verfolgte es hinsichtlich des Verdachts eines Tötungsdelikts nicht weiter. Das Ergebnis der Ermittlungen teilte er dem Beklagten mit Schreiben vom 28. Juli 2021 mit und gab ihm Gelegenheit, sich hierzu abschließend zu äußern.
26
Am 7. Dezember 2021 erhob der Kläger Disziplinarklage zum Verwaltungsgericht München mit dem Antrag, den Beklagten aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Zur Begründung wurden ihm die Sachverhalte aus dem Urteil des Landgerichts Regensburg vom 16. Juni 2020 und aus den Einstellungsbeschlüssen im Strafverfahren sowie nebentätigkeitsrechtliche Verstöße vorgeworfen. Die in dem Strafurteil festgestellten Tatsachen seien der Entscheidung im Disziplinarverfahren zugrunde zu legen und bindend. Hinsichtlich der Einstellungsbeschlüsse ergäben sich die Vorwürfe aus den strafrechtlichen Ermittlungen. Insbesondere die umfangreichen Ermittlungen und Auswertungen des sachverständigen Zeugen S. vom Finanzamt R. im Strafverfahren bestätigten den dargestellten Sachverhalt. Eine Einstellung stehe einer Ahndung im disziplinarrechtlichen Verfahren nicht entgegen.
27
Im Verfahren vor der Disziplinarkammer des Verwaltungsgerichts München berief sich der Beklagte auf bereits getilgte Steuerschulden in Höhe von inzwischen rund 74.000 Euro. Ein finanzieller Vorteil für den Beklagten habe allenfalls darin gelegen, dass er Fahrzeuge günstiger habe erwerben können; seine Bereicherung sei weit niedriger gewesen als die für die Steuerhinterziehung genannten Nominalbeträge. Als Zweitunternehmer habe er im Hinblick auf den Erstunternehmer nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt.
28
Er vertrat die Auffassung, die Umstände, hinsichtlich derer eine Einstellung des Strafverfahrens erfolgt sei, seien mangels ausreichender Substantiierung nicht Gegenstand der Disziplinarklage. Zudem habe der Beklagte in der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Strafgericht ein Geständnis gerade nicht für die Steuerhinterziehung 2012 abgegeben. Zu seinen Gunsten gelte die Unschuldsvermutung.
29
Mit Urteil des Verwaltungsgerichts vom 25. Januar 2023 wurde gegen den Beklagten auf die Disziplinarmaßname der Entfernung aus dem Beamtenverhältnis erkannt. Dabei beschränkte das Verwaltungsgericht das Disziplinarverfahren und schied den Vorwurf des Missbrauchs von Ausweispapieren und der Urkundenfälschung sowie der Steuerhinterziehung im Jahr 2012 aus.
30
Gegen dieses Urteil hat der Beklagte Berufung eingelegt. Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die Tatvorwürfe, soweit sie im Strafverfahren eingestellt wurden, nicht Gegenstand der Disziplinarklage und im Übrigen nicht ausreichend ermittelt seien. Zudem wende sich die Berufung gegen die Argumentation des Erstgerichts, wonach es allein auf den Steuerschaden, nicht aber auf die persönliche Bereicherung des Beamten ankomme. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme komme es nicht auf den Hinterziehungsbetrag an, sondern auch auf die Frage, in welcher Höhe dem Fiskus konkret ein Schaden entstanden sei und vor allem ob und inwieweit sich der Beamte dadurch persönlich bereichert habe. Um dem Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung zu tragen, müsse es eine Rolle spielen, ob sich der Beamte persönlich bereichert habe und habe bereichern wollen. Der minimale Gewinn des Beklagten stehe in keinem Verhältnis zu dem nominellen Hinterziehungsbetrag. Vor diesem Hintergrund sei eine Entfernung aus dem Beamtenverhältnis unverhältnismäßig.
31
Der Beklagte beantragt schriftsätzlich,
32
das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 25. Januar 2023 abzuändern und auf eine mildere Maßnahme als die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erkennen.
33
Der Kläger beantragt,
34
die Berufung zurückzuweisen.
35
Er verteidigt im Wesentlichen das angefochtene Urteil und bekräftigt, dass die Vorwürfe, hinsichtlich derer das Strafverfahren eingestellt wurde, Gegenstand der Disziplinarklage seien.
36
Der Senat hat am 29. Januar 2025 mündlich verhandelt. Hierzu wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung Bezug genommen.
37
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die vorgelegten Behörden- und Gerichtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.
38
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder der Bevollmächtigte des Beklagten noch der Beklagte selbst zur mündlichen Verhandlung am 29. Januar 2025 erschienen sind. Der Prozessbevollmächtigte des Beklagten wurde rechtzeitig am 26. November 2024 zur mündlichen Verhandlung geladen. In der Ladung war darauf hingewiesen worden, dass auch beim Ausbleiben eines Beteiligten ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann (Art. 3 BayDG i.V.m. § 102 Abs. 2 VwGO). Daran ändert auch die Mitteilung des Prozessbevollmächtigten des Beklagten, er habe das Mandat niedergelegt, nichts. Wenn – wie im Berufungsverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof (Art. 3 BayDG i.V.m. § 67 Abs. 4 VwGO) – Anwaltszwang besteht, wird der Widerruf der Vollmacht sowie die Niederlegung des Mandats nach Art. 3 BayDG, § 173 VwGO i.V.m. § 87 Abs. 1 Halbs. 2 ZPO gegenüber dem Gericht erst mit der Anzeige der Bestellung eines anderen Prozessbevollmächtigten wirksam. Bis zur Bestellung eines neuen Prozessbevollmächtigten können alle Prozesshandlungen, Zustellungen und anderes gegenüber dem bisherigen Bevollmächtigten vorgenommen werden (SächsOVG, U.v. 31.3.2010 – D 6 A 268/09 – juris Rn. 33 m.w.N.). Ob die vom Beklagten mitgeteilte Autopanne einen erheblichen Grund darstellt, der es unmöglich gemacht hätte, noch am selben Tag den Gerichtstermin wahrzunehmen, kann offenbleiben. Denn es wurde weder vom Beklagten noch von seinem Bevollmächtigten ein Verlegungsantrag gestellt. Gewichtige Gründe, die die persönliche Anwesenheit des Beklagten in der mündlichen Verhandlung zur Aufklärung des Sachverhalts oder zur effektiven Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung erfordert hätten, waren weder vorgetragen noch ersichtlich (vgl. BayVGH, B.v. 8.2.2017 – 11 ZB 17.30041 – juris Rn. 18; B.v. 19.11.2018 – 10 ZB 18.31182 – Rn. 3).
II.
39
Die Berufung ist unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht aus dem Beamtenverhältnis entfernt.
40
1. Der Beklagte hat ein Dienstvergehen begangen, weil er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat.
41
1.1 Der Senat legt seiner Entscheidung die nach Art. 25 Abs. 1, Art. 55 Halbs. 1, Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG bindenden Feststellungen des am 16. Juni 2020 verkündeten, rechtskräftigen Strafurteils des Landgerichts Regensburg zugrunde. Dies betrifft die von dem Beklagten im Zeitraum Januar 2013 bis September 2014 tatmehrheitlich begangenen 21 Einzeltaten der Steuerhinterziehung in Höhe von insgesamt 939.703,58 Euro.
42
Durch dieses Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich und schuldhaft gegen seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) verstoßen. Dieser dem Beklagten zur Last liegende Sachverhalt ist ein außerdienstliches Dienstvergehen gemäß § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG, da die strafbaren Handlungen weder formell in das Amt des Beklagten noch materiell in die damit verbundene dienstliche Tätigkeit eingebunden waren (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 10 m.w.N.). Nach den Umständen des Einzelfalls ist das Verhalten des Beklagten auch in besonderem Maße geeignet, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG). Ein außerdienstliches Fehlverhalten, das keinen Bezug zur Dienstausübung aufweist, löst regelmäßig ein disziplinarrechtliches Sanktionsbedürfnis aus, wenn es sich um eine Straftat handelt, deren gesetzlicher Strafrahmen bis zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren reicht, und der daran gemessene Unrechtsgehalt der konkreten Tat nicht gering wiegt. Durch die Bewertung eines Fehlverhaltens als strafbar hat der Gesetzgeber zu erkennen gegeben, dass er dieses Verhalten als in besonderem Maße verwerflich ansieht. Dies lässt ohne Weiteres darauf schließen, dass das Fehlverhalten das Ansehen des Beamtentums in einer Weise beschädigt, die im Interesse der Akzeptanz des öffentlichen Dienstes in der Bevölkerung und damit seiner Funktionsfähigkeit nicht hingenommen werden kann (vgl. BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 16 f.; B.v. 18.6.2014 – 2 B 55.13 – juris Rn. 11; BayVGH, U.v. 5.2.2014 – 16a D 12.2494 – juris Rn. 35). Dieser Strafrahmen ist hier nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2 AO (5 Jahre) und § 370 Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1 AO (10 Jahre) in der im Zeitpunkt der Beendigung der Tat maßgeblichen Gesetzesfassung (§ 2 Abs. 1 und 2 StGB) erreicht.
43
Außerdem sieht es der Senat als erwiesen an, dass der Beklagte jedenfalls ab Januar 2012 eine Nebentätigkeit durch den Handel mit Kraftfahrzeugen im Rahmen des Geschäftsbetriebs der F. & M. GmbH ausgeübt hat. Die Ausübung dieser Tätigkeit ergibt sich daraus, dass den dem Senat vorliegenden Ermittlungsakten zu entnehmen ist, dass der Beklagte ab Januar 2012 Umsatzsteuervoranmeldungen für den Geschäftsbetrieb seiner GmbH abgegeben hat.
44
Diese Tätigkeit übte der Beklagte zunächst bis September 2012 gänzlich ohne eine Nebentätigkeitsgenehmigung aus und ohne die Nebentätigkeit seinem Dienstherrn anzuzeigen. Ab Oktober 2012 lief die Tätigkeit dem Inhalt der erteilten Nebentätigkeitsgenehmigung zuwider, bei deren Beantragung der Beklagte unwahre Angaben gemacht hatte. Die tatsächlich ausgeübte Nebentätigkeit wurde dem Beklagten zu keinem Zeitpunkt genehmigt. Der vom Beklagten im September 2012 gestellte Antrag auf Genehmigung seiner in Wahrheit nicht erst ab diesem Zeitpunkt, sondern bereits zuvor ausgeübten Nebentätigkeit bezog sich nur auf den Geschäftsgegenstand Kfz-Vermietung und Personenbeförderung (Dialysefahrten) und darauf, dass er diesbezüglich lediglich Buchführung und Controlling durchführe. Nur hierauf bezog sich die daraufhin erteilte und später verlängerte Nebentätigkeitsgenehmigung. Den Handel mit Kraftfahrzeugen hat er ausweislich der bindenden Feststellungen des Landgerichts Regensburg auch noch im Zeitraum seiner Krankschreibung nach dem 18. Januar 2014 bis mindestens Ende September 2014 ausgeübt, obwohl die erteilte Nebentätigkeitsgenehmigung den ausdrücklichen Hinweis enthielt, dass eine Ausübung der Nebentätigkeit nicht während Zeiten einer Dienstunfähigkeit erfolgen darf.
45
Hierdurch hat er vorsätzlich und schuldhaft seine innerdienstliche Gehorsams- und Folgepflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG a.F.), seine Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (§ 34 Satz 3 BeamtStG a.F.) sowie seine Pflicht sich mit vollem persönlichen Einsatz seinem Beruf zu widmen (§ 34 Satz 1 BeamtStG a.F.) und die Vorschriften über die Genehmigung von Nebentätigkeiten (Art. 81 Abs. 2 Satz 1 BayBG, § 6 Abs. 1 BayNV) verletzt.
46
1.2 Hinsichtlich der überdies dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegten Handlungen, die nicht bereits von dem Verwaltungsgericht ausgeschieden wurden (UA Rn. 97 f.), beschränkt der Senat das Disziplinarverfahren (Art. 54 Satz 1 BayDG i.V.m. Art. 63 Abs. 1 Satz 1 BayDG), indem auch die dem Beklagten vorgeworfene Handlung ausgeschieden wird, dass er am 25. August 2015 durch seinen Steuerberater für die Voranmeldungszeiträume Januar bis September 2014 unrichtige Umsatzsteuervoranmeldungen einreichen ließ, in welchen er zu hohe Vorsteuererstattungsbeträge geltend machte. Durch die Straftaten, derentwegen der Beklagte strafrechtlich verurteilt worden ist, wurde bereits ein derart hoher Steuerschaden verursacht, dass die weiteren Taten im gleichen Zeitraum für die Art und Höhe der zu erwartenden Disziplinarmaßnahme nicht ins Gewicht fallen, zumal der Vorwurf überwiegend den Versuch und nur zu einem geringen Teil eine vollendete Steuerhinterziehung beinhaltet.
47
Der Senat geht dabei davon aus, dass die Disziplinarklage diese Handlungen noch hinreichend deutlich erfasst, auch wenn sich dies nur aus einer Gesamtbetrachtung der Klageschrift ergibt. Der Vorwurf der Steuerhinterziehung durch falsche nachträgliche Umsatzsteuervoranmeldungen für die Veranlagungszeiträume Januar bis September 2014 wird einschließlich des Hinterziehungsbetrags in Höhe von 512.796,15 Euro auf S. 9 genannt, wenn auch nur im Zusammenhang mit der Einstellung des Strafverfahrens nach § 154 Abs. 1 StPO. Zudem erfolgt eine Bezugnahme auf die strafrechtlichen und steuerrechtlichen Ermittlungen zu diesem Vorwurf (S. 11 der Klageschrift) und ein Rückgriff auf den nochmals explizit genannten Steuerhinterziehungsbetrag als Begründung dafür, dass insgesamt ein Hinterziehungsbetrag in siebenstelliger Höhe vorliege (S. 15 der Klageschrift). Letzterer wird als Rechtfertigung für die beantragte Entfernung aus dem Beamtenverhältnis genannt (S. 14 f. der Klageschrift). Durch die weitere Beschränkung des Disziplinarverfahrens bedarf es unabhängig vom Vortrag der Beteiligten hinsichtlich dieses Sachverhalts keiner weiteren Ermittlungen.
48
1.3 Hinsichtlich der abgeurteilten Taten umfasst die Bindungswirkung des Strafurteils auch die Feststellung, dass der Beamte vorsätzlich und schuldhaft gehandelt hat (BVerwG, B.v. 25.2.2016 – 2 B 1.15 – juris Rn. 9; BayVGH, U.v. 20.9.2021 – 16b D 19.1302 – juris Rn. 23).
49
Wegen der innerdienstlichen Pflichtverletzungen ist der Senat davon überzeugt, dass der Beklagte im Zeitpunkt der jeweiligen Handlungen Vorsatz auch bezüglich der Pflichtwidrigkeit seines Handelns hatte. Denn dem Beklagten war durch das Nebentätigkeitsgenehmigungsverfahren 2009 bekannt, dass das Handeltreiben mit Kfz für ihn eine genehmigungspflichtige, aber nicht genehmigungsfähige Nebentätigkeit darstellte. Da der Beklagte alleiniger Gründungsgesellschafter und Geschäftsführer seiner GmbH war, war ihm der wahre Geschäftsgegenstand bekannt. Die unvollständigen Angaben hierzu in seinem Antrag auf Erteilung einer Nebentätigkeitsgenehmigung 2012 erfolgten wider besseres Wissen. Ihm war bewusst, dass sich seine Tätigkeit nicht auf Buchführung und Controlling beschränkte. Aufgrund des eindeutigen Hinweises in der Nebentätigkeitsgenehmigung vom 11. Oktober 2012 und der Verlängerung der Genehmigung vom 17. Oktober 2013 war ihm auch bekannt, dass er im Falle seiner Krankschreibung die Nebentätigkeit weder im genehmigten Umfang und erst recht nicht eine ungenehmigte Nebentätigkeit ausüben darf.
50
2. Bei einer prognostischen Gesamtwürdigung sämtlicher be- und entlastender Umstände des Falles ist der Beklagte im Beamtenverhältnis untragbar. Er hat das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit unwiederbringlich verloren (Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG). Ihm kann hinsichtlich einer in Zukunft pflichtgemäßen Amtsausübung kein Vertrauen mehr entgegengebracht werden und die von ihm zu verantwortende Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums ist bei einem Fortbestehen seines Beamtenverhältnisses nicht wiedergutzumachen.
51
Das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit in die Person des Beamten bezieht sich in erster Linie auf dessen allgemeinen Status als Beamter, daneben aber auch auf dessen konkreten Tätigkeitsbereich innerhalb der Verwaltung. Ob und ggf. inwieweit eine Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn vorliegt, ist nach objektiven Gesichtspunkten zu beurteilen. Entscheidend ist nicht die subjektive Einschätzung des jeweiligen Dienstvorgesetzten, sondern die Frage, inwieweit der Dienstherr bei objektiver Gewichtung des Dienstvergehens auf der Basis der festgestellten belastenden und entlastenden Umstände noch darauf vertrauen kann, dass der Beamte in Zukunft seinen Dienstpflichten ordnungsgemäß nachkommen wird. Entscheidungsmaßstab ist insoweit, in welchem Umfang die Allgemeinheit dem Beamten noch Vertrauen in eine zukünftig pflichtgemäße Amtsausübung entgegenbringen kann, wenn ihr das Dienstvergehen einschließlich der belastenden und entlastenden Umstände bekannt würde. Ein endgültiger Vertrauensverlust ist eingetreten, wenn die Gesamtwürdigung der bedeutsamen Gesichtspunkte ergibt, dass der Beamte auch zukünftig seinen Dienstpflichten nicht nachkommen wird oder die Schädigung des Ansehens des Berufsbeamtentums bei seinem Verbleiben im Beamtenverhältnis nicht wiedergutzumachen ist. Dies unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Überprüfung. Ein Beurteilungsspielraum des Dienstherrn besteht nicht (BVerwG, U.v. 20.10.2005 – 2 C 12.04 – juris Rn. 26; U.v. 22.6.2006 – 2 C 11.05 – juris Rn. 24; U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 38; U.v. 2.3.2023 – 2 A 19.21 – juris Rn. 44; U.v. 1.2.2024 – 2 A 7.23 – juris Rn. 32).
52
2.1 Die disziplinarrechtliche Ahndung bis hin zur disziplinaren Höchstmaßnahme ist eröffnet.
53
Zur konkreten Bestimmung der disziplinaren Maßnahmebemessung bei einem außerdienstlichen Dienstvergehen ist auf den Strafrahmen zurückzugreifen, weil der Gesetzgeber mit der Strafandrohung seine Einschätzung zum Unwert eines Verhaltens verbindlich zum Ausdruck gebracht hat. Diese grundsätzliche Ausrichtung am gesetzlichen Strafrahmen gewährleistet eine nachvollziehbare und gleichmäßige disziplinarrechtliche Ahndung der Dienstvergehen und verhindert, dass die Disziplinargerichte ihre jeweils eigene Einschätzung des Gehalts eines Dienstvergehens an die Stelle der Bewertung des Gesetzgebers setzen. Maßgeblich ist damit die Einschätzung des demokratisch legitimierten Gesetzgebers, nicht die Vorstellung des jeweiligen Disziplinargerichts (BVerwG, U.v. 16.6.2020 – 2 C 12.19 – juris Rn. 21 m.w.N.). Begeht ein Beamter eine Straftat, für die das Strafgesetz als Strafrahmen eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren vorsieht, so reicht der Orientierungsrahmen für die mögliche Disziplinarmaßnahme schon bei Straftaten, die keinen besonderen Bezug zu der dienstlichen Stellung des Beamten aufweisen, bis zur Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, U.v. 24.10.2019 – 2 C 3.18 – juris Rn. 29; BayVGH, U.v. 18.12.2024 – 16a D 23.525 – juris Rn. 34).
54
Bei den vom Beklagten außerdienstlich begangenen Umsatzsteuerhinterziehungen handelt es sich – wie dargestellt – um Steuerstraftaten, die das Gesetz mit Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren und in besonders schweren Fällen mit Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren bedroht (§ 369 Abs. 1 Nr. 1, § 370 Abs. 1 Nr. 1 und 2, Abs. 3 Satz 1, Satz 2 Nr. 1, Abs. 4 AO).
55
Unabhängig hiervon kann auch im Falle eines Beamten, der wegen Krankheit längere Zeit keinen Dienst verrichtet, während dieser Zeit aber ohne Nebentätigkeitsgenehmigung einen eigenen Gewerbebetrieb aufbaut und betreibt, nach den Umständen des Einzelfalls die Entfernung aus dem Dienst bzw. nach Eintritt in den Ruhestand, die Aberkennung des Ruhegehalts geboten sein (vgl. BVerwG, U.v. 1.6.1999 – 1 D 49.97 – juris LS).
56
2.2 Die Disziplinarmaßnahme ist insbesondere nach der Schwere des Dienstvergehens, der Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn oder der Allgemeinheit, dem Persönlichkeitsbild und dem bisherigen dienstlichen Verhalten zu bemessen (Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG). Dazu sind die genannten Bemessungskriterien mit dem ihnen im Einzelfall zukommenden Gewicht zu ermitteln und in die Entscheidung einzustellen, um dem im Disziplinarverfahren geltenden Schuldprinzip und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (Übermaßverbot) zu genügen. Die Disziplinarmaßnahme muss unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände des Einzelfalls in einem gerechten Verhältnis zur Schwere des Dienstvergehens und zum Verschulden des Beamten stehen (BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11 – juris Rn. 13 m.w.N.; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 46 f.). Je schwerer das Dienstvergehen wiegt, desto näher liegt die Prognose, dass ein Beamter das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10 – juris Rn. 31 m.w.N.; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 48 f.).
57
Bei der Auslegung des Begriffs „Schwere des Dienstvergehens“ ist vor allem auf das Eigengewicht der Verfehlung abzustellen. Hierfür können bestimmend sein: objektive Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, z.B. Kern- oder Nebenpflichtverletzung, sowie besondere Umstände der Tatbegehung, z.B. Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht der Schuld des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) und unmittelbare Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und für Dritte (z.B. materieller Schaden). Das Dienstvergehen ist nach der festgestellten Schwere einer der im Katalog des Art. 6 BayDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Davon ausgehend kommt es darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Maßnahme geboten ist (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10 – juris Rn. 29 m.w.N.; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 50 f.).
58
2.3 Das von dem Beklagten begangene Dienstvergehen wiegt so schwer, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis indiziert ist.
59
Setzt sich ein Dienstvergehen aus mehreren Dienstpflichtverletzungen zusammen, so bestimmt sich die zu verhängende Disziplinarmaßnahme in erster Linie nach der schwersten Verfehlung (BVerwG, U.v. 8.9.2004 – 1 D 18.03 – juris Rn. 47; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 53 f.).
60
Das ist hier ungeachtet ihrer außerdienstlichen Begehung und des erheblichen Gewichts der innerdienstlichen Pflichtenverstöße des Beklagten die bei Ausübung seiner Nebentätigkeit begangene Steuerhinterziehung in 21 tatmehrheitlichen Fällen, derentwegen er vom Landgericht Regensburg rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten – ausgesetzt zur Bewährung – und einer Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 30,- Euro verurteilt wurde.
61
Die mit diesen Straftaten begangene Pflichtverletzung wiegt schon für sich genommen so schwer, dass die Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis naheliegt. Der Beklagte hat als aus öffentlichen Mitteln alimentierter Polizeivollzugsbeamter in einer Umsatzsteuerbetrugskette die Abgabe von Umsatzsteuervoranmeldungen unterlassen und zu Unrecht Vorsteuerabzüge geltend gemacht und dabei (soweit dies noch Gegenstand dieses Disziplinarverfahrens ist) Steuern in Höhe von 939.703,58 Euro hinterzogen.
62
Jedenfalls unter Berücksichtigung der zusätzlichen innerdienstlichen Verfehlungen ist das Dienstvergehen insgesamt als so schwerwiegend anzusehen, dass die Verhängung der Höchstmaßnahme angezeigt ist. Seine Nebentätigkeit hat er wider besseres Wissen ohne die erforderliche Nebentätigkeitsgenehmigung ausgeübt. Er hat sie seinem Dienstherrn zunächst verschwiegen und dann ihm gegenüber vorsätzlich unwahre Angaben gemacht. Entgegen eines eindeutigen Hinweises übte er die Nebentätigkeit auch noch in erheblichem Umfang längere Zeit während einer Krankschreibung aus.
63
Steuerhinterziehung hat für einen Beamten schon für sich genommen Gewicht. Sie stellt im Hinblick auf den dem Staat verursachten Schaden ein schweres Wirtschaftsdelikt dar (BVerwG, U.v. 9.11.1994 – 1 D 57.93 – juris Rn. 13), da sich der Beamte durch strafbares Verhalten unter Schädigung des Staates – und damit in der Regel auch des eigenen Dienstherrn – persönlich unberechtigt Steuervorteile verschafft, obwohl er öffentliche Aufgaben wahrzunehmen hat und durch Steuermittel alimentiert wird (vgl. BVerwG, U.v. 8.9.2004 – 1 D 18.03 – juris Rn. 47; BayVGH, U.v. 6.12.2013 – 16a D 12.134 – juris Rn. 78).
64
Bei der Entscheidung über die angemessene Disziplinarmaßnahme ist auch die besondere Stellung von Polizeivollzugsbeamten zu berücksichtigen. Polizeivollzugsbeamte – wie der Beklagte – haben Straftaten zu verhüten, aufzuklären und zu verfolgen. Das zur Ausübung ihres Amtes erforderliche Vertrauen wird in besonderem Maße beeinträchtigt, wenn sie selbst erhebliche Straftaten begehen (vgl. BVerwG, U.v. 18.6.2015 – 2 C 9.14 – juris Rn. 39; U.v. 10.12.2015 – 2 C 50.13 – juris Rn. 35 f.). Zugleich wird in erheblichem Maß das Ansehen des Beamten und der Beamtenschaft insgesamt beeinträchtigt, auf das der freiheitliche Rechtsstaat in besonderem Maße angewiesen ist, wenn er die ihm gegenüber der Allgemeinheit obliegenden Aufgaben sachgerecht erfüllen will (OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 62).
65
Dennoch kommt es für die Auswahl der Disziplinarmaßnahme bei außerdienstlich begangenen Steuerhinterziehungen ohne dienstlichen Bezug wegen der großen Variationsbreite der möglichen Verfehlungen, insbesondere wegen der sehr unterschiedlichen Hinterziehungsbeträge, auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls an (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10 – juris Rn. 34; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 63 f.).
66
2.3.1 Erschwerend wirkt sich die Höhe des Steuerhinterziehungsbetrags (939.703,58 Euro) und der damit einhergehende Steuerschaden des Staates durch entgangene Steuereinnahmen aus.
67
Ist der Umfang der hinterzogenen Steuern besonders hoch oder sind mit der Steuerhinterziehung zusätzliche Straftatbestände oder andere nachteilige Umstände mit erheblichem Eigengewicht verbunden, ist jedenfalls eine Zurückstufung angemessen. Während der 2. Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts hiervon bei einem fünf- oder sechsstelligen Betrag ausgeht (vgl. BVerwG, U.v. 21.6.2011 – 2 WD 10.10 – juris Rn. 41; U.v. 11.1.2012 – 2 WD 40.10 – juris Rn. 37), nimmt der 2. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts eine außergewöhnliche Höhe des Hinterziehungsbetrags bei einem sechsstelligen DM-Betrag an (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10 – juris Rn. 34 m.w.N.), was einem Betrag von 51.129,19 Euro entspricht (BayVGH, U.v. 15.2.2012 – 16a D 10.1974 – juris Rn. 64). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts kommt jedenfalls dann in Betracht, wenn der Hinterziehungsbetrag einen siebenstelligen Euro-Betrag erreicht (BVerwG, U.v. 28.7.2011 a.a.O. Rn. 34 und 38; BayVGH, U.v. 6.12.2013 – 16a D 12.134 – juris Rn. 79).
68
Ein Grundsatz des Inhalts, dass die disziplinare Höchstmaßnahme von vornherein ausscheidet, wenn die hinterzogenen Steuern nicht wenigstens einen siebenstelligen Euro-Betrag erreichen, besteht dabei nicht. Eine solche Regel lässt sich auch dem vorgenannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts nicht entnehmen (BVerwG, B.v. 27.12.2017 – 2 B 18.17 – juris Rn. 12 und 23; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 65 f.) Das Urteil betraf außerdienstliche Steuerhinterziehungen ohne jeden Dienstbezug. Weder ließen sie nachteilige Rückschlüsse auf die Erfüllung der Dienstpflichten zu noch waren sie geeignet, die für die Amtsführung unabdingbare Autorität zu beeinträchtigen. Ihre disziplinarrechtliche Relevanz folgte aus dem erheblichen Ansehensschaden, den der seinerzeitige Beklagte durch sein Fehlverhalten herbeigeführt hatte (BVerwG, U.v. 28.7.2011 – 2 C 16.10 – juris Rn. 25).
69
Soweit das Bundesverwaltungsgericht in dem o.g. Urteil ausgeführt hat, die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis bzw. die Aberkennung des Ruhegehalts kämen in Betracht, wenn der Hinterziehungsbetrag einen siebenstelligen Euro-Betrag erreiche, folgt daraus nicht etwa im „Umkehrschluss“, dass die disziplinare Höchstmaßnahme bei geringeren Hinterziehungsbeträgen ungeachtet der weiteren Umstände des Falles ausgeschlossen wäre. Vielmehr kann auch bei geringeren Hinterziehungsbeträgen die Höchstmaßnahme gerechtfertigt sein, wenn im Einzelfall erschwerende Gesichtspunkte hinzutreten (OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 67 f. unter Verweis auf BVerwG, U.v. 26.11.1997 – 1 D 57.97 – juris Rn. 17 ff.).
70
Im Fall des Beklagten ist der Steuerhinterziehungsbetrag mit 939.703,58 Euro gemäß den dargestellten Maßstäben außergewöhnlich hoch, da er deutlich über 51.129,19 Euro liegt.
71
Zusätzlich wirkt sich erschwerend aus, dass sich sein steuerliches Fehlverhalten nicht nur auf eine Tat beschränkte. In dem strafrechtlich abgeurteilten Zeitraum von mehr als eineinhalb Jahren (Januar 2013 bis September 2014) beging der Beklagte 21 selbstständige Steuerstraftaten. In den zwischen den jeweiligen Tathandlungen liegenden Zeiträumen hätte er ausreichend Gelegenheit gehabt, sich des Unrechts seines Verhaltens bewusst zu werden und von seinem rechtswidrigen Handeln Abstand zu nehmen. Diese Gelegenheit hat er nicht genutzt (vgl. BVerwG, U.v. 28.11.2000 – 1 D 56.99 – juris Rn. 30; U.v. 9.9.1997 – 1 D 1.97 – juris Rn. 26; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 81 f.).
72
Hinsichtlich der erschwerend hinzukommenden innerdienstlichen Dienstpflichtverletzungen wegen der Ausübung einer nicht genehmigten und nicht genehmigungsfähigen Nebentätigkeit wirkt sich zu Lasten des Beklagten aus, dass er vorsätzlich handelte und seinen Dienstherrn über seine tatsächlich ausgeübte Nebentätigkeit mit falschen Angaben täuschte. Auch der Umfang und die Dauer sowie der Umstand, dass die nicht genehmigte Nebentätigkeit während einer Krankschreibung längere Zeit in erheblichem Umfang ausgeübt wurde, erhöhen den Schweregrad der Dienstpflichtverletzungen (vgl. BVerwG, B.v. 28.8.2018 – 2 B 4.18 – juris Rn. 20 m.w.N.). Sein Verhalten, mit dem sich der Beklagte kontinuierlich und bewusst über das Nebentätigkeitsrecht hinweggesetzt hat, offenbart eine innere Loslösung aus seiner beamtenrechtlichen Pflichtenstellung und lässt zugleich erkennen, dass er für erzieherische Maßnahmen nicht mehr zugänglich ist (vgl. OVG RhPf, U.v. 27.4.2021 – 3 A 10779/20 – juris Rn. 56).
73
2.3.2 Mildernde Umstände von solchem Gewicht, die trotz der Schwere des Dienstvergehens die Verhängung der Höchstmaßnahme als unangemessen erscheinen lassen, liegen entgegen der Ansicht des Beklagten nicht vor.
74
Hat das Dienstvergehen insgesamt ein solches Gewicht, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis als angemessene Disziplinarmaßnahme indiziert ist, kommt es für die Bestimmung der im konkreten Einzelfall zu verhängenden Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild des Beklagten und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung nach Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere indizierte Maßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11 – juris Rn. 17 m.w.N.; B.v. 1.3.2012 – 2 B 140.11 – juris Rn. 9; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 88 f.). Wiegt das Dienstvergehen schwer, kann das Persönlichkeitsbild des Beamten nur ausnahmsweise die Disziplinarmaßnahme noch im Sinne einer Milderung beeinflussen (BVerwG, B.v. 15.4.2009 – 2 B 1.09 – juris Rn. 7; BayVGH, U.v. 6.12.2013 – 16a D 12.134 – juris Rn. 75).
75
Ein von der Rechtsprechung anerkannter (klassischer) Milderungsgrund, der zum Absehen von der Höchstmaßnahme führen könnte, liegt nicht vor. Für eine Verminderung der Schuldfähigkeit des Beklagten, ein Handeln in einer unverschuldeten ausweglosen wirtschaftlichen Notlage, ein einmaliges persönlichkeitsfremdes Handeln in einer besonderen Versuchungssituation, eine schockartig ausgelöste psychische Ausnahmesituation oder eine schwierige, zwischenzeitlich überwundene negative Lebensphase, die den Beklagten zum Zeitpunkt der Tatbegehung aus der Bahn geworfen hatte, oder für ein Handeln aus altruistischen Motiven gibt es keine Anhaltspunkte.
76
Ebenso wenig kann ein tätiges Abrücken des Beklagten von seiner Tat durch eine freiwillige Wiedergutmachung des Schadens oder die Offenbarung des Fehlverhaltens vor der Aufdeckung festgestellt werden (vgl. z.B. BayVGH, U.v. 30.1.2013 – 16b D 12.71 – juris Rn. 114). Der Milderungsgrund der freiwilligen, vollständigen und vorbehaltlosen Offenbarung des Fehlverhaltens vor Tatentdeckung durch einen bisher unbescholtenen Beamten (vgl. BVerwG, U.v. 10.12.2015 – 2 C 6.14 – juris Rn. 33 m.w.N.) scheidet aus. Der Beklagte hat seine Taten erst am Ende der Hauptverhandlung des Strafverfahrens nach Abschluss einer umfangreichen Beweisaufnahme eingeräumt.
77
Angesichts der Höhe des angerichteten Steuerschadens kommt dem Beklagten nicht entscheidend zugute, dass er einen Teil seiner Steuerschulden zurückgezahlt hat. Abgesehen davon, dass es sich hierbei nur um einen geringen Bruchteil des zu zahlenden Gesamtbetrags handelt, zu dessen Begleichung der Beklagte ohnehin verpflichtet ist, erfolgte die Zahlung in erster Linie im Wege der Zwangsvollstreckung (Pfändung) und nicht durch freiwillige Mitwirkung des Beklagten. Es bestehen hingegen sogar Anhaltspunkte, dass er Vermögenswerte (Mietforderungen, Gesellschaftsanteile) auf andere Personen übertragen hat, um diese dem Zugriff der Finanzbehörden zu entziehen. Letzteres bedarf jedoch keiner weiteren Aufklärung, weil es hierauf nicht ankommt. Auch ohne dieses Verhalten des Beklagten läge in der bislang erfolgten Begleichung offener Forderungen kein hinreichender Milderungsgrund. Der anerkannte Milderungsgrund der Wiedergutmachung des Schadens setzt voraus, dass der Beamte den herbeigeführten Schaden in voller Höhe freiwillig und ohne Furcht vor konkreter Entdeckungsgefahr ausgleicht. Dies ist nach Aufdeckung der Pflichtenverstöße naturgemäß nicht mehr möglich (stRspr BVerwG, B.v. 3.7.2007 – 2 B 18.07 – juris Rn. 11 m.w.N.).
78
Stehen dem Beklagten keine in der Rechtsprechung anerkannten Milderungsgründe zur Seite, bedeutet dies nicht, dass die entlastenden Aspekte seines Persönlichkeitsbildes bei der Maßnahmebemessung unberücksichtigt bleiben dürften. Sie sind vielmehr auch dann, wenn sie keinen der anerkannten Milderungsgründe verwirklichen, insgesamt mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen (BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11 – juris Rn. 25; B.v. 20.12.2013 – 2 B 35.13 – juris Rn. 21; B.v. 23.2.2012 – 2 B 143.11 – juris Rn. 13.; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 95 f.).
79
Dabei bieten die anerkannten Milderungsgründe Vergleichsmaßstäbe für die Bewertung, welches Gewicht entlastenden Gesichtspunkten in der Summe zukommen muss, um eine Fortsetzung des Beamtenverhältnisses in Betracht ziehen zu können. Generell gilt, dass deren Gewicht umso größer sein muss, je schwerer das Dienstvergehen im Einzelfall wiegt (BVerwG, U.v. 25.7.2013 – 2 C 63.11 – juris Rn. 25; B.v. 20.12.2013 – 2 B 35.13 – juris Rn. 21; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 97 f.).
80
Die Voraussetzungen für die Verhängung der disziplinaren Höchstmaßnahme sind aber auch unter Einbeziehung des gesamten Persönlichkeitsbildes des Beklagten gegeben. Das über den Beklagten am 16. Februar 2019 erstellte Persönlichkeitsbild zeigt keine besonderen positiven Eigenschaften, die auch nur ansatzweise die Schwere seiner Dienstpflichtverletzung verringern könnten. Es zeigt vielmehr ein gemischtes Bild eines Beamten mit einerseits gesteigerten Fachkenntnissen in einem spezifischen Tätigkeitsbereich (illegale Veränderungen von Fahrzeugen), aber andererseits auch eine Neigung, unwahre Äußerungen im dienstlichen Umfeld zu tätigen.
81
Auch die fehlende strafrechtliche und disziplinare Vorbelastung, und die – wenn auch nur relativ kurze – unbeanstandete Dienstausübung und die Leistungsbeurteilung des Beklagten haben weder für sich genommen noch in der Gesamtschau mit den bereits angesprochenen Gesichtspunkten ein anderes Abwägungsergebnis zur Folge. Hierbei handelt es sich um Gesichtspunkte, die für Beamte generell Geltung beanspruchen (sollten). Dass ein Beamter nicht straffällig oder disziplinar auffällig wird und im Dienst ordentliche Leistungen erbringt, dürfen sowohl der Dienstherr als auch die Allgemeinheit als selbstverständliches Bemühen erwarten. Selbst eine langjährige beanstandungsfreie Dienstleistung fällt jedenfalls bei gravierenden Dienstpflichtverletzungen, wie sie hier in Rede stehen, neben der Schwere des Dienstvergehens in aller Regel nicht durchgreifend mildernd ins Gewicht. Denn jeder Beamte ist verpflichtet, dauerhaft bestmögliche Leistungen bei vollem Einsatz der Arbeitskraft zu erbringen und sich innerhalb und außerhalb des Dienstes achtungs- und vertrauenswürdig zu verhalten. Die langjährige Erfüllung dieser Verpflichtung kann nicht dazu führen, dass die Anforderungen an das inner- und außerdienstliche Verhalten abgesenkt werden (BVerwG, B.v. 23.1.2013 – 2 B 63.12 – juris Rn. 13 m.w.N.).
82
Letztlich kann es auch nicht als mildernder Umstand gewertet werden, dass der Gewinn des Beklagten geringer war, als der Betrag der hinterzogenen Umsatzsteuer. Hinter diesem Umstand steht kein redliches Motiv des Beklagten. Vielmehr war der Beklagte bereit, zur Erzielung dieses Gewinns einen bedeutend höheren Steuerschaden und damit letztlich einen Schaden für seinen Dienstherrn und die Allgemeinheit zu verursachen.
83
Ebenso wirkt sich der Einwand des Beklagten nicht mildernd aus, dass er im Hinblick auf seine Lieferanten nur mit bedingtem Vorsatz gehandelt habe. Vielmehr wäre von ihm als Polizeivollzugsbeamter zu erwarten gewesen, dass er deren Straftaten erforscht bzw. anzeigt (§ 163 Abs. 1 Satz 1 StPO), wenn er mit der Umsatzsteuerhinterziehung seiner Vorlieferanten rechnete, was er am 16. Juni 2020 vor dem Strafgericht eingestandenen hat.
84
Auch die Verfahrensdauer kann sich nicht als mildernder Umstand auswirken. Ergibt – wie im vorliegenden Fall – die für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme erforderliche Gesamtwürdigung aller erschwerenden und mildernden Umstände des Dienstvergehens, dass die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis geboten ist, kann davon nicht abgesehen werden, weil das Disziplinarverfahren unangemessen lange gedauert hat. Ein Verbleib im Beamtenverhältnis ausschließlich aufgrund einer überlangen Verfahrensdauer lässt sich nicht mit dem Zweck der Disziplinarbefugnis, nämlich dem Schutz der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung und der Integrität des Berufsbeamtentums, vereinbaren. Diese Schutzgüter und der Grundsatz der Gleichbehandlung schließen aus, dass ein Beamter weiterhin Dienst leisten und als Repräsentant des Dienstherrn auftreten kann, obwohl er durch ein gravierendes Fehlverhalten untragbar geworden ist. Die Dauer des Disziplinarverfahrens ist nicht geeignet, das von dem Beamten zerstörte Vertrauensverhältnis wiederherzustellen (BVerwG, B.v. 10.10.2014 – 2 B 66.14 – juris Rn. 7; B.v. 22.10.2018 – 2 B 30.18 – juris Rn. 8 f.; BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 191).
85
3. Die Verhängung der Höchstmaßnahme verstößt nicht gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Entfernung eines Beamten aus dem Dienst als disziplinare Höchstmaßnahme verfolgt neben der Wahrung des Vertrauens in die pflichtgemäße Aufgabenerfüllung durch die öffentliche Verwaltung den Zweck der Gleichbehandlung und der Wahrung des Ansehens des öffentlichen Dienstes. Ist durch das Gewicht des Dienstvergehens und mangels hinreichender Milderungsgründe das Vertrauen zerstört und kann deshalb nicht davon ausgegangen werden, der Beamte werde dem Gebot, seine Aufgaben pflichtgemäß zu erfüllen, zukünftig Rechnung tragen, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als erforderlich und geeignet, um den aufgezeigten Zwecken des Disziplinarrechts Geltung zu verschaffen. Abzuwägen sind dabei das Gewicht des Dienstvergehens und der dadurch eingetretene Vertrauensschaden einerseits und die mit der Verhängung der Höchstmaßnahme einhergehende Belastung andererseits. Ist das Vertrauensverhältnis – wie hier – endgültig und grundlegend zerstört, erweist sich die Entfernung aus dem Dienst als angemessene Reaktion auf das Dienstvergehen. Die Auflösung des Dienstverhältnisses beruht auf der schuldhaften Pflichtverletzung durch den Beamten und ist diesem daher als vorhersehbare Rechtsfolge bei derartigen Pflichtverletzungen zuzurechnen (stRspr BVerwG, U.v. 14.10.2003 – 1 D 2.03 – juris Rn. 49; U.v. 8.3.2005 – 1 D 15.04 – juris Rn. 49; OVG NW, U.v. 18.9.2019 – 3d A 86/18.O – juris Rn. 115 f.). Die darin liegende Härte für den Beamten ist nicht unverhältnismäßig. Sie beruht auf dem ihm zurechenbaren vorangegangenen Fehlverhalten, wobei es für ihn vorhersehbar war, dass er hiermit seine berufliche Existenz aufs Spiel setzte. Der Beklagte hat ein besonders schweres Fehlverhalten gezeigt und damit die Vertrauensgrundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses endgültig zerstört. Seine Entfernung aus dem Dienst ist die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden (BayVGH, U.v. 24.5.2017 – 16a D 15.2267 – juris Rn. 193).
III.
86
Die Kostenentscheidung beruht auf Art. 72 Abs. 1 BayDG.
87
Das Urteil ist mit seiner Verkündung rechtskräftig geworden (Art. 64 Abs. 2 BayDG).